Integration von Behinderten am Arbeitsplatz: Lehrer mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity und Allergien
Die Integration von Behinderten auf Arbeitsplätzen ist eine wichtige Aufgabe, der sich Behörden weltweit angenommen haben. Lehrer, die unter Chemikaliensensitivität / Multiple Chemical Sensitivity (MCS) leiden, haben es in Schulen nicht leicht. Baumaterialien, die Chemikalien ausdünsten, Parfüms und Duftstoffe von Schülern und Kollegen, chemikalien- und duftstoffhaltige Reinigungsmittel Renovierungsarbeiten, Einsatz von Pestiziden stellen nur einen kleinen Bruchteil der „Barrieren“ dar, mit denen chemikaliensensible Lehrer konfrontiert werden können.
Häufig wird eine Lehrkraft mit MCS frühzeitig in Pension geschickt. Ein Verlust, dem das Job Accommodation Network (JAN) entgegensteuert, indem diese, dem Ministerium für Arbeit unterstellte Abteilung, Empfehlungen und Unterstützung zur Integration behinderter Lehrkräfte gibt, auch und insbesondere solchen, die unter MCS und Allergien leiden.
Auf Behinderte und ihre Bedürfnisse eingehen
Das amerikanische Schwerbehindertengesetz sieht vor, Behinderte im Berufsleben besonders zu unterstützen. Eine Unterabteilung des Ministeriums für Arbeit, das Job Accommodation Network (JAN), hat sich dessen angenommen und sorgt dafür, dass Situationen im Berufsalltag erfasst und verbessert werden.
In einer Broschürenserie über Behinderungen in Beruf und Unternehmen geht JAN in einem Sonderheft insbesondere auf die Bedürfnisse von behindertem Lehrpersonal ein und wie man dieser Behindertengruppe helfen kann. Die Behörde motiviert, die aufgeführten Vorschläge nicht als einzige Möglichkeit anzusehen, sondern weitere Möglichkeiten zu schaffen, wenn es einer behinderten Person helfen könnte. JAN führt an, dass die Vorschläge nur eine kleine Auswahl darstellen sollen und das es zahllose weitere Möglichkeiten gäbe, um einem behinderten Angestellten gerecht zu werden.
Lehrpersonal mit Behinderung – kein Problem
JAN geht von etwa 1,1 Millionen behinderter Lehrkräfte an amerikanischen Schulen, Bildungseinrichtungen und Universitäten aus. Da Lehrkräfte einem hohen Standard entsprechen müssen, um der Vielzahl von Anforderungen zu entsprechen, die sie während ihrer Arbeit gerecht werden müssen, ist es laut der Behörde erforderlich, dass angemessene Anpassungen vorgenommen werden, um es dieser Behindertengruppe zu ermöglichen, ihre Arbeit effektiv durchführen.
Nicht alle Lehrkräfte, die unter einer Behinderung leiden, benötigen spezielle oder viele Anpassungen des Arbeitsumfeldes, um ihre Arbeit zu verrichten. Manche brauchen überhaupt keine Anpassungen, andere benötigen nur kleine Hilfestellungen, die schon mit einer Anordnung abgetan sind.
Viele Zugeständnisse für eine behinderte Lehrkraft kosten nicht einmal Geld, sie erfordern nur Willen und Kooperation der Menschen im Umfeld. So berichtet JAN von einer Lehrkraft, die unter einem Anfallsleiden litt. Die Lehrkraft hatte ein Haustier, das speziell auf die Erkennung der Anfälle abgerichtet war. An der Schule, an der sie unterrichtete, waren Tiere jedoch verboten. Die Schulleitung fällte eine Einzelerlaubnis und sorgte zusätzlich dafür, dass einige Personen mit dem Tier vertraut gemacht wurden und sich um es kümmerten, während die Lehrkraft einen Anfall hatte und in einem Krankenzimmer lag. Kosten der Maßnahme: 0
Auch Lehrpersonal mit MCS hat eine Chance
Während Lehrpersonal in Deutschland beim Auftreten einer Chemikaliensensitivität erfahrungsgemäß mit massiven Problemen rechnen muss und die Behinderung meist mit Frühpensionierung (oft wird die Erkrankung auf die Psyche abgeschoben) einhergeht, sieht JAN in den USA Unterstützung für Lehrpersonal mit MCS und Allergien vor. Sogar ein Maßnahmenkatalog mit Vorschlägen für Personen mit CFS – Chronic Fatigue Syndrom wurde von der Behörde eingebracht.
Folgende Vorschläge unterbreitet JAN, um chemikaliensensiblen Lehrkräften und solchen mit Allergien das Unterrichten zu erleichtern, bzw. weiterhin zu ermöglichen:
Bei Allergien auf Kreide:
- Benutzung eines Overhead Projektors
- Benutzung eines PC Projektors
- Benutzung einer abwaschbaren Kunststofftafel, die mit ungiftigen Markern beschrieben werden kann
- Benutzung eines großen Papierblocks auf einer Staffelei (wie bei Konferenzen üblich)
- Schaffen einer guten Ventilation, Luftfilter, Luftfilterungsanlage
Bei Sensitivitäten gegenüber Reinigungsmitteln, Zigarettenrauch, Pestiziden, Parfüms, Farbe, Teppichboden und anderer Gebäudeausstattung:
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Benutzung eines Luftfilters, Installierung einer Luftfilterungsanlage
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Vermeidung der Reizstoffe, so weit wie möglich
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Verwendung ungiftiger Anstreichfarbe und von speziellen Reinigungsprodukten, die weniger reizende Alternativen darstellen
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Entfernung, Austausch oder Entgiftung von bestehendem Teppichboden und Auswahl weniger toxischer Gebäudeausstattung und Versorgungsmaterialien
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Verbesserung der Ventilation innerhalb des Arbeitsplatzes
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Benachrichtigung im Vorfeld über Malerarbeiten, dem Einsatz von Pestiziden, damit ein alternatives Arrangement für die Arbeit in dieser Zeit getroffen werden kann
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Schulung des Umfeldes über Multiple Chemical Sensitivity und was die Erkrankung bedeutet und wie Duftstoffe den Gesundheitszustand Betroffener beeinträchtigen können
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Auslagern des Arbeitsplatzes aus Bereichen, in denen sich der Werkraum, das Chemielabor, die Cafeteria oder Parkplätze befinden
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Ausführung von Reinigungs- und Gebäudeinstandsetzungsarbeiten und Renovierungsarbeiten, wenn das Gebäude leer steht
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In Betracht ziehen der Einführung eines Duftstoffverbotes
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Bereitstellung eines Luftentfeuchters, um Schimmelbildung zu verhindern
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Bereitstellung einer Liste der Inhaltsstoffe von Reinigungsmitteln und anderen chemischen Substanzen, die auf dem Schulgelände zum Einsatz kommen
Integration statt Isolation
Diese Maßnahmen, die von JAN für chemikaliensensibles Lehrpersonal vorgeschlagen wurden, könnten mit ein wenig Willen und Akzeptanz an jeder Schule, jeder Universität durchgeführt werden. Sie käme auch anderen Allergikern sowie chemikaliensensiblen Kindern und Jugendlichen zugute.
Es liegt an den Behörden in den jeweiligen Ländern, sich auf humane Weise einzusetzen und mit dazu beizutragen, dass Barrieren auch für diese bisher nahezu ausnahmslos ausgegrenzte Behindertengruppe eliminiert werden.
Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 17.03.2009
Literatur:
Job Accommodation Network, Occupation and Industry Series: Accommodating Educators with Disabilities, 18.02.2009
Weitere CSN Blogs zum Thema:
Die Integration MCS kranker Lehrkräfte müsste doch auch außerhalb den USA zu schaffen sein. Allergiker profitieren von solchen Vorhaben ebenso, Schüler wie Lehrer, zugleich sind es Präventionsmaßnahmen, denn es werden weniger Neuerkrankungen hinzukommen. Ich verstehe nicht, warum man sich in Deutschland so sehr gegen die Integration behinderter MCS Kranke wehrt. Anstatt MCS anzuerkennen, als das was es ist, schiebt man MCS lieber auf die psychische Schiene und saniert Schulen rein nach Energie-Gesichtspunkten und verbaut locker flockig schadstoffbelastetes Material, ohne sich einen Kopf zu machen, welche Folgen diese Sorglosigkeit nach sich zieht. Doch es werden immer mehr Schüler und Lehrer an Deutschlands Schulen krank, infolge von schadstoffhaltigem verbautem Baumaterial. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln und wünsche mir, dass bei uns recht bald amerikanische Seiten aufgezogen werden.
http://www.csn-deutschland.de/forum/showthread.php?id=8495
Es wird dringend Zeit bzw. es ist längst überfällig, dass die Rechte behinderter Menschen nicht nur auf dem Papier existieren, sondern sie auch Umsetzung in der Praxis finden. Schließlich sollten Behinderte mit MCS – Mulitpler Chemikalien Sensitivität so gut als möglich im öffentlichen Leben integriert bleiben und nicht wegen ihrer Behinderungen diskriminiert werden. Doch genau das geschieht hierzulande. Für MCS Kranke wird kaum etwas unternommen, um ihnen ein möglichst langes Arbeiten zu ermöglichen.
Meiner Meinung nach könnte man zumindest versuchen an der Integration behinderter MCS Kranken mitzuwirken, indem mit vereinten Kräften nach Lösungen gesucht würde und z. B. die im Blogtext aufgeführten Maßnahmen umsetzen würde. Damit wäre vielen MCS Patienten schon sehr geholfen. Nur leider findet Derartiges bei uns in Deutschland überhaupt nicht statt. Hingegen wird bei uns in Deutschland gerne bei behinderten MCS Kranken die große Psycho-Schublade geöffnet und für die Betroffenen eine Frühpensionierung eingeleitet. Das nenne ich Missachtung der Chancengleichheit und Diskriminierung behinderter Menschen, ebenso richtet sich dieses Verhalten gegen ihre Menschenwürde.
Integration von Behinderten am Arbeitsplatz, gerade MCS Kranke und Menschen mit Allergien, sollte viel stärker im Fokus stehen, gerade auch deshalb, weil die Zahl der Erkrankten tendenziell weiterhin zunehmend ist.
In der Bundesrepublik ist es üblich chemikaliensensitiven Lehrern eine Psychodiagnose zu verpassen. Damit hat man das Problem der Integration schnell gelöst. Besonders gerne findet man bei an MCS erkrankten Lehrern eine Somatisierungsstörung meist aber auch noch diverse sogenannte Komorbiditäten wie Angststörung, Persönlichkeitsstörungen, Neurasthenie, Depression etc.
Vom 17. bis 19. 3. 2006 fand in Frankfurt das 10. Kolloquium “Umwelt und Gesundheit†statt. Dort wurde dieser Fallbericht und noch viele andere vorgestellt.
„Die beamtete Lehrerin erhielt ein sogenanntes „ Wissenschaftliches Gutachten“ eines Experten für Neurologie und Psychiatrie. Nach einem ca. zweistündigen Gespräch und einer etwa 5 –10 Minuten währenden körperlichen Untersuchung diagnostizierte er „ überwertige Gedanken“, sowie eine „paranoide Persönlichkeitsentwicklung“. „Dies ist eine Persönlichkeitsstörung, der im sozialen Umgang durchaus die Wertigkeit einer Psychose zukommt“, außerdem bestehen „ inhaltliche Denk- und Urteilsstörungen für den Komplex Allergie, Allergene, Umwelt bzw. Umweltgifte.“ Der Experte beschreibt nach dem kurzen Gespräch, dass „ ihre naive Einstellung zur Umwelt ist verlorengegangen ist“, da sie„ selbst unter dem Parkettboden der Klassenräume ihrer Schule nachgräbt, um Ursachenforschung zu betreiben und um Beweise für die Richtigkeit ihrer Auffassung, ihrer Sicht der Dinge zu finden.“ Zitat: „ Somit hat bei Frau (…) die anfängliche paranoide Reaktion, resultierend aus den überwertigen Gedanken zu einer paranoiden Entwicklung mit querulatorisch- kämpferischer Note, zu einer bleibenden Verrückung des persönlichen Standpunktes gegenüber der Umwelt, zu einem Verrücktsein geführt. Nachdem sie nun nicht mehr nur gegen PCP allergisch ist, sondern sich auch mit einer MCS behaftet sieht, hat sie von sich selbst nunmehr das Bild, eine Armee von Umweltschützern anzuführen, die ausgezogen ist, die Schüler vor dem Verrotten durch Umweltgifte zu retten. Ihr Husten ist dabei nur die – inzwischen eher bewusstseinsfern neurotisch aufgesetzte Fahne, die dem Heereszug, den anzuführen zu müssen sie glaubt, vorangetragen wird.
Die Behandlung eines derartigen paranoiden Syndroms bzw. einer solchen paranoiden Persönlichkeitsentwicklung ist ein nahezu aussichtsloses Unterfangen, weil ein Krankheitsbewusstsein gänzlich fehlt.
Auch eine Behandlung in einer psychiatrischen Klinik scheidet wegen des fehlenden Krankheitsbewusstseins aus, gerade das Abgesperrtsein von der Außenwelt würde, wenn man dann eine Behandlung erzwingen wollte, sie in ihrer misstrauischen und feindseligen Haltung eher noch bestärken, besonders, wenn man bedenkt, dass auch psychiatrische Kliniken öffentlicher Gebäude sind, die ihren Husten erst recht in Gang halten würden.“ (Zitatende)
Die Ursachenforschung für die Erkrankungen an der Schule mit dem Ziel der Sanierung des Gebäudes wurden jedoch im Interesse der Schüler(innen ) weiter betrieben. Die Schule wurde sieben Jahre nach dem Anfangsverdacht wegen extrem hoher Schadstoffbelastung mit krebserzeugenden PAK in der Parkettklebemasse saniert. Die psychiatrisierte Kollegin hatte also zu Recht genau dort nach den Schadstoffen gesucht, wo sie später auch zu finden waren.“
Wo in Deutschland Schadstoffe auftauchen und Menschen krank werden in der Schule laufen immer dieselben Prozesse ab: Psychopathologisierung. Hier kann man nachlesen was so alles passieren kann, wenn man in der Schule von der Schule krank wird:
http://www.bbu-online.de/AG%20Innenraumschadstoffe%20und%20Gesundheit/Schulen/Grundlegendes/Disposition%20Kindergesundheit.htm
Danke für diesen Blog, den ich gerade entdeckt habe.
Da es schon recht spät ist, bin ich nur noch in der Lage, einen kurzen Kommentar abzugeben.
Ich gehöre zu den Lehrern, die an MCS erkrankt sind.
Meine MCS Erkrankung wurde verursacht durch Innenraumluft -Belastungen mit einem VOC – Gemisch (Lösemittelgemisch) nach Bezug des SCHULNEUBAUS, in dem ich tätig war.
Von einer Integration, wie im Text erwähnt, konnte ich nur träumen.
Statt Integration erlebte ich MOBBING (seitens der Kollegenschaft und vieler Verantwortlicher) und PSYCHIATRISIERUNG.
Die obere Schulbehörde teilte der unteren Schulbehörde mit, dass ich wohl Angst vor Schadstoffen und psychische Probleme hätte.
Mit der Falschdiagnose „chronifizierte Depression“ wurde ich frühpensioniert.
Hallo Eike,
dass es Dir so schlimm ergangen ist, tut mir leid für Dich. Es ist eine Ungeheuerlichkeit, in der Schule erkrankte Lehrkräfte als psychisch krank zu erklären und die wahren Ursachen unter den Teppich zu kehren. Schließlich ist davon auszugehen, dass es auch viele Schüler übel erwischt und sie infolge von schadstoffbelasteter Innenraumluft umweltbedingt erkrankt sind. Ich kann mir vorstellen, dass es viele derartige Schulen gibt. Anstatt den Schaden zu begrenzen und umweltgerecht zu sanieren, wird an Deutschlands Schulen ein völlig falscher Weg eingeschlagen. Falschdiagnosen und Vertuschen von Tatsachen sind kein Kavaliersdelikt.
Gruss Eric
Amerika macht vieles vor und wir Deutsche machen es nach. Warum funktioniert das nicht in Deutschland bei MCS oder wie auch hier bei der Integration von MCS kranken Lehrern oder Lehrer die an Allergien leiden? Hier geht man lieber dazu über, die Lehrkräfte unter anderem Vorwand abzuschieben, anstatt sie mit entsprechenden Maßnahmen im Berufsleben integriert zu lassen.
Die Integration Behinderter sollte doch oberstes Gebot darstellen. Dass man lieber die an Multipler Chemikalien Sensitivität leidenden Lehrer in Frühpension abschiebt, geht doch offensichtlich gegen deren Menschenwürde, oder? Meiner Meinung nach müssten alle Möglichkeiten genutzt werden und wenn Frühpension, dann aber wegen den tatsächlichen Erkrankungen.
Haben Behörden keine Mitwirkungspflicht oder wird die nur den Antragstellern von Rentenverfahren auferlegt?
hallo Eric,
danke für deine Anteilnahme.
Natürlich war ich nicht der einzige Raumnutzer, der nach Bezug des Schulneubaus durch die ausgasenden VOCs erkrankte.
Auch bei weiteren Betroffenen (Lehrpersonen/Schüler) wurde u.a. eine MCS Erkrankung verusacht.
Einige Fälle wurden mir mitgeteilt, aber ich glaube, dass es noch eine große Dunkelziffer von Betroffenen gibt, die MCS Probleme haben, aber nicht wissen, welche Krankheit sie haben, da die wenigsten Ärzte dieses Krankheitsbild kennen und demnach Falschdiagnosen stellen.