Archiv der Kategorie ‘Krank durch Pestizide‘

Pestizide – Reduktion des Einsatzes unabdingbar

Bioland: Aktionsplan der Bundesregierung unzureichend

Bioland kritisiert den jetzt von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf des „Nationalen Aktionsplans zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln“ (NAP). „Der Pestizid-Aktionsplan der Bundesregierung kann in der vorliegenden Form keinen Beitrag dazu leisten, die negativen Auswirkungen des Pestizideinsatzes auf Menschen, Pflanzen, Tiere, Böden und Gewässer nachhaltig zu vermindern. Es bedarf erheblicher Nachbesserungen“, sagt Jan Plagge, Präsident von Bioland.

EU-Vorgaben verpflichten Deutschland zu diesem Aktionsplan, mit dem die Risiken der Verwendung von Pestiziden auf Mensch und Umwelt reduziert und die Abhängigkeit vom chemischen Pflanzenschutz verringert werden soll. Anfang 2013 soll der Aktionsplan in Kraft treten. Um diese Vorgaben umzusetzen, fordert Bioland von der Bundesregierung eine grundsätzlich andere Pestizid-Politik. Nur durch ehrgeizige Reduktionsziele zum Pestizideinsatz und eine Stärkung des ökologischen Landbaus kann der Aktionsplan seine Wirkung entfalten. Weitere Instrumente sieht Bioland in der Einführung einer Pestizidabgabe und dem Verbot besonders gefährlicher Pestizide für Bienen und Insekten, insbesondere der Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide.

In einer heute veröffentlichten Stellungnahme zeigt Bioland die großen Defizite des Aktionsplans auf. Es fehlen wirksame Ziele und Maßnahmen, die tatsächliche Veränderungen im Pflanzenschutz bewirken. Gravierende Probleme wie der Rückgang der Artenvielfalt in der Agrarlandschaft, die durch die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln entstehen, werden nicht ernsthaft angegangen. So gibt es in Deutschland nur noch halb so viele Vögel in der Agrarlandschaft wie vor 30 Jahren. Bioland macht die intensive Landwirtschaft mit Monokulturen und hochgiftigen Pestiziden, die viele Wildkräuter und Insekten vernichten, dafür verantwortlich.

Der Biolandbau wirkt sich dagegen positiv auf die Artenvielfalt und die Umwelt aus: „Ein Ziel des Biolandbaus ist der Erhalt und die Förderung einer hohen Biodiversität in der Agrarlandschaft. Unsere Bauern setzen keine chemisch-synthetischen Pestizide ein, pflanzen Hecken und säen Wildblumenstreifen, die zahlreichen Tierarten als Lebensraum dienen“, so Plagge. Das hohe Potential des ökologischen Landbaus zur Minderung der Pestizid-Risiken wird jedoch im NAP nur unzureichend genutzt. „Die Förderung des Biolandbaus muss zentraler Bestandteil des Pestizid-Aktionsplans werden“, fordert Plagge. So könnte er einen wichtigen Beitrag dazu leisten, das Ziel der Bundesregierung in der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, 20 Prozent der Agrarfläche auf Biolandbau umzustellen, in den nächsten Jahren zu erreichen (Ist-Wert sind 6 Prozent).

Autor: Bioland, Mainz, 25. Oktober 2012.

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Kaffee mit Pestizid süßen?

Eine giftige Chemikalie wird als gesundheitsbewußter Süßstoff verkauft

Das amerikanische Süßmittel „Splenda Essentials“ ist angeblich für die Gesundheit gut, während es in Wirklichkeit mehr mit Pestiziden als mit Zucker gemeinsam hat.

Sucralose [E955], unter dem Markennamen Splenda verkauft, ist einfach nur chlorierter Zucker; chemisch ausgedrückt ist es eine Chlorkohlenwasserstoff-Verbindung. Die Idee dahinter ist, daß der Körper dies nicht weiter als Zucker erkennen wird. Doch wie der John Hopkins Schüler und Biochemiker Dr. med. James Bowen betont, handelt es sich bei Chlor um den „Doberman-Kampfhund der Natur – ein sehr reaktionsfreudiges, aggressives chemisches Element, dessen Anwendung vom Biozid in Bleichmitteln, in Desinfektionmitteln, in Insektiziden bis zum Giftgas des ersten Weltkrieges und zu Chlorwasserstoffsäure [Salzsäure] reicht“. Zu den bekannten Chlorkohlenwasserstoffen gehören Chlordan und DDT, ein Produkt das so schädlich ist, daß es inzwischen für die landwirtschaftliche Anwendung weltweit verboten ist.

Nun verkauft Splenda ein Produkt das Splenda Essentials heißt. In verschiedenen Rezepturen sind Vitamin B, Antioxidanten (die Vitamine C und E) oder Ballaststoffe enthalten. Das Marketing und die Werbung zielen offenbar auf gesundheitsbewußte Menschen, die sich für Vitamine und Nährstoffe interessieren – obwohl Splenda de facto hoch giftig ist und in einer gesunden Ernährung nichts zu suchen hat.

Die Werbung von Splenda behauptet, daß die Zugabe von Vitamin B1, B5 und B6 „für einen gesunden Stoffwechsel sorgen“. Das Antioxidanten-Produkt „enthält Vitamin C und E, wie jene, die in Früchten und Gemüse vorkommen“, während das Ballaststoff-Produkt (Fiber) damit beworben wird „ein Gramm gesunde Fasern“ zu enthalten. Es sollte erwähnt werden, daß das normale Splenda-Produkt bereits Fasern enthält – Traubenzucker-Pulver und oder Maltodextrin, das als Transporter für den Süßstoff dient – jedoch nur zwischen 0,5 bis 1.0 Gramm davon. Für das Ballastsstoff-Produkt haben sie diese auf ein ganzes Gramm hoch gepowert. Applaus, Applaus!

Was die Vitamine angeht, hat Splenda 20 Prozent der empfohlenen täglichen Aufnahmemenge dazu getan; was die Ballaststoffe angeht sind es 0,03 Prozent der empfohlenen Tagesmenge. Doch vergleichen wir diese Werte mit den Empfehlungen des emeritierten Wissenschaftlers, Forschers und Artzes Dr. Emanuel Cheraskin von der International Academy of Science:

B1 B5 B6 C E Fasern
RDA*
empfohlene Aufnahme
1,2 mg 5 mg 15 mg 85 mg 15 mg (22,35 IE) 32 mg
Inhalt pro Packung 0,24 mg 1 mg 3 mg 17 mg 4,5 IE 1 mg
Cheraskin (PDF) 25 mg 100-200 mg 25 mg 1,000 mg 450 IE

[*US-Empfehlungen, IE = internationale Einheiten]

Aufgrund der winzigen in einer Packung enthaltenen Nahrstoffmengen, müßte man eine unverantwortlich große Zahl an Päckchen einnehmen, um überhaupt irgend eine gesundheitliche Auswirkung zu erzielen – allerdings vorausgesetzt, man würde die Sucralose selbst nicht einnehmen! Wie wir letztes Jahr berichtet haben, verändert Splenda die Mikroflora im Darm und „ruft zahlreiche Nebenwirkungen hervor“, wie aus einer Studie der Duke University hervorgeht, dazu gehören Zunahme des Körpergewichtes (was nicht genau das ist, was man von einer „Diät-Hilfe“ erwartet) und Zunahme von Leber-Enzymen, was die Bioverfügbarkeit von Nährstoffen beeinträchtigt.

In „Die lethale Wissenschaft von Splenda, ein giftiger Chlorkohlenwasserstoff“, berichtet Dr. Bowen, daß „jeder Chlorkohlenwasserstoff der vom gesunden Körper nicht sofort ausgeschieden wird, dem Prozeß des menschlichen Stoffwechsels großen Schaden zufügen kann und, letztendlich, unseren inneren Organen. Die Leber ist das Entgiftungsorgan, das sich mit den eingenommenen Giften befaßt. Chlorkohlenwasserstoffe beschädigen die Hepatozyten, die Stoffwechselzellen der Leber, und zerstören sie“.

Dr. Bowen weist darauf hin, daß das hohe Lösungsvermögen von Chlorkohlenwasserstoffen wie Splenda das Nervensystem angreift und Krebs, Geburtsfehler und eine Zerstörung des Immunsystems hervorrufen kann. Bei Versuchstieren hat Splenda Leberschwellungen hervorgerufen (was alle Chlorkohlenwasserstoffe tun) und Leberentzündung verursacht.

Unsere Kollegen von ANH-Europa weisen auf andere Nebenwirkungen bei Versuchstieren hin, welche Folge der Aufnahme von Sucralose waren: DNA-Schäden in den Organen des Magen-Darm Traktes, Zunahme normaler Zellen im Oberflächengewebe der Nieren, hämorrhagische Degeneration der Lebernierenrinde (die den Stoffwechsel von Kohlenhydraten und Fett, den Salz und den Wasserhaushalt reguliert), das Auftreten von Katarakten, ausgeprägte Störungen des Magen-Darm Traktes, sowie tote, schwangere Kaninchen und Abgänge von Kaninchen-Föten. Zu den Nebenwirkungen von Splenda auf Menschen zählen Kopfschmerzen und Migräne und eine langen Liste von Nebenwirkungen die Verbraucher berichtet haben, wie z.B. Hautausschlag und Rötungen, panikartige Erregungen, Schwindel und Benommenheit, Durchfall, Schwellungen, Muskelschmerzen, Bauchkrämpfe, Blasenleiden und Magenschmerzen.

Splenda hat Aspartam als Nummer Eins der künstlichen Süßstoffe in Lebensmitteln und Getränken ersetzt; die Popularität von Aspartam ließ nach, nachdem die Öffentlichkeit erfuhr, daß es sowohl ein Neurotoxin als auch eine verborgene Ursache chronischer Erkrankungen ist. Wie Dr. Bowen warnt, „sollten wir uns nicht wieder durch den Segens der FDA [US-Lebens- und Arzneimittelaufsicht] und der Sättigung mit Reklame täuschen lassen und die Unbedenklichkeit einer giftige Chemikalie akzeptieren. Bezüglich der potentiellen Langzeit-Toxizität für den Menschen sollten wir Sucralose zusammen mit seinem chemischen Verwandten DDT betrachten, das aufgrund seiner schrecklichen Langzeit-Toxizität nun verbotene Insektizid, die selbst in winzigen Spuren im Gewebe von Menschen, Vögeln und Säugetieren wirkt“.

Zum Online-Marketing von Splenda gehört eine Serie von Youtube-Videos, die mit „Grundlegende Wahl für ein gesundes Leben“ betitelt sind, in denen ein ADA zertifizierter, zugelassener Diätist [Amerikanischer Diätetiker Verband] präsentiert wird, der den Menschen Gesundheitsratschläge gibt – die wir besser „natürliche Gesundheit für einfache Ansprüche“ nennen könnten – wozu die Empfehlung von Splenda Essentials gehört.

ANH-USA hat wegen der irreführenden Werbung von Splenda eine Petition bei der Federal Trade Commission (PDF) [US-Handelsaufsicht] eingereicht. Splendas Marketing zielt eindeutig auf gesundheitsbewußte Menschen die sich gesund ernähren wollen, dabei wird versucht, eine giftige Chemikalie als gesund zu verkaufen.

Autor: Ohne Angabe für Alliance for Natural Health USA (ANH-USA), 21. Februar 2012
Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Der Original-Artikel „Toxic Chemical Being Sold as a Health-Conscious Sweetener“ wurde unter der Creative Commons Lizenz: BY (Namensnennung) veröffentlicht. Für diese Übersetzung gilt CC: BY-NC-SA (Namensnennung, keine kommerzielle Nutzung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen).

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Valentinstag: Rosen sind kein gutes Geschenk

Vergiftete Liebesgrüße: BUND warnt vor Pestiziden in Valentinsrosen

Rosen sind zu Valentinstag ein traditionelles Geschenk. Mit einem Strauß rote Rosen erhält die Liebste fast immer eine Portion giftiger Pestizide, das konnte die Umweltorganisation BUND auch für 2012 durch Laborttests bestätigen. Wer erst in letzter Minute nach einem Geschenk für den Valentinstag sucht, ist mit einer Einladung zu einem romantischen Candlelight-Dinner in ein nettes Restaurant besser beraten, anstatt Rosen zu kaufen oder Parfüm. Insbesondere Rosen aus Supermärkten sind so hoch belastet, wie BUND in einer Pressemitteilung offenbart:

BUND: Acht von zehn in Berliner Geschäften gekaufte Rosensträuße, die ein vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) beauftragtes Labor in der Woche vor dem 14. Februar – dem Valentinstag – untersucht hat, enthielten Pestizidrückstände. Dabei handelt es sich um elf verschiedene, teils stark krebserregende und hormonell wirksame Pestizide. Die Blumen stammen vor allem aus Supermärkten und Blumenketten, die ihre Produkte auch bundesweit verkaufen. Analysiert wurden Rosen von REWE, Penny, Netto, Real, Kaisers, Blume 2000, Green Queen Flower sowie von drei kleineren Blumengeschäften.

Am schlechtesten schnitten die Rosen der Supermarktkette Real ab. In ihnen wurde ein Giftcocktail aus acht verschiedenen Pestiziden gefunden. Das zweitschlechteste Ergebnis hatte der Discounter Penny, dessen Rosen mit fünf Pestiziden belastet waren. Besonders bedenklich sei, dass in beiden Fällen besonders hohe Konzentrationen der stark krebserregenden und hormonell wirksamen Pilzbekämpfungsmittel Carbendazim und Chlorthalonil gefunden worden seien, sagte der BUND-Pestizidexperte Tomas Brückmann. Pestizidfrei seien lediglich die Rosen von zwei kleinen Blumenläden gewesen.

Brückmann: „Giftige Chemikalien haben in Blumensträußen nichts zu suchen. Einige der von uns gefundenen Pestizide können der Gesundheit der Kundinnen und Kunden erheblich schaden. Wir rufen die Supermärkte und den Blumenhandel auf, den Verkauf von pestizidbelasteten Blumen umgehend zu stoppen und solche Ware nicht mehr von ihren Lieferanten zu beziehen.“

Vom Einsatz der Pestizide seien auch die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Herkunftsländern der Blumen stark gefährdet. Der größte Teil der in Deutschland verkauften Blumen werde in Afrika unter teils unsozialen und umweltschädlichen Produktionsbedingungen herangezüchtet, so der BUND-Experte.

Autor:

Antext: Silvia K: Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

BUND, Vergiftete Liebesgrüße: BUND warnt vor Pestiziden in Valentinsrosen, Berlin, 12. Februar 2012

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Neurologische Entwicklungsstörungen bei Kindern: Ursache Pestizide

Pyrethroide während der Schwangerschaft wirken sich nachteilig auf die neurologische Entwicklung von Kindern aus

Pyrethroide gehören einer neueren Gruppe von Pestiziden an, die in der Landwirtschaft, zum Vorratsschutz und zur Schädlingsbekämpfung in sehr vielen Alltagsbereichen eingesetzt werden. Konventionelle Nahrungsmittel, insbesondere Obst und Gemüse, weisen häufig noch Spuren dieser Pestizide auf, wenn sie verspeist werden. Chinesische Wissenschaftler von der Fudan University untersuchten Schwangere auf diese neurotoxischen Pestizide und deren gesundheitliche Folgen bei den Babys. Sie stellten fest, dass die Kinder von Müttern, die Pyrethroiden während der Schwangerschaft ausgesetzt waren, Einbußen in ihrer neurologischen Entwicklung aufwiesen.(1)

Pyrethroide, Ursache für Gesundheitsschäden

Pyrethroide werden seit einigen Jahrzehnten in vielen Bereichen vermehrt eingesetzt. Sie sollten Organophosphat-Pestizide ersetzen, weil diese eine hohe Toxizität für den Menschen besitzen. Anfangs als harmlos dargestellt, ist zwischenzeitlich durch internationale, wissenschaftliche Forschung bekannt, dass diese Gruppe von Pestiziden ebenfalls Gesundheitsschäden verursachen. Pyrethoide wirken immunsuppressiv, sie lösen Allergien und Chemikaliensensitivität (MCS) aus und schädigen das Nervensystem. Sie sind auch für Tiere nicht ungefährlich. Katzen, können diese Art von Pestiziden, die u.a. in Flohhalsbändern und Flohsprays als Wirkstoff enthalten sind, wegen ihrer verminderter Glucuronyltransferaseaktivität nicht verstoffwechseln. Für sie besteht akute Lebensgefahr.

Beeinträchtigung der neurologischen Entwicklung durch Pestizide?

Die Wissenschaftler der Fudan University hatten sich für ihre Studie das Ziel gesetzt, die Auswirkungen der pränatalen Exposition (vor der Geburt) gegenüber Pyrethroid-Pestiziden, hinsichtlich der Entwicklung des Nervensystems und des Verhaltens von einjährigen Kindern zu untersuchen. Eine amerikanische Studie von 2011 hatte im Vorfeld einen reduzierten IQ und psychomotorische Entwicklungsstörungen bei 36 Monate alten Kindern festgestellt, deren Mütter während der Schwangerschaft dem Pyrethroid – Wirkverstärker Piperonylbutoxid ausgesetzt waren.(2)

Schwangere wurden auf Pyrethroide hin untersucht

Um festzustellen, ob Pyrethroide in unserer Nahrung und Umwelt einen Einfluss auf die Entwicklung von Kleinkindern haben, wurde das Urin eines Kollektivs von 301 schwangeren Frauen aus der chinesischen Provinz Jiangsu auf drei Pyrethriod-Metaboliten (cis-Cl2CA, trans-Cl2CA und 3-PBA) hin untersucht. Ihre Babys unterzogen die Wissenschaftler im Alter von einem Jahr einer körperlichen und neurologischen Untersuchung.

Wissenschaftler stellten bei fast allen Schwangeren Pyrethroide fest

Das Ergebnis dürfte die Mediziner nachdenklich gestimmt haben. Die drei untersuchten Pyrethriod-Metaboliten wurden in 95% der Urinproben nachgewiesen. Die Wissenschaftler teilten die Kinder in drei Gruppen auf, einer hoch, mittel oder niedrig exponierten Gruppe, die sich aus der Höhe der Pyrethroide ergab, die bei ihren Mütter während der Schwangerschaft im Urin nachgewiesen wurde. Der Unterschied der neurophysiologischen Index (DQ) zwischen den drei Gruppen von einjährigen Kindern war signifikant (P <0,05). Die chinesischen Wissenschaftler schlossen aus ihren eindeutigen Ergebnissen, dass ein Kontakt mit Pyrethroiden im Mutterleib anschließend zu einer verminderten neurologischen Entwicklung bei den Säuglingen führt.

Deutsche Bundesbehörden warnen vor Pyrethroiden

In Deutschland ist man sich der Gefahren durch Pyrethroide für die Gesundheit durchaus bewusst. Das RKI – Robert Koch Institut und die BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung warnen Schwangere, Stillende und Personen mit Chemikalien-Sensitivität (MCS) seit Jahren davor, Läusebekämpfungsmittel mit Pyrethrum oder Pyrethroiden zu verwenden. Die beiden Bundesbehörden und weitere verantwortliche Institutionen erstellten eigens Informationsseiten und Aufklärungsbroschüren, die sich an Behörden, Gesundheitsämter, Schulen und Mediziner richteten. (3-12)

“…Während der Schwangerschaft und in der Stillzeit, bei MCS-Syndrom (multiple Überempfindlichkeit gegen chemische Substanzen) und Chrysanthemenallergie wird empfohlen, Kopfläuse rein mechanisch durch nasses Auskämmen mit dem Läusekamm zu entfernen.”

Umfassender Schutz vor Pyrethroiden ist nicht durchführbar

Schwangere vor dem Kontakt mit Pyrethroiden weitgehend zu schützen, ist weder in Deutschland, noch in den meisten anderen Ländern praktikabel, weil diese neurotoxischen Pestizide in zu vielen Bereichen des Alltags und unserer Nahrung anzutreffen sind. Nur ein generelles Verbot von Pyrethroiden könnte eine umfassende Sicherheit für Schwangere und ihre Kinder gewährleisten. Ein solches umfangreiches Verbot wird jedoch noch lange auf sich warten lassen, denn erfahrungsgemäß wird die Herstellerindustrie ein derartiges Ansinnen so lange wie nur irgend möglich hinauszuzögern oder versuchen, es im Keim zu ersticken.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 29.01.2012

Literatur:

  1. Qi X, Zheng M, Wu C, Chang X, Wang G, Lu D, Zhou Z.Wei Sheng Yan Jiu., Impact of prenatal pyrethroid exposure on neurodevelopment of one-year old infants, 2011 Nov;40(6):693-7.
  2. Megan K. Horton, PhD, Andrew Rundle, DrPH, David E. Camann, MS, Dana Boyd Barr, PhD, Virginia A. Rauh, ScD, Robin M. Whyatt, DrPH, Impact of Prenatal Exposure to Piperonyl Butoxide and Permethrin on 36-Month Neurodevelopment, 7. Februar 2011, Pediatrics (doi: 10.1542/peds.2010-0133)
  3. RKI – Ratgeber Infektionskrankheiten – Ratgeber für Ärzte, Kopflausbefall (Pediculosis capitis), Aktualisierte Fassung vom Mai 2007 Erstveröffentlichung im Epidemiologischen Bulletin 47/2003, Aktualisiert 17.11.2008
  4. BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Das Aus für die Laus: So werden Sie die Blutsauger schnell wieder los, 2011
  5. BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln, im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung, Broschüre Kopfläuse was tun? Mai 2004
  6. BZgA – Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Kindergesundheit – Schaden Läusemittel meinem Kind, Download 2011
  7. Stadtgesundheitsamt Frankfurt, Der Magistrat, Sind Läusemittel giftig oder schädlich? Downloads 2009
  8. Stadtgesundheitsamt Frankfurt, Der Magistrat, Umgang mit Kopfläusen, 2005
  9. Gesundheitsamt des Schwarzwald-Baar Kreises, Merkblatt Kopfläuse, Downloads 2009
  10. Medical Tribune, Zweimal Chemie plus Kamm – So haben Kopfläuse keine Chance, Epidemiologisches Bulletin 2007; 20: 169- 173
  11. Verwaltung Berlin Wilmersdorf, Merkblatt und zu unterschreibende Erklärung für Eltern, Download 2009
  12. Gesundheitsamt Freising, Infektionsschutz, März 2009

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Weihnachtsbäume mit krebserregenden Pestiziden belastet

BUND-Weihnachtsbaumtester finden in fast der Hälfte der Bäume teils verbotene Pestizide

Berlin – Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat in sechs von 15 getesteten Weihnachtstannen und -fichten teils verbotene Pestizide gefunden.In einem Drittel der untersuchten Nadelproben von in Berliner und Leipziger Baumärkten und Straßenverkaufsstellen gekauften Bäumen wurde das in Deutschland verbotene Insektizid Flufenoxuron nachgewiesen. In zwei Proben wurde das nicht für Weihnachtsbäume zugelassene Herbizid Metolachlor und in einer Probe das in der EU seit 2004 verbotene Herbizid Atrazin gefunden. Diese Chemikalien gelten als krebserregend bzw. hormonell wirksam. Gleich drei Pestizide wurden in einer Nordmanntanne von einem Verkaufsstand vor dem Leipziger Globus-Baumarkt gefunden. Sie stammt vom Tannenhof Zernitz-Lohm in Brandenburg.Die höchste Belastung wurde in einer Blaufichte gemessen, die ebenfalls in Leipzig in einem Hagebaumarkt gekauft wurde und deren Herkunft unbekannt ist.

Tomas Brückmann, BUND-Pestizidexperte: „Weihnachtsbäume, die in Deutschland auf den Markt kommen, dürfen diese gefährlichen Pestizide nicht enthalten. Es ist nicht ausgeschlossen, dass in geheizten Räumen die giftigen Pestizidrückstände aus den Bäumen in die Umgebung abgegeben werden. Zwar sind die nachgewiesenen Mengen nicht akut gesundheitsschädlich. Aber man sollte Kleinkinder nicht unter belasteten Weihnachtsbäumen krabbeln lassen. Sie können die Chemikalien über die Atemluft und die Haut aufnehmen. Zusammen mit der Aufnahme anderer Schadstoffe sind gesundheitliche Schäden vorstellbar.“

Der BUND forderte die Pflanzenschutzbehörden in den Ländern und Landkreisen auf, verstärkt ihrer Kontrollpflicht nachzukommen. Um Belastungen bei Weihnachtsbäumen zu vermeiden, müssten die Anwender von Pestiziden künftig regelmäßiger überprüft werden. Bundesagrarministerin Ilse Aigner müsse sich dafür einsetzen, dass in der Landwirtschaft deutlich weniger Pestizide eingesetzt werden. Verbrauchern empfiehlt der Umweltverband, Weihnachtsbäume am besten direkt beim Förster oder aus lokaler und regionaler Aufzucht zu kaufen, vorzugsweise gekennzeichnet mit dem Bioland-, Neuland- oder Naturland-Siegel. Zu empfehlen seien auch mit dem FSC-Siegel (Siegel für nachhaltige Waldbewirtschaftung) zertifizierte Bäume.

Literatur:

BUND, BUND-Weihnachtsbaumtester finden in fast der Hälfte der Bäume teils verbotene Pestizide, 16. Dezember 2011

Weiterführende Informationen und Tipps wo es giftfreie, ökologische Weihnachtsbäume gibt:

Videos:

Menschenrechtsverletzungen: Sechs Agrarchemie-Konzerne schuldig gesprochen

Auch Internationaler Währungsfond, Weltbank und Welthandelsorganisation wegen systematische Menschenrechtsverletzungen schuldig gesprochen

Nach vier Verhandlungstagen des nach strengen juristischen Regeln arbeitenden Permanent People’s Tribunal folgte am 6. Dezember 2011 der Urteilsspruch. Danach sind die weltweit größten sechs Agrarchemie-Konzerne – Monsanto, Syngenta, Bayer, Dow Chemical, DuPont und BASF – schuldig, schwerwiegend, weitreichend und systematisch Menschenrechte verletzt zu haben.

Auf der Grundlage einer 274 Seiten umfassenden Anklageschrift verhandelte das Permanent People’s Tribunal Anklagen von Opfern und Zeugen aus Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika und Nordamerika. Die Anklagepunkte betrafen das Recht auf Gesundheit und Leben sowie ökonomische, soziale und kulturelle Menschenrechte, aber auch zivile und politische Rechte und speziell die Rechte von Frauen und Kindern. Das Tribunal sprach die Konzerne auch schuldig, die Menschenrechte von indigenen Völkern verletzt zu haben. Die Anklageschrift wurde im Namen der Opfer durch PAN International eingereicht.

Carina Weber, Geschäftsführerin von PAN Germany: „Dieses Tribunal macht deutlich, dass durch multinationale Agrarchemie-Konzerne begangene Menschenrechts- verletzungen in großem Ausmaß stillschweigend geschehen. Viele Opfer sind nicht in der Lage, ihre Rechte im eigenen Land juristisch einzufordern und auf globaler Ebene existiert kein wirksamer Mechanismus, um die Konzerne für begangene Menschen- rechtsverletzungen haftbar zu machen.“

Über die Heimatländer der Konzerne – die Schweiz, Deutschland und die Vereinigten Staaten – urteilt die Jury, dass sie sich nicht gemäß der international übernommenen Verantwortung, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen, verhalten.

Neben den sechs Konzernen und den drei Ländern wurden der Internationale Währungsfond, die Weltbank und die Welthandelsorganisation schuldig gesprochen. Sie haben, so die Jury, durch ihre Politik und ihre Programme die Konzentration und Macht von Konzernen begünstigt. Die Jury sprach die Welthandelsorganisation schuldig, eine unausgewogene Politik zu betreiben, indem sie das Recht auf geistiges Eigentum der Konzerne stärker betone als den Schutz vor Langzeitgefahren, die aus Aktivitäten der Unternehmen resultieren. Der Internationale Währungsfond und die Weltbank haben der Jury zufolge im Rahmen ihrer Vergabepraxis die Einhaltung der Menschenrechte nicht ausreichend berücksichtigt.

Für die Anklage von Konzernen nach nationalem Recht empfiehlt die Jury das Strafrecht statt des Zivilrechts. Die Jury drängt Regierungen, sich für die Umstrukturierung des Internationalen Rechts einzusetzen, damit multinationale Konzerne zur Rechenschaft gezogen werden können, die Beweislast zukünftig weniger auf den Opfern lastet und das Vorsorgeprinzip gestärkt wird.

Autor: PAN, Hamburg, 12. Dezember 2011

Mehr zum Permanent People´s Tribunal

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Kinder auf dem Land bekommen doppelte Ladung Pestizide ab

Kinder in ländlichen Regionen erhalten eine „doppelten Dosis“ des Pestizids Chlorpyrifos aus der Nahrung und durch die Drift von benachbarten Feldern

Während Schüler im ganzen Land beginnen, sich im neuen Schuljahr zurechtzufinden, fordern Mediziner und Angehörige aus Gesundheitsberufen von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA das Verbot des neurotoxischen Pestizids Chlorpyrifos. Das Pestizid wird in den USA und auch in Deutschland flächendeckend im Agrarbereich eingesetzt. Im häuslichen Bereich ist das Pestizid in den USA seit rund zehn Jahren verboten. (Anm. d. Übersetzers: In Deutschland gibt es keine Reglementierung.)

Über zwei Dutzend Angehörige aus Gesundheitsberufen schickten am 6. Oktober 2011 der EPA einen Brief mit den neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, in denen die gesundheitlichen Auswirkungen von Chlorpyrifos, darunter Verringerung des IQs und erhöhtes Risiko für ADHS und Lernstörungen bei Kindern, aufgeführt werden.

„Die EPA sollte die Wissenschaft zur Kenntnis nehmen und dieses Gehirngift vollständig vom Markt nehmen“, sagte Dr. David Carpenter, MD, Direktor des Instituts für Gesundheit & Umwelt, University Albany. „Chlorpyrifos ist eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit von Kindern und gehört nicht in unsere Häuser, auf unsere Bauernhöfe, oder auf unsere Cafeteria-Tabletts.“

Die jüngsten Studien zeigen, dass Exposition gegenüber Chlorpyrifos im Mutterleib und in der frühen Kindheit, sowie während der kritischen Entwicklungs- „Fenster“, sich dauerhaft auf das Gehirn auswirken kann. Die Forscher sagen aktuell, dass rund 25% aller US-Kinder einige IQs Punkte niedriger liegen als normal, wegen des Verzehrs von Lebensmitteln, das mit Chlorpyrifos und ähnlichen Pestiziden behandelt wurde.

„Obst und Gemüse sind wichtig für die Gesundheit von Kindern, aber es sollte nicht mit Chlorpyrifos angebaut werden“, sagte Ted Schettler, MD, MPH, wissenschaftlicher Direktor des Science and Environmental Health Network, einer der Unterzeichner des Briefes an die EPA. „Kinder in ländlichen Gemeinden bekommen eine doppelte Dosis des Gehirngiftes ab. Sie sind Chlorpyrifos durch benachbarte Feldern ausgesetzt, und wieder, wenn das Pestizid auf ihrem Essen ist. “

In den USA wurde der Einsatz von Chlorpyrifos in Häusern vor über zehn Jahren wegen seiner möglichen Schädlichkeit für Kinder verboten. Aber über zehn Millionen Pound Chlorpyrifos werden immer noch auf landwirtschaftlichen Feldern jedes Jahr benutzt. Air Monitoring, Human Biomonitoring und Vergiftungsdaten bestätigen die umfangreiche Exposition der Menschen gegenüber Chlorpyrifos aufgrund der weiteren Verwendung in der Landwirtschaft. Nach Angaben der Centers for Disease Control trägt die überwiegende Mehrheit von uns Abbauprodukte des chemischen Stoffs in unserem Körper – darunter auch Kinder.

Kinder, die in landwirtschaftlichen Regionen leben, sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Neben der Exposition aus der Nahrung, atmen sie auch Partikel ein, die durch Abdrift von nahe gelegenen Bauernhöfen in ihre Klassenzimmern und Häuser gelangen. Bauernkinder sind Chlorpyrifos in noch größerem Umfang ausgesetzt, weil ihre Eltern manchmal Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln am Ende des Tages nach Hause bringen, die an ihrer Kleidung und ihren Schuhen haften.

„Chlorpyrifos-Drift ist eine ernsthafte Bedrohungen für Gemeinden wie meine“, sagte Luis Medellin von der lokalen Organisation „El Quinto Sol de America“. Luis wuchs im kalifornischen San Joaquin Valley auf, in Häusern die direkt neben Bauernhöfen lagen, die Chlorpyrifos benutzten. „Die zugrundeliegende Realität zeigen, dass dieses Gehirngift nicht risikolos genutzt werden kann und deshalb auf den Feldern nicht verwendet werden sollte.“

Im Alter von 17 Jahren begann Luis mittels des „Drift-Catchers“ von PAN, dem Pestizid Aktions-Netzwerks, die chemische Drift aus den benachbarten Zitrus-Plantagen zu erfassen. Es wurde festgestellt, dass die Mehrzahl der Proben Chlorpyrifos enthielt. Anwohner sammelten ebenfalls ihren Urin, um ihn auf Chlorpyrifos zu testen und alle, außer einem, hatten Werte, die über dem lagen, was EPA für „akzeptabel“ hält.

In ihrem Brief an EPA fordern die Gesundheitsexperten, dass die EPA alle Verwendungen von Chlorpyrifos verbietet. In ihrem Schreiben steht:

„Wir fordern die EPA auf jetzt zu handeln aufgrund der Evidenz der wissenschaftlichen Beweise, dass Chlorpyrifos der Gesundheit von Kindern und Föten schadet. Es ist an der Zeit, dass die EPA Maßnahmen ergreift, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und für ein gesundes Erbe für unsere Kinder und für zukünftige Generationen sorgt. Wir appellieren an die EPA, um alle Anwendungen des Pestizids Chlorpyrifos zu stoppen.

Andere Briefe mit einer ähnlichen Betreff wurden der EPA von Gesundheits- und Umweltorganisationen aus ganz Amerika übersandt, darunter eine Petition, die von mehr als 6.000 besorgten Bürgern aus dem ganzen Land unterzeichnet war.

Autor: PAN, Toxic Brain Chemical Must Be Banned: Health Professionals Demand EPA Take Action, October 5, 2011

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

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Pestizide belasten Gewässer stärker als gedacht

Liste der zu kontrollierenden Chemikalien sollte zügig aktualisiert werden

Leipzig – Pestizide sind ein größeres Problem als lange angenommen. Das geht aus einer Studie hervor, für Daten zu 500 organischen Substanzen in den Einzugsgebieten von vier großen europäischen Flüssen ausgewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass 38 Prozent dieser Chemikalien in Konzentrationen vorkommen, bei denen Wirkungen auf Organismen nicht auszuschließen sind. Dieses Ergebnis zeige klar, dass die Verschmutzung mit organischen Chemikalien ein europaweites Problem sei, schreiben Wissenschaftler im Fachmagazin „Science of the Total Environment“. Die meisten der Substanzen, die in der in der Studie als Risiko für die Umwelt eingestuft wurden, waren Pestizide, deren Mehrzahl sich nicht auf der europäischen Liste prioritärer Stoffe findet, welche regelmäßig überwacht werden müssen. Deshalb sei eine Überarbeitung der Chemikalienliste, die die EU-Wasserrahmenrichtlinie den nationalen Behörden zur Beobachtung vorschreibt, dringend notwendig.

Ziel der EU-Wasserrahmenrichtlinie ist es, dass Oberflächengewässer und Grundwasserkörper bis 2015 einen guten ökologischen und chemischen Zustand erreichen sollen. Der chemische Zustand wird anhand einer Liste bewertet, auf der 33 sogenannte prioritäre Schadstoffe aufgeführt sind. Da insgesamt über 14 Millionen Chemikalien auf dem Markt sind und davon über 100 000 im industriellen Maßstab produziert werden, müssen sich die Behörden bei ihren Kontrollen auf eine überschaubare Anzahl an Schadstoffe beschränken. Europaweit arbeiten Wissenschaftler daher an Methoden, um herauszufinden, welche Stoffe das sein sollten.

Einen wichtigen Beitrag dazu leistet jetzt eine Studie, die Wissenschaftler des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) zusammen mit Kollegen in Frankreich, der Slowakei, Belgien und Spanien erstellt haben. Dazu werteten sie eine Datenbank aus, die im Rahmen des EU-Forschungsprojektes MODELKEY entstanden ist und die fünf Millionen Einträge zu physiko-chemischen Daten enthält. Der Schwerpunkt der Arbeit lag dabei auf den organischen Schadstoffen, die bei über 750.000 Wasseranalysen in den Einzugsgebieten der Flüsse Elbe (Tschechien/Deutschland), Donau (10 Europäische Anrainerstaaten), Schelde (Belgien), und des Llobregat (Spanien) registriert wurden. Der Europäischen Kommission zufolge handelt es sich dabei um die erste Studie, die ein System entwickelt hat, das organische Schadstoffe nach Bewertungskriterien und Handlungsbedarf klassifiziert.

Eine der am häufigsten registrierten Verbindungen war Diethylhexylphthalat (DEHP), ein Weichmacher aus der Chemieproduktion, der die Fortpflanzungsfähigkeit beeinträchtigen kann und daher ab 2015 in der EU verboten ist. Daneben folgen mit Bisphenol A (BPA) ein weiterer Weichmacher, der ebenfalls als fortpflanzungsschädigend gilt, sowie mit Diclofenac und Ibuprofen zwei Arzneistoffe, die häufig in Schmerzmitteln eingesetzt werden.

Insgesamt stuften die Wissenschaftler 73 Verbindungen als potenzielle prioritäre Schadstoffe ein. Rund zwei Drittel davon sind Pestizide, also so genannte Pflanzenschutzmittel, die in der Landwirtschaft eingesetzt werden, um die Kulturen vor Krankheiten, Schädlingen oder Unkräutern zu schützen. Die problematischsten Pestizide waren dabei Diazinon, das in Deutschland und Österreich bereits nicht mehr zugelassen ist, und die in Mitteleuropa erlaubten Stoffe Azoxystrobin und Terbuthylazin. „Beide Pestizide stehen nicht auf der Liste der 33 prioritären Schadstoffe, die die Behörden EU-weit kontrollieren müssen“, erklärt der UFZ-Forscher Dr. C. Peter von der Ohe. „Terbuthylazin ist strukturell sehr ähnlich den beiden prioritären Stoffen Simazin und Atrazin, die längst nicht mehr zugelassen sind. Dies ist ein Beispiel wie kleine Änderungen der chemischen Struktur zu einer scheinbaren Verbesserung des chemischen Zustands führen, ohne dass die Gefährdung für aquatische Ökosysteme tatsächlich abnimmt.“ Die Wissenschaftler halten daher die regelmäßige Überarbeitung der Liste prioritärer Stoffe für sehr wichtig. Die Mehrzahl der aktuell problematischen Stoffe ist nicht gelistet, während eine ganze Reihe der überwachten Chemikalien längst verboten und nicht mehr im Gebrauch ist. „Überrascht waren wir auch, dass Substanzen, die bisher als harmlos eingestuft wurden wie HHCB, das als synthetischer Moschus-Duftstoff in Körperpflegemitteln eingesetzt wird, in der Umwelt in bedenklichen Konzentrationen vorkommen“, ergänzt Dr. Werner Brack vom UFZ, der die Europäische Kommission in verschiedenen Gremien und Projekten bei der Überarbeitung der Schadstoffliste berät. „Aus unserer Sicht sollte bei der Weiterentwicklung der Wasserrahmenrichtlinie darauf geachtet werden, dass in Zukunft nicht nur das Vorkommen von chemischen Stoffen beobachtet wird, sondern auch deren Wirkungen registriert werden“, schlägt Brack vor.

Bei aller Kritik, dass die Wasserbehörden in Europa zurzeit den Pestiziden zu wenig Aufmerksamkeit widmen und die prioritäre Schadstoffliste überarbeitet werden sollte, zeigt die Studie nach Meinung der Wissenschaftler auch erste Erfolge der Wasserrahmenrichtlinie. Ein Drittel der von der EU vor einigen Jahren als prioritär eingestuften Schadstoffe stellen inzwischen keine Gefahr mehr für die untersuchten Flüsse dar.

Am 12./13. Oktober 2011 fand in Dresden eine Konferenz zum Integrierten Wasserressourcenmanagement (IWRM) statt. Etwa 400 Wissenschaftler und Mitarbeiter von Politik, Verwaltung, Unternehmen und der Entwicklungszusammenarbeit aus über 50 Ländern widmen sich in über 100 Vorträgen, Diskussionen und zahlreichen Posterbeiträgen der nachhaltigen Bewirtschaftung von Wasser. Behandelt werden aktuelle Fragen des Wassersektors wie z.B.: Wie kann die Wasserbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels nachhaltig geplant werden? Welche Technologien tragen zu einer effizienten und sparsamen Nutzung von Wasser bei? Wie kann deutsches Know-how in Schwellen- und Entwicklungsländern genutzt werden? Wie kann ein flexibles und integratives Wasserressourcen-Management konzipiert werden? Die Konferenz wird vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) organisiert, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und von der International Water Association (IWA) sowie dem Global Water Systems Project (GWSP) unterstützt.

Autor: Helmholtz Gesellschaft für Umweltforschung, Pestizide belasten Gewässer stärker als gedacht, 13. Oktober 2011

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Umweltverbände setzen sich gegen Chemieindustrie durch!

Keine chemischen Holzschutzmittel mehr im Innenbereich von Gebäuden

Ab dem 4. Oktober 2011 sollten im Innenbereich von Wohnungen, Wohnhäusern und Bürogebäuden keine chemischen Holzschutzmittel mehr Anwendung finden. An diesem Tag tritt eine entscheidende Änderung der Holzschutznorm DIN 68800-1, allgemeiner Teil, in Kraft. Sie regelt den Stand der Technik zur Verwendung von Holzschutzmitteln. Durch die Übernahme der Norm in die Landesbauordnungen erhält sie de facto Gesetzescharakter.

Nach jahrelangem hartnäckigem Kampf ist es dem Normungsexperten der Umweltverbände, Karl-Jürgen Prull, gelungen, den Vorrang des baulichen Holzschutzes vor dem chemischen Holzschutz trotz heftigen Widerstandes der Bauchemie durchzusetzen. Die gesamte deutsche holzverarbeitende Wirtschaft, der Bund Deutscher Zimmermeister und die Fertighausindustrie haben diesen Paradigmenwechsel aus der Erkenntnis heraus mitgetragen, dass getrocknetes Holz, wenn es vor Feuchtigkeit und Insekten fachgerecht geschützt ist, nicht gefährdet ist.

Seit den 70er Jahren und dem nachfolgenden Xylamon-Prozess, dem größten Umweltverfahren der deutschen Justizgeschichte, kommt es immer wieder zu erheblichen Gesundheitsschäden beim Einsatz chemischer Holzschutzmittel. „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen erst kürzlich erklären musste, über die verwendeten Mengen chemischer Holzschutzmittel in Deutschland und über die Belastung der Umwelt durch Biozide aus dem Bautenschutz keinerlei Informationen zu verfügen“, sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen. So sei in einer zweijährigen Fütterungsstudie über die Auswirkungen eines heute noch eingesetzten Holzschutzmittels mit dem Wirkstoff Kupfer-HDO festgestellt worden, dass 80 % (!) der beim Test eingesetzten Versuchstiere einen Darmtumor erlitten.

Umso verhängnisvoller sei jetzt die Entscheidung der Bauchemie, gegen die neue Holzschutznorm von der Öffentlichkeit unbemerkt beim DIN ein Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen. Offensichtlich solle der Absatzmarkt mit jährlich über 100 Millionen Dollar Umsatz in Westeuropa nicht kampflos preisgegeben werden. Normungsexperte Prull verwies darauf, dass Dachstühle von Wohngebäuden sich zukünftig rechtlich gesehen nicht mehr wie bisher außerhalb vom Gebäude befinden, sondern zum Innenbereich gehören. Dieser Aspekt habe eine große Bedeutung bei einem nachträglichen Ausbau zu Kinder- oder Schlafzimmern. Das Ende des chemischen Holzschutzes sei auch aus Gründen des Arbeitsschutzes für Zimmerleute wichtig. Außerdem falle zukünftig weniger Sondermüll in Form von chemisch behandelten Hölzern an.

Autor:

Deutscher Naturschutzring (DNR), Umweltverbände setzen sich gegen Chemieindustrie durch, Pressemitteilung 25/2011, 30.09.2011

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Airline zahlt Passagier 50.000€ Schadensersatz wegen Pestiziden an Bord

Lebensbedrohliche Asthmaattacke im Flugzeug ausgelöst durch Permethrin

Ein irischer Geschäftsmann erlitt während einem Air France Flug eine schwere allergische Reaktion, weil die Airline das Pestizid Permethrin an Bord versprühte. James Lapham verklagte die Air France und erhielt, wie in der irischen Zeitung Independent zu lesen war, erstmalig weltweit 50.000 Euro Schadensersatz. Der Asthmatiker habe den Zwischenfall knapp überlebt und sei jetzt nach acht Monaten noch immer in medizinischer Behandlung.

Pestizide gehören häufig zum Alltag an Bord

Das Versprühen von Pestiziden in Flugzeugen ist nichts Ungewöhnliches. Aus Hygienegründen und weil befürchtet wird, dass Schädlinge eingeschleppt werden, verlangen viele Länder das Versprühen von Pestiziden. Gewarnt wird der Passagier in der Regel nicht. Die Dunkelziffer von Passagieren, die während eines Fluges gesundheitliche Beschwerden aufgrund der Pestizide an Bord erlitten, dürfte hoch sein. Airlines weltweit haben wegen des Gerichtsurteils nun die Befürchtung, dass dieser Fall ein Präzedenzfall darstellen könne, auf den sich Passagiere, die Beschwerden erlitten, berufen könnten.

Ein deutscher Rechtsanwalt hatte im Jahr 2008 einen Prozess gegen Air France geführt. Auch er hatte gesundheitliche Beeinträchtigungen durch das Versprühen von Pestiziden an Bord erlitten. Die Airline versagte ihm die Auskunft, welches Pestizid zum Einsatz gekommen war. Das Frankfurter Landgericht fällte im Dezember 2008 ein Urteil, das dem Anwalt zumindest zur Hälfte Recht gab.

Noch größere Sorge, als solche Einzelfälle unter den Passagieren, bereitet den Airlines Klagen von Flugpersonal, das durch Pestizide an Bord erkrankte und sich den aktuellen Fall zu Nutze machen könnte.

Asthmaattacke durch Pestizide

Der Independent schreibt, dass James Lapham sich auf einem Rückflug von Rabat nach Dublin befand, als sich der Zwischenfall ereignete. Er sei erst zehn Minuten an Bord gewesen, als sich Atembeschwerden einstellten. Die Flugbegleiterinnen hatten Permethrin, ein neurotoxisches Pestizid, in der Flugkabine versprüht, berichtet der Irische Independent. Permethrin gehört zu den Pyrethroiden, und ist ein Pestizid, das dafür bekannt ist, u.a. allergisches und nicht allergisches Asthma auszulösen. Auf Flügen in die USA ist Permethrin verboten, weil das Pestizid von der EPA seit 1997 als krebserregend eingestuft ist.

Notlandung wegen Reaktion eines Asthmatikers auf Pestizid

Der irische Geschäftsmann reagierte so heftig auf das Permethrin, dass die Flugbegleiter ihm Sauerstoff verabreichen mussten. Die Invention reichte nicht aus, der Zustand des Asthmatikers verschlechterte sich weiter und das Flugzeug musste eine Notlandung in Marokko einlegen. Der Geschäftsmann wurde mit dem Rettungswagen in ein Hospital gebracht, wo er mit Cortison stabilisiert wurde. Im Independent stand zu lesen, dass der Mann zwar wieder arbeiten könne, aber immer noch auf medizinische Behandlung angewiesen sei.

Krank durch Pestizide im Flugzeug – Kein Einzelfall

Der irische Geschäftsmann James Lapham ist kein Einzelfall. Insbesondere Flugpersonal, das auf Langstreckenflüge in heiße Regionen eingesetzt wird, klagt bereits seit Jahren über die Anwendung von Pestiziden und die gesundheitlichen Folgen durch die toxischen Chemikalien. In verschiedenen Ländern sind Prozesse anhängig und Flugpersonal hat sich seit Jahren international organisiert.

James Lapham berief sich am Irischen High Court auf die Montreal Konvention. Passagiere können unter dieser Konvention maximal 100.000€ Schadensersatz erhalten, der Ire erhielt die Hälfte, 50.000€. Ob weitere Fälle anerkannt werden, lässt sich nicht voraussagen, denn noch berufen sich Airlines darauf, dass Permethrin eine Empfehlung der WHO besitzt, obwohl sich die wissenschaftlichen Studien über die Gesundheitsschädlichkeit des neurotoxischen Pestizids mehren.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 21. August 2011

Literatur:

Independent, Airline pays out €50,000 in pest-killer spray case, August 09, 2011

Weiterführende Informationen

Kontaktstelle für Betroffene: Aerotoxic Association