Das Thema GESUNDES WOHNEN für Umwelterkrankte rennt offene Türen ein

Eine der ersten Sitzungen zur Gründung der MCS-Wohnungsbaugenossenschaft

 

Gesundes Wohnen ist längst kein Müsli-Thema mehr, das belächelt wird. Zahlreiche Städte und Gemeinden haben durch Sick Buildings, „kranke“ Gebäude, schmerzhaft gelernt. Im privaten, wie im öffentlichen Bereich, wird zunehmend auf gesündere Bauweise und schadstoffkontrollierte Ausstattung geachtet, weil mittelfristig dadurch sogar gespart werden kann und die Umwelt geschont wird. 

Menschen, die bereits als umweltkrank gelten und auf Chemikalien in geringster Konzentration reagieren, sind die besten Indikatoren, was Schadstoffe in Gebäuden betrifft. Was sie vertragen, dürfte gesünder für alle sein und für mehr Wohlbefinden und Lebensqualität im Wohnbereich sorgen. Was sie nicht vertragen und bei ihnen Gesundheitsbeschwerden auslöst, kann auch andere Menschen krank machen. Für öffentliche Bauherren als auch für die Bauindustrie sind Umwelterkrankte daher Kooperationspartner, die viel know how einbringen können. 

Vor Kurzem hatten wir berichtet, dass die Stadt Zürich ein Bauvorhaben für das erste MCS-Haus in der Schweiz vergeben und einen Architektur-Wettbewerb ausgerufen hat. 

Im nachfolgenden Interview erfahren wir vom Initiator Christian Schifferle, dem Präsidenten der MCS-Liga und der Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen – MCS, wie er mit dem Vorschlag, ein baubiologisches Wohnhaus für MCS-Kranke zu bauen, nicht nur auf Interesse stieß, sondern sogar offene Türen einrannte. 

Interview:

Silvia K. Müller, CSN im Gespräch mit Christian Schifferle, Präsident der MCS-Liga Schweiz und der Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen – MCS 

Silvia K. Müller: Christian, wir sind alle total stolz auf Dich und freuen uns riesig über das MCS Wohnprojekt, das in der Schweiz in die Gänge kommt. Wie lange ist es jetzt her, seit Du erstmals die Idee für das Projekt hattest, und was waren Deine Gründe? 

Christian-SchifferleChristian Schifferle: Da ich seit meiner Kindheit umweltkrank bin, also seit über 50 Jahren, habe ich schon vor 20 Jahren erstmals die Stadtregierung von Zürich wegen Wohnungen für MCS-Kranke angefragt. Es brauchte also mehrere Anläufe und einen langen Atem. Ich bin als Kind in Lacken und Lösungsmitteln aufgewachsen und war offensichtlich krank, wurde aber von NIEMANDEM in meinem Umfeld ernst genommen und als Simulant behandelt. 

SKM: Hast Du unter diesem Außenseiterdasein, in das man Dich gepresst hat, gelitten? 

CS: Ja, denn ich führte schon früh einen sehr einsamen Kampf, um zu überleben. Das Ausgegrenztsein hat mich geprägt und zu einem gesellschaftskritischen MCS-Aktivisten gemacht, der zwar spirituell denkt, aber weiß, dass dazu konkretes Engagement gehört. Taten bedeuten mir mehr als schöne Worte. Die Not der andern und mangelnde Solidarität betreffen mich sehr. So habe ich vor bald 10 Jahren die MCS-Liga Schweiz gegründet. MCS ist wohl mein Schicksal und meine Lebensaufgabe, da ich diese Krankheit schon von Kind an hatte. 

SKM: Nicht jeder ist so stark wie Du, Christian, Du wirst wohl auch weiterhin für viele mitkämpfen müssen. Hast Du Dir ein Ziel gesteckt? Was können andere MCS-Kranke tun, damit es weitergeht? 

CS: Oh ja, ich habe etwas ganz fest im Sinn: Eine finanzstarke MCS-Stiftung, ein Hilfsfond für Umweltkranke, ist mein Ziel. Ich bin glücklich mit dem was wir schon gemeinsam erreicht haben, und alles, was jetzt kommt, ist eine Zugabe. Ich möchte alle ermuntern bei uns mitzumachen, denn wir bewegen etwas. Natürlich sollen auch ander MCS-Stiftungen entstehen. Das Hilfsfond-Projekt um Dr. Tino Merz  finde ich toll und ich werde es nach Kräften unterstützen. MCS-Kranke in Not brauchen Hilffe. 

SKM: Was hat Deiner Meinung nach bei der Stadt Zürich die Türen geöffnet für dieses innovative Projekt, von dem nicht zuletzt auch andere Wohnbauvorhaben profitieren werden? Gesundes Wohnen ist ja nicht nur ein Trend, es bedeutet gesunde leistungsfähigere Menschen. War dieser Gedanke für die Stadt Zürich auch maßgebend?    

CS: Ich machte Flugblattaktionen vor dem Zürcher Rathaus und Medienberichte in bekannten lokalen und landesweiten Medien. Auch andere MCS-Betroffene meldeten sich darauf bei den Behörden. Jetzt nimmt uns die Stadt Zürich ernst und ist interessiert, durch unser MCS-Wohnprojekt zu lernen, noch gesünder zu bauen. Wir werden jetzt vermehrt damit an die Medien gehen und ich finde es auch toll, was Du mit CSN-Deutschland für uns MCS-Kranke machst. Auch eine MCS-Stiftung, die mir sehr am Herzen liegt, ist durch den Sog dieses Wohnprojekts in die Nähe gerückt. 

SKM: Wie hast Du es geschafft, dass man Dir zuhörte bei der Stadt Zürich und dass jetzt, man kann es eigentlich schon so sagen, dass es so aussieht, als ob ein Traum für MCS-Kranke in Erfüllung geht? 

CS: Es war einfach dieser jahrelange Druck über Medienberichte. Was die Stadt Zürich da macht, ist toll. Ihr gebührt großer Dank für dieses Pionierprojekt. Die Zeiten haben sich zum Glück geändert. Heute rennen wir mit dem Thema GESUNDES WOHNEN offene Türen ein. Dies müssen wir Umweltkranke nutzen und Fakten schaffen. Gesunde Häuser für Umweltkranke sind materielle Tatsachen, die andern helfen, diese Umweltkrankheit besser zu verstehen und zur Anerkennung zu führen. 

SKM: Wer waren und wer sind die größten Unterstützer für Euer Projekt? 

CS: Am Anfang waren es die etwa 45 Genossenschaftlerinnen, die bei uns bis jetzt je einen oder mehrere Anteilscheine von etwa 330 Euro und mehr erwarben. Total fast 20.000 Euro, damit hatten wir einen guten Start. Wichtig waren auch die beiden Ärzte Dr. Roman Lietha und Dr. Klaus Tereh, die uns von Anfang an unterstützten und die beide mit im Vorstand sind. 

Zudem half uns der Verein Innovage bei der Gründung mit unentgeltlicher Hilfestellung und Beratung. Ganz wichtig bei der Gründung sind auch mein MCS-Kollege Matthias Zeller und der Journalist Stefan Hartmann. Jetzt kommt uns die große Vernetzung zu Gute, die ich im Laufe der letzten 10 Jahre aufgebaut habe, denn vieles läuft über gute Beziehungen.  Auch haben wir seit Monaten eine gesunde engagierte Kauffrau in der Administration, Renate Kurze, eine Allrounderin, ein echter Engel. 

Vor 12 Jahren war ich ja bei RTL (Ilona Christen) zum ersten Mal als Talkgast in einer TV-Sendung über Allergien, um über das Thema Umweltkrankheit und Chemikalien-Unverträglichkeit zu reden. Als ich die große Reaktion spürte, wurde mir bewusst, wie wichtig die Medienpräsenz ist, um unser Thema zur Anerkennung zu führen. Das müssen wir weiter nutzen. Silvia, auch Dein TV-Auftritt letzthin war ganz stark. 

SKM: Wie geht es jetzt weiter? Durch eine E-Mail von Dir erfuhr ich, es wird einen Architekturwettbewerb geben. Das MCS Haus wird also kein hässliches Wohnsilo, sondern ein Haus, das auf MCS Kranke und ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist. Kannst Du uns ein wenig mehr erzählen? 

CS: Ja, die Stadt Zürich gibt uns das Grundstück günstig im Baurecht und organisiert einen großen Architekturwettbewerb für dieses MCS-Mehrfamilienhaus, das ja nicht nur gesund, sondern auch wohnlich sein soll. Mit in der Jury sind unter anderen auch Dr. Peter Ohnsorge und Peter Bachmann von Sentinelhaus. Des Weiteren 2 Baubiologen, 3 Architekten und natürlich auch MCS-Betroffene. 

SKM: Wir haben seit einigen Monaten in Deutschland große Not und suchen verzweifelt nach Notunterkünften für MCS-Kranke, die es sehr schwer erwischt hat und die keinen Platz haben, wo sie überleben können. Wird auch für Notfälle ein Platz bei Euch sein? 

CS: Ja, die Wohnungsnot von andern Umweltkranken betrifft mich sehr. Selbstverständlich wollen wir Notwohnungen anbieten. Du weißt ja sicher noch, wie es mir ging, als ich einen Platz suchte für meinen alten Wohnwagen. Das vergesse ich nie, auch nicht die vielen Nächte, die ich da draußen im Wald verbrachte, unter freiem Himmel auf einem Liegestuhl schlafend. Geplant sind deshalb auch Notwohnungen für Umweltkranke und ein duftstofffreier Gemeinschaftsraum, wo sich MCS-Kranke treffen können. Die Hausordnung wird sehr strikt MCS-gerecht sein. 

SKM: Christian, das ist einfach wunderbar und wir schielen mit Wehmut in die Schweiz. Wird die Stadt Zürich sich in die Planung des MCS-Hauses einbringen? 

CS: Die Stadt wird unser Projekt begleiten, unter anderem mit ihren Bauökologen und Fachleuten, die sehr interessiert sind. Es macht Spaß, an diesen Sitzungen mit der Stadt dabei zu sein, zu spüren, wie man als MCS-Kranker nach vielen Jahren von den Behörden ernst genommen wird. Das Mehrfamilienhaus wird ganz am Stadtrand gebaut, direkt an der grünen Wiese, und 100 Meter von einem grossen Wald entfernt, am Hang des Uetlibergs. Der Wald dient auch als Luftfilter. 

SKM: Christian, wir wünschen Dir, dass das MCS Haus Projekt problemlos und rasch gebaut wird, damit auch Dein Nomadenleben im Wohnwagen ein Ende hat. Was wirst Du mit Deinem Wohnwagen oben in den Bergen machen, wenn Du endlich eine MCS-gerechte Wohnung hast? 

Christian mit MCS - WohnwagenCS: Da ich auch hitzeempfindlich bin und im Sommer oft unter der Wärme im Unterland leide, werde ich den Wohnwagen in den Bergen vorläufig behalten. Da viele MCS-Kranke hitzeempfindlich sind, planen wir auch MCS-gerechte Not- und Ferienwohnungen in den Bergen. Langfristig planen wir auch ein Netz von Ferienwohnungen, weil MCS-Kranke kaum geeignete Ferienwohnungen finden. Schön wäre es, auch am Meer solche Wohnungen zu haben. Das Zürcher MCS-Wohnprojekt kann ja nicht alle MCS-Wohnungsnot lösen, aber es soll ein pionierhafter Anstoss sein, dass viele andere MCS-Wohnprojekte entstehen. 

SKM: Das bedeutet, dass Eure Wohnbaugenossenschaft noch viel vorhat und wachsen will. Liege ich da richtig? 

CS: Richtig, und wir möchten andere ermuntern, Ähnliches zu tun. Wir haben eine ganze Reihe von Plänen, doch dazu braucht es noch viele engagierte MitarbeiterInnen. Auch wenn ich manchmal nicht weiß, wie lange meine Kraft reicht, da ich ständig ans Limit gehe, so freue ich mich über jeden Schritt, und es geht mir darum, gemeinsam etwas Tragfähiges aufzubauen. Eine starke MCS-Wohnbaugenossenschaft, eine finanzstarke MCS-Stiftung. Umweltkranke sollen menschenwürdig und respektiert leben können. Wir sind auf gutem Weg dahin, und nachfolgende Generationen sollen ja auch noch was zu tun haben. 

SKM: Lieber Christian, ich danke Dir sehr für das nette Interview. Magst Du uns noch etwas über die attraktive, neue Webseite GESUNDES WOHNEN MCS sagen, die Ihr speziell für das Wohnprojekt ins Netz gestellt habt? Uns würde noch etwas interessieren, wie wird es finanziell weitergehen, Ihr braucht ja eine Menge Geld in MCS-Dimensionen gedacht. 

CS: Liebe Silvia, danke für dein Interview-Anfrage und dass ich hier über unsere Wohnbaugenossenschaft und das Zürcher Wohnprojekt reden darf. Stell Dir vor, in den letzten Wochen sind bei uns Spenden eingegangen von vier Wohnbaugenossenschaften, je etwa 14.000 Euro total ca. 55.000 Euro. Ein Riesen Erfolg und guter Start. Das hat uns viel Mut gegeben. Wir wollen ja ca. 1 Mio. Euro zusammenbekommen und wie gesagt auch eine Stiftung gründen. 

Unsere neue Internetseite ist speziell für das Fundraising entworfen, um große Stiftungen und Firmen anzusprechen. Man kann sich auf der Internetseite gerne informieren. Wir sind auch froh um Unterstützung und Mitglieder aus dem deutschen Raum, da wir uns nicht nur auf die Schweiz beschränken wollen. Die Mitgliedschaft kostet einmalig ca. 330 Euro (1 Anteilschein) Wir haben 2 Ärzte im Vorstand, und zwei engagierte Frauen in der Geschäftsleitung. Als Präsident komme ich mit meiner Krankheit oft ans Limit, aber wir wollen in unserer Wohnbaugenossenschaft auch kranke Menschen integrieren und die Mitarbeit ermöglichen, so gut es geht, so machen wir vieles über Telefonkonferenzen. Natürlich sind wir froh um weitere MitarbeiterInnen. 

SKM: WOW – kann ich da nur sagen, Christian, solche Unterstützung durch die anderen Wohnungsbaugenossenschaften und dann diese Summen, das ist einfach phantastisch. Mach so weiter Christian, bleib stark, auf unsere Unterstützung kannst Du jederzeit zählen, und wir wünschen Euch, dass es weiterhin mit so großen Schritten voran geht und halte uns natürlich auf dem Laufenden. 

Presseresonanz auf das MCS-Wohnprojekt

 

Weitere Berichte über Christian Schifferle

 

Weitere Auskünfte über das MCS-Wohnprojekt erteilt:

Christian Schifferle, Präsident Wohnbaugenossenschaft GESUNDES WOHNEN MCS, Telefon 044 401 05 22 (09.00 – 12.00 und 14.00 – 17.00).

6 Kommentare zu “Das Thema GESUNDES WOHNEN für Umwelterkrankte rennt offene Türen ein”

  1. Maria 23. November 2009 um 20:05

    Hallo Christian,

    wow möchte ich erst einmal sagen! Es ist sensationell was Du und alle involvierten Personen, mit dem MCS Wohnbauprojekt bisher auf die Beine gestellt habt. Es ist sehr ermutigend zu erfahren, dass sich das Kämpfen irgendwann auch lohnt. Das ist ja meine Devise „Kämpfen lohnt immer“. So weiß ich, dass ich damit richtig liege.

    Danke für Dein ausführliches und interessantes Interview.

    Liebe Grüsse
    Maria

  2. Janik 23. November 2009 um 22:05

    Hallo Christian,

    die Unterstützung durch die anderen Wohnungsbaugenossenschaften ist eine tolle Geste und bedeutet auch wie sehr die Leute Umweltkrankheiten ernst nehmen.

    Klasse was Du da voranstreibst, bleib stark,
    Janik

  3. Holger 23. November 2009 um 22:38

    Super Christian, dass MCS Patienten in der Schweiz integriert werden und man sich offiziell dem Wohnungsproblem von Umweltkranken annimmt.

    Ich wünsche Dir weiterhin viel Glück und Erfolg. Es ist klasse, was Du leistest. Das sollte uns in alle Deutschland motivieren, hartnäckig am Ball zu bleiben und uns alle so gut wie möglich einzubringen,

    Holger

  4. Zauberperle 26. November 2009 um 23:53

    Das sind überaus tolle Nachrichten von unseren Schweizer Nachbarn. Lieber Christian, ich freue mich sehr, dass Deine beharrliche Mühe nun endlich belohnt wird. Deine wertvolle Arbeit hat sicher auch Auswirkungen für uns in Deutschland. Denn immer und wenig kann man sich hier bei uns dem Thema nicht verschließen. In Deutschland muss man ebenfalls Zugeständnisse machen und endlich das Kind Multiple Chemikalien Sensitivität – MCS, beim Namen nennen und den Betroffenen gesundes Wohnen ermöglichen.

  5. Galaxie 29. November 2009 um 20:23

    Hallo Christian,

    habe Dir vor einiger Zeit ´ne E-Mail gesendet, das ich damals bei uns im hohen Norden mit bei der Planung vom Autofreien wohnen war und hier das auch versucht habe, leider klappte das alles nicht so und auch in Husum nicht, wo ich nicht dran beteiligt war.

    Hut ab, was Du geschafft hast mit Deiner Liga und toll von den Genossenschaften.

    Viele Grüsse v. Galaxie!

  6. Korinna 30. November 2009 um 11:37

    Besten Dank für das Interview! Mir war es besonders interessant!

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