Weihnachtsgeschichte: Der Weihnachtsengel hat ein großes Herz

Sternenstaub überall

Die Katze des Nachbarn saß seit Stunden auf der Mauer des Hauses gegenüber. Fast regungslos schaute sie in ein und dieselbe Richtung, ganz als ob sie auf etwas warten würde. Aber auf was bloß? Na ja, vielleicht freute sie sich auch einfach über die warmen Sonnenstrahlen, die uns den ganzen Nachmittag schon verwöhnten. Ich machte mir einen Tee und schaute dem hübschen Tier als Entspannung zu.

Über Nacht war es frostig geworden und als ich an jenem Morgen aufwachte, lag draußen Schnee. Fast jeden Tag war es um 20°C gewesen und jetzt war es über Nacht Winter geworden. Plötzlich drehte die Katze den Kopf nach hinten und schaute wie gebannt auf etwas, was wohl herannahte. Das nächste, was ich erblickte, war silbrig glitzerndes Licht und ein Funkeln. „Ooh, wie schön, wie wunderschön“, murmelte ich vor mich hin und kaum zu Ende gesagt, stand eine helle Gestalt vor meinem Fenster. Ich kann nicht sagen, wer von uns beiden mehr lächelte. Es war mein Freund der Weihnachtsengel, der da draußen stand. Hastig öffnete ich das Fenster und schon umschlossen mich zwei zarte Flügel und Sternenstaub füllte das ganze Büro.

„Endlich wieder hier“, sagte der Weihnachtsengel mit leuchtenden Augen. „Was für eine Freude“, erwiderte ich und umarmte ihn nochmals. Wir ließen uns zusammen auf das Sofa plumpsen, was zur Folge hatte, dass wir mitten in einer Sternenstaubwolke saßen und gleichzeitig husten und kichern mussten. Magst Du einen heißen Adventstee, lieber Weihnachtsengel“, fragte ich ihn. Er konnte nur nicken, so war er noch am Lachen. Als ich aus der Küche kam und den dampfenden Tee vor ihm hinstellte, gab er mir etwas in die Hand. Es war ein gerollter Zettel. „Mach ihn erst auf, wenn ich weg bin, es soll eine Überraschung sein“, sagte der Weihnachtsengel, den Tee dabei schlürfend. „Erzähl, erzähl, erzähl,…wie war es bei Euch das ganze Jahr über, was machen die Leute mit Allergien und die mit Chemikaliensensitivität? Wie geht es ihnen, bekommen sie jetzt mehr Hilfe und Unterstützung?“, fragte er.

„Vielen geht es nicht so gut, besonders schwer haben es die Chemikaliensensiblen “, antwortete ich ehrlich. Der Weihnachtsengel stellte hastig die große Teetasse ab und schaut mich besorgt an. „Bekommen sie Hilfe?“; fragte er mit erschrockener Stimme. „Nein, zumindest nicht in dem Umfang, wie es nötig und angemessen wäre“, erwiderte ich ihm. Der Engel hauchte: „Ich hab es mir fast gedacht.“ Dann berichtete ich ihm von den vielen Bemühungen der umweltkranken Menschen seit seinem letzten Besuch. „Wir haben gemerkt, dass Ihr Euch bemüht bis ans Ende eurer Kräfte, und so kann es tatsächlich nicht weitergehen. Sag mal, wie ist es sonst wo, ich meine in anderen Ländern. Ist es da besser?“

„Ja, in einer ganzen Reihe von Ländern ist es besser. Australien zum Beispiel. Dort haben drei große Provinzen Leitlinien geschaffen, die Krankenhäuser in die Lage versetzen, chemikaliensensible Patienten aufzunehmen und medizinisch zu versorgen. Von etwas über 20 Millionen Australiern sind rund 8 Millionen durch diese MCS Leitlinien abgedeckt, “ berichtete ich.

„Na, das ist eine hervorragende Nachricht. Siehst Du, ein Wandel ist im Begriff sich zu entfalten, “ sagte der Weihnachtsengel. „So einfach ist das nicht, wir bekommen erwidert, das sei in anderen Ländern und damit habe es für Deutschland keine Gültigkeit, “ erläuterte ich. Wusch… machte es und der Engel schlug mit seiner Flügelspitze auf den Tisch. „Papperlapapp, was für ein Blödsinn ist das denn? Die Behörden sollten sich da lieber eine Scheibe vom anderen abschneiden und ihr Wissen bündeln, um den Umweltkranken zu helfen“, sagte der Weihnachtsengel mit scharfer Stimme.

„Das sollten sie“, entgegnete ich traurig, „denn das Elend ist schon zu groß und es macht auch keinen Sinn, die Chemikaliensensiblen zu ignorieren. Es werden dadurch nicht weniger.“ Der Engel blickte mir in die Augen und sagte mit fester, überzeugender Stimme: „Ihr werdet die Gewinner sein, glaub mir. Ihr müsst nur durchhalten und macht weiter mit Eurer Aufklärungsarbeit. Jeder Einzelne von Euch, ganz wie er kann und Kraft hat. Unterstützt Euch gegenseitig beim Verbreiten der Informationen und glaub mir, es gibt viele Menschen da draußen, die großes Verständnis für Euch haben. Eine ganze Menge von ihnen hat selbst auch Probleme mit Allergien oder reagiert auf Chemikalien im Alltag. Erzählt diesen Menschen ruhig, dass es in anderen Ländern Unterstützung gibt für Menschen wie Euch und dass man dort Regelungen, Leitlinien und Gesetze geschaffen hat. Und, vergesst den Unsinn, dass es nichts wert ist, was in anderen Ländern Gutes umgesetzt wird, damit Allergiker und Umweltkranke Teil der Gesellschaft sein können. Sagt denen einfach: „Ja, und die Erde ist eine Scheibe“, mehr nicht, belasst es dabei. Man wird zur Kenntnis nehmen, dass man Euch nicht ignorieren kann. Die Änderungen werden nicht in wenigen Wochen zu schaffen sein, aber in Monaten schon.“ Als der Weihnachtsengel seine Worte beendet hatte, stand er auf und zeigte dabei auf den gerollten Zettel, den er mir anfangs gegeben hatte. „Da steht alles drin, macht es so“, sagte der Engel mit zwinkernden Augen. „Zupf mal“, meinte er dann. „Wie zupf mal? “, fragte ich ihn. „Na, eine Feder aus meinem Flügel. Zupf eine raus.“ „Aber warum das denn?“, fragte ich ihn mit großen Augen. „Noch nie gehört dass die Federn eines Weihnachtsengels Stärke verleihen und alles gelingen lassen?“, entgegnete er und reichte mir eine große Feder aus seinem Flügel.

Noch einmal zeigte der Engel auf den gerollten Zettel, öffnete dabei das Fenster und sagte zum Abschied: „Ihr habt viel mehr Einfluss und Kraft als Ihr glaubt, jeder einzelne von Euch. Hab Selbstvertrauen, seid mutig, und Ihr seid viele. Verzagt nicht.“ Ein frostiger Windstoß kam durch das Fenster herein und löste Sternenstaub aus den Flügeln des Weihnachtsengels. Das ganze Zimmer glitzerte wie Tausende von Diamanten. Ich schaute zuerst auf die lange silberne Feder in meiner Hand und dann auf den gerollten Zettel auf dem Tisch und dachte dabei: „Was immer darin steht, es wird uns eine große Hilfe sein und wir werden es schaffen.”

Autor: Silvia K. Müller, Weihnachten 2012

Durchsichtige Strategie in der deutschen Umweltmedizin

Chemikaliensensitivität, ein Problem, das der Industrie unbequem ist

Im Jahr 1962 erschien in den USA das erste medizinische Fachbuch über Chemikaliensensitivität. Der amerikanische Allergologe Theron Randolph hatte seit 1945 Artikel und Fallbeispiele in Fachzeitschriften veröffentlicht. Der Mediziner stellte durch Beobachtungen bei seinen Patienten und durch kontrollierte Provokationstests an ihnen fest, dass sie auf geringste Konzentrationen bestimmter Chemikalien Symptome entwickelten. Ausführliche Anamnese enthüllte bei nahezu allen seinen Patienten, dass die initiale Ursache oder Ursachen Chemikalien waren. Bis heute, fünfzig Jahre später, wird versucht, das für die Industrie unangenehme Problem „Chemikaliensensitivität“ oder Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) als nicht existent abzutun.

In Deutschland negieren universitäre Einrichtungen und die Mehrzahl der niedergelassenen Mediziner immer noch, dass es Menschen gibt, die hypersensibel auf bestimmte Chemikalien reagieren. Wissenschaftliche Studien über die Folgen sensibilisierender Chemikalien und Belege für die Existenz von MCS und Chemikaliensensitivität werden für Deutschland als irrelevant und nicht gültig abgetan.

Die in der internationalen Wissenschaft für MCS verwendete Falldefinition, der „American Consensus“, die Chemikaliensensitivität bei Erkrankten identifiziert, wird ignoriert. Wenn eine Falldefinition überhaupt zum Einsatz kommt, ist es die in Zwischenzeit als unzuverlässig und fehlerhaft erkannte Definition des Industrieberaters Marc Cullen, die „Cullen Criterias“. Einfache Hilfsmittel, wie das QEESI Diagnosetool, die neben der Diagnosedefinition im Stande wären, Ärzten flächendeckend zu helfen, Chemikaliensensitivität schnell, einfach und ohne Kosten zu diagnostizieren, werden nicht kommuniziert.

Der in Deutschland für MCS anzuwendende Diagnosecode im ICD-10 lautet T78.4 und ist im Register für Verletzungen und Vergiftungen eingetragen. Er kann kinderleicht bereits mittels Smartphone und kostenlosem App von jedem gefunden werden. Trotzdem wird die Existenz des korrekten Codes und dessen Eingliederung in das Kapitel für Vergiftungen sogar von Medizinern und medizinischen Fachverbänden bestritten, obwohl der ICD-10 für jeden Mediziner verbindlich ist (Sozialgesetzbuch V). Der Code für MCS sei nicht auffindbar, heißt es notorisch.

Objektive, wissenschaftlich basierte Aufklärung in medizinischen Fachzeitungen, im Sinne dessen, was MCS tatsächlich ist, was die Erkrankung an Auswirkungen für den Erkrankten mit sich bringt und wie man jemandem mit MCS medizinisch helfen kann, findet nicht statt.

Die Situation, die man mit dieser durchsichtigen Vorgehensweise schafft, stellt sich wie folgt dar:

  • medizinische Versorgung für Chemikaliensensible ist, außer durch wenige Privatärzte, nicht existent. Seit einem Jahr gibt es ein einziges Krankenhaus in Hamburg, das über zwei Krankenzimmer verfügt, die für Chemikaliensensible bis zum mittleren Schweregrad bedingt geeignet sind.
  • Die soziale Versorgung der Chemikaliensensiblen obliegt dem Erkrankten und seiner Familie.
  • Anerkennungsverfahren zur Erlangung eines Behindertenstatus werden verschleppt, oder man deklariert Chemikaliensensitivität als psychische Störung und negiert damit den Stand der Wissenschaft und den internationalen medizinischen Sachstand.

Das wichtigste Ziel, das Verursacher für die bei ca. 15% der Bevölkerung auftretende Erkrankung erreicht sehen wollen, ist erfüllt:

Chemikaliensensible sind ohne Lobby, ohne adäquate medizinische Hilfe, und die Erkrankung bleibt im Wesentlichen undiagnostiziert.

Die Basis, damit Gerichtsverfahren gegen Verursacher gewonnen werden könnten, bleibt somit unerfüllt. Damit es so bleibt, werden von Zeit zu Zeit Publikationen veröffentlicht, die Chemikaliensensitivität als „neue Erkrankung, die erst erforscht werden muss“ oder als psychische Störung abtun.

Neuere Bestrebungen, die dazu dienen sollen, dass die Situation längerfristig kontrollierbar bleibt und um den Erkrankten psychisch bedingte Probleme unterzuschieben, sind „Leitlinien“, die man allgemeingültig installieren will, um Möglichkeiten zur Durchsetzung eines „bio-psycho-sozialen Konzepts“ zu schaffen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1, September 2012

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Klinikum berichtet über 250 MCS Patienten

Kein Bedarf für spezielle Krankenzimmer für Behinderte?

Seit Sommer 2011 gibt es in Deutschland endlich ein Krankenhaus, das Umweltkranke mit MCS aufnehmen kann. Die Klinik in Hamburg ist die Einzige in ganz Deutschland. Weil sie hoch im Norden des Landes liegt und damit für Umweltkranke aus Süd- und Mitteldeutschland im Ernstfall fast unerreichbar, sind die eigens eingerichteten Umweltzimmer bislang unterbelegt. Umwelterkrankte aus dem Raum Stuttgart setzten sich dafür ein, dass auch in dieser Großstadt ein Krankenhaus Umweltzimmer einrichtet, um auch MCS-Kranken im süddeutschen Raum einen Klinikaufenthalt zu ermöglichen. Politiker der CDU wollten die an MCS Erkrankten unterstützen und fragten bei der Stuttgarter Stadtverwaltung nach. Der Leiter des Klinikums vor Ort führte eine Erhebung durch und stellte fest, dass man über 250 Patienten mit MCS versorgt hatte. Bedarf für spezielle Umweltzimmer wie in Hamburg sieht er trotzdem nicht. Obwohl MCS eine im ICD-10 unter Verletzungen und Vergiftungen, mit dem Code T 78.4 klassifizierte Krankheit ist.

Da Chemikaliensensitivität ab einem gewissen Schwergrad eine Behinderung darstellt, weil die Krankheit im Alltag stark einschränkt oder ihn völlig unmöglich macht und Aufenthalte in einer herkömmlichen Klinik nur mit weiterer gesundheitlicher Verschlechterung zu bewerkstelligen sind, sehen MCS-Erkrankte sich als benachteiligt gegenüber anderen Kranken und Behinderten an.

Krankenhausaufenthalt nötig, Krankenhaus unerreichbar

Für MCS-Kranke ist es schwer, Hunderte von Kilometern zurückzulegen, um behandelt zu werden. Der Transport in einem Krankenwagen ist wegen der teils schweren bis lebensbedrohlichen Reaktionen auf geringste Konzentrationen von Chemikalien nahezu unmöglich. Speziell ausgestattete Krankenwagen, wie es sie in den USA schon gibt, sind in Deutschland nicht verfügbar. Viele der Umweltkranken mit MCS sind nicht in der Lage, alleine zu reisen, es wäre schlichtweg unverantwortlich. Sie sind auf die Hilfe und ein Transportangebot eines Familienmitglieds oder Freundes angewiesen. Die Zumutbarkeit einer Wegstrecke von Süddeutschland nach Hamburg im Schmerzfall sei dahingestellt. Mit einer solchen mangelhaften Versorgungssituation ist kaum eine andere Patientengruppe in Deutschland konfrontiert.

MCS zu selten um angemessene Krankenzimmer bereitzustellen?

In der Südwestpresse wurde über die Anfrage der CDU und Stadtverwaltung beim Klinikum Stuttgart berichtet. Klinikleiter Claude Klier sagte gegenüber der Zeitung, es gäbe Zimmer im Klinikum, die einzelne Merkmale erfüllten, man habe bei einigen Klinikneubauten entsprechende Umweltstandards berücksichtigt und schadstoffarme Materialien verwendet. Umweltzimmer, wie es sie in Hamburg gibt, hält der Leiter des Stuttgarter Klinikums nicht für erforderlich und führt gegenüber der Zeitung interne Klinikstatistik an:

„Vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2012 wurden 27 Patienten mit der Hauptdiagnose MCS im Klinikum Stuttgart aufgenommen – verteilt auf neun unterschiedliche Klinken, inklusive Notaufnahme. Weitere 227 Patienten hatten diese MCS als Nebendiagnose“.

Ein konkreter medizinischer Bedarf bestünde nicht, sagte der Leiter des Klinikums im Interview.

Mike, User im CSN Forum, wollte das nicht ungeprüft lassen. Er recherchierte und fand Folgendes heraus:

„Wenn man von einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 8,5 Tagen ausgeht, dann wären das 254 x 8,5= 2159 Belegungstage in 1,5 Jahren. Ein Bett würde da gar nicht ausreichen.“

Als seltene Erkrankung sieht auch die EU-Kommissarin für Gesundheit MCS nicht an. In einer Stellungnahme verdeutlichte sie Ende 2009 das MCS im internationalen ICD-10 klassifiziert sei und die Definition einer seltenen Erkrankung nicht erfülle, dafür sei sie zu häufig. Die Bereitstellung einer angemessenen Gesundheitsversorgung obliege den einzelnen EU-Mitgliedsländern ließ EU-Kommissarin Androulla Vassiliou damals wissen.

Kaum Ärzte informiert über die Existenz der Hamburger Umweltzimmer

Die zwei Umweltzimmer der Hamburger Klinik sind bislang zwar noch unterbelegt, aber die MCS-Patienten, die bereits dort zur Behandlung waren oder um sich operieren zu lassen, waren durch die Bank großen Lobes. Man habe wirklich das Möglichste getan, um den Aufenthalt für MCS-Patienten verträglich zu machen und ihnen sei medizinisch hervorragend geholfen worden. Bislang gab es nur wenig mediale Berichterstattung über die beiden Umweltzimmer, das mag ein Grund sein, weshalb die beiden mit viel Mühe errichteten Spezialzimmer unterbelegt sind.

Wenn man mit Klinikärzten aus dem Bundesgebiet spricht, trifft man auf Wissbegier bezüglich der Thematik, und es ist davon auszugehen, dass ein informativer Artikel über das Hamburger Pilotprojekt im Deutschen Ärzteblatt mit Interesse gelesen würde. Ärzte, die in ihrem Praxisalltag mit MCS-Patienten in Not konfrontiert werden, hätten gerne eine Anlaufstelle, selbst wenn sie entfernt ist. Erst kürzlich verstarb eine MCS-Patientin, weil es kein Klinikangebot für diese Patientengruppe gibt und der Hinweis von CSN auf die Hamburger Klinik genau einen Tag zu spät kam. Die Patientin war in der Nacht zuvor verstorben.

Andere Länder ermöglichen MCS-Patienten Klinikaufenthalte

In den USA, Kanada und Australien bemüht man sich seit Jahren, die Bedingungen in Krankenhäusern zu optimieren, um auch Chemikaliensensible behandeln oder im Notfall versorgen zu können. Standardisierte Notfallinformationen für Rettungssanitäter und Ärzte, Leitlinien, die Krankenhäusern helfen sollen, MCS-Patienten im normalen Klinikalltag versorgen zu können, spezielle Klinikabteilungen mit Arbeitsanweisungen, wie man diesen hypersensiblen Patienten den Aufenthalt ermöglicht, all das gibt es in den USA, in Kanada und Australien. Dass solche Maßnahmen mit hohen Kosten verbunden sind trifft nicht zwangsläufig zu. Arbeitsanweisungen, Duftstoffverbote und einfache Regelungen sind beispielsweise mit keinen nennenswerten Kosten verbunden.

MCS-Patienten, Behinderte die kaum medizinische Hilfe erhalten

Umweltzimmer nach Hamburger Standard kosten zwischen 30.000 und 40.000€, führte der Leiter des Stuttgarter Klinikums gegenüber der Südwestpresse an. Für eine Privatperson mag diese Summe hoch anmuten, für ein Spezialzimmer in einer Klinik ist sie kein Kostenfaktor, der nicht zu realisieren wäre. Über EU-Subventionen ist es möglich, Kliniken umweltverträglicher und schadstofffreier zu konzipieren. Bei entsprechender Planung dürfte es durchaus im Rahmen des Machbaren stehen, dass weitere Umweltzimmer, wie die in Hamburg, in verschiedenen Regionen in Deutschland geschaffen werden. Mit entsprechender „Vermarktung“ im Sinne von Kommunikation über die medizinische Fachpresse und Eintrag in entsprechende Klinikregister dürften diese Spezialzimmer für Allergiker und Umweltkranke sicherlich über ausreichende Belegung nicht klagen müssen. Fast jeder Zweite in unserem Land ist Duftstoffallergiker. Unter Chemikaliensensitivität (MCS) in beachtenswertem Ausmaß leiden rund 10-15% der Bevölkerung, wenn man Prävalenzstudien aus anderen Ländern für eine Bedarfserhebung zugrunde legt, weil es keine verlässlichen deutschen Studien gibt.

Werden MCS-Kranke gegenüber anderen Kranken und Behinderten benachteiligt?

MCS kann in Deutschland im Einzelfall schon seit Jahren als Behinderung anerkannt werden. Es gibt Chemikaliensensible, die ihre Krankheit als Behinderung eingestuft bekamen. Doch auch ohne eine solche behördliche Anerkennung gilt eine durch Behinderung beeinträchtigte Person, laut UN Behindertenkonvention, als Behinderter, dem Hilfe zusteht. Deutschland hat die UN -Behindertenkonvention unterzeichnet. Die deutschen Patienten mit Chemikaliensensitivität oder MCS können jedoch, auch Jahre nach der Ratifizierung des Behindertenschutzgesetzes, immer noch an keinem normalen Alltag teilnehmen und erhalten kaum medizinische Versorgung zugestanden. Die Kernaussage des Gesetzes besagt, dass kein Behinderter vor einem anderen Behinderten bevorteilt oder benachteiligt werden darf und adäquate Hilfe erhalten muss, da er sonst gegenüber anderen Behinderten und Mitmenschen als diskriminiert gilt.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. August 2012

Literatur:

 

Weitere interessante CSN Artikel und Informationen zum Thema:

Wohnen im Mehrfamilienhaus ist nicht einfach

Allergiker und MCS-Kranke haben es besonders schwer

Das Leben in einem Mehrfamilienhaus kann sehr anstrengend sein, besonders wenn man Allergien hat oder unter Multipler Chemikaliensensitivität (MCS) leidet. Je mehr Menschen in einem Haus wohnen, desto unkontrollierbarer wird die Wohnsituation. Allergiker und Chemikaliensensible wären, wenn man es genau betrachtet, am Besten in einem baubiologisch ausgestatteten Einfamilienhaus statt in einem Mehrfamilienhaus untergebracht. In Städten und Ballungsgebieten kaum machbar, und wenn man unter einem gewissen Limit leben muss, auch unbezahlbar. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich mit dem Leben in einem Mehrfamilienhaus zu arrangieren und zu versuchen, die Gegebenheiten in den Griff zu bekommen. Spezielle Wohnprojekte für Multiallergiker und MCS-Kranke gibt es in Deutschland noch nicht, obwohl dieser Behindertengruppe gemäß der UN-Behindertenkonvention Hilfe zustünde und geeignete Wohnprojekte geschaffen werden müssen. Nicht einmal machbare Übergangslösungen zur Verbesserung der Wohnstuation von Chemikaliensensiblen sind durch die zuständigen Behörden angedacht. CSN hat sich deshalb auch am SPD Zukunftsdialog mit einem Vorschlag für die Umsetzung einer Übergangsregelung beteiligt: Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte (BÜfU) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Allergiker und Chemikaliensensible haben in einem Mehrfamilienhaus bspw. Probleme mit:

  • Verwendung chemischer Wasch- und Reinigungsmittel, meist mit Duft
  • Raucher (in der Wohnung oder auf dem Balkon)
  • DECT Telefone, Handy’s WLAN
  • Renovierungsarbeiten in anderen Wohnungen
  • Raumduftsprays durch Nachbarn, Duftlampen, Räucherstäbchen
  • Grillen auf dem Balkon
  • Haustiere von Nachbarn (Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen)
  • Verwendung von Pestiziden (Wohnraum, Flur, Balkon)
  • Trocknen von Wäsche mit Weichspüler oder duftendem Waschmittel auf dem Balkon

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  1. Wie kommt Ihr im Mehrfamilienhaus zurecht mit MCS und Allergien?
  2. Habt Ihr oft Gesundheitsbeschwerden durch Eure Nachbarn und ihre Lebensgewohnheiten? Welche?
  3. Was schränkt Eure Gesundheit am Meisten ein im Mehrfamilienhaus?
  4. Sind Eure Nachbarn kooperativ und unterlassen das, was Euch krank macht, oder konfrontieren sie Euch noch extra mit dem, was Euch krank macht?
  5. Was war die schlimmste Reaktion, die Ihr erlitten habt durch das Leben im Mehrfamilienhaus?
  6. Was war der Auslöser und welche Symptome traten ein?
  7. Musstet Ihr bereits umziehen, weil das Leben im Mehrfamilienhaus Euch noch kränker gemacht hat?
  8. Wie habt Ihr Euch mit dem Leben im Mehrfamilienhaus arrangiert, um gesundheitlich einigermaßen über die Runden zu kommen?
  9. Welche Hilfsmittel oder Umbauten waren hilfreich?
  10. Wie geht Ihr auf Nachbarn zu, um sie um Kooperation zu bitten? Hattet Ihr Erfolg?
  11. Was würde Euch am Meisten helfen, um im Mehrfamilienhaus zurecht zu kommen?

Rentenversicherung setzt sich für Duftstoffallergiker ein

Schutz für Allergiker und Chemikaliensensible

Einige Angestellte, die bei der amerikanischen Rentenversicherung „Multi Sector Pension Plan“ (MSPP) arbeiten, berichteten ihrem Arbeitgeber, dass sie auf verschiedene chemische oder parfümierte Produkte mit gesundheitlichen Beschwerden reagieren. Die Duftstoffallergiker und Chemikaliensensible unter den Mitarbeitern litten zunehmend unter der allgemein üblichen Verwendung von Parfüms, Bodylotions, Haarspray, Deos durch Kollegen und Publikumsverkehr. Das bewog die Rentenversicherung dazu, ein Duftstoffverbot am Arbeitsplatz einzuführen. MSPP bittet alle Mitarbeiter auf der Internetseite und durch Dienstanweisungen um Kooperation, um der besonderen gesundheitlichen Problematik von Mitarbeitern, die auf Chemikalien und Duftstoffe reagieren, gerecht zu werden und dazu beizutragen diese zu schützen.

Büroräume wurden zur duftstofffreien Zone deklariert

Haarspray, Parfüm, Deo kann bei Duftstoffallergikern oder bei Personen, die chemikaliensensibel sind, Kopfschmerzen, Atemwegbeschwerden und andere Symptome hervorrufen. Deshalb werden alle Angestellten und Besucher aufgefordert, völlig auf Parfüm und parfümierte Pflegeprodukte zu verzichten, wenn sie in die MSPP Büros kommen.

Kanadische Gewerkschaften schützen Geringverdiener

Nicht nur die Solidarität gegenüber Chemikaliensensiblen und Arbeitnehmern mit Duftstoffallergien ist alles andere als alltäglich, MSPP selbst ist eine bemerkenswerte Einrichtung. MSPP wurde von zwei kanadischen Gewerkschaften gegründet. Ihnen war aufgefallen, dass in manchen Berufsbereichen Geringverdiener nur freiwillig ganz gering versichert waren oder gar nicht abgesichert und somit keine Rente erhielten. MSPP sorgt dafür, dass diese Geringverdiener, die meistens Frauen aus einkommensschwachen Schichten sind, über die Arbeitgeber abgesichert werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. Juni 2012

Literatur: MSSP, Scent free Policy, 2012

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Umweltmedizin: Das muss jetzt einfach (nicht) sein!

Warum soll die Psyche behandelt werden, statt tatsächliche Ursache und Auswirkungen von MCS?

Die Medizinerin am Telefon war aufgeregt. Sie versuchte mit Nachdruck zu überzeugen, dass MCS-Kranke dringend Psycho-therapeutischer und Trauma-therapeutischer Behandlung bedürften. „Das geht nicht anders, das muss jetzt einfach sein!“, schrie die Medizinerin im Gesprächsverlauf mehrfach ins Telefon. Eine Frage zu stellen oder eine Anmerkung ins Gespräch einzubringen war unmöglich, jeder Versuch wurde verbal erstickt.

Am Tag zuvor war eine Chemikaliensensible verstorben, weil ihr Körper einfach versagte. Der Neurologe, der sie wenige Tage zuvor examiniert hatte, vertrat gegenüber der Patientin und deren Mann die Ansicht, dass sie jetzt ein Neuroleptikum bräuchte – „dass müsse jetzt einfach sein!“.

Die Umweltkrankheit MCS trägt im ICD-10, dem Register für Krankheiten, den Code T78.4. und ist dort im Kapitel 19 eingetragen. Dieses Kapitel trägt den Titel „Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen“. Eine Einordung im Kapitel für psychische Krankheiten oder Verhaltensstörungen existiert nicht und ist auch laut federführender Behörde nicht vorgesehen. Der ICD-10 ist für Ärzte laut Sozialgesetzbuch V verpflichtend, denn ohne korrekte Diagnose und korrekte Codierung gibt es auch keine korrekte medizinische Behandlung.

Warum also „muss es jetzt einfach sein“, dass MCS-Kranke mit Neuroleptika, Psycho- und Trauma-Therapie behandelt werden?

Statt umweltmedizinisches Verständnis, Beharren auf absurde Therapieangebote

Gegen Ende des Telefonats mit der Medizinerin bat ich mir aus, wenigstens zwei Dinge sagen zu können, ohne unterbrochen zu werden und berichtete ihr:

„Es ist gestern Nacht eine 48-jährige Frau mit schwerer MCS gestorben. Niemand sah sich im Stande, der Chemikaliensensiblen zu helfen. Anstatt auch nur die geringste Hilfe entgegenzubringen, wurde ihr vom behandelnden Neurologen letzte Woche ein Neuroleptika als Mittel der Wahl angeboten. Obwohl durch wissenschaftliche Studien belegt ist, dass Neuroleptika von den meisten MCS-Kranken nicht verstoffwechselt werden können und schwere Nebenwirkungen eintreten.“

Die Antwort der Medizinerin verblüffte mich. Mit immer noch erhobener Stimme teilte sie mir mit: Trotzdem, es müsse jetzt einfach sein, dass bei MCS-Kranken deren Psyche und Trauma behandelt würden. Ich würde es nur nicht verstehen wollen. Die Mitteilung über den Tod der Frau hatte keinerlei Regung verursacht. Ich fragte die Medizinerin: Wenn MCS-Kranke sich Ihrer Meinung nach solchen Therapien unterziehen müssen, wo dann bitte? Wir haben nur eine einzige Klinik in Deutschland, die sich seit kurzer Zeit drei Umweltbetten gönnt. Wir haben keine Psychologen, die über profundes Wissen zu MCS verfügen, oder auch nur über eine Praxis verfügen, die MCS-Kranke empfangen könne, weil sie nicht einmal im Stande seien, ein Duftstoff- und Chemikalienverbot in ihrer Praxis aufrecht zu halten. Die Medizinerin fuhr mich mit lauter Stimme an und erwiderte, dass dies auch nicht sein müsse, denn damit bestätige man die MCS-Kranken nur in ihrer Krankheit. (nach den weiterführenden Links weiterlesen)

Weiterführende CSN-Artikel zum Thema „Umweltmedizin: Psychiatrisierung bei MCS ein Irrweg“:

Kranke und Angehörige werden alleingelassen

Der Anruf der Medizinerin war nicht der einzige Anruf an diesem Morgen gewesen. Neben einigen Anfragen von Chemikaliensensiblen hatten eine ältere Dame und ihr Mann zweimal angerufen. Die Frau war in Sorge über eine 48-jährige, die unter Hypersensitivität auf Chemikalien leide und auch fast keine Nahrungsmittel mehr tolerieren könne. Kein Arzt sähe sich in der Lage zu helfen. Wenn in den nächsten Tagen nichts passiere, befürchte sie, dass die Frau sterben würde. Mein spontaner Rat war, dass man über den Hausarzt Kontakt mit der Hamburger Klinik aufnehmen solle, die über 3 Umweltbetten verfüge. Den Transport würde sie eher nicht mehr schaffen, meinte die ältere Dame. Ich bot ihr an, dass der Hausarzt mich anrufen könne und bat sie, dem Arzt die Informationen über die speziellen Umweltzimmer zu kopieren. Ihr das Gespräch mithörender Mann schrieb sich die Internetadressen auf, und die beiden wollten sofort tätig werden.

Etwa eine Stunde später kam ein erneuter Anruf der Beiden. Ich hörte nur ein Schluchzen und befürchtete bereits das Schlimmste. Die Annahme bestätigte sich. Die ältere Dame hatte beim Ehemann der MCS-Kranken angerufen, um ihm alle Informationen zu übermitteln und ihre Hilfe bei der Umsetzung anzubieten. Der Ehemann teilte ihr mit, dass seine Frau in der Nacht ihrem Leiden erlegen sei.

Nein, das muss jetzt einfach nicht sein!

Während in Deutschland mit Nachdruck absurden Diskussionen in der Umweltmedizin laufen, dass „Psycho- und Trauma-Therapie jetzt einfach sein müssten für MCS-Kranke“, sind Länder wie Australien, USA und Kanada damit beschäftigt, MCS-Kranken im medizinischen Bereich zu helfen und verfassen auf die Erkrankten und ihre Bedürfnisse zugeschnittene Leitlinien. Diese Leitlinien sind darauf ausgerichtet, Krankhäusern Anleitung zu geben, wie man Menschen mit einer Chemikaliensensitivität/MCS unterbringen muss und welche Unterstützung sie brauchen. Es sind keine psycholastigen Leitlinien, wie man sie jetzt in Deutschland installieren will.

Wer sich fragt, warum die Situation im Bereich Umweltmedizin in Deutschland so ist, braucht nicht lange nachzudenken. In Deutschland boomt das Geschäft mit der Psyche, weil Ärzte und Kliniken darüber abrechnen können. Ob es den MCS-Kranken hilft, ist zu bezweifeln, wie der jüngste Tod einer 48-jährigen Frau, der niemand angemessene medizinische Behandlung zugestand, erneut belegte.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Pfingsten 2012

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Umweltkranke informieren über MCS, Umweltkrankheiten und Auswirkungen von Chemikalien im Alltag

MCS – Aufklärungsmonat Mai 2012

Einen Monat lang klären Umweltkranke, Selbsthilfegruppen, Behörden und Politiker weltweit über eine Umweltkrankheit auf, die ca. 15-30% der Bevölkerung betrifft. MCS – Multiple Chemikaliensensitivität lässt Erkrankte auf winzige Spuren bestimmter Chemikalien reagieren, die man im Alltag antrifft. Weichspüler, Parfüms, Lufterfrischer, Zigarettenrauch, Farbgeruch, Pestizide, Verkehrsabgase, um nur einige Auslöser zu nennen, die bei MCS-Kranken Gesundheitsbeschwerden auslösen. Die Symptome können Minuten, Stunden, Tage bis zu Wochen oder Monaten anhalten, ganz abhängig davon, in welchem Schweregrad der Erkrankung sich der Chemikaliensensible befindet. Als häufigste Ursache für die Umwelterkrankung werden von Wissenschaftlern u.a. Pestizide und Lösungsmittel genannt. Wie Chemikaliensensible leben müssen, durch was sie krank wurden, welche Akzeptanz sie bei Behörden erfahren – oder auch nicht, werden MCS.Kranke im Monat Mai berichten.

Weltweit setzen sich Organisationen, Behörden und Politiker dafür ein, dass über die Auslöser von multipler Chemikaliensensitivität aufgeklärt wird, um mit dazu beizutragen, dass an MCS Erkrankte mehr Verständnis und Hilfe im Alltag erhalten. Ein weiteres Augenmerk ist die Verbreitung von Informationen über MCS und Gefahren durch Alltagschemikalien, um dazu beizutragen, dass die Anzahl der Neuerkrankungen durch dieses Wissen verringert wird. Manchmal reichen kleine Tipps in der Handhabung von bestimmten Chemikalien oder ein Hinweis, dass es besser ist, im Wohnbereich wegen der zu erwartenden gesundheitlichen Folgen darauf zu verzichten. Umweltkranke haben Informationsschriften, Blogs, Plakate, Flyer, Veranstaltungen und viele kreative Aktionen vorbereitet, um nicht nur auf ihre Krankheit aufmerksam zu machen, sondern auch um ihren Mitmenschen zu helfen, ihre Gesundheit zu bewahren.

Im CSN Blog wird es im Monat Mai spannende Berichte geben und Aufklärungsmaterial, das jeder in seinem Umfeld verbreiten kann.

Das Motto lautet dieses Jahr:

MCS-Aufklärungsmonat 2012 – Jeder, der auch nur ein Bisschen kann, packt mit an!

Umweltkranke brauchen sauberes Wasser

Wasserfilter und Duschfilter für MCS Kranke Teil der Therapie

Für Menschen mit Chemikaliensensitivität oder MCS ist sauberes Wasser zum Trinken und Duschen enorm wichtig. Trinkwasser ist in der Regel kontaminiert mit Spuren von Pestiziden, Herbiziden, PAK, Chlor, Aluminium, Kupfer, Nitrat, Asbest, Blei, Medikamentenrückständen, Industriechemikalien, Krankheitserreger, usw. Um den Gesundheitszustand zu stabilisieren oder zu verbessern, raten Umweltmediziner Chemikaliensensiblen gutes, schadstoffreies Wasser zu Trinken zu finden. Wasser in Glasflaschen ist zu einer Seltenheit geworden und für geschwächte Patienten ist es schwierig, die schweren Kisten nach Hause zu transportieren. Wasser in Flaschen ist teuer und die MCS Kranken, die von sehr wenig leben müssen, können es sich nicht leisten. Trinkwasser aus der Leitung zu trinken, führt für die meisten Chemikaliensensiblen zu gesundheitlichen Reaktionen. Grund dafür ist die Kontaminierung des Wassers durch Umweltschadstoffe und Eintrag von Chemikalien und Metallen durch die Rohrsysteme.

Rund 80% der Chemikaliensensiblen reagieren auf Wasser, diese Aussage stammt von Prof. William Rea, einem der erfahrensten Umweltmediziner weltweit. Rea schreibt, dass Sicherstellen eines guten Trinkwassers, frei von Chemikalien und in manchen Fällen zusätzlich mit geringem Mineralgehalt, für Chemikaliensensible unerlässlich ist und sogar der Behandlungserfolg in einer Umweltklinik stehe und falle mit dem Finden eines geeigneten, sauberen Wassers für den chemikaliensensiblen Patienten. (William J. Rea, Chemical Sensitivity, Vol.2, 1994; Chemical Sensitivity, Vol. IV, 1996)

Fallbeispiel Marion:

Vorweg möchte ich erwähnen, dass ich am Anfang meiner MCS nicht wusste, was ich habe und ich konnte mir auf viele körperliche Beschwerden, die plötzlich auftraten, keinen Reim machen. Durch Trinken von Wasser aus der Leitung ging mir der Hals zu, und ich bekam in kürzester Zeit Magenschmerzen und Durchfall. Dann wurde mir eiskalt und rasende Kopfschmerzen stellten sich ein. Als ich dahinter kam, dass es vom Wasser ist, besorgten meine Eltern Wasser in Glasflaschen. Volvic und Vittel vertrug ich eine Weile recht gut, dann bekam ich auch davon Symptome. Wir suchten nach weiteren Wassersorten in Glasflaschen, welches aus Regionen stammte, die als relativ sauber gelten. 60 km hin und zurück fuhren meine Eltern oder Freunde dafür. Das ging ins Geld und wurde immer schwieriger. Wir schafften dann einen guten Wasserfilter mit mehrstufiger Filterung an. Problem I war gelöst.

Ein weiteres Problem konnte ich lange Zeit nicht richtig einordnen. Erst als ich in einer Umweltklinik auf Chemikalien getestet wurde, um zu sehen, ob ich chemikaliensensibel bin, kam es raus, was los war. Jeden Morgen ging es mir nach dem Duschen schlecht. Ich kürzte das Duschen ab, doch es nutzte nur wenig. Ich kam kaum noch aus der Dusche raus und musste mich sofort am Waschbecken festhalten und hinsetzen. Föhnen schaffte ich kaum noch und nur im Sitzen. Oft legte ich mich anschließend wieder ins Bett, weil ich komplett fertig war. Ich dachte zuerst, es sei der Kreislauf, aber der Blutdruck war unauffällig. In der Umweltklinik stellte sich dann heraus, dass ich extrem auf Chlor reagiere. Der Umweltarzt fragte mich beim Durschauen der Testergebnisse, wie es mir denn morgens nach dem Duschen ginge. Mir fiel es im wahrsten Sinne des Wortes wie Schuppen von den Augen. Der Umweltarzt attestierte mir die Notwendigkeit eines Wasserfilters und eines Duschfilters. Wir kauften sofort einen Duschfilter und meine Beschwerden morgens im Bad waren verschwunden. Ich hatte Glück, meine Krankenkasse zahlte damals beides und auch die Ersatzkartusche. Andere mit MCS, die ich kenne, bekamen diese Hilfe nicht, obwohl sie schwer allergisch auf ihr Wasser reagierten.

 

Thommy’s Blogfrage der Woche

  1. Reagiert Ihr mit gesundheitlichen Beschwerden auf ungefiltertes Trinkwasser? Welche Symptome bekommt Ihr beim Trinken, Duschen oder Baden von normalem Wasser aus der Leitung?
  2. Habt Ihr einen Wasserfilter, oder kommt Ihr ohne Wasserfilter und Duschfilter aus?
  3. Oder kauft Ihr Wasser in Flaschen? Wie hoch sind die monatlichen Kosten für Euch?
  4. Müsst Ihr aus Kostengründen, trotz gesundheitlicher Reaktion, ungefiltertes Leitungswasser trinken? Welche Reaktionen stellen sich dadurch ein?
  5. Habt ihr schon mal Erfahrungen mit Wasserfiltern oder Wasseraufbereitung gemacht?
  6. Könnt Ihr Euch einen Wasserfilter und einen Duschfilter leisten, oder seid Ihr auf Unterstützung durch die Krankenkasse oder Behörden angewiesen?
  7. Versprecht Ihr Euch Verbesserung durch einen Wasserfilter, bzw. konntet Ihr gesundheitlich Verbesserungen durch einen Wasserfilter, Duschfilter feststellen?
  8. Welche Art Filter habt Ihr? Wie hoch sind die Anschaffungs- und Wartungskosten?
  9. Hat ein Umweltarzt bei Euch Allergie oder Sensibilisierung auf Wasser bestätigt?
  10. Hat Euch ein Arzt, Umweltarzt einen Wasserfilter, Duschfilter empfohlen, bzw. die Notwendigkeit wegen Eurer MCS attestiert?
  11. Habt Ihr bei der Anschaffung, Wartung eines Wasserfilters oder Duschfilters Unterstützung von der Krankenkasse oder einer Behörde erhalten?

Luftreiniger, Luftfilter helfen bei Schadstoffen

Schadstoffbelastung reduzieren ist für MCS Kranke die Therapie Nr.1

Spezielle Wohnprojekte, in denen chemikaliensensible Menschen beschwerdefreier leben könnten, gibt es bislang in Deutschland nicht. MCS-Kranke sind auf schadstofffreien Wohnraum angewiesen, um sich zu stabilisieren und Reaktionen zu verhindern. Umweltmediziner empfehlen Luftreiniger als Hilfsmittel, um im Wohnraum für möglichst schadstofffreie Luft zu sorgen. Studien berichten über hohen Nutzwert. Experten, bspw. Prof. Rapp, sprechen von 90% Stabilisierung durch einen adäquate Luftreiniger bei einigen MCS-Patienten.

In Einzelfällen bekamen MCS-Kranke Luftreiniger von Krankenkassen oder Behörden erstattet. Diese Chemikaliensensiblen können sich glücklich schätzen, denn meistens überlässt man die Erkrankten sich selbst und stellt ihnen keinerlei Hilfsmittel zur Verfügung, um wenigstens damit ihre Wohnsituation zu verbessern.

Thommy‘s MCS-Blogfrage der Woche:

  1. Würde Euch ein Luftreiniger helfen in Eurer derzeitigen Wohnsituation?
  2. Oder, kommt Ihr ohne Luftfilterung aus?
  3. Versprecht Ihr Euch Verbesserung Eures Gesundheitszustandes durch einen Luftreiniger?
  4. Könnt Ihr Euch einen Luftfilter leisten oder müsste Euch eine Behörde oder Versicherung bei der Anschaffung und dem Unterhalt unterstützen?
  5. Habt ihr Erfahrungen mit einem Luftreiniger gesammelt?
  6. Sind gesundheitlich Verbesserungen aufgetreten?
  7. Könnt Ihr dank eines Luftreinigers zeitweise arbeiten (z.B. Büroarbeit)?
  8. Habt Ihr eine behördliche Unterstützung erhalten, um einen Luftreiniger anzuschaffen?

Seit 14 Jahren gezielte Aufklärung über MCS durch Politiker

Multiple Chemical Sensitivity – Erkrankte sind auf  Hilfe durch Mitmenschen angewiesen

Schon im vergangenen Jahr war Christine O. Gregoire, die Gouverneurin des US-Bundesstaates Washington, die erste Unterzeichnerin einer Proklamation zur Verkündung des MCS – Multiple Chemical Sensitivity Aufklärungsmonats. Jedes Jahr im Mai finden in vielen US Bundesstaaten Aufklärungsveranstaltungen vielfältiger Art statt. Die Gouverneure der teilnehmenden Bundesstaaten setzen ihr Staatssiegel unter eine Urkunde, die dazu dient, die Bevölkerung auf die Krankheit MCS hinzuweisen und auf die Konsequenzen, mit denen an MCS erkrankte Menschen leben müssen.

Akzeptanz für MCS Kranke durch gezielte Aufklärung

Die amerikanischen Politiker haben durch die von ihnen ausgerufenen Aufklärungskampagnen viel Akzeptanz für die MCS Kranken in der Bevölkerung erzielt. Öffentliche Institutionen und zahlreiche Organisationen klinken sich im Monat Mai ein und helfen durch Aufklärungsveranstaltungen, Flyer, Video und Aktionen, dass die Situation der Chemikaliensensiblen weiter verbessert wird. Eines der Ziele ist, zu vermitteln, dass jeder an MCS erkranken kann, ganz gleich welche Hautfarbe er hat, welchen Bildungsgrad, ob er arm oder reich ist. Eine weitere Priorität bei der Aufklärung ist auf Prävention gerichtet. Mitmenschen erhalten Informationen, die ihnen verdeutlichen, durch welche Chemikalien und welche Umstände MCS ausgelöst werden kann und wie vielfältig die Reaktionen sind, die durch Chemikalien, selbst im Niedrigdosisbereich, ausgelöst werden können.

MCS Aufklärungsmonat Mai, eine weltweiter Aktionsmonat

Als vor vierzehn Jahren die erste Proklamation zur Ausrufung einer MCS Aufklärungswoche unterzeichnet wurde, hätte niemand gedacht, dass daraus eine weltweite Kampagne erwachsen würde. MCS Organisationen aus vielen Ländern weltweit nehmen mittlerweile am MCS Aufklärungsmonat teil. MCS Aktivisten lassen sich kreative Aktionen einfallen und Tausende von Menschen mit MCS unterstützen, jeder auf seine Weise, diesen Aktionsmonat.

Verkündung von Gouverneurin Christine O. Gregoire, Washington State:

4. Januar 2012

WEIL, Menschen aller Altersgruppen im Bundesstaat Washington eine Erkrankung entwickelten, die als Multiple Chemical Sensitivity (MCS) bekannt ist, als Resultat einer massiven Chemikalienexposition oder wiederholten Expositionen gegenüber Chemikalien im Niedrigdosisbereich und gegenüber anderen Reizstoffen in ihrer Umwelt; und

WEIL, MCS von zahlreichen Organisationen dahingehend anerkannt ist, so dass diese die Gesundheit und das Wohlergehen von Chemikaliengeschädigten unterstützen, einschließlich der WHO – Weltgesundheitsorganisation, dem Americans with Disabilities Act, der Social Security Administration, dem US Department of Housing and Urban Development und der Umweltschutzbehörde EPA; und

WEIL, MCS eine chronische Erkrankung ist, für die keine Heilung bekannt ist; zu den Symptomen chronische Erschöpfung, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautausschläge, Asthma, Kopfschmerzen und andere Atemwegs- und neurologische Probleme gehören; und

WEIL, MCS zu erheblichen Konsequenzen führen kann im finanziellen Bereich, bei der Arbeit, beim Wohnen, für die Gesundheit und soziale Folgen für die Menschen haben kann, die unter dieser Behinderung leiden; und

WEIL, angemessene Unterkünfte und das Wecken von Aufmerksamkeit für MCS, Chancen für Menschen mit dieser Behinderung schaffen kann, damit diese Zugang zu Arbeit, Schulen, öffentlichen und anderen Einrichtungen erhalten, wo sie weiterhin dazu beitragen können, ihre beruflichen Fähigkeiten, Ideen, Kreativität, Fähigkeiten einzubringen; und

WEIL, Menschen mit MCS Unterstützung brauchen und Kooperation durch Familie, Freunde, Mitarbeiter und der Gesellschaft, um ihre Krankheit zu bewältigen und sich an neue Lebensweisen anzupassen;

DESWEGEN und JETZT, verkünde ich, O. Gregoire, Gouverneurin des Bundesstaates Washington, hiermit den Mai 2012 als

Multiple Chemical Sensitivity Aufklärungsmonat (pdf)

im Staat Washington, und fordere alle Bürger auf, diesen speziellen Monat mit mir einzuhalten.

Unterzeichnet am 4. Januar, 2012

Gouverneur Christine Gregoire O.

 

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 04. Feb. 2012

Literatur:

Gouverneur Christine Gregoire O., Proclamation 2012 MCS Awareness Month, 4. Januar 2012

Weitere CSN Artikel über den MCS Aufklärungsmonat: