Archiv der Kategorie ‘Baubiologie‘

Das richtige und falsche Vorgehen bei Schimmelpilzsanierung

Man könnte nun unter diesem Titel schreiben: „Hängen Sie Hygrometer in Ihre Wohnräume. Achten Sie darauf, dass die relative Luftfeuchtigkeit irgendwo zwischen 40 und 60 % bleibt und sorgen Sie für ein regelmäßiges Stoßlüften.“ Klingt einfach, aber in der Praxis ist gerade der letzte Teil nicht immer einfach zu handhaben und ganz nebenbei, das ist auch nicht genug.

Schimmelwachstum begünstigt

Gehen wir ins Detail beim Wohnverhalten, so muss man auch die Art der Einrichtung einbeziehen. Zugestellte Außenwände, ohne jegliche Art der Hinterlüftung, ja das sind Naherholungsgebiete für viele Schimmelpilzarten. Ungestört, windfrei, kühl und damit auch fast immer ein wenig feucht… herrlich. Kommt dann noch eine organische Tapete, wie beispielsweise die Rauhfaser hinzu und eine, wunderbar schon x mal mit Dispersionsfarbe gestrichene Oberfläche, braucht es noch nicht mal Staub zur Ernährung des unerwünschten Mitbewohners.

Nur richtiges Lüften verhindert Schimmel

Auch hier eine Hypothese, die oftmals völlig falsch verstanden wird: „Diffusionsoffenheit sorgt für schimmelfreie Wohnumgebung.“ Ganz falsch ist es sicher nicht, das ist belegt, aber pauschal in den Raum gestellt, ist es auch nicht ganz richtig. Gardinen, Sofas, Teppichboden und selbst die Bettwäsche – alles in der Regel diffusionsoffen und somit auch alles hervorragend in der Lage, Feuchtigkeit aufzunehmen und wieder abzugeben. Aber wie schnell geht das Aufnehmen und wie lange dauert es, bis diese Produkte wieder trocken sind. Kurz und knapp: Die Feuchtigkeitsaufnahme geht sehr schnell, das abgeben jedoch, das dauert. Mit einem oft angeratenen, zweimaligen, je 10 Minuten dauerndem Stoßlüften, werden Sie in nahezu allen Fällen noch nicht einmal die Bettwäsche vom nächtlichen Schwitzen trocken bekommen. Steht dazu noch der Wäscheständer mit frisch gewaschener und somit auch nasser Wäsche noch irgendwo im Raum, schon gleich gar nicht. Kommt hierzu noch das tägliche Duschen, eine wunderschön anzusehende aber dennoch üppige Zimmerpflanzenkultur, ein wenig Kochen, das ein oder andere Haustier – ja auch das atmet und erzeugt damit Feuchtigkeit, hier eine Obstschale, dort ein wenig Gemüse, im Badezimmer Opas Wasserglas mit der eingelegten Zahnprothese, im Wohnzimmer das Aquarium für Papas Hobby und, und, und, wird es immer schwerer, die Luftfeuchtigkeit in einem Rahmen zu halten, der eben nicht dazu beiträgt, Schimmelpilze ungewollt im Wachstum zu fördern. Kurzum, es braucht kein Loch im Dach, ganz normales Wohnverhalten, reicht völlig aus, um nicht nur zweimal am Tag, sondern vielleicht auch 5 mal am Tag ordentlich lüften zu müssen und oft reichen da auch nicht nur 10 Minuten, manchmal dürfen es auch 20 oder 30 Minuten sein.

Wie in einer Plastiktüte

Es gibt sogar Studien, welche nachgewiesen haben, dass bei einer ungünstiger Grundrissgebung, neuen, absolut dichten Fenstern und ungedämmten Altbauwänden, drei bis viermal am Tag für 20 Minuten quergelüftet werden muss und fast den ganzen Rest des Tages einige Fenster in Kippöffnung gehalten werden müssen. Ja, richtig gelesen, Kippstellung. Auch eine Lüftungsart, die ganz gerne mal pauschal negiert wird, aber eben auch nicht immer und grundsätzlich Unsinn ist.

Sie sehen, schon allein das Lüften ist im Grunde eine Studie für sich. Grundrezepte für das richtige Lüften, die für alle Wohnräume gelten, gibt es nämlich gar nicht. Wir alle sind Menschen mit ganz individuellen Lebensgewohnheiten und dummerweise auch noch ganz individuellem Nutzer-/Wohnverhalten und wir alle haben unterschiedlich geschnittene Wohnräume. All das verbietet schlecht hin einem Fachmann, generelle Lüftungsanweisungen zu erstellen. Was nur bedeuten kann, dass man Lüftungsratschläge nur dann geben kann, wenn man sich vor Ort umgeschaut hat.

Ein Fachmann geht vor Ort und rät nicht blind am Telefon

„Vor Ort sieht“, dieses sollten Sie aufmerksam im Kopfe behalten. Das vor Ort sehen, gilt für einen echten Fachmann nämlich auch dann, wenn tatsächlich schon ein Schimmelpilz im Wohnraum bzw. den Wänden, den Möbeln, oder wie auch immer vorhanden ist. Erwarten Sie von keinem Fachmann, dass er Ihnen durch eine kurze Erklärung am Telefon Ratschläge geben kann, die auch wirklich funktionieren. Erwarten Sie das genau so wenig, wie Ihnen ein Mediziner über das Telefon einen Blinddarm entfernen kann. Es geht schlicht und einfach nicht und wer dies trotz allem macht, ist ganz sicher kein Fachmann.

Schnelles Business, Schimmel schnell zurück

Ähnliches gilt, wenn Sie eine helfende und somit auch altruistische Beurteilung von Menschen erwarten, die Ihnen gleich im Gespräch auch noch eine Auftragsbestätigung zur Sanierung oder für den Kauf eines eigenen Produktes unterbreiten. Das sind keine unabhängigen Fachleute, das sind Unternehmer, die ganz andere Ziele verfolgen. Noch genauer, das sind Menschen, die Ihnen für die Beratung sicher keine Garantie geben. Sie werden für die Ausführung vielleicht eine bekommen und vielleicht auch für die verkauften Produkte, aber Gewährleistungen im Handwerk sind in manchen Fällen, ob nach VOB oder BGB, einfach zu kurz, insbesondere, wenn es um Schimmelpilzsanierungen geht. Durchaus oft kann man feststellen, dass eben der Schimmelpilz entweder versteckt und somit nicht sichtbar weiter wächst oder dessen Wachstum erst so richtig nach der üblichen Gewährleistung wieder loslegt. Viele bei einer Schimmelpilzsanierung eingesetzte Stoffe verlieren die fungizide Wirkung im Laufe der Gewährleistung, nicht schlagartig sondern nach und nach, relativ langsam. Ist sie erst mal weg, hat der Pilz wieder freie Bahn und bis Sie die Frucht des Pilzes, also den schwarzen, roten oder braunen Fleck an der Wand sehen können, hat er schon ein ordentliches Wurzelgeflecht darunter erschaffen.

Kostenfreie Beratung von selbsternannten Experten

Wie man ordentlich fehlberaten kann, habe ich erst kürzlich erlebt. Eine Haubesitzerin schrieb mir eine sehr umfangreiche E-Mail, in der sie mir mitunter erklärte, dass Ihr Außenputz absandet und großteils auch schon abgefallen ist. Sie versuchte sicher, mir so viel wie nur möglich in das Schreiben zu packen, offensichtlich, da sie günstig ein paar heilende Zeilen zur Antwort wollte. Natürlich klingeln bei mir die Alarmglocken, wenn ich höre, dass der Außenputz mehr Schein als Sein aufweist, aber allein das reicht bei weitem nicht, um seriös eine wirklich helfenden Ratschlag geben zu können. Von daher antwortete ich Ihr, dass ich das vor Ort sehen, eventuell auch die eine oder andere Messung vornehmen und mir vor allem auch einen Gesamteindruck zur fachlich korrekten Beurteilung schaffen muss. Es dauerte keine 24 Stunden, als Sie mir wiederum antwortete, dass zufällig der Vertreter eines Antischimmelproduktes bei Ihr auftauchte, der gleiche Vertreter, der ihr eben ein solches Produkt vor einem Jahr verkaufte, um damit den nun wohl wieder vorhandenen akuten Schimmelbefall zu beseitigen. Er traf wohl die Aussage, dass der defekte Außenputz und all die anderen Dinge nichts mit dem Schimmel zu tun haben würden und das … wie getippt vor einem Jahr … aufgetragene Antischimmelmittel eine Zeit braucht, um wirklich seine Wirkung zu entfalten. Sie bedankte sich letztendlich für meine Antwort und traf die Aussage, dass mein Erscheinen nun nicht mehr nötig sei. Die Beratung des Verkäufers war natürlich, zumindest nachdem was mir mitgeteilt wurde, völliger Schwachsinn, aber aus Erfahrung weiß ich, dass jeder weitere Kommentar von mir kaum mehr Beachtung finden würde. Diese Dame war sich des Ernstes der Lage nicht bewusst und wollte sich diesem wohl auch nicht bewusst werden – sie wollte keine Begutachtungskosten, sie wollte kostenfrei beraten werden und nichts weiter. Da kann ich als Sachverständiger nicht viel machen, ich berate, nachdem ich gesehen habe, sehr eindringlich in Bezug auf mögliche Kosten, aber ich bin kein Kaufmann, ich bin Ingenieur, für mich ist die dauerhafte und fachgerechte Beseitigung jeglichen Schadens im Vordergrund und nicht die Zahl, die auf der Rechnung stehen wird.

Fachkundige Begutachten statt laienhafte Schilderung

In einem anderen Fall hat mich, zufälliger Weise auch wieder eine Hausbesitzerin angerufen und mir versucht, ihren Schimmelschaden zu erklären. Auch hier habe ich die Aussage getroffen, dass ich mir die Sachlage vor Ort ansehen müsste. Am Rande: Das, was ein Bauherr laienhaft versucht, fernmündlich zu erklären, stellt sich vor Ort zu fast 100 % ganz anders heraus – ergo, es ist nur wenig hilfreich, wenn man als Laie lange versucht zu erklären. Wir Sachverständige werden Ihnen vor Ort die Fragen stellen, die auch wirklich relevant sind, bzw. erklären Sie vor Ort, wenn der Kollege dabei ist, das ist sinnvoller. Aber zurück zum Beispiel. Diese Hausbesitzerin erklärte mir, dass bereits ein Baubiologe vor Ort war und den optisch sichtbaren Schimmel auch messtechnisch festgestellt hat. Er hat also die schwarzen Flecken auf der Wand als Schimmel eingestuft und festgestellt, dass Schimmelsporen in der Luft sind. Nein, er hat keine labortechnische Untersuchung durchgeführt, mit der die Art des Pilzes hätte festgestellt werden können. Er hat lediglich das optisch bereits vorhandene noch mal mündlich bestätigt….. und eine Rechnung über 820 Euro geschrieben. Zusätzlich waren alle 4 Familienmitglieder in einer Privatpraxis eines Umweltarztes, der wohl feststellte, dass die Bewohner tatsächlich eine erhöhte Menge an Schimmelsporen im Körper hatten …. und auch er schrieb wohl eine Rechnung, dieses Mal irgendwas um die 1.800 Euro. Neben diesem hatte die Dame auch etliche weitere teils recht absurde Maßnahmen ergriffen, aber die will ich hier nicht wirklich aufzählen. Alleine der Baubiologe und der Umweltmediziner haben ihr also 2.620 Euro abgenommen, rein nur um das zu bestätigen, was ohnehin schon klar war. Nun das schwer Verdauliche. Auf meine Antwort, dass ich mir das ansehen müsste, um wirklich eine seriöse Aussage zu treffen, antwortete sie, dass Sie kein Geld hätte für eine Begutachtung, eigentlich, nur jemand wolle, der ihr kostengünstig den Schimmelschaden beseitigt. Nun ich gebe gerne Hinweise zu ausführenden Firmen, wenn ich sie kenne und weiß, dass ich das guten Gewissens machen kann, in aller Regel schreibe ich auch die Sanierungsvorschläge dafür, aber ich lege auch höchsten Wert darauf, tatsächlich unabhängig zu sein und mit meinem Beruf Menschen helfen zu können. Dabei irgendwelche Adressdateien nach günstigen Schimmelpilzsanierern zu durchsuchen, gehört hier nicht zu meinen Aufgaben. Die Schimmelpilzsanierung an sich orientiert sich, nicht am Preis sondern, rein nach dem Umfang der Arbeit.

Ferndiagnostik geht ins Geld und kostet Gesundheit

Das waren nun zwei Fälle, von etlichen mehr, die ich, und sehr wahrscheinlich auch viele andere Fachkollegen, fast schon wöchentlich in dieser Art im Büro erlebe. So zusammengefasst, erkennen Sie sicher auch wie absurd solche Vorgehensweisen sind. Sehr viele Menschen geben viel Geld für Sachen aus, die vollkommen sinnbefreit sind. Tun Sie das bitte nicht. Sollten Sie Schimmel anderorts als auf dem Käse haben, dann verinnerlichen Sie sich doch bitte, dass ein Schimmelbefall nicht durch eine Discountberatung zu bewältigen ist, die mal eben über eine Ferndiagnostik zu heilen ist. Auch aus der Ferne versprochene Pauschalangebote hierzu, ohne wirklich Kenntnis davon zu haben, um was es sich nun genau handelt, ergo tatsächlich gesehen zu haben, was los ist, sind äußerst unseriös. Gerade bei solchen Schadensfällen spielen dermaßen viele Komponenten eine Rolle, dass es einfach nicht anders geht, als vor Ort die Gegebenheiten zu untersuchen. Bevor Sie ihre vielleicht knapp bemessenen finanziellen Mittel zwecklos verteilen, rufen Sie sich gleich von Beginn an einen NEUTRALEN Bausachverständigen, dieser wird Ihnen zwar sicher keine Benefizveranstaltungen vorführen, aber er wird Ihnen sehr genau sagen können, welche Schritte zur Behebung Ihres Schadens von Nöten sind und er wird, falls es denn nötig ist, auch weitere kompetente Fachleute hinzuziehen, dies wiederum in einer für Ihren Fall sinnvollen Reihenfolge.

Autor: Gerhard Holzmann, Sachverständigenbüro Holzmann-Bauberatung, 9. Januar 2013

Buchtipp: Natürliche und pflanzliche Baustoffe

Blog Sachverständigenbüro Holzmann Bauberatung

Weitere Artikel von Gerhard Holzmann auf CSN Blog:

Wohnen im Mehrfamilienhaus ist nicht einfach

Allergiker und MCS-Kranke haben es besonders schwer

Das Leben in einem Mehrfamilienhaus kann sehr anstrengend sein, besonders wenn man Allergien hat oder unter Multipler Chemikaliensensitivität (MCS) leidet. Je mehr Menschen in einem Haus wohnen, desto unkontrollierbarer wird die Wohnsituation. Allergiker und Chemikaliensensible wären, wenn man es genau betrachtet, am Besten in einem baubiologisch ausgestatteten Einfamilienhaus statt in einem Mehrfamilienhaus untergebracht. In Städten und Ballungsgebieten kaum machbar, und wenn man unter einem gewissen Limit leben muss, auch unbezahlbar. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich mit dem Leben in einem Mehrfamilienhaus zu arrangieren und zu versuchen, die Gegebenheiten in den Griff zu bekommen. Spezielle Wohnprojekte für Multiallergiker und MCS-Kranke gibt es in Deutschland noch nicht, obwohl dieser Behindertengruppe gemäß der UN-Behindertenkonvention Hilfe zustünde und geeignete Wohnprojekte geschaffen werden müssen. Nicht einmal machbare Übergangslösungen zur Verbesserung der Wohnstuation von Chemikaliensensiblen sind durch die zuständigen Behörden angedacht. CSN hat sich deshalb auch am SPD Zukunftsdialog mit einem Vorschlag für die Umsetzung einer Übergangsregelung beteiligt: Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte (BÜfU) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Allergiker und Chemikaliensensible haben in einem Mehrfamilienhaus bspw. Probleme mit:

  • Verwendung chemischer Wasch- und Reinigungsmittel, meist mit Duft
  • Raucher (in der Wohnung oder auf dem Balkon)
  • DECT Telefone, Handy’s WLAN
  • Renovierungsarbeiten in anderen Wohnungen
  • Raumduftsprays durch Nachbarn, Duftlampen, Räucherstäbchen
  • Grillen auf dem Balkon
  • Haustiere von Nachbarn (Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen)
  • Verwendung von Pestiziden (Wohnraum, Flur, Balkon)
  • Trocknen von Wäsche mit Weichspüler oder duftendem Waschmittel auf dem Balkon

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  1. Wie kommt Ihr im Mehrfamilienhaus zurecht mit MCS und Allergien?
  2. Habt Ihr oft Gesundheitsbeschwerden durch Eure Nachbarn und ihre Lebensgewohnheiten? Welche?
  3. Was schränkt Eure Gesundheit am Meisten ein im Mehrfamilienhaus?
  4. Sind Eure Nachbarn kooperativ und unterlassen das, was Euch krank macht, oder konfrontieren sie Euch noch extra mit dem, was Euch krank macht?
  5. Was war die schlimmste Reaktion, die Ihr erlitten habt durch das Leben im Mehrfamilienhaus?
  6. Was war der Auslöser und welche Symptome traten ein?
  7. Musstet Ihr bereits umziehen, weil das Leben im Mehrfamilienhaus Euch noch kränker gemacht hat?
  8. Wie habt Ihr Euch mit dem Leben im Mehrfamilienhaus arrangiert, um gesundheitlich einigermaßen über die Runden zu kommen?
  9. Welche Hilfsmittel oder Umbauten waren hilfreich?
  10. Wie geht Ihr auf Nachbarn zu, um sie um Kooperation zu bitten? Hattet Ihr Erfolg?
  11. Was würde Euch am Meisten helfen, um im Mehrfamilienhaus zurecht zu kommen?

Bündnis 90/ Die Grünen stellt Anfrage zur Verbesserung der Raumluft in öffentlichen Gebäuden

Gesündere Baustoffe helfen, Gesundheitsschäden zu verhindern

Laut Umweltbundesamt halten Menschen in Mitteleuropa durchschnittlich 90% der Zeit in Innenräumen auf. Wöchentlich berichten Zeitungen über schadstoffbelastete Schulen, Kindergärten, Behördengebäude oder andere öffentliche Gebäude. Oft führt es zu Gesundheitsbeeinträchtigungen und -schäden bei den Gebäudenutzern. Schadstoffanalysen, Expertengutachten werden erstellt und nicht selten dauert es Monate bis Jahre, bis gehandelt wird. Solche „Sick Buildings“ („kranke“ Gebäude) sind vermeidbar, wenn von Vornherein bei Neubauten, Sanierungen und Renovierungen auf gesunde Baumaterialien geachtet wird. Die Partei „Bündnis 90 / Die Grünen“ hat die Tragweite der Gesundheitsbelastungen durch Schadstoffe in der Innenraumluft erkannt und forderte von Behörden in verschieden Regionen Deutschlands detaillierte Informationen im Rahmen von Anfragen. (1,2)

Behörden nehmen schadstoff- und umweltbedingte Krankheiten ernst

Umweltschadstoffe und belastete Innenraumluft werden von Behörden zunehmend thematisiert. Anfang 2012 eröffnete die WHO in Bonn ein Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit. Die Weltgesundheitsbehörde hatte im Vorfeld durch Erhebungen festgestellt, dass zwischen 20 und 54% aller Erkrankungen in der EU umweltbedingt verursacht sind. Bedenklich ist, dass insbesondere bei Kindern beim Ausmaß umweltbedingter Erkrankungen steigende Tendenz zu beobachten ist. Bei Kindern unter 15 Jahren liegt der Prozentsatz der durch Umwelt verursachten Krankheiten bei rund 34%. Die WHO rät daher explizit zur Verwendung von Umwelt- und gesundheitsverträglichen Bauprodukten. (3,4,5)

Das deutsche Umweltbundesamt geht bei jüngeren Veröffentlichungen ebenfalls intensiv auf die Schadstoffproblematik und Verbesserungen der Innenraumluftqualität ein und stellt klar, dass in Bezug auf Innenraumschadstoffe für Arbeitsplätze andere Maßstäbe gelten als für Innenräume von Behörden oder öffentlichen Räumen. Für Arbeitsplätze, an denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird, gelten Grenzwerte nach der Gefahrstoffverordnung. Diese Werte können jedoch nicht für Innenräume herangezogen werden. (6)

Das UBA nennt zur Verdeutlichung ein Beispiel:

„So ist eine Belastung mit Formaldehyd PDF / 381 KB in der Luft eines Büroraumes, die durch Ausgasung aus spanplattenhaltigen Möbeln entsteht, wie eine Wohnraumbelastung zu betrachten und nicht wie eine Belastung am Arbeitsplatz, etwa in der chemischen Industrie.“

Ständig Nachrichten über schadstoffbelastete Gebäude

Die Vorschläge und Ausführungen, die man Veröffentlichungen von Bundesbehörden entnehmen kann, lesen sich gut, die Realität sieht jedoch weniger erfreulich aus. Nahezu wöchentlich sind in deutschen Zeitungen Berichte über schadstoffbelastete öffentliche Gebäude zu finden. Immer wieder stehen Schulen und Behördengebäude in den Schlagzeilen, weil die Benutzer der Gebäude erheblich krank wurden. Für die Erkrankten beginnt in solchen Fällen oft ein nicht enden wollender Kampf um Anerkennung. Schülern wird „Massenhysterie“ unterstellt und Lehrer werden bezichtigt, „nur psychisch krank“ zu sein. Der Grund für solche bagatellisierenden Expertisen liegt auf der Hand, es geht um erhebliche Summen, die aufgewendet werden müssen, wenn ein Sick Building saniert werden muss, und es geht oft um Schadensersatz.

„Bündnis 90 / Die Grünen“ fragt nach

Weil die Problematik schadstoffbelasteter Innenräume sich häuft, stellte „Bündnis 90 / Die Grünen“ in verschiedenen Städten und Gemeinden in Deutschland im ersten Quartal 2012 folgende Anfrage:

„Vor diesem Hintergrund bittet Sie die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, folgende Anfrage auf die

Tagesordnung der nächste Ratssitzung zu nehmen und durch die Verwaltung beantworten zu lassen:

1. Welche Maßnahmen und Kontrollen unternimmt die Verwaltung in verbandgemeindeeigenen Gebäuden, um den Gesundheitsschutz für die sich darin aufhaltenden Kinder, MitarbeiterInnen und BürgerInnen zu gewährleisten?

2. Sind der Verwaltung Fälle in kommunalen Gebäuden (Kindergärten, Schulen, Bürogebäuden, Sporthallen etc.) bekannt, in denen es gehäuft zu gesundheitlichen Belastungen im Sinne eines „Sick-Building-Syndroms“ gekommen ist, also beispielsweise zu Geruchsbelästigungen, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, allergischen Reaktionen, Asthma, Pilzsporen, MCS (Multiple Chemical Sensitivity = Vielfache Chemikalienunverträglichkeit)? Falls ja, welche?

3. Welche Vorgaben/Kriterien hinsichtlich der Auswirkung auf die Raumluft, hat die Verwaltung bei der Beschaffung von Baustoffen zu beachten?

4. Welche weitergehenden Maßnahmen zur Erkennung, Vermeidung und Verringerung von insbesondere baustoffgebundenen Schadstoffquellen in der Innenraumluft der Gebäuderäume plant die Verwaltung?“

Behörden und Verwaltungen tragen Verantwortung für das Wohl der Bürger

Die Antworten der jeweiligen Verwaltungen werden mit großem Interesse erwartet und es wäre erfreulich, wenn die angestoßene Diskussion eine Wende hin zur Verbesserung der Innenraumluft in öffentlichen Gebäuden einleiten würde.

Schadstoffkontrollierte Bau- und Sanierungsmaterialien müssen nicht zwangsläufig teurer sein als schadstoffbelastete Materialien, diese Tatsache führen Fachleute immer wieder an. Doch selbst wenn schadstoffkontrollierte Baumaterialien etwas kostenintensiver wären, zahlen sie sich aus, denn wenn ein Sick Building erst saniert werden muss, wird es richtig teuer. Oft kostet eine aufwendige Sanierung Millionen. Von den gesundheitlichen Schädigungen, die Gebäudebenutzer erleiden, bis es irgendwann zu einer Sanierung kommt, ganz zu schweigen. Behördenziel sollte es sein, dass Meldungen, dass bspw. ein erheblicher Teil der Lehrerschaft einer Schule an Krebs starb, der Vergangenheit angehören.

Schadstofffreie Innenräume tragen dazu bei, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen

Ein weiterer Aspekt, der durch schadstoffkontrollierte Innenräume in Behörden und öffentlichen Gebäuden positiv beeinflusst würde, wäre die Inklusion von Allergikern, Umweltkranken, Asthmatikern, Chemikaliensensiblen und anderen Behindertengruppen, die besonders empfindlich auf Schadstoffe und Allergene wie z.B. Schimmelpilze in Innenräumen reagieren.

Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Deutschland seinen Bürgern, die unter diesen Behinderungen leiden, eine Integration schuldig. Bislang ist dies für die Behindertengruppe, die unter MCS (multiple Chemikaliensensitivität) leidet, noch nicht einmal ansatzweise geschehen, was einer erheblichen Benachteiligung gegenüber anderen Mitbürgern und Behinderten gleichkommt. Insbesondere, weil selbst Übergangslösungen, die durchaus machbar und bezahlbar wären, oft sogar nicht einmal etwas kosten, lediglich von Seiten der Betroffenen angedacht wurden. (7,8)

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1. Juni 2012

Literatur:

  1. Bündnis 90 / Die Grünen, Verbesserung der Raumluft in öffentlichen Gebäuden, 8. Februar 2012
  2. Bündnis 90 / Die Grünen im Landtag von NRW, Mustervordruck Raumlufthygiene, 12.01.2012
  3. Zsuzsanna Jakab, WHO Regionaldirektorin, Rede zur Eröffnung des erweiterten Europäischen Zentrums für Umwelt und Gesundheit, 14 Februar 2012, Bonn, Germany.
  4. WHO – Europäischen Zentrums für Umwelt und Gesundheit, WHO eröffnet erweitertes Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit in Bonn und stellt neuen Bericht über gesundheitsrelevante Umweltungleichheit vor, Kopenhagen und Bonn, 14. Februar 2012
  5. ECEH, Report Environmental health inequalities in Europe, 2012
  6. Umweltbundesamt, Gesundheit und Umwelthygiene, Innenraumlufthygiene, 13.02.2012
  7. Bundesbeauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, UN-Behindertenrechtskonvention, Oktober 2010
  8. CSN, BÜfU – Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte, 29.05.2012

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte

UN-Behindertenrechtskonvention für ein Leben mit MCS?

Soziale Inklusion, Barrierefreiheit, Gesundheitsversorgung und die Unterstützung von örtlichen Behörden sind für Umwelterkrankte ein Thema zum Überleben mit MCS, CFS, EMS, TE, SBS, FMS sowie diversen Allergien (z.B. Duftstoffallergie)

Seit zig Jahren leiden Menschen mit Umwelterkrankungen an den Folgen fehlender gesundheitsgerechter Wohnungen, sowie mangelnder behördlicher und angemessener ärztlicher Unterstützung.

Tagtäglich kämpfen Betroffene mit den Tücken ihrer Umwelt und schaffen es nicht, sich den bestehenden Bedingungen anzupassen. Es gehen Berichte umher von Notfall-Dokumentation wegen fehlendem MCS-gerechtem Wohnraum.

Es liegt nicht an dem Willen und der Bewältigungshingabe der Umwelterkrankten, dass sie immer wieder aus der Bahn geworfen werden, sondern an den Tücken neuer Wohnungen, der finanziellen Armut und wohl auch an der fehlenden Aufklärung der Bevölkerung, was nicht sein müsste, wenn man zu den USA hinüberblickt.

Umweltgifte ziehen ihren Bann mittlerweile durchs ganze Leben. Es gibt für einen erkrankten Betroffenen derzeit kaum eine Alternative dem zu Entkommen.

In den USA wurde der Gefahr von belastetem Wohnraum deshalb entgegengewirkt und entsprechende Gesetze erarbeitet, um den Betroffenen zu helfen.

Doch hier in Europa bzw. Deutschland, lässt eine adäquate Hilfe auf sich warten. Selbst einfachste Übergangsregelungen werden derzeit für Umwelterkrankte nicht eingeführt.

Vielleicht liegt ist es selbst nur an der Hilflosigkeit der politischen, behördlichen und medizinischen Kräfte, wenn sie von dem Leben mit Chemikalien-Sensitivität – ein Alltag mit vielen Einschränkungen hören.

Umwelterkrankungen führen im fortgeschrittenen Stadium zu einer unwiderruflichen Behinderung bis hin zur Schwerbehinderung.

Deshalb ist ein Handlungsbedarf notwendig und wird sogar International seit 2006 für alle Behinderte gefordert.

Die Vereinten Nationen haben die Rechte von Behinderten mit einem Übereinkommen, der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention, gestärkt. Derzeit wurde diese von 148 Staaten unterzeichnet und 100 davon ratifizierten diese – Deutschland schon 2009 und bekundete damit seine völkerrechtliche Verbindlichkeit zur Umsetzung derselben.

Ziel der Konvention ist es, für Menschen mit Behinderung die Barrieren des Alltages schrittweise abzubauen, um ihnen somit die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf allen Ebenen zu sichern.

Somit gilt nicht nur die Inklusion sowie Integration von Menschen mit Behinderung ins Berufsleben anzustreben, sondern bei jedem Betroffenen selbstredend erst einmal existenzielle Belange zu erfüllen; für Umwelterkrankte mit und ohne derzeitig zuerkannten Behinderung sind einige davon z.B.:

  • das Wohnen in einer gesundheitlich angemessenen Umgebung,
  • die Wahrung eines menschenwürdigen Lebens, medizinischer Versorgung, Verhinderung bzw. Vorbeugung von Diskriminierungen,
  • die Wahrnehmung aller Staatsrechte, wie barrierefreies Einkaufen, das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel,
  • das Besuchen von öffentlichen Gebäuden und Dienststellen sowie das in Kontakt treten mit Sachbearbeitern,
  • und vielem mehr.

Bei obigen Sachbereichen zeigen heutzutage schwerwiegend Umwelterkrankte ihr Nachsehen, ihre Gesundheit und ihr Leben sind deshalb bedroht. Die umfassenden Maßnahmen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention des deutschen Bundestages haben die Notleidenden bisher nicht erreicht.

Um diesem Mißstand mit Abhilfe zu verschaffen, wünschen sich Umwelterkrankte keine perfekte Lösung, die meist unmöglich zu verwirklichen wäre, sondern eine „Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte“ (pdf) (BÜfU), welche in einigen Punkten sogar in Kürze umgesetzt werden könnte.

Dieses angesprochene Regelwerk BÜfU enthält Vorschläge bzw. Lösungsansätze für viele der oben angesprochenen Problematiken und könnte zur Hilfestellung bzw. Findung für eine stufenweise oder entgültige Regelung für Umwelterkrankte mit Behinderung beitragen.

Autor:

Twei für CSN – Chemical Sensitivity Network, 29. Mai 2012

Weiterführendes Dokument:

Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte (BÜfU)

Weitere CSN Artikel zum Thema „MCS & Wohnen“:

Gesund bauen mit natürlichen Baumaterialien

Die besten Tipps im Fachbuch für Experten und Laien

Bauen und Sanieren mit natürlichen Baumaterialen bietet hervorragende Möglich- keiten, um sich ein gesundes Wohnumfeld zu schaffen. Der eigene Charakter vieler natürlicher Baustoffe sorgt für Behaglichkeit, die unvergleichbar ist. Allergiker und insbesondere Menschen mit Chemikalien-Sensitivität (MCS) profitieren durch gesundes Bauen. Voraussetzung für den stressfreien Ablauf eines Bau- und Sanierungsvorhabens für diese Personengruppen sind fachliche Kenntnisse über die einzelnen Baustoffe und ihr Einsatzgebiet, denn nicht alle Pflanzen sind für alle Menschen verträglich, somit auch nicht alle Baustoffe aus Pflanzen für alle Allergiker oder Chemikaliensensiblen gleichermaßen.

Experten im Bereich natürliche Baumaterialien haben ihr profundes Fachwissen in einem Buch zusammengefasst. Es ist für Fachleser wie auch für Laien gedacht und stellt ein Nachschlagwerk dar, das seines Gleichen sucht. Die Autoren haben, so weit möglich, die von der Natur gegebenen Inhaltsstoffe zusammen getragen. Das ermöglicht vor allem Personen mit MCS, sich einen Überblick zu verschaffen und herauszufinden, ob ein Baustoff passt oder nicht, um anschließend die individuelle Toleranz gezielt mittels Materialmuster abklären zu können.

Das erweiterte Fachbuch über natürliche Baumaterialien

Die zweite, erweiterte Auflage von „Natürliche und pflanzliche Baustoffe“ behandelt alle wichtigen nachwachsenden, pflanzlichen Rohstoffe aus Faser- und Färberpflanzen und den dazugehörigen physikalischen und chemischen Grundsätzen. Die Autoren erläutern, neben zahlreichen gängigen und möglichen Rohstoffpflanzen, auch umfangreich physikalische und chemische Aspekte für Handwerk, Industrie und Bauplanung. Es werden Ressourcen- und Umweltschutz ebenso angesprochen, wie Schadstoffe aus Bauprodukten. Neben detaillierten Angaben zu Einsatzmöglichkeiten und Verarbeitung auf der Baustelle runden Praxisbeispiele aus der Industrie das Themenspektrum ab.

Unverzichtbares Standardwerk

Schon die Erstauflage erreichte im Nu große Beliebtheit und Ansehen unter den Fachleuten. So lobte die Augsburger Allgemeine Zeitung die einfache und laienverständliche, systematische Darstellung der Baumaterialien und den erheblichen Reiseaufwand (40.000 km durch Europa), den der Herausgeber und Hauptautor Gerhard Holzmann tätigte. Das Fachmagazin für Baugutachter „Der Bausachverständige“ empfahl die Erstausgabe mit den Worten „…sehr informativ, lehrreich und auf jeden Fall für Baufachleute empfehlenswert“. In so manchen Rezensionen des Onlinebuchhandels wurde die Erstausgabe sogar als unverzichtbares Standardwerk betitelt, welches in bis heute nie da gewesener Art und Weise aufzeigt, wie Naturdämmstoffe hergestellt werden und was tatsächlich in diesen Baustoffen enthalten ist.

Recherche vor Ort – von Europa bis China

Für den Großteil des Buches wurde auch bei der zweiten, erweiterten Auflage direkt vor Ort, bei den Landwirten, der aufbereitenden Industrie und den Verarbeitern in Europa und Asien recherchiert. Bei der nun erhältlichen zweiten Auflage, mit einem deutlich erweiterten Umfang, ist Herr Holzmann sogar durch einige Provinzen in China gereist und hat sich den Bambus in allen Facetten, sowie dessen Aufbereitung zum Bauprodukt als Parkett oder Hartholzersatz angesehen. Diese umfangreiche Recherchearbeit brachte er mit Hilfe dieses Werkes mit einer herrlichen bebilderten Dokumentation nach Europa.

Tausende von Jahren Fachwissen im Verarbeiten von Naturstoffen

Das Buch dürfte jedoch nicht nur für Menschen interessant sein, die bauen oder bauen wollen. So ist beispielsweise auch auf die sehr interessante Geschichte der Rohstoffe eingegangen worden. Das ist sehr spannend, weil die meisten Pflanzen schon seit vielen, vielen hunderten oder gar tausenden Jahren genutzt werden. Neben diesem gibt es aber auch Hinweise zur Kultivierung im eigenen Garten oder in der Landwirtschaft. Nur um ein Beispiel von vielen zu nennen – der Waid wächst auf vielen Böden in Deutschland und man nutzt ihn nicht nur als Färberpflanze, sondern auch als Tee: Die Blätter werden hierzu getrocknet, mit kochendem Wasser aufgegossen, zwei Minuten ziehen gelassen und schon hat man einen herrlichen Tee, der ein wenig nach grünem Tee schmeckt und sehr gesund ist. Auch solche Informationen, die Nutzung diverser Pflanzenrohstoffe außerhalb des Baufaches, kann man aus diesem Buch herauslesen. Hierbei merkt man, dass der Autor nicht nur im Bauwesen recherchierte, sondern offensichtlich auch einiges selbst versucht und ausprobiert hat, was sich auch in den vielen Rezepturen zum Thema Färben und Farben aus Pflanzenrohstoffen sehr deutlich widerspiegelt.

Baubiologe über Schadstoffe in Innenräumen

Neben all den Rohstoffen gab es auch bei der neuen Auflage wieder einen Zusatz. War es in der Erstauflage eine Zusammenfassung physikalischer Fachthemen, wurden bei der Zweitauflage nun mit chemischen Aspekten, insbesondere aus dem Bereich der Baubiologie, angereichert. Der bekannte Baubiologe Dr. Rainer Bruns aus Papenburg erstellte eine Zusammenfassung in Bezug auf flüchtige Stoffe in Bauprodukten und erklärte damit den nicht unwichtigen Bereich der gesundheitlichen Gefahren, die durch diverse Baustoffe bzw. deren Inhaltsstoffe gegeben sein können. Hierzu ein selbsterklärendes Zitat des Vorwortes von der aktuellen Auflage von „Natürliche und pflanzliche Baustoffe“:

„Nicht wenige Baubiologen und selbst Mediziner weisen mittlerweile auf schädliche Ausdünstungen in Wohn- und Aufenthaltsräumen hin. Synthetische Lacke, Farb- und Anstrichmittel zählen neben einigen anderen Kunstprodukten zu den Hauptauslösern von steigenden Allergiekrankheiten, bis hin zur immer mehr verbreiteten, sogenannten vielfachen Chemikalienunverträglichkeit (MCS Multiple Chemical Sensitivity). Menschen, die unter solchen Krankheiten leiden, können sich schon heute in sehr vielen Bereichen des öffentlichen Lebens gar nicht mehr aufhalten und die Anzahl dieser Menschen ist hierbei auch nicht gering. Man geht davon aus, dass in den Industriestaaten um die 15 % der Bewohner an MCS erkrankt sind, und das ist nur eine von vielen Krankheiten im Zusammenhang mit Umweltgiften.“

Rezepturen zum Färben

Anstrichmittel wären dann auch der dritte große Bereich, der in der aktuellen Version hinzugekommen ist. Es werden 17 der in Europa am meisten nutzbaren Färberpflanzen vom „Samen zum Anstrich“ erklärt. Abgerundet wird dies mit Rezepturen für Farben, Lasuren, Wachse, Tünche und Beizen bis hin zu einer umfangreichen Rezeptliste zum Färben von Textilien. Gerhard Holzmann zog das Färben von Textilien mit in dieses Werk ein, da gerade dieses ein sehr guter Einstieg in die Färberei ist, einen für den man wenige Mittel benötigt und der vor allem auch mit jüngerem Publikum durchführbar ist. Er erklärt dazu, dass man einige dieser Rezepte sogar mit einer Kindergartengruppe ausführen könnte und somit gefahrenfrei schon den Jüngsten unter uns den Nutzen von Pflanzen in unserer Umwelt erklären könnte und sie somit auch in Bezug auf den Umweltschutz sensibilisiert.

Die Gestaltung der Texte wurde vom Autorenteam völlig unabhängig und neutral verfasst. Womit dieses Werk die reinen Bau- und Rohstoffe, deren Verarbeitung sowie die physikalischen und chemischen (baubiologischen) Aspekte erläutert. Dies macht das Werk unbedenklich nutzbar für alle Unterrichts- und Lehreinheiten des Themengebietes.

Autoren des Buches: Ing. Gerhard Holzmann (Hrsg), Dipl.Ing. Matthias Wangelin, Dr. Rainer Bruns

Buch erhältlich über den Buchhandel, den Springer Verlag oder bei PureNature

Zielgruppe:

Architekten und Ingenieure in Planung und Ausführung, Planungs- und Ingenieurbüros, Bautechniker, Statiker, Konstrukteure, Experten im Bereich ökologische Baustoffe, Bauherren, Industrieverbände, Baubehörden, Bauwirtschaftlich orientierte Institutionen, Professoren, Dozenten, Studierende.

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Gebäudedämmung für Allergiker

Aus Neptuns Händen in Wand, Boden und Dach – natürlicher Dämmstoff

Der römische Gott Neptun war, so wird vermutet, der Gott der fließenden Gewässer, der springenden Quellen und des Wetters, als dieser wurde er dem griechischen Wassergott Poseidon gleichgesetzt. Ein Gott also, der über das Wasser herrscht, die Macht über dessen Bewegungen und natürlich auch über die darin befindlichen Bewohner inne hat. Einer dieser Bewohner sind die, nach diesem Wassergott benannten, Seegräser aus der Familie Neptungrasgewächse (Posidoniaceae). Wobei wir im europäischen Baustoffwesen vor allem einen Blick auf die Pflanzenart Posidonia oceanica, ein Mitglied dieser Pflanzenfamilie, werfen sollten. Das Warum ist einfach erklärt. Während die anderen Neptungräser aus der Gruppe der Posidonia australis und Posidonia ostenfeldii nur im südlichen und westlichen Australien bzw. in deren flachen bis subtropischen Meeresbereichen gedeihen, wächst das Posidonia oceanica auch an den vielen küstennahen Bereichen des Mittelmeers. Aus europäischer Sicht also eine heimische Seegrassorte. Aber und das gilt es zu wissen, es handelt sich nicht nur um irgendeine Seegrassorte. Die durch sie gebildeten Seegraswiesen sind die Grundlage bedeutender mariner Ökosysteme im Mittelmeer und stehen daher auch unter besonderem Schutz. Sie sind z.B. Brutraum für viele Fische, Lebensraum für Schnecken aber sie schützen die Küstenregionen auch vor Erosion. Das pflücken von Souvenirs unterhalb des Meeresspiegels ist somit grundsätzlich zu unterlassen, gar großteils verboten. Für den Einsatz als Bau- bzw. Dämmstoff ist dies jedoch unbedeutend, denn dafür werden, die an die Küsten gespülten, abgestorbenen Pflanzenteile eingesammelt.

Semmelknödel und Neptunbällchen

Diese abgestorbenen Pflanzenteilchen sind baustofflich nutzbar wenn sie in Form von mehr oder weniger großen Bällchen am Strand liegen, die man auch als Neptunbälle oder noch vor einigen Jahrzehnten als Gamsballen betitelte. Für diese Ballform, kommt indirekt wieder Neptun, der eingangs erwähnte Wassergott ins Spiel. Denn die Ballform wird durch die Bewegungen des Meerwassers geschaffen. Abgestorbene Pflanzenteile werden am Meeresboden durch die Bewegung des Wassers so lange hin und her bewegt bis alle verrottbaren Teile der Laubblätter abgerieben und nur noch die stabilen Rippen des Blattes übrig bleiben. Diese Blattrippen werden über die Meeresbewegung dabei zu Bällchen geformt. Man kann sich das vorstellen wie das Formen eines Semmelknödels zwischen den Händen. Wiederum durch das Meer, vor allem bei stürmischer See, werden die Bällchen dann an die Strände gespült.

Um nun aus den Bällchen einen Dämmstoff zu produzieren muss man im Grunde nur noch selbige vom Strand aufsammeln, die Faserkugeln auseinander zupfen und diese von Sanden und anderen Fremdpartikeln säubern. Aus industrieller Sicht ist das zwar nicht ganz so einfach aber so ungefähr könnte man das im Groben und allgemeinverständlich schildern.

Allergikergeeignet

Der sympathische Karlsruher Professor Richard Meier hat dieses Geschenk der Natur und vor allem die hohe Qualität der Neptunfaser erkannt und produziert seit jüngster Zeit einen, mittlerweile auch allgemein bauaufsichtlich zugelassenen, losen Dämmstoff aus den Neptunbällen. Zu diesen angesprochenen Qualitäten zählt vor allem der hohe Gehalt an mineralischen Stoffen, was der Faser selbst einen von Natur gegebenen Brandschutz verleiht. NeptuTherm, wie der Dämmstoff betitelt wird, wird somit ohne weitere brand- und Flammhemmende Zusätze angeboten. Es liegt in diesem Fall eine reine Naturware vor, die auch für starke Allergiker und Mitmenschen mit chemikalischen Unverträglichkeiten ohne weiteres genutzt werden kann.

Ideallösung für verwinkelte Hohlräume

Als loser Dämmstoff kann Neptutherm in definierte Hohlräume geschüttet, gestopft oder auch geblasen werden. Egal ob offene Holzbalkendecke, Hohlräume in Holzständerkonstruktionen oder in Dachflächen, der Dämmstoff ist überall anwendbar wo er vor Feuchtigkeit oder Nässe geschützt ist. Die Einbaumenge beträgt bei einer Wärmeleitzahl zwischen 0,037 und 0,0428 W/mK (Rechenwert 0,049 W/mK) ca. 85 bis 130 kg/m3 und die Verpackungseinheit ist mit 15 kg Säcken recht handlich gewählt. Nicht nur handlich auch praktisch, denn bei einer 20 cm dicken Dämmschicht benötigen Sie recht genau einen Sack pro Quadratmeter. Hervorzuheben ist, dass der lose Dämmstoff als Einblasdämmung hervorragend geeignet ist um schlecht zugängliche verwinkelte Hohlräume zu dämmen. Gerade im Dach, wie z.B. um den First, ist es vielfach nicht einfach überall hin zu kommen und eine geschlossene Dämmschicht zu erstellen. Hier ist die Einblasdämmung einer der idealsten Lösungen. Der Luftstrahl der Einblasmaschine sorgt dafür, dass selbst die kleinsten Eckchen vollständig mit Dämmstoff gefüllt sind. Wie erwähnt kann der Dämmstoff auch geschüttet oder gestopft werden. Das heißt, auch für den fleißigen Hobbyhandwerker ist die Möglichkeit geschaffen selbst Hand zu legen. Allerdings sei allgemein dringenst anzuraten, dass sich auch der geschickteste aller Heimwerker zunächst von einem ausgebildeten Fachmann/Sachverständigen beraten lässt. Das Dämmen an sich ist zwar kinderleicht, allerdings gibt es ein paar Dinge, die man, zum Beispiel aus bauphysikalischer Sicht, beachten muss, um auch wirklich lange Zeit Geld beim Heizen zu sparen und nicht bald schon wieder neu mit einer Sanierung beginnen zu müssen.

Als Sachverständiger, der mitunter Dämmstoffe als einen seiner Schwerpunkte mit vielen Jahren der Erfahrung inne hat, stehe ich Ihnen gerne für Beratungen auch zu diesem Dämmstoff zu Verfügung. Rufen Sie mich einfach an und vereinbaren Sie einen Termin mit mir. Ich freue mich Ihnen helfen zu dürfen.

Autor: Gerhard Holzmann, Sachverständigenbüro Holzmann-Bauberatung, 12. März 2012

Photos: Copyright Gerhard Holzmann

Weitere detailierte Informationen über Dämmmaterialien erfahren Sie im Fachbuch des Autors : „Natürliche und pflanzliche Baustoffe“. Das Buch kann direkt vom Verlag bezogen werden.

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