Monatsarchiv für Juli 2010

Rechtsanwalt bewertet Deo-Pflicht am Arbeitsplatz

Auch ein Rechtsanwalt konnte sich den Vorschlag „Deo-Pflicht“ am Arbeitsplatz nicht anders als ein Produkt des Sommerlochs bei den Medien und den Auswirkungen der extremen Sommerhitze erklären.

Rechtsanwalt M. Felser schreibt in seinem Blogartikel „Deo-Pflicht im Büro und am Arbeitsplatz“:

…Erst die Sommerhitze und das WM Ende brachte den an Originalität kaum zu überbietenden Vorschlag der sehr gepflegt und frisch deodoriert dreinschauenden Verbandschefin (sie nutzt immerhin klimaschützende Deoroller) in die Schlagzeilen. Um dem Vorschlag noch eine Spitze aufzusetzen, fordert sie die Abmahnung aller Andersdenkenden, bzw. -riechenden…

Wie der Vorschlag, der Chemikaliensensible und Allergiker erschüttert, aufhorchen ließ, aus rechtlicher Sicht zu sehen ist, brachte RA Felser mit zwei Sätzen auf den Punkt:

Arbeitsrechtlicher Unsinn, da werden sich alle Arbeitsrechtler einig sein, der geschätzte Kollege Reuter aus Berlin hat sich zwar noch nicht pointiert geäußert. Das arbeitgeberseitige Direktionsrechts reicht allerdings nicht bis in die Achselhöhlen …

Dem Rechtsanwalt war der CSN Blog „Deo-Pflicht für Angestellte“ in die Hände gefallen und er befand:

…Den Allergikern und Natürlichriechenden stinkt die Idee daher zu Recht. Gegen Lärm kann man Kopfhörer aufsetzen, gegen Unsinn die Ohren zuhalten oder den Artikel einfach nicht zu Ende lesen, auch gegen Hitze kann man sich schützen. Gegen Deos hilft kein Luftanhalten. Deos sind eine Zwangsbeglückung Dritter, pure Chemie und übertünchen im Übrigen nur, beseitigen aber keinen Körpergeruch. Und Duft ist eine Geschmackssache. Was der eine als aufregend empfindet, riecht für jemand anderes einfach nur penetrant. Einige Deos erinnern gar geruchlich an die grünen Steine, mit denen man keramische Einrichtungen geruchsfrei hält.

Insgesamt gibt sich Rechtsanwalt Felser jedoch gelassen, er meint, dass sich die Vorstandsvorsitzende Ursula Frerichs nicht durchsetzen wird mit ihrem Wunsch nach Deo-Zwang am Arbeitsplatz. In seinem Blog schreibt der Anwalt:

…Da ist noch wahrscheinlicher, dass Deos am Arbeitsplatz verboten werden. Wegen der Explosionsgefahr.

Darüber, wie er persönlich zu duftenden Deos steht, ließ Rechtsanwalt Felser keine Verhandlungsbasis offen, er verriet dem Blogleser: „An meine Haut lasse ich nur Wasser und meine bessere Hälfte.“

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. Juli 2010

Photo: Jahreed für CSN

Vielen Dank an Rechtsanwalt Michael Felser für die freundliche Genehmigung, seinen Blog zitieren zu dürfen!

Literatur:

  • Rechtsanwalt Michael W. Felser, Deopflicht im Büro und am Arbeitsplatz, Blog Felser, 15. Juli 2010
  • Silvia K. Müller, Folgen einer Deo-Pflicht für Angestellte, CSN Blog, 13. Juli 2010.

Weitere interessante CSN-Artikel zum Thema:

Folgen einer Deo-Pflicht für Angestellte

Vorsitzende eines Unternehmerverbandes will Deo-Pflicht einführen

In einem Interview mit der Zeitschrift FOCUS ließ die Vorsitzende des Verbandes für mittelständische Unternehmer verlauten, dass sie sich für eine Deo-Pflicht in Betrieben einsetzen will. Ursula Frerichs findet es unangenehm, wenn jemand nach Schweiß riecht. (1) Als der Journalist im Interview fragte, wie man sich eine Umsetzung vorstellen könne, ließ Frau Frerichs keinen Zweifel daran, wie ernst sie ihr Vorhaben empfindet. Angestellte in Betrieben sollen sich möglichst mehrfach pro Tag mit Deo einsprühen und wenn es nach ihr ginge, soll dies sogar durch betriebsfremde „Schnüffler“ überprüft werden. Wer trotz Deo-Pflicht stinkt, dem sollen Abmahnungen ins Haus stehen.

Chemikaliensensible Mitmenschen sind erschüttert vom Ansinnen der Verbandsvorsitzenden, sie fürchten, dass damit der verbliebene kleine Rest ihrer Lebensqualität gänzlich verloren geht und sie, wenn sich dieser Vorschlag durchsetzt, unausweichlich körperliche Reaktionen in vielen Situationen anstehen. Eine chemikaliensensible Frau hat deswegen bereits Anzeige gegen die Verbandsvorsitzende erstattet, sie hält das Vorhaben u.a. für eine vorsätzliche Aufforderung zur Körperverletzung.

Systematisch ausgrenzt durch Duftstoffwahn

Was für die Zeitungen eine willkommene Sommerschlagzeile war, lässt Asthmatikern, Allergikern, Migräne-Patienten und Menschen mit Chemikalien-Sensitivität aufhorchen, denn durch eine solche Maßnahme würde ihnen die Möglichkeit genommen, ihre Arbeit in einem Betrieb mit forcierter „Deo-Pflicht“, ohne gesundheitliche Einschränkungen leisten zu können. Nicht wenige müssten sogar kündigen, weil Reaktionen bis hin zu Lebensgefahr zu erwarten wären und die eingeschränkte Gesundheit einfach nichts anderes zulässt.

Deos sind zum Großteil üble Chemikaliengemische

Um zu wissen, was die Inhaltsstoffe für die Gesundheit bedeuten, die auf Deo-Spraydosen und Deo-Rollern angegeben sind, muss man fast ein Chemiker oder Toxikologe sein. Sollte der Käufer sich die Mühe machen, die Inhaltsstoffe zu identifizieren, muss er sich außerdem darüber im Klaren sein, dass nicht alles deklariert ist, was im Produkt enthalten ist – „Produktgeheimnis“ nennen dies die Hersteller. (2)

Gesundheitsprobleme durch Duftstoffe

Für einen erheblichen Anteil der Menschen mit Krankheiten, die durch Duftstoffexposition verschlimmert werden, insbesondere Chemikaliensensible, würde eine „Deo-Pflicht“ und der damit verbundene zwangsläufige extensive Einsatz von Deos sogar bedeuten, dass sie normale Geschäfte oder Handwerksbetriebe nicht mehr betreten können. Atembeschwerden, schwere Asthmaattacken, Kopfschmerzen, Übelkeit, Schwindel, Konzentrationsverlust, bis zu Bewusstlosigkeit reichen die Reaktionen, die berichtet werden. Sogar mit anaphylaktischen Schocks muss bei hypersensibilisierten Personen gerechnet werden.

Deo für alle – giftige Chemikalien für alle

Oft wird von Laien vermutet, dass nur allergische oder „empfindliche“ Personen auf Duftstoffe oder beduftete Produkte reagieren. Ein Blick auf die Inhaltsstoffliste vieler Deo-Sprays lehrt einen ein Besseres, zu den Inhaltsstoffen gehören z.B. Butanol, Propanol, Dipropylen Glycol, BHT, CETEARETH-12, Kampfer, Cumarin, Triclosan, Lilial, Limonene, Linalool, Geraniol, denaturierter Alkohol, Aluminium, usw. (3)

Aber es sind nicht nur die Deo-Sprays, auch Deo-Roller oder Deo-Sticks enthalten genauso toxische Substanzen, die sich krebserregend, immunschädigend, sensibilisierend, Organ- und fortpflanzungsschädigend, neurotoxisch, irritativ auf die Haut, Augen und Atemwege auswirken. (3)

Deo-Pflicht – Statt Umsatzplus, eher Umsatzverlust zu erwarten

Der Bevölkerungsgruppe, die bereits Probleme mit Duftstoffen hat, würde mit einer „Deo-Pflicht“ in mittelständischen Betrieben in schwerwiegenderen Fällen die Möglichkeit genommen, sich einen Handwerker in die eigenen vier Wände zu rufen. Ob sich das Handwerk oder andere Betriebe mit Publikumsverkehr das leisten können? Eine Studie von 2009 stellte fest, dass sich 30,5% der Bevölkerung durch Duftstoffe belästigt fühlt. Schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen beklagten in der Studie 19% der Teilnehmer, die aus der Allgemeinbevölkerung stammten. (4)

  • Fast jeder zweite in Deutschland leidet unter Allergien
  • Duftstoffallergie gilt als die zweithäufigste Allergie nach Nickel
  • Asthma hat laut Fachverband der Lungenfachärzte rund 30% der Bevölkerung
  • Bei MCS geht man davon aus, dass ca. 15% der Bevölkerung leicht bis mittelschwer betroffen sind
  • Migräne betrifft etwa 10% der Bevölkerung
  • Schwangere fühlen sich in der Regel durch Düfte „belästigt“

Hinzu kommen Menschen mit Vernunft und Gesundheitsbewusstsein, die chemische Düfte einfach ablehnen, weil sie überflüssig, gesundheitsschädlich und umwelt-verschmutzend sind.

Was sagt die Wissenschaft zu Beduftung ohne Ausweichmöglichkeit?

In der Süddeutschen Zeitung brachte der Duftforscher Hanns Hatt am Beispiel Duftmarketing auf den Punkt, wo das eigentliche Problem steckt, wenn man zu einer Zwangsbeduftung übergeht:

„Heimtückisch am Duftmarketing sei, erklärt Hanns Hatt, dass wir den Düften nicht entkommen können: „Ich kann die Augen zumachen oder die Ohren zuhalten, aber ich kann natürlich nicht verhindern, dass ich einen Duft in die Nase kriege. Wir müssen schließlich atmen und mit der Atemluft werden immer Düfte aufgenommen.“ (5)

Nur, im Fall von Duftmarketing wird man mit einer einzigen Duftkomposition konfrontiert. Unproblematisch ist dies zwar auch meist nicht, wie Berichte offenbaren, ungleich problematischer wird es jedoch, wenn die von der Vorstandsvorsitzenden der mittelständischen Betriebe geforderte Deo-Pflicht z.B. in einem Großraumbüro zum Tragen kommt. Duftnoten für Deos werden individuell ausgesucht und somit kann an einem Arbeitsplatz mit 50 Angestellten mit mindestens 20-40 verschiedenen Duftnoten (Chemikaliencocktails) gerechnet werden. Wie Angestellte vorgehen sollen, um nicht verschwitzt zu riechen, teilte Ursula Frerichs im Interview dem Journalisten des Focus am eigenen Beispiel mit. Weil der Journalist in einem Großraumbüro arbeitet, habe er sich am Morgen dreimal links und dreimal rechts mit Deo eingesprüht und fragte, ob das in Ordnung sei. Er bekam den Rat, weil er in einem Großraumbüro arbeitet: „Dann sollten Sie das auch gerne öfter machen.“

Integration von Behinderten und Allergiker durch Duftstoffverbot in Betrieben

In USA und Kanada ist man sich über die Auswirkungen der Chemikalien in Parfüms, Deos und Duftstoffen bewusster, und es gibt immer mehr Betriebe, Behörden, Krankenhäusern, Schulen und Universitäten, die ein Duftstoffverbot verhängen. Damit soll den Menschen, die auf Duftstoffe und Chemikalien reagieren, die Möglichkeit gegeben werden, dennoch einer Arbeit nachgehen zu können oder eine Schule, Universität zu besuchen. Diese Vorgehensweise wurde in einigen Fällen freiwillig eingeführt, in anderen Fällen vor Gericht erzielt, weil durch Chemikalien-Sensitivität (MCS) behinderte Personen gesundheitlich zu Schaden kamen.

Organisiertes Vorgehen, der Gesundheit zuliebe

Weil die zunehmende Verwendung von Duftstoffen auf Arbeitsplätzen zu krankheitsbedingten Fehlzeiten führt, haben sich in den USA 2008 mehrere Vereinigungen aus Gesundheitsberufen, u.a. Krankenschwesternverbände, zusammengetan, um ein Duftverbot an Arbeitsplätzen durchzusetzen und Leitlinien zu entwickeln. Es gab eine Videokonferenz der Vereinigung, bei der Evie Bain, eine der Moderatorinnen, sagte: “Asthma und Migränekopfschmerzen können in Zusammenhang mit Exposition gegenüber Duftstoffen stehen, und beides sind Hauptursachen für Arbeitsfehlzeiten”.

“Asthma ist eine schwerwiegende Krankheit und kann durch die Exposition gegenüber synthetischen Duftstoffen verursacht werden”, erläuterte Bain damals und fügte an, “Das Institut für Medizin platzierte Duftstoffe in die gleiche Kategorie der Asthmaauslöser für Erwachsene und Schulkinder, wie Passiv -Zigarettenrauch.“ (6)

Behörden warnen vor Duftstoffen in Innenräumen

Das deutsche Umweltbundesamt gab in den vergangenen Jahren mehrere Mitteilungen heraus, in denen man vor dem Einsatz von Duftstoffen warnte. In einer Meldung aus dem Jahr 2000 geht deutlich hervor, wie das UBA zu Duftstoffen in Innenräumen steht (7-9):

„Da davon auszugehen ist, dass öffentliche Gebäude, zum Beispiel Kaufhäuser, Kinos, und so weiter, auch von empfindlichen oder bereits sensibilisierten Personen betreten werden, wird dringend empfohlen, im Sinne des Verbraucherschutzes dort Riech- und Aromastoffe nicht zu verwenden. (7)

Die bei Überschriften einer Pressemitteilung des Umweltbundesamtes vom 15.07.2004 lautete:

Duftstoffe nicht wahllos einsetzen

UBA, Industrie und Verbände bei Kriterien einig: gesundheitliche Unbedenklichkeit, Umweltverträglichkeit und Rücksicht auf empfindliche Personen.

Die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA, setzte Juni 2010 ebenfalls ein unübersehbares Zeichen. Eine Konferenz mit mehr als 300 Experten zum Thema Asthma, wurde duftfrei ausgerichtet. Die EPA teilte in der Einladung mit: (10)

Asthma-freundliche Umgebungen sind unsere Aufgabe – Bitte helfen Sie uns, eine duftstofffreie Veranstaltung zu ermöglichen, indem Sie duftfreie Körperpflegemittel verwenden und auf Parfüms und andere Reizstoffe verzichten.

Anzeige wegen Aufforderung zu vorsätzlicher Körperverletzung

Um dem vorzugreifen, dass in Deutschland tatsächlich eine solche „Deo-Pflicht“ in mittelständische Betrieben eingeführt wird und Chemikaliensensible, wie auch andere sensibilisierte Menschen, unnötigerweise gesundheitlichen Schaden davontragen, hat eine chemikaliensensible Frau aus Berlin gleich nach Bekanntwerden Anzeige erstattet. Für sie ist dieses angestrebte Unterfangen u.a. eine Aufforderung zu vorsätzlicher Körperverletzung, Diskriminierung von Behinderten und Nötigung. Andere MCS-Erkrankte signalisierten, dass sie nachziehen wollen, wenn die „Deo-Pflicht“ tatsächlich näher in Betracht gezogen werden sollte. Wie Schadenfälle ausgehen, konnte in den USA mehrfach beobachtet werden. In Detroit gewann eine Arbeitnehmerin einen Prozess, in dem sie nicht nur 100 000$ Schadensersatz erhielt, sondern der auch dazu führte, dass nun alle Behörden in der Stadt ein Duftstoffverbot eingeführt haben. (11)

Weit hergeholt ist die Einschätzung der Frau, die selbst unter schwerer MCS leidet, nicht, ganz im Gegenteil, denn dass Menschen mit MCS durch Duftstoffe schon in geringen Konzentrationen schwerste Reaktionen erleiden, ist bekannt und durch Studien zweifelsfrei dargelegt. Selbst eine Einschränkung der Hirnfunktion nach kurzzeitiger Duftstoffexposition konnte bei MCS Patienten im Jahr 2009 von spanischen Wissenschaftlern nachwiesen werden. (12)

Es bleibt abzuwarten, ob und wie der Staatsanwalt im aktuellen Fall die Gefahr einschätzt, die durch Freisetzung von erheblichen Mengen von Deo-Spray entsteht. Dass nicht ausschließlich die Gesundheit von Menschen gefährdet wird, sondern auch die Außenluft, die jeder zwangsläufig atmen muss, dadurch kontaminiert wird, wurde durch ein Gerichtsurteil in Kalifornien offenkundig. In diesem umweltbewussten US-Bundesstaat musste im März 2010 ein Deo- Hersteller über eine Million Dollar Strafe wegen Luftverschmutzung zahlen und erhielt erhebliche Auflagen. (13)

Körperpflege statt Deo-Zwang

Duftstoffe lassen unangenehmen Körpergeruch nicht verschwinden, sie sind ausgelegt, ihn zu überdecken und addieren ganz einfach Chemikalien oder duftende Substanzen hinzu. Das kann schnell zu einem unangenehmen Geruchsmix führen, vor allem wenn Kleidung nicht gepflegt ist und die Körperhygiene vernachlässig wurde. Eine noch bedenklichere Variante sind 24h oder 48h Antiperspirants, sie unterdrücken das Schwitzen, was auf Dauer sehr ungesund ist und in wichtige Regulationsmechanismen des Körpers eingreift. Tägliche Körperpflege, sorgsame Reinigen der Kleidung und gute Lüftung in Innenräumen sind nahezu immer im Stande, unangenehme Körpergerüche im Rahmen des Erträglichen zu halten.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 13. Juli 2010

Literatur:

  1. Focus, Deopflicht, Wer stinkt fliegt raus, 6.7.2010
  2. Silvia K. Müller, Das Geheimnis von Parfüms, Studie findet Chemikalien, CSN, 12.05.2010
  3. Skin Deep, Safety guide to cosmetics and personal care products, Environmental Working Group, 2010
  4. Silvia K. Müller, Bevölkerung durch Duftstoffe und Parfums gesundheitlich beeinträchtigt, CSN, 02.04.2009
  5. Süddeutsche, Duftforschung – Gerüchen kann man nicht entkommen, 22.6.2010
  6. Silvia K. Müller, Synthetische Duftstoffe stellen für 20% der Angestellten ein Gesundheitsrisiko dar, CSN Blog, 16. 09.2008.
  7. Umweltbundesamt, Duft- und Aromastoffe nicht unüberlegt in Innenräumen einsetzen, 14.04.2000.
  8. Umweltbundesamt, Pressemeldung 34/2004, Ein unterschätztes Problem: Umweltbedingte Kontaktallergien, 22.04.2004
  9. Umweltbundesamt, Duftstoffe nicht wahllos einsetzen, 15.07.2004
  10. Silvia K. Müller, EPA Konferenz plädiert zur Rücksichtnahme auf Asthmatiker, 17.06.2010
  11. Silvia K. Müller, Vergleich bei Gericht: 100 000$ Entschädigung und Duftstoffverbot bei Behörden, CSN, 15.03. 2010
  12. Orriols R, Costa R, Cuberas G, Jacas C, Castell J, Sunyer J., Brain dysfunction in multiple chemical sensitivity, J Neurol Sci. 2009 Oct 2.
  13. Silvia K. Müller, Luftverschmutzung durch Deo. Hersteller muss 1,3 Millionen Dollar Strafe zahlen, 17.03.2010

Hilferuf – Junge Frau in Lebensgefahr

Versprühen von Pestiziden bringt junge chemikaliensensible Frau in Not

Elvira Roda lebt in der spanischen Region Valencia und ist in großer Not, ihre Familie und Freunde bitten um internationale Hilfe. Die 35-jährige Frau leidet unter MCS-Multiple Chemical Sensitivity. Dort, wo sie wohnt, sind durch die feuchte Hitze vermehrt Ungeziefer und Moskitos aufgetreten. Die Gemeinde lässt zur Eindämmung die Bäume und Straßenränder mit hochgiftigen Organophosphat-Pestiziden besprühen (Siehe Video in der Mitte der Webseite um einen Eindruck von der Sprühaktion zu bekommen). Diese Nervengifte sind für Menschen und Tiere sehr schädlich.

Elviras Familie hat am 1. Juli 2010 eine Petition verfasst und bitte um internationale Unterstützung.

Behandlungserfolg von Spezialklinik vernichtet, stattdessen Lebensgefahr

Ein Klinikaufenthalt in der besten Umweltklinik weltweit, dem Environmental Health Center Dallas, hatte Elvira körperliche Stabilität und ihrer Familie Hoffnung zurückgegeben. Ihr Fall wird von den Medien seit einiger Zeit begleitet.

Die junge Frau, die schon von geringen Spuren von Parfüms schwere Reaktionen bekommt, ist in letzter Zeit bereits mehrfach zusammengebrochen. Der Grund sind hochtoxische Pestizide der Organophosphatklasse, die von der Gemeinde vor ihrem Haus ausgebracht werden. Diese Pestizide sind für Sie ganz besonders gefährlich, weil sie ein bestimmtes Entgiftungsenzym lahmlegen und der Körper sich dadurch selbst vergiftet.

Im Moment wird Elvira täglich ans Meer gebracht. Es ist schwierig für sie, weil sie unter anderem unter schwerer Lichtempfindlichkeit, Spasmen, einem kapitalen Immunschaden und Fibromyalgie leidet. Dort verbringt sie den ganzen Tag, obwohl es ihr gesundheitlich so schlecht geht, dass sie im Bett liegen müsste. Es gibt keine andere Lösung, es ist die einzige Möglichkeit, um sie davor zu bewahren, dass sie den gefährlichen Giften ausgesetzt ist. Ein Notfallquartier gibt für Chemikaliensensible in Spanien nicht, genaussowenig wie in anderen Ländern.

Junge Frau in Lebensgefahr, wegen Uneinsichtigkeit der Gemeinde

Die Eltern von Elvira haben ihr eine „Bubble“ gestaltet – ihr Wohnraum ist schadstofffrei gestaltet, so dass die 35-jährige normalerweise gut zurechtkommt. Sie hat dort eine Sauna um zu entgiften, es ist alles da, damit Elvira Zuhause eine Oase hat, wo sie sicher ist. Doch das war einmal, jetzt versprüht die Gemeinde toxische Pestizide bis wenige Meter vor das Haus. Die Bäume werden mit einem Sprühwagen von oben bis unten eingenebelt.

Die Familie hat der Gemeinde mitgeteilt, in welche Gefahr diese Maßnahmen die junge Frau bringen, vergebens. Man teilte mit, dass man vor dem Versprühen der Pestizid Bescheid sagen wolle. Viel nutzt das nicht, denn die Aerosole dringen auch durch die abgedichteten Fenster und Türen des Apartments, in dem Elvira normalerweise Tag und Nacht ist. Organophosphatpestizide bleiben einige Zeit aktiv, das bedeutet, dass sie je nach Art mehrere Tage bis mehrere Wochen ausgasen. Gefährdet sind durch diese Pestizide nicht nur Chemikaliensensible, sondern jeder, der im Umfeld wohnt, ganz besonders natürlich Babys und Kinder, deren Entgiftungs- und Immunsystem noch nicht voll leistungsfähig ist. Das Hauptzielorgan für Organophosphatpestizide ist das Nervensystem, doch sie wirken auch schädigend auf das Immunsystem und sind im Fall von bspw. Chlorpyrifos dafür bekannt, MCS auszulösen.

Petition zur Unterstützung von Elvira Roda

Um das Versprühen der Pestizide zu stoppen, hat die Familie von Elvira eine Petition an den Stadtrat von Alboraya geschrieben. Jeder kann diese Petition mitunterzeichnen und einen Kommentar abgeben. Es ist wichtig, dass Elvira internationale Hilfe erhält. Die Familie bitte den Aufruf auch auf Facebook, in Newsgruppen und auf Twitter zu verbreiten.

Petition für Elvira Roda: http://www.gopetition.com/online/37492.html

Unterzeichnen und einen Kommentar abgeben kann man hier:

http://www.gopetition.com/online/37492/sign.html

Gebt Elvira Unterstützung, Kraft und Hoffnung

Informationen über Elvira können auf ihrer Webseite ElviraRoda eingesehen werden, die ihre Familie für sie errichtet hat. Dort kann man sich über den Stand der Dinge informieren.

Eine nette menschliche Geste wäre, wenn viele an Elvira und ihre Familie schreiben und Mut zusprechen (ganz gleich in welcher Sprache, Englisch und Spanisch sind vorzugsweise zu verwenden. Andere Sprachen werden per Computerprogramm übersetzt). Die Situation, in der sich Elvira im Moment befindet, kann jeden treffen, der unter MCS leidet.

Da Elvira auch unter Elektrosensibilität leidet, kann sie zwar nicht selbst antworten, bekommt aber alle Briefe vorgelesen. Elvira wird versuchen, Kontakt über ihre Webseite zu halten. Sie schreibt handschriftlich auf Papier, und die Familie und Freunde aktualisieren die Seite. Es kann unter Umständen etwas dauern, bis Informationen online gehen, weil sich alle intensiv um die junge Frau kümmern müssen.

Alles Gute für Elvira!

Wir wünschen Elvira viel Kraft und dass von Seiten des Stadtrates schnell Verständnis eintritt und man zu ungiftigen Schädlingsbekämpfungsmethoden übergeht, das wäre zum Wohle aller Bewohner der spanischen Stadt. Alternativen gibt es.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 11. Juli 2010

Weitere CSN Berichte über MCS Patienten in Not

Die beliebtesten Blogs im ersten Halbjahr 2010

Die am häufigsten gelesenen Artikel im CSN Blog im ersten Halbjahr 2010 spiegeln deutlich zwei Trends wieder. Zum einen, dass sich Verbraucher informieren über das, was sie essen, an Medikamenten schlucken und was sie an Produkten verwenden und dass sie schadstoffbelastete Produkte nicht mehr kritiklos hinnehmen. Zum Anderen wird durch die CSN Blog Top 10 erkennbar, dass weite Teile der Bevölkerung nach Wegen suchen, um sich selbst zu helfen, wenn man krank ist oder Beschwerden hat.

Der am häufigsten gelesenen Artikel handelte über die Chemikalie Bisphenol A, die unsere Nahrungsmittel belastet. In einigen Ländern hat man bereits ein Verbot für den Einsatz der Chemikalie in bestimmten Bereichen wie Babyfläschchen und Produkten, mit denen Kinder in Kontakt kommen, ausgesprochen. Der Blog, der Platz Zwei belegte, gibt Tipps, wie man sich auf natürliche Weise helfen kann, wenn man unter Gallenproblemen leidet. Auf Platz Drei findet sich ein Artikel über Laminat, ein Bodenbelag, der in den letzten Jahren stark an Beliebtheit gewonnen hat, über den jedoch bekannt wurde, dass er recht oft schadstoffbelastet ist und Bewohner von Wohnungen, die damit ausgestattet sind, krank wurden .

Zum Lesen der CSN Blog Top 10 für das erste Halbjahr 2010, einfach die Artikel anklicken:

  1. Bisphenol A – Eine Chemikalie verseucht unsere Nahrungsmittel und Getränke
  2. Wenn die Galle überläuft – natürliche Hilfe bei Gallensteinen, Gallenkolik & Co.
  3. Laminat belastet Umwelt und Gesundheit
  4. Hilferuf: Junge Frau mit MCS kämpft seit Jahren um ihr Überleben
  5. Antibiotika gegen akute Bronchitis unnötig
  6. Gericht spricht Schmerzensgeld wegen Explosion von Toilettenspray zu
  7. Medikament löste Symptomverschlimmerung aus – weitere Nebenwirkungen bis hin zu Suizid möglich
  8. Offener Brief: Duft-Briefmarken schränken Behinderte ein
  9. Natürliche Hilfe gegen Nackenverspannung, Rückenschmerzen, Hohlkreuz und Co
  10. Verpackungen von Lebensmitteln geben Schadstoffe in Nahrungsmittel ab

Studie aus Rom bestätigt hypothetische Theorie von Multiple Chemical Sensitivity

Dr. Martin Palls MCS-Theorie wurde bestätigt

Portland, Oregon – 5. Juli 2010 – Der vom Biochemiker Martin L. Pall vorgeschlagene physiologische Mechanismus für Multiple Chemical Sensitivity ist durch die neusten Ergebnisse einer unabhängigen Forschergruppe in Rom bestätigt worden.

Multiple chemische Sensitivität (MCS) oder auch als Chemikaliensensitivität und Schadstoff- induzierter Toleranzverlust TILT (toxicant-induced loss of tolerance) bekannt, ist eine Erkrankung, die durch chemische Schädigung ausgelöst wird, zu toxischen Hirnverletzungen führt und eine hochgradige Empfindlichkeit für die selbe Gruppe von Chemikalien hervorruft, welche an der Entstehung der Erkrankung beteiligt sind. Oft treten Empfindlichkeitsreaktionen auch in anderen Körperbereichen auf.

„Epidemiologische Studien zeigen, dass MCS eine Erkrankung ist, die erstaunlich häufig vorkommt, häufiger sogar als Diabetes“, sagte Pall, Professor Emeritus für Biochemie und Medizinische Grundlagenforschung an der Washington State University. „Meine Bestandsaufnahme der Literatur und andere Forschungen, die ich während den vergangenen elf Jahren unternommen habe, zeigen, dass der mögliche Hauptmechanismus von MCS ein fataler biochemischer Mechanismus ist, den man als NO/ONOO-Zyklus kennt.“

Palls wissenschaftliche Arbeit wird in zahlreichen Büchern und Artikeln publiziert. Sein aktuellster Beitrag ist ein Kapitel des internationalen Standard-Nachschlagewerkes für Berufs-Toxikologen, ‚Allgemeine und angewandte Toxikologie‘, 3. Ausgabe 2009.

Der NO/ONOO-Zyklus

Der ’no-oh-no‘ ausgesprochene NO/ONOO-Zyklus ist nach den chemischen Strukturen von Stickoxid (NO) und Peroxynitrit (ONOO-) benannt. Dieser biochemische unheilvolle Kreislaufmechanismus legt nahe, dass alle in diesem Zyklus miteinander agierenden Elemente bei Patienten mit MCS und ähnlichen Erkrankungen gehäuft auftreten. Das erhöhte Vorkommen der meisten Elemente dieses Zyklusses wurden bei verwandten Erkrankungen wie etwa Chronic Fatigue Syndrome, Fibromyalgie und auch in Tiermodellen von MCS nachgewiesen. Nach einigen Elementen des Zyklus wurde jedoch nie bei MCS-Patienten gesucht.

Die aktuelle von der Forschungsgruppe in Rom durchgeführte Studie ist für die NO/ONOO-Zyklus Theorie von größter Bedeutung, da sie zeigt, dass drei Elemente des Zyklus bei MCS-Patienten vermehrt auftreten (De Luca et al, Toxicology and Applied Pharmacology, 27. April 2010, online Vorabveröffentlichung vor dem Druck). Diese Elemente sind inflammatorische Zytokine, Stickoxide und oxidativer Stress. Alle hiervon erfassten Daten liefern eine wichtige Bestätigung des von Pall vorgeschlagenen Krankheitsmechanismusses.

Die Erhöhung von inflammatorischen Zytokinen und Stickoxiden wurden nie zuvor bei MCS-Patienten nachgeprüft, obwohl ihre Zunahme in MCS-Tiermodellen nachgewiesen wurde. Oxidativer Stress wurde in zwei früheren Studien an MCS-Patienten berichtet, doch die mit der Studie von De Luca und anderen bereitgestellten Daten sind sehr viel ergiebiger als die alten Daten. Deshalb sind alle diese neuen Daten eine wichtige Bestätigung des NO/ONOO-Zyklus als Hauptmechanismus für MCS.

Der NO/ONOO-Zyklus hilft auch zu verstehen, wie toxische Chemikalien wirken und wie die Behandlung funktioniert. Jede der sieben Chemikalien-Kategorien, die bei MCS eine Rolle spielen, bewirken demnach indirekt eine Erhöhung der Aktivität der NMDA-Rezeptoren, Glutamatrezeptoren zur Kontrolle der synaptischen Plastizität und der Gedächtnisfunktion. Diese Aktivität führt wiederum zum schnellen Anstieg von interzellulärem Kalzium (Ca2+), Stickoxid und Peroxynitrit (ONOO-), was den NO/ONOO-Zyklus extrem anfeuert.

„Viele der von umweltmedizinischen Ärzten eingesetzten Wirkstoffe, um MCS-Patienten zu behandeln, kann man so verstehen, dass sie verschiedene Anteile des Zyklus verringern – und sie werden somit teilweise durch diesen Mechanismus bestätigt“, sagte Pall. „Deshalb kann der NO/ONOO-Zyklus als Bestätigung der therapeutischen Ansätze der Umweltmedizin in den USA, in Deutschland und anderen Regionen Europas und in ein paar anderen Ländern angesehen werden.“

Literatur:

Martin L. Pall, Release: Predictions of Multiple Chemical Sensitivity Mechanism Confirmed by Roman Study, Portland, OR, July 5, 2010

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Kontakt:

Martin L. Pall, PhD
Professor Emeritus für Biochemie und Medizinische Grundlagenforschung
Washington State University
(1*) 503-232-3883
martin_pall[at]wsu.edu

Homepage (engl.): www.thetenthparadigm.org

Deutsche Homepage: www.martinpall.info

Übersetzung des Abstract der zugrundeliegenden Studie

Biologische Definition von Multiple Chemical Sensitivity mittels Redoxzustand und Zytokin-Profilen und nicht durch Polymorphismen [Genvarianten] fremdstoffmetabolisierender Enzyme

De Luca C, Scordo MG, Cesareo E, Pastore S, Mariani S, Maiani G, Stancato A, Loreti B, Valacchi G, Lubrano C, Raskovic D, De Padova L, Genovesi G, Korkina LG.

Labor für Tissue Engineering & Haut-Pathophysiologie, Dermatologisches Institut (IDI IRCCS), Rome, Italy, Toxicol Appl Pharmacol. 2010 Apr 27.

Zusammenfassung:

Hintergrund: Multiple Chemical Sensitivity (MCS) ist ein klinisch und biologisch dürftig definiertes umweltbedingtes Syndrom. Obwohl man Funktionsstörungen von Phase I/Phase II  Stoffwechselenzymen und ein Redox-Ungleichgewicht angenommen hatte, wurden entsprechende Parameter der Genetik und des Stoffwechsels für MCS nicht systematisch untersucht.

Grundsätze: Wir suchten nach genetischen, immunologischen und metabolischen Markern für MCS.

Methoden: Wir unterschieden das Erbgut von Patienten mit MCS-Diagnose, vermuteter MCS und von gesunden italienischen Kontrollgruppen nach allelischen Varianten von Cytochrome P450 Isoformen (CYP2C9, CYP2C19, CYP2D6, und CYP3A5), UDP-Glucuronosyltransferasen (UGT1A1), und Glutathion S-transferasen (GSTP1, GSTM1, und GSTT1). Erythrozytenmembran-Fettsäuren, Anitoxidanten (Katalase, Superoxid-Dismutase (SOD)) und Glutathion metabolisierende Enzyme (GST, Glutathionperoxidase (Gpx)), Chemilumineszenz im Vollblut, gesamt-antioxidative Kapazität, Nitrit/Nitrat-Werte, Glutathion, HNE-Protein Addukte, und ein großes Spektrum von Zytokinen im Plasma wurden bestimmt.

Ergebnisse: Allele und Genotypfrequenzen von CYPs, UGT, GSTM, GSTT, und GSTP waren bei den italienischen MCS-Patienten und in der Kontroll-Bevölkerung ähnlich. Die Aktivitäten von Katalase in den Erythrozyten und GST waren niedriger, während Gpx höher als normal war. Oxidiertes wie auch reduziertes Glutathion war verringert, während Nitrite/Nitrate in den MCS-Gruppen erhöht waren. Das Fettsäuremuster bei MCS Patienten war zum gesättigten Kompartiment verschoben und IFNgamma, IL-8, IL-10, MCP-1, PDGFbb, und VEGF waren erhöht.

Schlussfolgerungen: Veränderte Redox- und Zytokinmuster legen eine Hemmung der Expression/Aktivität von Stoffwechsel- und antioxidativen Enzymen bei MCS nahe. Stoffwechselparameter einer beschleunigten Lipidoxidation, erhöhte Stickoxidproduktion und Glutathionabbau in Verbindung mit erhöhten imflammatorischen Zytokinen im Plasma sollten bei der Definition und Diagnose von MCS berücksichtigt werden.

Schadstoffe in der Schule: Kranke Lehrer, kranke Schüler

Ende einer Berufslaufbahn

Eine Lehrerin mit Leib und Seele, jeden Tag ging sie mit Freude zur Schule zu „ihren Kindern“. Sogar die Ferien waren ihr oft zu lang, weil sie den quirligen Schulalltag vermisste. Doch dann, nach dem Bezug einer neuen Schule, ging es gesundheitlich bergab. Zuerst hatte sie keine Ahnung, was mit ihr los war, dann war klar, dass Chemikalienaus-dünstungen im Schulneubau die Ursache waren. Letztendlich musste sie den Schuldienst aufgeben. Was sie durchlief, bis es soweit war, dass man ihr eine Frührente zubilligte, ließ die Lehrerin ihre ehemaligen Kollegen bei einem Vortrag im Rahmen einer Mitgliederehrung für ihre 25-jährige Mitgliedschaft in der GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) erfahren:

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn ich hier mit Maske vor euch stehe, so ist das aufgrund meiner „umweltmedizinischen“ Diagnosen, die Folge einer Schadstoffexposition, der ich nach Bezug des Schulneubaus meiner ehemaligen Grundschule ausgesetzt war. Bis zu meiner Dienstunfähigkeit und Frühpensionierung habe ich dort fast 30 Jahre lang unterrichtet.

Das Krankheitsbild, das bei mir in vielen Situationen des täglichen Lebens das Tragen einer Maske erforderlich macht, heißt: MCS (Multiple Chemical Sensitivity). Diese Multiple Chemikalien-Sensitivität ist ein Krankheitsbild der „chronischen Multisystemerkrankungen“.

Laut WHO wird „MCS“ geführt unter dem Code: ICD- 10 T 78.4, gehört somit zu „organischen“ und nicht zu „psychischen“ Erkrankungen, wie dies von Gesundheitsämtern und den von ihnen favorisierten Vertretern der „klinischen“ Umweltmedizin der „universitären“ Ambulanzen immer wieder behauptet wird.

MCS ist eine „Hypersensibilität“ gegenüber geringsten Konzentrationen von Chemikalien im Alltag, wie z.B. Lösemitteln, Desinfektionsmitteln, Rasierwasser, Parfüms, Duftstoffen, duftstoffhaltigen Kosmetika und Haushaltsreinigern, Weichspülern, Pestiziden, frischer Farbe, Zigaretten-rauch, Autoabgasen und zahlreichen Produkten auf petrochemischer Basis.

Bestimmte Chemikalien können bei Betroffenen bereits bei geringster Konzentration leichte bis lebensbedrohliche Symptome auslösen.

Häufige Reaktionen nach dem Kontakt mit Chemikalien sind z.B.:

Kopfschmerzen, Migränen, Schwindel, starke Konzentrationsstörungen, Orientierungsprobleme, brennende Augen, Hautreaktionen, Atembe-schwerden, Magen-Darmschmerzen, Übelkeit, Muskel-Gelenkschmerzen, Herzrhythmusstörungen (Herzrasen), Schüttelfrost, Zittern, Krämpfe (auch der Gefäße), Fieberschübe, Gefäßentzündungen, ausgeprägte Erschöpfung oder sogar Bewusstseinsverlust (z.B. nach Kontakt mit Parfümduft)

In einem Filmbeitrag (2008) zum Krankheitsbild „MCS“ :

„ 37 Grad – Ich kann dich nicht riechen“ war auch ein Beitrag von einer ehemaligen Schülerin einer Grundschule, namens Lia:

In diesem Beitrag wurde u.a. erwähnt:

Fast die Hälfte des letzten Jahres musste die 14-jährige Lia im Bett verbringen. Ihre Grundschule hat sie krank gemacht, davon sind sie und ihre Eltern überzeugt. Bis die Klasse in ein neues Gebäude umzog, war Lia ein kerngesundes Kind.

Dort gasten schädliche Stoffe aus, viele Kinder waren davon betroffen. Darunter auch Lia. Die Eltern nahmen sie schließlich per Gerichtsbeschluss von der Schule. Bis heute leidet das Mädchen an einer schweren Nervenentzündung und verträgt weder Parfum noch Reinigungsmittel.

LIA sagte: „Ich fühle mich wie ein normaler Mensch, nur dass ich nicht so leben kann.“

Wenn ich trotz meiner Umwelterkrankung redend vor euch stehe, so verdanke ich das der vielfältigen Hilfe, die ich durch die GEW erfahren habe.

Zum einen durch die anfängliche Unterstützung durch die GEW im Kreis.

Damals zeigte sich schon, dass diese Unterstützung den Verantwortlichen ein Dorn im Auge war. Infoblätter und Plakate bezüglich der Problematik der Schadstoffbelastungen im Schulgebäude wurden erst gar nicht aufgehängt oder weitergegeben oder sie wurden von der Schulleitung kurz nach dem Aufhängen wieder entfernt. Während dieser Zeit soll sogar der damalige Schulleiter aus Protest aus der GEW ausgetreten sein.

Besonders große Hilfe habe ich vor allem durch den Landesverband der GEW-NRW, insbesondere durch die Arbeitsgruppe Arbeits- und Gesundheitsschutz (AG AG) bekommen, die hoffentlich auf dem kommenden Gewerkschaftstag in ein Referat übergeleitet wird.

Denn die Kolleginnen und Kollegen der AG AG haben mir und anderen schadstoffgeschädigten Kolleginnen und Kollegen der Schule auf vielfache Weise geholfen, vor allem haben sie uns geholfen, unsere Angst abzulegen und uns zu wehren.

Erschreckend ist, dass seit Bezug des Schulneubaus ständig Lehrerinnen und Lehrer und vor allem auch Schülerinnen und Schüler erkranken.

Bisher haben wir Betroffenen Mobbing, Verleumdungen, Diffamierungen, Psychiatrisierungen, Falschgutachten und viele Niederlagen einstecken müssen.

Wir hoffen trotzdem, dass endlich das unserer Meinung und unserer tagtäglichen Erfahrung nach von einigen Verantwortlichen errichtete Lügengebäude zusammenbricht, das aus „schadstoffgeschädigten“ Menschen „psychisch“ Erkrankte macht.

Mit Hilfe der AG AG haben wir, d. h. die vielen schadstoffgeschädigten Lehrerinnen und Lehrer in NRW (und darüber hinaus), ein Netzwerk, eine Selbsthilfegruppe aufgebaut.

Wir unterstützen uns gegenseitig durch Rechtsauskunft, vor allem aber durch Hinweise auf kompetente Ärztinnen und Ärzte und auf therapeutische Maßnahmen.

Indem wir uns gegenseitig Mut zusprechen und informieren, haben wir die Angst verloren, die uns vorher gelähmt hat, die Angst, dass wir nichts machen können und dass wir von dem guten Willen der Obrigkeit abhängen.

Als Lehrerinnen und Lehrer ohne diese Angst bringen wir uns ständig gegenseitig bei, unser Leben – trotz aller gesundheitlichen Schädigungen – selbst in die Hand zu nehmen und auch unsere Therapien – mit Hilfe von Ärztinnen und Ärzten, die Kenntnis von unseren Krankheitsbildern haben und uns Verständnis entgegenbringen – selbständig zu gestalten.

Kurz: Im Laufe meiner 25jährigen Mitgliedschaft in der GEW habe ich viel Solidarität erfahren und konnte selbst vielfältig solidarisch sein.

Ich danke für eure Aufmerksamkeit.

Autoren: Silvia K. Müller zusammen mit einer ehemaligen Lehrerin, deren Namen ungenannt bleiben muss, CSN – Chemical Sensitivity Network, 5. Juli 2010

Weitere CSN Artikel über Schadstoffe in Schulen:

Gemeinsame weltweite Aktion richtet Augenmerk auf MCS

Als Monique van der Broek auf Facebook ihre Idee für eine gemeinsame Aktion vorschlug, hatte sie zwar Hoffnung, dass sie einige MCS-Aktivisten und Organisationsleiter gewinnen könnte mitzumachen, aber dass der Erfolg so groß sein würde, das hatte die Holländerin nicht erwartet. Ihre Idee bestand darin, dass chemikaliensensible Menschen von überall auf der Welt ihre Geschichte in kurzen Worten an Oprah Winfrey schreiben sollten. Die wohl bekannteste Show-Moderatorin soll dadurch dafür gewonnen werden, MCS-Multiple Chemical Sensitivity zum Thema ihrer Show zu machen. Die Oprah Winfrey Show wird von Millionen und Abermillionen Menschen auf der ganzen Welt angeschaut.

Monique van der Broek:

Als ich die Oprah Kampagne startete, hoffte ich, dass mir ein paar Länder helfen würden, an Oprah zu schreiben. Ich habe in meinen kühnsten Träumen nicht daran gedacht, dass ich Reaktionen von so vielen Menschen mit MCS bekommen würde. Menschen, die alle so zielgerichtet und stark sind…

Ich fand heraus, dass diese Menschen erfahrene Experten sind. Sie alle wissen und sind davon überzeugt, dass MCS eine körperlich bedingte Krankheit ist. Viele von ihnen folgen zum Überleben ihrem Instinkt; sie leben so gesund sie nur können; vermeiden Chemikalien. Aus den Berichten der Chemikaliensensiblen konnte ich feststellen, dass ganz gleich wo auf unserer Welt sie leben, ihre Symptome nahezu exakt die Gleichen sind.

Viele schickten mir eine Kopie ihrer Geschichte, die sie an Oprah gemailt hatten. Ihr könnt mir glauben, die Geschichten dieser Menschen ließen mich oft weinen in den letzten Tagen. Warum? Weil ich realisierte, dass sie zumeist noch kränker als ich sind und von niemandem Hilfe erhalten. Deswegen bin ich jetzt so froh, dass ich diese Idee hatte und den Mut, sie zu unterbreiten.

Sicher möchtet Ihr gerne wissen, wo die Menschen her sind, die sich an der Oprah Kampagne beteiligten. Es ist enorm, es waren Chemikaliensensible aus den USA, Kanada, Alaska, Grönland, Schweden, Finnland, Deutschland, Schweiz, Italien, Belgien, Frankreich, Spanien, Japan, Australien, Neuseeland und vielen anderen Ländern, die sich beteiligt haben. Der Tag ist noch nicht vorbei, es kommen ständig weitere Mails bei mir an und jeder, der im Moment zu krank ist oder es irgendwie nicht geschafft hat, kann immer noch schreiben in den nächsten Tagen. Bittet andere Euch zu helfen.

An dieser Stelle möchte ich die Möglichkeit nutzen, allen, die mitgemacht haben, von ganzem Herzen danken. Von nun sollten wir versuchen, weiter zusammen für die Rechte der MCS-Kranken zu kämpfen. Auch möchte ich es nicht versäumen, auf diesem Wege jedem anraten, der etwas bewegen möchte, dass er sich an erfahrene Organisationen in anderen Ländern wendet und um Mithilfe bittet bei einer Kampagne. Wir sollten Berichte, Informationen, Rechtsprechung und Vorgehensweisen austauschen und gemeinsam Wege finden, die dazu dienen, den MCS-Kranken zu helfen. Wir haben uns weltweit die Hände gereicht, wir haben eine starke Kette gebildet – die nicht mehr zu zerteilen ist. Die nächsten gemeinsamen Schritte der MCS-Community sind bereits in Planung.

Autoren: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network und Monique van der Broek, 4. Juli 2010

Weitere Artikel über Aktivitäten von MCS Aktivisten:

Die am Häufigsten gelesenen Blogs im Monat Juni 2010

Der Monat Juni 2010 wurde durch die Nachricht erschüttert, dass die Staatsan-waltschaft gegen den Trierer Neurologen Dr. Peter Binz Anklage erhoben hat. Die Mitteilung darüber belegte den ersten Platz der CSN Blog Top 10. Die Ehefrau von Dr. Binz schrieb eine Stellungnahme, sie ist der am zweithäufigsten gelesene Artikel des Monats. Auf Platz Drei landete ebenfalls ein Bericht über den Fall Binz: die umweltmedizinischen Fachverbände dbu und EUROPAEM hatten sich mit Dr. Binz solidarisch erklärt.

Zum Lesen der CSN Blog Top 10 einfach die Artikel anklicken:

  1. Staatsanwaltschaft hat Anklage gegen Dr. Peter Binz erhoben
  2. Waltraud Binz: Mein Mann hat nicht betrogen!
  3. Umweltmedizinische Fachverbände erklären ihre Solidarität zu Dr. Peter Binz
  4. Organisation will Wohnraum für Menschen mit Umweltkrankheiten schaffen
  5. Wenn die Galle überläuft – natürliche Hilfe bei Gallensteinen, Gallenkolik & Co
  6. Auch in Deutschland sollen innovative Wohnprojekte entstehen
  7. Tag der Umwelt: Leben ist Vielfalt – Vielfalt ist Leben
  8. Allergien können Depressionen auslösen
  9. Weltumwelttag: Und sie taten so
  10. MCS in Japan – Botschaft eines MCS Betroffenen

Die Luft im Krankenhaus? …wie in einer Parfümerie!

Immer mehr Menschen sind durch Duftstoffe eingeschränkt

Umweltbedingte Gesundheitsstörungen wie z. B. Asthma, Duftstoffallergien und MCS-Erkrankungen nehmen tendenziell kontinuierlich zu. Parallel zu dieser negativen Entwicklung sind Duftstoffe in unserem Alltag allgegenwärtig, deren Einsatzbereiche werden sogar immer vielfältiger, obwohl das UBA seit mehreren Jahren explizit von unkontrolliertem Einsatz von Duftstoffen abrät. Mediziner empfehlen Duftstoffallergikern, Düfte in ihrem Alltag strikt zu meiden. Dies ist jedoch kaum zu bewerkstelligen, denn sogar in Arztpraxen und Krankenhäusern wird „Air-Design“ betrieben.

Plötzlich ins Krankenhaus zu müssen, kann jeden von uns unerwartet treffen. Dieses Schicksal stellt für Menschen, die von Multipler Chemikalien Sensitivität oder einer Duftstoffallergie betroffen sind, eine schier unüberwindbare Hürde dar, denn in Deutschland sind Kliniken nicht auf die speziellen Bedürfnisse von Umweltpatienten und Duftstoffallergikern eingestellt. Vor einigen Wochen wurde Karina von heute auf morgen ins Krankenhaus eingewiesen. Über zwei Wochen musste sie dort verweilen, sie selbst leidet weder an einer Duftstoffallergie noch an Multipler Chemikalien Sensitivität – MCS. Dennoch fühlte sie sich von der Dominanz der Düfte belästigt.

Karina berichtet über ihren Krankenhausaufenthalt

Vor einigen Wochen musste ich unerwartet für 16 Tage ins Krankenhaus. Dort wurde ich mit vielen unliebsamen Düften konfrontiert.

Eine meiner Mitpatientinnen entfernte sich am Abend vor ihrer OP den Nagellack im Krankenzimmer. Danach roch das ganze Zimmer stark nach Lösungsmittel. Eine weitere Zimmerkollegin sprühte sich am Morgen ihrer Entlassung großzügig mit Deospray ein, zudem roch ihre Kleidung intensiv nach Weichspüler, so dass die Raumluft stark mit Duftstoffen angereichert war.

Die neue Zimmerkollegin gönnte sich vor dem Schlafengehen eine großzügige Ladung Haarspray. Es stank im ganzen Zimmer danach. Ich bat sie: „Bitte hören Sie damit auf, ich vertrage das nicht. Haarspray ist stark gesundheitsschädlich.“

Die über 80-Jährige antwortete erstaunt: „Wenn ich das nicht mache, stehen morgen meine Haare ab.“

Ich antworte: „Immerhin gibt es auch Wasser und Bürsten, damit bekommen Sie Ihr Haar morgen wieder prima hin. Wir sind hier nicht in einem Beautysalon, sondern in einer Klinik, in der man genesen soll.“

Trotz sofortigem Aufreißen aller 3 Fenster, war für mich an Schlaf nicht mehr zu denken.

Da ich über 14 Tage im Krankenhaus verweilen musste, hatte ich mehrfachen Wechsel von Mitpatientinnen. Eine Zimmerkollegin war nach ihrer OP bettlägerig und benutzte ständig ihr penetrantes Parfum, ebenso stark parfümierte Cremes, Deo und Schminke. Auf der fensterlosen Toilette unseres Krankenzimmers stand eine Dose Raumspray. Ich bat meine Zimmerkolleginnen, das Duftspray nicht mehr zu benutzen, ich bekam davon Reaktionen der Atemwege.

Hinzu kamen die vielen Besucher, die meist reichlich Düfte im Krankenzimmer verströmten. Das war selbst für mich zu viel und ich musste öfter Reißaus nehmen, weil ich es nicht mehr aushielt. Oft bekam ich Kopfschmerzen, Atembeschwerden und es wurde mir sogar übel. An Erholen bzw. Schlafen war kaum zu denken, so extrem war die Duftstoff geschwängerte Luft teilweise. Wenn es das Wetter ermöglichte, flüchtete ich in den Garten, um wieder befreit atmen zu können, aber selbst das war mir oft nicht gegönnt, weil auch hier umhergehende bzw. auf den Bänken sitzende Patienten und deren Besuch, eine Wolke von Parfum und Weichspüler in der Kleidung etc., verbreiteten.

Nicht nur meine Zimmerkolleginnen, auch die Nachtschwestern brachten bei ihren nächtlichen Kontrollgängen intensive Duftfahnen mit ins Zimmer.

Während meines gesamten Klinikaufenthalts fühlte ich mich dadurch massiv gestört, denn auf Grund der Intensität der Duftstoffe konnte ich keine einzige Nacht durchschlafen.

Doch all dem nicht genug, nicht nur die Nachtschwestern, auch die meisten Krankenschwestern, Ärzte wie auch Ärztinnen waren intensiv parfümiert. Auf den Gängen und bei meinen Untersuchungsterminen im Haus wurde ich ebenfalls zumeist mit starken Duftnoten konfrontiert. Einer meiner Physiotherapeuten schien offenbar in seinem Aftershave zu baden. In der Röntgenabteilung und im Labor war die Atemluft der reinste Duftcocktail. Die im Krankenhaus benutzen Putzmittel unterstrichen die allgegenwärtige Zwangsbeduftung.

Die Luft im Krankenhaus glich der Luft in einer Parfümerie. Bei meinen früheren Krankenhausaufenthalten waren Düfte kaum vorhanden oder sie waren die Ausnahme gewesen. Früher war es allgemein Usus, Parfum dezent aufzutragen. Heute ist es umgekehrt, es gibt kaum jemanden, der nicht stark parfümiert ist. Ich war heilfroh, als ich endlich zuhause war und wieder richtig durchatmen konnte.“

Duftstoffe nehmen im Alltag stark zu – trotz erwiesener gesundheitsbeeinträchtigender Wirkung

In der Duftstoffindustrie werden mittlerweile über 3000 verschiedene synthetische Duftstoffe verarbeitet, deren Auswirkungen auf die Gesundheit kaum erforscht sind. Besonders die Wirkung der einzelnen Substanzen untereinander ist in wissenschaftlichen Fachkreisen nach wie vor ungeklärt, jedoch gelten Duftstoffe erwiesenermaßen als hochgradig allergieauslösend. Umso unverständlicher ist es unter diesem Gesichtspunkt anzusehen, dass der Einsatz von Duftstoffen und Chemikalien im medizinischen Bereich nicht radikal eingedämmt wird, sondern in deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen sogar Duftstoffmarketing betrieben wird.

Vorbildliche Reglungen

In Schweden agiert man in Bezug auf Duftstoffe weitaus fortschrittlicher. In der Region von Göteborg ist man sich der gesundheitlichen Verantwortung gegenüber von Patienten und Krankenhauspersonal durchaus bewusst und hat bereits seit September 2008 ein Duftstoffverbot in Krankenhäusern und Arztpraxen umgesetzt. In Kanada und den USA sind Duftstoffe mittlerweile in vielen Krankenhäusern verboten. Der Einsatz von schadstoffkontrollierten Krankenwagen wurde im amerikanischen Bundesstaat Ohio auf Grund der Initiative einer Patientenorganisation für Chemikaliensensible (ONFCI) zum Wohle von Chemikaliensensiblen realisiert, um auch MCS-Patienten medizinische Notfallversorgung zu ermöglichen.

Duftstoffverbot im Krankenhaus, Teil von Barrierefreiheit für Behinderte

In der Vergangenheit wurde vielen MCS-Kranken das Nichtvorhandensein entsprechender Krankenzimmer zum Verhängnis, manche wussten keinen anderen Ausweg und begannen Suizid. Krankenhäuser sind öffentliche Einrichtungen, die jedem Patienten zur Verfügung stehen müssen. Duftstoffverbote und schadstoffarme Innenausstattung in Krankenhäusern würden bei vielen Patienten enormes Leid vermeiden und gewährleisten, dass der gesamten Bevölkerung die notwendige Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht. Viele Verbesserungen könnten mit „Good Will“ umgesetzt werden und kämen nicht nur Patienten, sondern auch dauerhaft dem Krankenhauspersonal zugute.

Autor: Maria Herzger in Zusammenarbeit mit Karina für CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Juli 2010.

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

MCS-Kranke in Italien sollen Hilfe erhalten

In den vergangenen Monaten wurde in einigen Ländern das Thema MCS-Multiple Chemical Sensitivity von Politikern und Ministerien aufgegriffen und bearbeitet. Ziel ist, dass Chemikaliensensible zu behördlicher Anerkennung ihrer Krankheit, medizinischer Behandlung und etwas mehr Lebensqualität verholfen wird.

Die italienische MCS-Organisation AMICA gibt einen kurzen Zwischenbericht:

Der italienische Senat hat begonnen, die vier eingereichten Gesetzes-vorlagen zur Anerkennung von MCS zu diskutieren. Einige Senatoren, wie Sen. Gustavio, erklärten die Charakteristika der Krankheit, die in einigen Ländern im ICD-10 als unspezifische Allergie gelistet ist. Der nationale Gesundheitsausschuss, ein wissenschaftlicher Arm des italienischen Gesundheitsministeriums, hat bereits festgelegt, dass MCS nicht als seltene Erkrankung eingestuft werden kann, weil die Beschwerden bei rund 12% der Bevölkerung auftreten.

Die weitere Diskussion wird sich u.a. auf die Notwendigkeit von adäquaten Gesundheitszentren und spezielle Leitlinien für Krankenhausaufenthalte fokussieren. Es ist auch eine Anhörung von Sachverständigen geplant, deren Aufgabe es sein wird, die sozialen Auswirkungen der Krankheit zu bewerten. Es sollen angemessene Strategien entwickelt werden, um den MCS-Erkrankten zu helfen, mit ihrer Krankheit im Alltag besser zurechtzukommen.

Autor: CSN – Chemical Sensitivity Network, Juli 2010

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