Monatsarchiv für November 2012

Dramatischer Anstieg von umweltbedingt Erkrankten zwingt zur aktiven Hilfe und Unterstützung

Engagement für Umwelterkrankte kommt allen zugute

Derzeit findet eine unterstützungswürdige Petition bei AVAAZ statt.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet über den Anstieg umweltbedingter Krankheiten und nennt als Ursache die weltweite Vergiftung unserer Umwelt.

Europäische und deutsche Amtsträger verhindern die Verschlechterung der Lage der Bevölkerung nicht. Die bisherigen Gesetzesregelungen sollten dafür ausreichen und hätten eigentlich den heutigen Missstand verhindern müssen.

Jedoch gibt es eine ungünstige Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft – dazu 3 Beispiele:

Auch in Bezug zur direkten Hilfe für Umwelterkrankte, z.B. beim Berufsstand der Umweltmediziner oder bei Leitern von Kliniken und Krankenhäusern stößt man auf ein fragwürdiges Wirken:

Was sind Umwelterkrankungen?

Umwelterkrankungen (siehe Ärzteinformation) sind unter anderem folgende Krankheiten:

  • Multiple Chemikalien Sensitivität (MCS), WHO-ICD-10: T78.4
  • vielfältige ALLERGIEN, Duftstoffallergie, siehe oben MCS
  • Chronic Fatigue Syndrom (CFS)(ME), CDC/WHO 1988 – ICD-10: G 93.3
  • Toxische Enzephalopathie (TE), WHO 1985 – ICD-10: G 92
  • Elektrosensibilität (EMS)(EHS), WHO 2006 – ICD-10 Z58
  • Fibromyalgie-Syndrom (FMS), WHO-ICD-10: M79.70
  • Sick-Building-Syndrom (SBS), WHO 1982 – ICD-T75.8
  • und-oder schwerwiegenden Atemwegerkrankungen

Häufig werden aber auch nur Depressionen, Burnout, Trauma, psychosomatische Störungen und Persönlichkeitsstörungen, Reizdarm, Augenreizung, Allergie, Müdigkeit, Reizhusten, Asthma, Bronchitis, Kopfschmerzen, Migräne, ADS, ADHS, Aufmerksamkeitsdefizit, und vielem mehr genannt – ABER NICHT EINDEUTIG ERKANNT, ERFASST und den oben aufgelisteten UMWELTKRANKHEITEN zugeordnet!

Ein menschenwürdiger Umgang mit jenen chronisch Erkrankten findet leider nicht statt.

Die Gifte befinden sich häufig in Wohnungen, Umgebungsluft, Trinkwasser, Lebensmitteln, Putzmitteln, Hygieneartikeln und vielem mehr. Wir haben es täglich mit einer Überdosis an Kunststoffen (Weichmacher, Bisphenol A / BPA usw.), Chemikalien (Dioxin, Konservierungsstoffen, Farbstoffen, Pestiziden usw.) Schwermetallen (Quecksilber, Blei usw.) , und bei weitem mit viel mehr zu tun. Für Schwerstkranke ist die notwendige Ausweichung dieser Umweltgifte ohne professionelle sowie staatlich regulierte Hilfe unmöglich.

Umwelterkrankte sind häufig je nach Schädigungen schwerstbehindert. Eigentlich sollte hier die UN – Behindertenrechtskonvention Abhilfe schaffen!

Der Schweregrad der Behinderung und die übliche \\\“Nichtzuständigkeit\\\“ der Behörden sowie Ärzteschaften, verhindern systematisch eine gesundheitliche Regelversorgung für derartig Betroffene.

Dadurch kommt es zu einem immer schwerer werdenden progressiven Krankheitsverlauf – bis hin zu Todesfällen. Personen mit Grundsicherungseinkommen (auch Harz IV, Rente wegen völliger Erwerbsminderung usw.) sind besonders schwer betroffen.

Jeder Mensch ist hochgradig gefährdet durch seine Umwelt zu erkranken und benötigt dann eine Krankenversorgung und Beistand.

Nur ein zügiges politisches Handeln kann weitere Diskriminierungen und Körperverletzungen verhindern.

Deshalb kann jeder mit einem minimalem Aufwand ALLEN helfen.

Unterstützt bitte folgende PETITION bei AVAAZ >>>

Umweltkrankheiten: Beschleunigte Einführung einer \\\“Behindertengerechten Übergangsregelung für Umwelterkrankte\\\“ (BÜfU)

Vielen Dank!

Krank durch den Beruf, Versicherung zahlt

MCS-Patient erhält 150.000,00 € aus privater Berufsunfähigkeitsversicherung

Heute möchte ich von einem weiteren Fall berichten (vgl. auch Artikel „Jungem Mann mit MCS wurde Rente gewährt“), der zeigt, dass es zwar schwierig ist, Ansprüche gegenüber Berufsunfähigkeitsversicherungen aufgrund einer MCS-Erkrankung durchzusetzen, dass dies jedoch – je nach Fallgestaltung – durchaus nicht aussichtslos sein muss.

In dem von mir vertretenen Fall lag bereits außergerichtlich ein Gutachten vor, das dem Kläger bestätigte, dass er aufgrund seiner MCS-Erkrankung in der zuletzt ausgeübten Tätigkeit zu mindestens 50 % berufsunfähig ist. Aus diesem Grund wurden von der beteiligten Berufsunfähigkeitsversicherung zunächst auch Rentenleistungen gewährt, jedoch nur bis zum 31.01.2007.

Die weitere Zahlung über dieses Datum hinaus wurde noch im Anerkennungsschreiben mit der Begründung abgelehnt, mein Mandant sei mittlerweile an einen anderen Arbeitsplatz im selben Unternehmen versetzt worden und in Bezug auf diese neue, tatsächlich ausgeübte Tätigkeit nicht im erforderlichen Umfang berufsunfähig. Zudem sei er auch zulässigerweise auf diese neue Tätigkeit verweisbar, weil er in dieser dieselbe Lebensstellung innehabe wie in seiner bisherigen. Dies begründete die Versicherung vor allem damit, dass mein Mandant in der neuen Tätigkeit dasselbe Einkommen erzielte, wie in der bisherigen.

Sowohl außergerichtlich als auch im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth machte ich geltend, dass eine Verweisung meines Mandanten auf die neue Tätigkeit unzulässig sei, da diese gerade nicht seiner bisherigen Lebensstellung entspreche. Denn nach der Rechtsprechung des BGH komme es nicht allein darauf an, dass in der neuen Tätigkeit dasselbe Einkommen erzielt wird wie in der bisherigen, sondern entscheidend auch darauf, ob die neue Tätigkeit in Bezug auf die dafür erforderliche Ausbildung und die zur Ausübung erforderlichen Kenntnisse vergleichbar ist. Dies jedoch sei nicht der Fall.

Die zur Frage der Vergleichbarkeit der bisherigen Tätigkeit mit der neuen Tätigkeit durchgeführte Beweisaufnahme verlief zu Ungunsten des Klägers, gleich zwei Zeugen sagten aus, beide Tätigkeiten seien auch in Bezug auf die zur Ausübung erforderlichen Kenntnisse vergleichbar. Das Gericht gab daher mit deutlichen Worten zu erkennen, dass der Kläger das Klageverfahren nach dem bisherigen Verlauf der Beweisaufnahme wohl verlieren werde.

Ich bat daher um eine Unterbrechung der Verhandlung und riet meinem Mandanten, auf die Vernehmung des letzten Zeugen zu verzichten und sich auf einen Vergleich mit der Gegenseite einzulassen, sofern sich diese trotz des für sie positiven Verlaufs der Beweisaufnahme überhaupt noch vergleichsbereit zeige. Bereits zu Beginn des Termins hatte diese 130.000,00 € als Vergleichssumme angeboten, die der Kläger zunächst jedoch ablehnte. Trotz des für die Beklagte positiven Verlaufs der Beweisaufnahme konnte ich es schließlich erreichen, dass diese ihr Angebot sogar noch erhöht, so dass ein rechtswirksamer Vergleich über 150.000,00 € zu Stande kam.

Autor:

RA Dr. Burkhard Tamm, Fachanwalt für Medizinrech, Würzburg, www.tamm-law.de

Weitere Artikel von RA Dr. Burkhard Tamm:

Kranke helfen Kranken

Ohne Hilfe von Gesunden können Umweltkranke bei Hilfsaktionen selbst zum Notfall werden

Es ist hoch anzurechnen, wenn ein Kranker dem anderen Kranken hilft und ihn bei einem Notfall womöglich sogar rettet. Im Bereich Umweltmedizin gestaltet sich die Hilfe nicht ganz einfach. Es fehlt an Krankenhäusern, die Umweltkranke mit einer ausgeprägten Chemikaliensensitivität (MCS) aufnehmen können. Um Wohnraum, der für MCS Kranke geeignet wäre, ist es genauso schlecht bestellt. Weil sich die Versorgungssituation für Umweltkranke nicht verbessert hat in den vergangenen fünfzehn Jahren, kommt es in gewissen Abständen zu Notfällen. Plötzlich sind die eigenen vier Wände nicht mehr tolerierbar und der Umweltkranke bräuchte ein Notfallquartier, wenn die Familie oder Freunde nicht einspringen kann. Noch dramatischer wird es, wenn medizinische Versorgung notwendig, aber nicht verfügbar ist.

Helfen ja, aber nicht über die eigenen Möglichkeiten hinaus

In Vergangenheit halfen Mitglieder des CSN Forum, dem größten Forum für Umweltkranke mit MCS in Europa, immer einmal wieder anderen MCS Kranken. Sie boten Wohnraum an, halfen bei organisatorischen Belangen und sie gaben emotionalen Beistand. Manche unterstützten Notfälle sogar finanziell, obwohl sie selbst nichts übrig hatten. Es gab Fälle, bei denen der Helfer kränker war als der Notfall und dieser bei der Hilfsaktion Schaden nahm. Körperlich, Wohnraum-mäßig und finanziell. Das ist traurig und erinnert an das Sprichwort:

„Ein Blinder kann den anderen Blinden nicht über die Straße führen.“

Bei MCS ist es ähnlich, vielleicht sogar noch komplexer. Nicht jeder an MCS Erkrankte reagiert auf das Gleiche wie ein anderer. Schon aus dieser Tatsache heraus kann es sehr problematisch werden, wenn man jemanden im eigenen schadstoffkontrollierten Wohnraum aufnimmt. Sind die Habseligkeiten des Notfalls nämlich mit Schadstoffen, Duftstoffen, Schimmel kontaminiert oder einem für den anderen unverträglichen Waschmittel, kann ein Alptraum seinen Lauf nehmen. Jeder, der seit Jahren unter Hypersensitivitäten auf Chemikalien reagiert, weiß was gemeint ist. Eine kontaminierte Waschmaschine wieder clean zu bekommen kann Wochen dauern. Selbst über die eigenen Kräfte hinausgehen und keine Ruhe mehr finden, neben chemischen Belastungssituationen, führt zwangsläufig zu Verschlechterung des Gesundheitszustandes.

Ein Fallbeispiel:

Eine an MCS erkrankte Person musste innerhalb von Stunden aus der eigenen Wohnung. Ein Umweltkranker nahm sie auf und holte den Notfall sogar im eigenen Auto ab. Die Habseligkeiten des Notfalls waren kontaminiert. Die Person selbst benutzte herkömmliche Körperpflegemittel und selbst mit Duschen und Kleidung mehrmals waschen blieb die Situation problematisch. Zusätzlich übte die Familie des Notfalls Druck aus und die Person hatte finanziell nichts, um einen Beitrag zu den entstehenden Mehrkosten und Nahrung beizutragen. Weil die kranke Person kein Ausweichquartier fand, zog sich die Situation über Wochen hin. Andere Umweltkranke gaben emotionalen Beistand und schickten finanzielle Notpflaster. Zu guter Letzt ging es dem Helfer selbst so schlecht, dass er sich kaum noch auf den Beinen halten konnte und mühsam erarbeitete gesundheitliche Besserung war vernichtet. Am Ende stand der Mann mit deutlich reduziertem Gesundheitszustand, einer kontaminierten Wohnung und einem Verlust von mehreren Hundert Euro da. Der Fall mag sich krass anhören, es ist leider kein Einzelfall.

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  • Kann ein Umweltkranker einen MCS-Kranken in Not aufnehmen?
  • Welche persönlichen Erfahrungen, Situationen, habt Ihr als Helfer erlebt?
  • Gab es heftige Probleme, auch mit Nachwirkungen für Euch?
  • Würdet Ihr nochmals Hilfe über ein gewisses Maß hinaus geben?
  • Kennt Ihr heute eine Ausweichstrategie?
  • Gibt es Institutionen, Räumlichkeiten, wohin man einen Notfall vermitteln könnte?
  • Wie beurteilt Ihr die Situation, kann ein selbst schwer an MCS Erkrankter eigentlich einem anderen schwer an MCS Erkrankten helfen?

 

Weitere Blogfragen zu umweltmedizinischen Themen: Thommy’s Blogfrage