Monatsarchiv für August 2012

Die besten Tipps für Allergiker für die heißeste Woche des Jahres

Gesundheit und Kühle

  • Ausreichend Wasser trinken. 3 – 4 Liter sollten es am heißesten Tag des Jahres sein. Etwas Zitronensaft ins Wasser erfrischt und das Saure wirkt wohltuend. Essen sollte man ganz leichte Speise, nichts, was zu fett ist oder zu mächtig.
  • Lüften sollte man an den heißesten Tagen des Jahres nur morgens früh und nachts. Tagsüber lassen geöffnete Fenster warme Luft einströmen, wodurch es in der Wohnung sofort unangenehm heiß wird.
  • Ein sehr gutes Hilfsmittel, um für Luftzirkulation zu sorgen, ist ein Ventilator. Ist die Wohnung extrem heiß, sollte man sich zwei oder drei Ventilatoren im Baumarkt besorgen und einen „Windkanal“ damit bilden. Große Standventilatoren gibt es bereits unter 15€.
  • Weil bei Hitze Schadstoffe vermehrt ausgasen, ist es wichtig, die Luft in der Wohnung dennoch erträglich zu halten, sofern der Wohnraum nicht clean ist. Falls Wohngifte die gesundheitliche Situation verschlimmern und sie durch Lüften nicht lösbar ist, sollte man einen Luftreiniger aufstellen.
  • Kühle Plätze sind bei über 30°C eine Seltenheit. Der beste Ort ist an einem (sauberen) Bachlauf mit Baumbestand oder im Wald. Manche Parks mit altem Baumbestand und Teich sind eine Oase, wenn man in der Stadt lebt.
  • Abstand nehmen sollte man von überfüllten Freibädern. Die Gefahr, einen Sonnenbrand zu bekommen, ist sehr groß und Schattenplätze bereits am frühen Morgen belegt. Menschen mit Allergien und MCS sollten zusätzlich bedenken, dass Schwimmbäder bei Hitze stärker gechlort werden und die anderen Schwimmbadbesucher mit Sonnencreme eingecremt sind, die Duftstoffe und Chemikalien enthält. Das kann schnell zu Problemen führen.
  • Bei heißem Wetter sollte jeder, in Rücksicht auf die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen, auf Duftstoffe und Parfüms verzichten.
  • In allerletzter Not, wenn man aus seinem Wohnraum nicht raus kann, bleibt zum Abkühlen noch eine kurze kalte Dusche oder die Unterarme unter kaltes Wasser halten. Wer ein Wassertretbecken kennt, das schattig gelegen ist, kann sich glücklich schätzen.

Habt Ihr noch Tipps? Lasst Sie uns wissen!

Edeka und Kaiser’s verwenden noch immer giftige Kassenbons

Bei vielen Discountern hat Profit Vorrang vor Gesundheit der Verbraucher und vor dem Umweltschutz

Während Umweltschutz und die Gesundheit der Konsumenten vielen Konzernen am Herzen liegt, scheinen sich die Discounter Edeka und Kaiser’s auf Greenwashing zu beschränken. Sie verwenden noch immer hochgiftiges, BPA-haltiges Thermopapier für ihre Kassenbons. Der französische Discounter Carrefour, REWE, ALDI Nord und Lidl sind sensibler, sie suchten nach Bekanntwerden der Problematik Hersteller für Kassenbons, die weniger giftige Ersatzstoffe verwenden.

Andererseits kommt die Reue spät, denn seit 120 Jahren ist man sich bewusst, dass die Chemikalie Bisphenol A, meist kurz BPA genannt, sich im Körper wie das Hormon Östrogen verhält. In den vergangenen drei Jahren handelten Regierungen und Konzerne und eliminierten die bedenkliche Chemikalie aus einigen Produkten. Babyfläschchen aus Polycarbonat, die BPA enthalten, wurden in vielen Ländern und in der EU verboten. An Unkenntnis hinsichtlich der Toxizität und Umweltbedenklichkeit von BPA kann es bei Edeka und Kaiser’s nicht liegen.

Greenpeace gab eine Pressemitteilung heraus, um auf das sorglose Verhalten der beiden Discounter hinzuweisen:

Andere Firmen haben nach Kritik auf Ersatzstoffe umgestellt

Hamburg (ots) – Vor einem Jahr hatte eine Untersuchung des Greenpeace Magazins ergeben, dass sieben von acht getesteten Unternehmen im Thermopapier für Kassenbons giftige Bisphenole verwendeten.

Jetzt zeigt der Folgetest:

Kassenbons von Edeka enthalten noch immer das höchst umstrittene Bisphenol A (BPA), Kaiser’s setzt das kaum weniger kritische Bisphenol S (BPS) ein. Aldi Nord, die Deutsche Bahn und Lidl sind auf den Ersatzstoff Pergafast 201 umgestiegen. Rewe verwendet nun die Chemikalie D-8, Galeria Kaufhof und die Deutsche Post höchstwahrscheinlich ebenfalls.

BPA, das auch in Kunststoffen enthalten ist, steht seit Jahren in der Kritik. Es wirkt ähnlich wie das weibliche Sexualhormon Östrogen. Studien deuten darauf hin, dass es unter anderem die Reifung des Gehirns von Kleinkindern schädigen und die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Problematisch ist auch der Ersatzstoff BPS: Studien zufolge wirkt er ähnlich stark hormonell wie BPA.

CSN Artikel über die Gefährlichkeit der Chemikalien Bisphenol A (BPA):

Die Substanzen befinden sich als Farbentwickler an der Oberfläche von Thermopapier und machen ein bis zwei Prozent von dessen Gewicht aus. Beim Anfassen können sie über die Haut ins Blut gelangen. Die schwedische Chemikalienbehörde KEMI hat kürzlich die Bisphenol-A-Exposition durch Thermopapiere berechnet und nennt die Gefahr einer Schädigung Ungeborener „nicht angemessen beherrschbar“. Die Behörde plädiert für ein vorsorgliches BPA-Verbot in Quittungen, da sich die hormonelle Wirkung schon „bei sehr geringen Dosen“ zeige. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat inzwischen eine neue Risikobewertung angekündigt. Auch das Umweltbundesamt will prüfen, „ob das Risiko für Mensch und Umwelt möglicherweise unterschätzt wird.“

Sechs der acht geprüften Unternehmen sind auf die Ersatzstoffe Pergafast 201 oder D-8 umgestiegen. Beide Chemikalien wurden jetzt neben 15 anderen möglichen BPA-Alternativen von der US-Umweltbehörde EPA untersucht. Sie sind demnach für den Menschen weniger bedenklich als BPA, aber auch nicht risikofrei. D-8 ist BPS strukturell ähnlich, laut kalifornischer Umweltbehörde hat es eine „eindeutig hormonell aktive Wirkung“. Für Pergafast 201 gilt das nach heutigem Forschungsstand nicht. Beide Substanzen gefährden aber laut EPA die Umwelt. Gelangen sie in Gewässer, kann vor allem Pergafast Fische und andere Wassertiere schädigen. Wie schon vor einem Jahr empfehlen Experten deshalb: Kassenbons nur kurz anfassen, nicht in Kinderhände geben und im Restmüll entsorgen, damit die Chemikalien nicht in den Recyclingkreislauf gelangen.

Autor:

Antext: Silvia K. Müller, Chemical Sensitivty Network, 16. August, 2012

Pressemitteilung: Greenpeace, Weiterhin Gift in Kassenbons, 14.08.2012

Beipackzettel zur NORAH-Fluglärm Studie

Fluglärmstudie, Notizen zu den Machern

Am 20.05.2011 berichtete der Gießner-Anzeiger über „Bisher größte internationale Studie zu Fluglärm

Prof. Thomas Eikman, Leiter des Institut für Hygiene und Umweltmedizin (IHUM) der Justus-Liebig-Universität (JLU) wird dafür bei 2000 repräsentativ ausgewählten Personen Blutdruckwerte erheben, die Herz-Kreislauf-Belastung und das Schlafverhalten untersuchen sowie die Teilmodule im Bereich Gesundheit koordinieren. Dafür stehen den Gießenern 1,6 Millionen Euro aus dem Gesamtkostenvolumen von 7,2 Millionen Euro zur Verfügung.

Nun, inzwischen ist die sogenannte NORAH-Studie in die Diskussion geraten.

Vielleicht haben viele Menschen zu wenig Informationen über solche Studien. Deshalb schreibe ich hier mal einen Beipackzettel zum Thema NORAH-Studie:

Wie kam Prof. Eikmann auf die Idee mit der größten Studie zu Fluglärm?

Hier ein Hinweis: 3/2010 • Hessisches Ärzteblatt

Zitat

„Vor diesem Hintergrund sollte angesichts der Besorgnis vieler Menschen in der Region statt einer weiteren Studie mit Sekundärdaten, die erneut nur Assoziationen erbringen, jedoch keine kausalen Zusammenhänge untersuchen kann, endlich der Forderung nach einem Gesundheitsmonitoring nachgekommen werden. Gerade die guten Daten aus der Region (Schreckenberg et al. 2009), welche insbesondere die möglichen Einflussfaktoren Lärmsensitivität und erlebte Wohnqualität, individueller Umgang mit Lärmbelastung detailliert erfragt und in die Bewertung mit einbezogen haben, sind als Ausgangsbasis für die weitere Untersuchung der aufgeworfenen Fragen besonders geeignet…“

weiterlesen hier:

Neue Studie zu Krebs durch Fluglärm – näher betrachtet

Autoren: Thomas Eikmann, Anja zur Nieden, Caroline Herr

Ja und was stellt denn ein Herr Schreckenberg zum Fluglärm fest?

Das UBA hat eine pdf online:

Zitat

„Die Annahme eines direkten Effekts der Flugverkehrsgeräusche auf die körperliche Gesundheit konnte allerdings nicht bestätigt werden. Aus der Stressforschung abgeleitete Annahme der vermittelnden Funktion psychischer Stressreaktionen wird bestätigt. Ein rekursiver Prozess ist hierbei wahrscheinlich, in Querschnittsstudien aber kaum nachweisbar. Zentrales Erfolgskriterium wirksamer Lärmschutzmaßnahmen ist die Reduktion psychischer und physischer Stressreaktionen….“

weiterlesen hier:

Betroffenheit durch Fluglärm am Beispiel des Frankfurter Flughafens

Mal schauen, was Prof. Guski so macht:

Umwelt-Wahrnehmung und Umwelt-Bewertung

Rainer Guski & Anke Blöbaum

Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Psychologie Kognitions- und Umweltpsychologie

Zitat:

„Ähnlich wie bei der Geruchsbelästigung wirken auch bei der Lärmbelästigung unterschiedliche (Geräusch-) Quellenarten unterschiedlich belästigend. So zeigt die zusammenfassende Analyse von Bevölkerungsuntersuchungen zu Straßen-, Schienen- und Fluglärm (Miedema & Vos, 1998), dass Fluglärm bei vergleichbarer objektiver Belastung wesentlich lästiger wirkt als Straßen- oder Schienenlärm, was u. a. auf die stärkere potenzielle Gefährdung der Bevölkerung durch Abstürze zurückgeführt wird…

So konnten Finke, Guski und Rohrmann (1980) zeigen, dass die Belästigung durch Verkehrslärm auch abweichend vom Mittelungspegel je nach Uhrzeiten deutlich schwankte. Ebenso können auch personale Faktoren die empfundene Belästigung verstärken oder abschwächen. Hier sind besonders die individuelle Lärmempfindlichkeit, die subjektive Bewertung der Schallquelle und die Beurteilung eigener Bewältigungsstrategien zu nennen…“

Schon 2004 beschäftigte Prof. Guski sich interdisziplinär mit Fluglärm (übrigens nicht der Einzige aus der Psychoecke in diesem Arbeitskreis)

Fluglärm 2004 – Stellungnahme des Interdisziplinären Arbeitskreises für Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundesamt

  • Prof. Dr. Rainer Guski, Bochum
  • Dir. und Prof. i. R. Dr. Hartmut Ising, Falkensee
  • Prof. Dr. Dr. Gerd Jansen, Heiligenhaus
  • Prof. Dr. Peter Költzsch, Dresden
  • Prof. Dr. Klaus Scheuch, Dresden
  • Prof. Dr. August Schick, Oldenburg
  • Prof. Dr. Wolfgang Schönpflug, Berlin
  • Prof. Dr. Manfred Spreng, Erlangen…“

Und noch mehr interessante Zusammenhänge gefunden im Hessischen Ärzteblatt

Links zu den genannten Unis und GmbHs aus dem Ärztenblattartikel:

Zitat aus Fluglärm und seine Auswirkungen auf die Gesundheit und Belästigung der Bevölkerung in der Rhein-Main-Region

D. Schreckenberg, T. Eikmann, C.E.W. Herr, U. Heudorf M., Meis, A. zur Nieden

Umweltmed Forsch Prax 14 (5) 2009

„Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Fluglärmpegeln und der erlebten Lärmbelästigung. Die Belastungs-Wirkungsbeziehungen ergaben einen höheren Prozentanteil an Fluglärmbelästigten als anhand von generalisierten Dosis-Wirkungskurven aus der Literatur prognostizierbar. Hinsichtlich des Gesundheitszustands zeigte sich, dass die befragten Bewohner der Rhein-Main-Region im Vergleich zum Bundesdurchschnitt seltener erkranken. Ein direkter Effekt der Flugverkehrsgeräuschbelastung auf den Gesundheitszustand und die Medikamenteneinnahme im Sinne einer Zunahme von gesundheitlicher Beeinträchtigung mit steigendem Fluglärmpegel konnte dabei nicht nachgewiesen werden. Allerdings wurde eine Zunahme der Häufigkeit einzelner Gesundheitsbeschwerden und diagnostizierter Erkrankungen mit steigender Intensität der erlebten Fluglärmbelästigung festgestellt. Deutlicher noch waren die Assoziationen zwischen der individuellen Lärmempfindlichkeit und den berichteten Gesundheitsproblemen…“

Damit man sich ein Bild machen kann hier noch Prof.  Eikmann in einer Fernsehdiskussion.

 

„Doch sag ich nichts, was jemand kränkt!

Das könnte euch so passen!

Was man von Beipackzetteln denkt,

bleibt jedem überlassen.“

(Frei nach James Krüss)

Autor:

Juliane für CSN – Chemical Sensitivity Network, 13. August 2013

Weitere CSN Blogs zum Thema Flugverkehr:

Klinikum berichtet über 250 MCS Patienten

Kein Bedarf für spezielle Krankenzimmer für Behinderte?

Seit Sommer 2011 gibt es in Deutschland endlich ein Krankenhaus, das Umweltkranke mit MCS aufnehmen kann. Die Klinik in Hamburg ist die Einzige in ganz Deutschland. Weil sie hoch im Norden des Landes liegt und damit für Umweltkranke aus Süd- und Mitteldeutschland im Ernstfall fast unerreichbar, sind die eigens eingerichteten Umweltzimmer bislang unterbelegt. Umwelterkrankte aus dem Raum Stuttgart setzten sich dafür ein, dass auch in dieser Großstadt ein Krankenhaus Umweltzimmer einrichtet, um auch MCS-Kranken im süddeutschen Raum einen Klinikaufenthalt zu ermöglichen. Politiker der CDU wollten die an MCS Erkrankten unterstützen und fragten bei der Stuttgarter Stadtverwaltung nach. Der Leiter des Klinikums vor Ort führte eine Erhebung durch und stellte fest, dass man über 250 Patienten mit MCS versorgt hatte. Bedarf für spezielle Umweltzimmer wie in Hamburg sieht er trotzdem nicht. Obwohl MCS eine im ICD-10 unter Verletzungen und Vergiftungen, mit dem Code T 78.4 klassifizierte Krankheit ist.

Da Chemikaliensensitivität ab einem gewissen Schwergrad eine Behinderung darstellt, weil die Krankheit im Alltag stark einschränkt oder ihn völlig unmöglich macht und Aufenthalte in einer herkömmlichen Klinik nur mit weiterer gesundheitlicher Verschlechterung zu bewerkstelligen sind, sehen MCS-Erkrankte sich als benachteiligt gegenüber anderen Kranken und Behinderten an.

Krankenhausaufenthalt nötig, Krankenhaus unerreichbar

Für MCS-Kranke ist es schwer, Hunderte von Kilometern zurückzulegen, um behandelt zu werden. Der Transport in einem Krankenwagen ist wegen der teils schweren bis lebensbedrohlichen Reaktionen auf geringste Konzentrationen von Chemikalien nahezu unmöglich. Speziell ausgestattete Krankenwagen, wie es sie in den USA schon gibt, sind in Deutschland nicht verfügbar. Viele der Umweltkranken mit MCS sind nicht in der Lage, alleine zu reisen, es wäre schlichtweg unverantwortlich. Sie sind auf die Hilfe und ein Transportangebot eines Familienmitglieds oder Freundes angewiesen. Die Zumutbarkeit einer Wegstrecke von Süddeutschland nach Hamburg im Schmerzfall sei dahingestellt. Mit einer solchen mangelhaften Versorgungssituation ist kaum eine andere Patientengruppe in Deutschland konfrontiert.

MCS zu selten um angemessene Krankenzimmer bereitzustellen?

In der Südwestpresse wurde über die Anfrage der CDU und Stadtverwaltung beim Klinikum Stuttgart berichtet. Klinikleiter Claude Klier sagte gegenüber der Zeitung, es gäbe Zimmer im Klinikum, die einzelne Merkmale erfüllten, man habe bei einigen Klinikneubauten entsprechende Umweltstandards berücksichtigt und schadstoffarme Materialien verwendet. Umweltzimmer, wie es sie in Hamburg gibt, hält der Leiter des Stuttgarter Klinikums nicht für erforderlich und führt gegenüber der Zeitung interne Klinikstatistik an:

„Vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2012 wurden 27 Patienten mit der Hauptdiagnose MCS im Klinikum Stuttgart aufgenommen – verteilt auf neun unterschiedliche Klinken, inklusive Notaufnahme. Weitere 227 Patienten hatten diese MCS als Nebendiagnose“.

Ein konkreter medizinischer Bedarf bestünde nicht, sagte der Leiter des Klinikums im Interview.

Mike, User im CSN Forum, wollte das nicht ungeprüft lassen. Er recherchierte und fand Folgendes heraus:

„Wenn man von einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 8,5 Tagen ausgeht, dann wären das 254 x 8,5= 2159 Belegungstage in 1,5 Jahren. Ein Bett würde da gar nicht ausreichen.“

Als seltene Erkrankung sieht auch die EU-Kommissarin für Gesundheit MCS nicht an. In einer Stellungnahme verdeutlichte sie Ende 2009 das MCS im internationalen ICD-10 klassifiziert sei und die Definition einer seltenen Erkrankung nicht erfülle, dafür sei sie zu häufig. Die Bereitstellung einer angemessenen Gesundheitsversorgung obliege den einzelnen EU-Mitgliedsländern ließ EU-Kommissarin Androulla Vassiliou damals wissen.

Kaum Ärzte informiert über die Existenz der Hamburger Umweltzimmer

Die zwei Umweltzimmer der Hamburger Klinik sind bislang zwar noch unterbelegt, aber die MCS-Patienten, die bereits dort zur Behandlung waren oder um sich operieren zu lassen, waren durch die Bank großen Lobes. Man habe wirklich das Möglichste getan, um den Aufenthalt für MCS-Patienten verträglich zu machen und ihnen sei medizinisch hervorragend geholfen worden. Bislang gab es nur wenig mediale Berichterstattung über die beiden Umweltzimmer, das mag ein Grund sein, weshalb die beiden mit viel Mühe errichteten Spezialzimmer unterbelegt sind.

Wenn man mit Klinikärzten aus dem Bundesgebiet spricht, trifft man auf Wissbegier bezüglich der Thematik, und es ist davon auszugehen, dass ein informativer Artikel über das Hamburger Pilotprojekt im Deutschen Ärzteblatt mit Interesse gelesen würde. Ärzte, die in ihrem Praxisalltag mit MCS-Patienten in Not konfrontiert werden, hätten gerne eine Anlaufstelle, selbst wenn sie entfernt ist. Erst kürzlich verstarb eine MCS-Patientin, weil es kein Klinikangebot für diese Patientengruppe gibt und der Hinweis von CSN auf die Hamburger Klinik genau einen Tag zu spät kam. Die Patientin war in der Nacht zuvor verstorben.

Andere Länder ermöglichen MCS-Patienten Klinikaufenthalte

In den USA, Kanada und Australien bemüht man sich seit Jahren, die Bedingungen in Krankenhäusern zu optimieren, um auch Chemikaliensensible behandeln oder im Notfall versorgen zu können. Standardisierte Notfallinformationen für Rettungssanitäter und Ärzte, Leitlinien, die Krankenhäusern helfen sollen, MCS-Patienten im normalen Klinikalltag versorgen zu können, spezielle Klinikabteilungen mit Arbeitsanweisungen, wie man diesen hypersensiblen Patienten den Aufenthalt ermöglicht, all das gibt es in den USA, in Kanada und Australien. Dass solche Maßnahmen mit hohen Kosten verbunden sind trifft nicht zwangsläufig zu. Arbeitsanweisungen, Duftstoffverbote und einfache Regelungen sind beispielsweise mit keinen nennenswerten Kosten verbunden.

MCS-Patienten, Behinderte die kaum medizinische Hilfe erhalten

Umweltzimmer nach Hamburger Standard kosten zwischen 30.000 und 40.000€, führte der Leiter des Stuttgarter Klinikums gegenüber der Südwestpresse an. Für eine Privatperson mag diese Summe hoch anmuten, für ein Spezialzimmer in einer Klinik ist sie kein Kostenfaktor, der nicht zu realisieren wäre. Über EU-Subventionen ist es möglich, Kliniken umweltverträglicher und schadstofffreier zu konzipieren. Bei entsprechender Planung dürfte es durchaus im Rahmen des Machbaren stehen, dass weitere Umweltzimmer, wie die in Hamburg, in verschiedenen Regionen in Deutschland geschaffen werden. Mit entsprechender „Vermarktung“ im Sinne von Kommunikation über die medizinische Fachpresse und Eintrag in entsprechende Klinikregister dürften diese Spezialzimmer für Allergiker und Umweltkranke sicherlich über ausreichende Belegung nicht klagen müssen. Fast jeder Zweite in unserem Land ist Duftstoffallergiker. Unter Chemikaliensensitivität (MCS) in beachtenswertem Ausmaß leiden rund 10-15% der Bevölkerung, wenn man Prävalenzstudien aus anderen Ländern für eine Bedarfserhebung zugrunde legt, weil es keine verlässlichen deutschen Studien gibt.

Werden MCS-Kranke gegenüber anderen Kranken und Behinderten benachteiligt?

MCS kann in Deutschland im Einzelfall schon seit Jahren als Behinderung anerkannt werden. Es gibt Chemikaliensensible, die ihre Krankheit als Behinderung eingestuft bekamen. Doch auch ohne eine solche behördliche Anerkennung gilt eine durch Behinderung beeinträchtigte Person, laut UN Behindertenkonvention, als Behinderter, dem Hilfe zusteht. Deutschland hat die UN -Behindertenkonvention unterzeichnet. Die deutschen Patienten mit Chemikaliensensitivität oder MCS können jedoch, auch Jahre nach der Ratifizierung des Behindertenschutzgesetzes, immer noch an keinem normalen Alltag teilnehmen und erhalten kaum medizinische Versorgung zugestanden. Die Kernaussage des Gesetzes besagt, dass kein Behinderter vor einem anderen Behinderten bevorteilt oder benachteiligt werden darf und adäquate Hilfe erhalten muss, da er sonst gegenüber anderen Behinderten und Mitmenschen als diskriminiert gilt.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. August 2012

Literatur:

 

Weitere interessante CSN Artikel und Informationen zum Thema:

Renommierte Universität über Chemikalien-Sensitivität

MCS ist keine Allergie

Chemikalien-Sensitivität, in Deutschland häufig als „MCS“ bezeichnet, nimmt in seiner Häufigkeit zu. Obwohl wissenschaftliche Erhebungen ermittelten, dass rund 10-15% der Allgemeinbevölkerung unter Chemikalien-Sensitivität leiden, ist im medizinischen Bereich kaum Hilfe für die Erkrankten oder Fachwissen über die Umweltkrankheit anzutreffen. Das renommierte Johns Hopkins Hospital möchte mit einer informativen Beschreibung der Erkrankung dazu beitragen, die falsche These, „Chemikalien-Sensitivität“ sei eine Allergie, aus dem Weg zu räumen.

Führende Universität räumt Missverständnisse über Umweltkrankheit aus dem Weg

Die amerikanische Johns Hopkins University gehört zu den renommiertesten und bekanntesten Universitäten weltweit. Das zugehörige Johns Hopkins Hospital ist in der Wissenschaft und Medizin eine führende Institution. Auf der Webseite des JH Hospitals wird kurz und prägnant erläutert, was Chemikalien-Sensitivität ist und in welcher Relation Allergien dazu stehen:

„Chemikalien-Sensitivität wird nicht als allergische Reaktion betrachtet, weil es sich bei dieser Hypersensitivität nicht um Freisetzung von IgE (Immunglobulin E)-Antikörpern, Histamin oder anderen Chemikalien durch das Immunsystem handelt. Reaktionen auf bestimmte Chemikalien können jedoch ähnliche Reaktionen hervorrufen, wie sie bei Allergien erfahren werden.“

Chemikalien, die Chemikalien-Sensitivität auslösen

Weiterhin erfährt der Leser auf der Johns Hopkins Webseite, welche Chemikalien eine Hypersensitivität hervorrufen und dass es synthetische, wie auch natürliche Substanzen sind, die in folgenden Alltagsprodukten zu finden sind:

  • Teppichboden
  • Kunststoffe
  • Parfüms
  • Pflanzen
  • Farben
  • Zigarettenrauch
  • Schlecht belüftete Kaminöfen
  • Inhalativ aufgenommenes Ozon und Stickoxyd
  • Natürlich bedingte Umweltverschmutzung, wie bspw.: Staubstürme, Waldbrände oder ausgebrochene Vulkane
  • Von Menschen verursachte Umweltverschmutzung: Autoabgase, Ölraffinerien, Verbrennung fossiler Brennstoffe
  • Reinigungsflüssigkeiten
  • Pestizide

Fachinformationen erweitern medizinischen Kenntnisstand über Umweltkrankheit

Konstruktive Informationen, wie die der Johns Hopkins University, tragen dazu bei, dass Mediziner, Personal in Kliniken und Erkrankte ihren Kenntnisstand über Chemikalien-Sensitivität erweitern können. Fachinformationen wie diese, auch wenn sie noch um Vieles ergänzt werden könnte, sucht man auf Webseiten deutscher Universitätskliniken vergeblich.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. August, 2012

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