Die Luft im Krankenhaus? …wie in einer Parfümerie!

Immer mehr Menschen sind durch Duftstoffe eingeschränkt

Umweltbedingte Gesundheitsstörungen wie z. B. Asthma, Duftstoffallergien und MCS-Erkrankungen nehmen tendenziell kontinuierlich zu. Parallel zu dieser negativen Entwicklung sind Duftstoffe in unserem Alltag allgegenwärtig, deren Einsatzbereiche werden sogar immer vielfältiger, obwohl das UBA seit mehreren Jahren explizit von unkontrolliertem Einsatz von Duftstoffen abrät. Mediziner empfehlen Duftstoffallergikern, Düfte in ihrem Alltag strikt zu meiden. Dies ist jedoch kaum zu bewerkstelligen, denn sogar in Arztpraxen und Krankenhäusern wird „Air-Design“ betrieben.

Plötzlich ins Krankenhaus zu müssen, kann jeden von uns unerwartet treffen. Dieses Schicksal stellt für Menschen, die von Multipler Chemikalien Sensitivität oder einer Duftstoffallergie betroffen sind, eine schier unüberwindbare Hürde dar, denn in Deutschland sind Kliniken nicht auf die speziellen Bedürfnisse von Umweltpatienten und Duftstoffallergikern eingestellt. Vor einigen Wochen wurde Karina von heute auf morgen ins Krankenhaus eingewiesen. Über zwei Wochen musste sie dort verweilen, sie selbst leidet weder an einer Duftstoffallergie noch an Multipler Chemikalien Sensitivität – MCS. Dennoch fühlte sie sich von der Dominanz der Düfte belästigt.

Karina berichtet über ihren Krankenhausaufenthalt

Vor einigen Wochen musste ich unerwartet für 16 Tage ins Krankenhaus. Dort wurde ich mit vielen unliebsamen Düften konfrontiert.

Eine meiner Mitpatientinnen entfernte sich am Abend vor ihrer OP den Nagellack im Krankenzimmer. Danach roch das ganze Zimmer stark nach Lösungsmittel. Eine weitere Zimmerkollegin sprühte sich am Morgen ihrer Entlassung großzügig mit Deospray ein, zudem roch ihre Kleidung intensiv nach Weichspüler, so dass die Raumluft stark mit Duftstoffen angereichert war.

Die neue Zimmerkollegin gönnte sich vor dem Schlafengehen eine großzügige Ladung Haarspray. Es stank im ganzen Zimmer danach. Ich bat sie: „Bitte hören Sie damit auf, ich vertrage das nicht. Haarspray ist stark gesundheitsschädlich.“

Die über 80-Jährige antwortete erstaunt: „Wenn ich das nicht mache, stehen morgen meine Haare ab.“

Ich antworte: „Immerhin gibt es auch Wasser und Bürsten, damit bekommen Sie Ihr Haar morgen wieder prima hin. Wir sind hier nicht in einem Beautysalon, sondern in einer Klinik, in der man genesen soll.“

Trotz sofortigem Aufreißen aller 3 Fenster, war für mich an Schlaf nicht mehr zu denken.

Da ich über 14 Tage im Krankenhaus verweilen musste, hatte ich mehrfachen Wechsel von Mitpatientinnen. Eine Zimmerkollegin war nach ihrer OP bettlägerig und benutzte ständig ihr penetrantes Parfum, ebenso stark parfümierte Cremes, Deo und Schminke. Auf der fensterlosen Toilette unseres Krankenzimmers stand eine Dose Raumspray. Ich bat meine Zimmerkolleginnen, das Duftspray nicht mehr zu benutzen, ich bekam davon Reaktionen der Atemwege.

Hinzu kamen die vielen Besucher, die meist reichlich Düfte im Krankenzimmer verströmten. Das war selbst für mich zu viel und ich musste öfter Reißaus nehmen, weil ich es nicht mehr aushielt. Oft bekam ich Kopfschmerzen, Atembeschwerden und es wurde mir sogar übel. An Erholen bzw. Schlafen war kaum zu denken, so extrem war die Duftstoff geschwängerte Luft teilweise. Wenn es das Wetter ermöglichte, flüchtete ich in den Garten, um wieder befreit atmen zu können, aber selbst das war mir oft nicht gegönnt, weil auch hier umhergehende bzw. auf den Bänken sitzende Patienten und deren Besuch, eine Wolke von Parfum und Weichspüler in der Kleidung etc., verbreiteten.

Nicht nur meine Zimmerkolleginnen, auch die Nachtschwestern brachten bei ihren nächtlichen Kontrollgängen intensive Duftfahnen mit ins Zimmer.

Während meines gesamten Klinikaufenthalts fühlte ich mich dadurch massiv gestört, denn auf Grund der Intensität der Duftstoffe konnte ich keine einzige Nacht durchschlafen.

Doch all dem nicht genug, nicht nur die Nachtschwestern, auch die meisten Krankenschwestern, Ärzte wie auch Ärztinnen waren intensiv parfümiert. Auf den Gängen und bei meinen Untersuchungsterminen im Haus wurde ich ebenfalls zumeist mit starken Duftnoten konfrontiert. Einer meiner Physiotherapeuten schien offenbar in seinem Aftershave zu baden. In der Röntgenabteilung und im Labor war die Atemluft der reinste Duftcocktail. Die im Krankenhaus benutzen Putzmittel unterstrichen die allgegenwärtige Zwangsbeduftung.

Die Luft im Krankenhaus glich der Luft in einer Parfümerie. Bei meinen früheren Krankenhausaufenthalten waren Düfte kaum vorhanden oder sie waren die Ausnahme gewesen. Früher war es allgemein Usus, Parfum dezent aufzutragen. Heute ist es umgekehrt, es gibt kaum jemanden, der nicht stark parfümiert ist. Ich war heilfroh, als ich endlich zuhause war und wieder richtig durchatmen konnte.“

Duftstoffe nehmen im Alltag stark zu – trotz erwiesener gesundheitsbeeinträchtigender Wirkung

In der Duftstoffindustrie werden mittlerweile über 3000 verschiedene synthetische Duftstoffe verarbeitet, deren Auswirkungen auf die Gesundheit kaum erforscht sind. Besonders die Wirkung der einzelnen Substanzen untereinander ist in wissenschaftlichen Fachkreisen nach wie vor ungeklärt, jedoch gelten Duftstoffe erwiesenermaßen als hochgradig allergieauslösend. Umso unverständlicher ist es unter diesem Gesichtspunkt anzusehen, dass der Einsatz von Duftstoffen und Chemikalien im medizinischen Bereich nicht radikal eingedämmt wird, sondern in deutschen Krankenhäusern und Arztpraxen sogar Duftstoffmarketing betrieben wird.

Vorbildliche Reglungen

In Schweden agiert man in Bezug auf Duftstoffe weitaus fortschrittlicher. In der Region von Göteborg ist man sich der gesundheitlichen Verantwortung gegenüber von Patienten und Krankenhauspersonal durchaus bewusst und hat bereits seit September 2008 ein Duftstoffverbot in Krankenhäusern und Arztpraxen umgesetzt. In Kanada und den USA sind Duftstoffe mittlerweile in vielen Krankenhäusern verboten. Der Einsatz von schadstoffkontrollierten Krankenwagen wurde im amerikanischen Bundesstaat Ohio auf Grund der Initiative einer Patientenorganisation für Chemikaliensensible (ONFCI) zum Wohle von Chemikaliensensiblen realisiert, um auch MCS-Patienten medizinische Notfallversorgung zu ermöglichen.

Duftstoffverbot im Krankenhaus, Teil von Barrierefreiheit für Behinderte

In der Vergangenheit wurde vielen MCS-Kranken das Nichtvorhandensein entsprechender Krankenzimmer zum Verhängnis, manche wussten keinen anderen Ausweg und begannen Suizid. Krankenhäuser sind öffentliche Einrichtungen, die jedem Patienten zur Verfügung stehen müssen. Duftstoffverbote und schadstoffarme Innenausstattung in Krankenhäusern würden bei vielen Patienten enormes Leid vermeiden und gewährleisten, dass der gesamten Bevölkerung die notwendige Gesundheitsversorgung zur Verfügung steht. Viele Verbesserungen könnten mit „Good Will“ umgesetzt werden und kämen nicht nur Patienten, sondern auch dauerhaft dem Krankenhauspersonal zugute.

Autor: Maria Herzger in Zusammenarbeit mit Karina für CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Juli 2010.

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5 Kommentare zu “Die Luft im Krankenhaus? …wie in einer Parfümerie!”

  1. Energiefox 2. Juli 2010 um 14:25

    Prima der Bericht Maria und mehr als nötig.

    Ich habe 2 Schwestern und die sind ausgebildete Krankenschwestern , aber das Thema das diese chemischen Düfte krank macht, ist denen unbekannt bzw. die wollen es auch nicht wissen. Ist jedenfalls meine Erfahrung.
    Ich spreche mit denen ab und zu über das Thema, weil ich durch dies Forum zum Glück gut informiert bin, aber vermutlich weil ich nicht an MCS erkrankt bin, nehmen die meine Mahnungen nicht ernst.

    Hatte ja im Forum schon darüber berichtet.

    Letztens ich nehme ja keine Sachen die parfümiert sind. Ich kaufte die normale Niveadose, weil ich dachte es ist nicht mit Parfum, (die roch zitronig was ich aber sonst noch nie erlebt habe ) aber auch da ist der Dreck (Parfum) drin. Hab zum Glück nur eine kleine Dose gekauft und die vor Wut sofort in die Mülltonne gekloppt.

    Gruß Fox

  2. Groppo 2. Juli 2010 um 16:08

    Das ist extrem, was Karina berichtet –
    guter Bericht mit schlimmem Inhalt, sozusagen.
    Ich frage mich schon lange, wo soll das noch hinführen???

    Grüsse

  3. Mari Jo 2. Juli 2010 um 20:42

    Ist eigentlich bzgl. dieser unsäglichen und diskriminierenden Missstände bereits eine gemeinsame, schriftliche Beanstandung ans Gesundheitsministerium erfolgt? Ich denke, man sollte aggressiv an die Politik herangehen, denn dort besteht der eigentliche Handlungsbedarf! Schreibe ich denen als einzeln Betroffene in dieser Sache einen Brief, dürfte das im Papierkorb landen, aber wenn eine solche Intervention im Zusammenschluss mit den diversen Verbänden erfolgt, MUSS darauf reagiert werden.

    Es ist tatsächlich erstaunlich, wie die Empfehlungen des UBA durch öffentliche Institutionen konterkariert werden – dabei sind eine Million Duftstoff-Allergiker bereits dokumentiert! Aber da sieht man mal deutlich, wer in diesem Land tatsächlich das Sagen hat…

    Letztlich habe ich an die Asthma-Klinik in Davos geschrieben und angefragt, ob die denn wenigstens in ihrer Allergiker-Station Duftstoff-frei sind… Bis heute habe ich keine Antwort erhalten…

    Im vergangenen Oktober musste mein Mann die Notrufnummer anrufen, weil ich eine Anaphylaxie hatte und er die örtliche Nummer nicht auf die Schnelle fand. Obwohl er von der Anaphylaxie berichtet hatte und darum bat, dass man doch Cortison bereithalten sollte, kam die ganze Mannschaft samt Arzt an und verweigerte mir eine Behandlung vor Ort! Für Cortison müsse ich mit ins Krankenhaus fahren… – ich habe mich allerdings geweigert, da sich mein Zustand zu diesem Zeitpunkt mithilfe einiger Notfallkniffe bereits wieder etwas stabilisiert hatte. Obwohl ich dem Team meine Duftstoff- und Chemikalien-Problematik genauestens erklärte, unterrichtete man mich kompromisslos darüber, dass ich den Krankenwageneinsatz jetzt selbst zu bezahlen hätte.

    Und so war es auch. Weder die Krankenkasse noch die Stadtverwaltung hatte ein Einsehen, dass ich denen doch im Prinzip Kosten eingespart hatte, ganz davon zu schweigen, dass ich durch einen Aufenthalt im Krankenhaus vom Regen in die Traufe geraten wäre… – dieser Lapsus hat mich also mal eben runde 360 Euro gekostet. Soviel zu Gleichstellungsrechten und Behinderung…

    Wenn das weiter so geht mit dieser Zwangsvergasung, dürfte das Darwin’sche Prinzip irgendwann auch ad Absurdum geführt sein. Zumindest, was den Menschen angeht – denn der kann wohl noch ein gutes Stück Evolution vertragen..!

  4. Zebolon 3. Juli 2010 um 19:51

    Wenn nicht einmal „Gesunde“ die geballte Ladung der permanent auf uns einwirkende Ladung an Düften aushalten bzw. vertragen, wie sollen dann Duftstoffallergiker bzw. MCS-Kranke mit ihrer Umwelt, geschweige denn im Krankenhaus zurechtkommen?

    Die Verantwortlichen sind in der Pflicht, hier dringend Abhilfe zu schaffen. Immerhin sind Duftstoffe nichts anderes als Chemikalien. Und diese sollten aus Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen radikal verbannt werden. Industrie-freundliche Entscheidungen sind hier völlig fehl am Platz, hier muss die Gesundheit der Bevölkerung Vorrang haben und das geht eben nicht, wenn man Chemikalien in Krankenhäusern duldet.

  5. Lucie 28. Juli 2010 um 06:49

    Wenn sich schon „normale“ Patienten durch die Duftstoffe sowie beduftete Kosmetika / Parfüm der Mitpatienten bzw. des Krankenhauspersonals stark belästigt fühlen, wie sollen dann MCS Betroffene, Asthmatiker und Allergiker einen Krankenhausaufenthalt ohne zusätzliche Gesundheitsschäden überstehen? MCS Patienten können sich in Deutschland rein garnicht in ein Krankenhaus begeben.

    Dieser Zustand muss radikal geändert werden, zumal Duftstoffe bereits seit vielen Jahren in öffentlicher Kritik der Wissenschaft stehen. Anderen Ländern beweisen schließlich, dass vieles machbar ist. Aber die Macht der Abhängigkeit zur Industrie scheint am längeren Hebel zu sitzen, auf Kosten unser aller Gesundheit, aber auch auf Kosten der Allgemeinheit. Darüber sollten die Entscheidungsträger einmal nachdenken. Aber wie so oft im Leben, Geld regiert die Welt. Die Steuereinnahmen der Duftstoffindustrie steckt sich unser Staat nur allzu gerne weiter ein.

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