Umweltklinik bestätigt starken Anstieg von Umweltkrankheiten

Die Umweltklinik in Fall River gilt als einzigartig. Umweltkontrollierte Räumlichkeiten und spezielle Behandlungen für Umweltkranke, Menschen, die auf Spuren von Chemikalien reagieren. Seit 15 Jahren existiert die Umweltklinik und beteiligt sich auch an der Erforschung von Umweltkrankheiten. Das Besondere an dieser Umweltklinik ist, dass sie die erste Klinik für Umweltkranke weltweit war, die durch staatliche Gelder finanziert wurde. Das Nova Scotia Environmental Health Center, unter Leitung des bekannten Umweltmediziners und Wissenschaftlers Roy Fox, konnte sich von Beginn an nicht über Patientenmangel beklagen. Die Zahl der Patienten, die die Umweltklinik konsultieren möchten, wächst stetig, war aus einem Interview in der Halifax News zu erfahren.(1) Die meisten der Patienten leiden unter Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Fibromyalgie (FMS) oder Chronic Fatigue Syndrome (CFS)

Andrang sorgt für Wartezeiten in der Umweltklinik

Die Wartezeiten der kanadischen Umweltklinik sind lang. Rund 2000 Patienten jährlich hat man zu verzeichnen. Viele kommen ambulant, um schneller Hilfe zu erhalten. Stationär werden zwischen 400 und 450 Patienten im Jahr aufgenommen. Anfragen aus anderen Ländern können kaum angenommen werden, weil der Bedarf aus den verschiedenen kanadischen Regionen zu groß ist und stetig wächst.

Verschiedene Umweltkrankheiten auf dem Vormarsch

Patienten mit Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Fibromyalgie (FMS) und Chronic Fatigue Syndrome (CFS) bilden das Hauptpatientenklientel.

Als die Umweltklinik 1996 eröffnete, seien fast ausschließlich Patienten zur Klinik gekom- men, die auf Stoffe in ihrer Umwelt reagierten und durch Expositionen extrem krank wurden, berichtete die Kliniksprecherin gegenüber der Zeitung. Diese Art Patienten käme noch immer, aber mittlerweile seien Patienten mit Fibromyalgie in der Überzahl.

Erfahrung, Know how, Wissenstransfer

Als die Umweltklinik in den neunziger Jahren eröffnete, waren es vornehmlich chemikaliensensible Patienten gewesen, die sie aufsuchten. Der Sohn des Klinikleiters hatte eine längere Zeit an der bekanntesten Umweltklinik, dem EHC-Dallas, assistiert. Dort war es ihm möglich gewesen, hautnah zu erleben, wie viel Aufwand notwendig ist, um Umweltbedingungen bereitzustellen, die hypersensibilisierten Menschen gerecht werden.

Dänisches MCS Forschungscenter besucht Umweltklinik in Kanada

Nova Scotia Environmental Health Center ist auch unter Wissenschaftlern bekannt. Ärzte und Umweltmediziner aus verschiedenen Ländern sind immer wieder zu Gast. Gerade seien Wissenschaftler aus Dänemark dagewesen, berichtete die Halifax News Anfang Januar 2011. Das Behandlungsmodell sei für die dänische Delegation von großem Interesse gewesen.

Von Arzt zu Arzt, keiner findet die Ursache

Viele Patienten kämen ohne konkrete Diagnose, berichtete die kanadische Kliniksprecherin. Ähnlich wie in Deutschland, existiert auch in Kanada umweltmedizinische Ausbildung an Universitäten noch nicht lange und ist nicht sehr umfassend. In der Umweltklinik in Nova Scotia vergeht in der Regel nicht viel Zeit bis eine Diagnose gestellt ist. Gezielte Untersuchungen, ausgiebige Anamnese und die Ursache ist gefunden. Erhebliche Summen könnten eingespart werden, wenn es genügend Umweltkliniken gäbe, die in der Lage sind, zeitnah qualifizierte Diagnosen zu stellen.

Strenge Umweltkontrolle in der Umweltklinik

Die Klinik ist der Dalhousie University angeschlossen. Kein Besucher darf die Klinik einfach so betreten. Große Plakate klären auf. Niemand darf Parfums, After Shaves oder andere parfümierte Produkte verwenden. Die Schuhe müssen ausgezogen und gegen Einwegüberzieher ausgetauscht werden. All das trägt zum Erfolg der Umweltklinik bei und dazu, dass Patienten in dieser schadstofffrei eingerichteten Umgebung ihre Symptome abbauen können.

Umfassende individuelle Behandlung, der Schlüssel zum Erfolg

Der Behandlungsansatz der Umweltklinik ist ganzheitlich. Verschiedene medizinische Fachrichtungen arbeiten zusammen und bieten für jeden Patienten ein ganz individuelles Therapieprogramm. Sauna, Infusionen, Allergiekontrolle gehören u.a. zu den Bausteinen. Ein großes Augenmerk liegt darauf, dass der Umweltkranke nach dem Klinikaufenthalt in seinem persönlichen Umfeld zurechtkommt. Dafür wird ein individuelles Konzept entwickelt, das dem jeweiligen Patienten ermöglicht, seine Wohnsituation schadstofffrei herzurichten. Steht die Familie und das soziale Umfeld der Umweltkrankheit konträr gegenüber, erhalten Patienten Anleitung, damit besser zurechtzukommen und die Gesamtsituation dergestalt positiv zu verändern, dass sie der weiteren Genesung nicht im Wege steht.

Umweltkrankheiten nehmen weltweit zu

Die Aussage der kanadischen Umweltklinik, dass Umweltkrankheiten zunehmend sind, entspricht Berichten aus den USA, Spanien, Italien, Frankreich, Norwegen, Dänemark, Schweiz, Australien, Neuseeland, Deutschland und einer Reihe weiterer Industrieländer. Die verhaltene Einstellung der Mainstream Medizin und ihr Mauern gegen die Umweltmedizin wird zwangläufig aufweichen (müssen).

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 16. Februar 2011

Literatur:

  • Halifax News, Fall River health clinic seeing more patients than ever, 18. Feb. 2011
  • Environmental Health Centre (NSEHC)

Weitere CSN Artikel zum Thema Umweltkrankheiten:

Umweltkrankheiten: „Ich will mein altes Leben wieder haben!“

Sabotieren statt Unterstützen? Was ist das für eine Strategie?

FORTSETZUNGSGESCHICHTE

… „Papa, Papa“, wird Tim von seinen Gedanken aufgeschreckt. Der kleine Joel umarmte ihn fest an seinen Beinen. Tim hob den blassen Jungen hoch und drückte ihn an sich. Wie seine Haare dufteten! Er liebte den Geruch seines Sohnes, wenn er aus dem Bett kam.

„Na, Frühstück fertig?“, fragte Carla mit leiser schwacher Stimme. Tim seufzte innerlich, als er Carla hörte. Er wusste sofort, dass es ihr nicht gut ging. Er erkannte das schon am Klang ihrer Stimme.

Carla aß nur sehr langsam, sie hatte immer wieder ein Druckgefühl im Bauch und musste ständig aufstoßen. Tim wusste, wie er ihren Bauch massieren musste, um die Luft zu lockern. Dann spürte er förmlich wie Luftblasen nach oben stiegen und Carla konnte besonders tief aufstoßen. Nach einiger Zeit ging es ihr besser. Es kam aber auch schon vor, dass sie eine Stunden und länger aufstoßen musste, bevor es ihr besser ging.

Nach USA in eine professionelle Klinik

„Ich will mein altes Leben wieder haben!“, hatte Carla oft gesagt und Tim dachte: „Ich auch.“ Einfach früh aufstehen, normal frühstücken und einen normalen Alltag erleben, mal ins Kino oder in ein Restaurant gehen. Kein Schwimmbad, keine Musik- veranstaltung, kein Betreten von öffentlichen Gebäuden, dass alles und vieles andere mehr, war seit langer Zeit nicht mehr möglich war und wird es vermutlich auch nicht mehr sein.

Tim wusste, dass nur sehr wenige Menschen bei MCS einen Zustand erreichen, der ihnen ein einigermaßen normales Leben wieder ermöglicht. Die Rückfallgefahr ist aber extrem hoch. Dabei hatte er und Carla große Hoffnung, als Verwandte nach langem Bitten und Betteln Geld liehen, um seiner Frau eine Behandlung im EHC-Dallas zu ermöglichen, denn in Deutschland wird die Behandlung nicht von den Krankenkassen übernommen und sie ist nicht so professionell wie in den USA. So sind die entsprechenden Kliniken nicht frei von Duftstoffen. Auch ist die Behandlung zum großen Teil psycholastig.

MCS als körperlich bedingte Krankheit anerkannt

In den USA wird MCS als Umweltkrankheit anerkannt, allerdings ist Medizin dort eine Privatsache… Fachlich gesehen wird MCS zum großen Teil allergisch verstanden, als chronische Vergiftung des Körpers, einer defekten Blut-Hirnschranke, Störung des Immunsystems und des Stoffwechsels. Auch Fehlbildungen der Wirbelsäule, Blockaden am Atlas der Halswirbelsäule und Folgen von Schleudertraumatas werden von Fall zu Fall mitverantwortlich gemacht. Folgen sind schwerste körperliche, organische und entzündliche Reaktionen auf kleinste Chemikalienmengen, weit unterhalb von typischen Allergien, verbunden mit sehr komplexen Lebensmittelunverträglichkeiten, Erschöpfungszustände bis hin zur völligen Handlungs- unfähigkeit im Falle von Kontakt mit Chemikalien über die Atmungsorgane, den Verdauungstrakt oder der Haut.

Deutschland sabotiert US-Therapie

Im EHC-Dallas wurde unter anderem festgestellt, dass Carla gegenüber fast allen Lebensmitteln allergisch war, dass sie hohe Arsen, Cadmium und Chromwerte hatte, dass die Werte der Atmungsgase Sauerstoff und Kohlendioxid nicht in Ordnung waren und das Immunsystem nicht richtig funktionierte. Es wurde bestätigt, dass sie unter den typischen Symptomen von MCS litt. Umso erfreuter war sie, als sie spürte, wie gut ihr die Sauerstoffbehandlung tat. Sie sollte sechs Wochen andauern, wurde aber in Deutschland von den Krankenkassen abgelehnt. Die Sauerstofftherapie wäre nicht ausreichend erprobt und hätte sich nicht bewährt, hieß es in der ersten Stellung- nahme durch den MDK der DAK.

Aufgeben ist nicht!

Carla war tief traurig, aber der kämpferische Tim verfasste einen Widerspruch. Nach diesem Widerspruch, hieß es plötzlich in der endgültigen Ablehnung, dass die Therapie nicht dem anerkannten wissenschaftlichen Standard entspräche. Warum der sehr erfolgreiche, seit Jahrzehnten praktizierende Umweltarzt und acht Professorentitel tragende Dr. Rea mit dieser Methode MCS-Kranken so gut helfen kann, obwohl sie sich doch nicht bewährt habe, bleibt ein deutsches Rätsel. Gegen diese kaltherzige Behörde waren die beiden machtlos.

Behandlungserfolg torpediert

Carla ging es in der ersten Zeit nach ihrer Rückkehr in Deutschland zunächst verhältnismäßig gut. Aber das Fehlen des medizinischen Sauerstoffs forderte schnell seinen Preis: Da es in Deutschland im Prinzip keinen Wohnraum für MCS-Kranke gibt, reagierte der Körper sofort wieder auf Chemikalien.

Der Sauerstoff, der das Aufflammen der Entzündungen im Keim hätte ersticken können, stand nicht zur Verfügung, so dass der Behandlungserfolg torpediert wurde. Carla ging es schnell wieder schlechter. Besonders die Abgase einer Holzpellet-Heizungsanlage, mit der ein Nachbarblock beheizt wurde, machte ihr zu schaffen. Aber auch der im Treppenhaus aufsteigende Zigarettenqualm der Raucher und die Gerüche der im Trockenraum aufgehängten Weichspüler-Wäsche.

Teflon-Bürokratie lehnt höheren Behinderungsgrad ab

Ein Bekannter riet Carla einen Antrag beim Versorgungsamt auf einen höheren Behinderungsgrad wegen MCS zu stellen. Dreißig Prozent waren wegen Skoliose und Asthma schon anerkannt. Der Antrag wurde abgelehnt, weil der Gesundheitszustand sich durch MCS nicht wesentlich verändert habe… Es scheint so, als gab es lange vor „Teflon-Merkel“ schon eine ganze Teflon-Bürokratie in Deutschland. Tim war außer sich über so eine zynische Begründung. Als wenn die drastischen Veränderungen in der Lebensqualität seiner Frau nicht wesentlich wären.

Keine Hilfe von Behörden

Vielleicht findet hier ein sehr negatives Umdenken der Behörden statt, ähnlich wie in der Schweiz bei Schleudertrauma-Patienten und Schmerzpatienten ohne erkennbare organische Ursachen. Schmerzpatienten, wo sich die Ursachen der Schmerzen nicht durch organische Ursachen erklären lassen, wird keine Frührente mehr gewährt und eine bestehende gestrichen. Unausgesprochen: Diese Schmerzen hätten also psychische Ursachen. Man ist der Meinung, sie ließen sich durch bestimmte Methoden wegtrainieren. Eine wesentliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit bestünde bei diesen Menschen nicht. In Deutschland lässt man ohnehin nur Erklärungen für Krankheiten zu, die sich materiell, also über Krankheitserreger und organischen Veränderungen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nachweisen lassen.

Beweise gibt es, nur keiner akzeptiert sie

Wenn MCS-Kranke über Erschöpfungszustände, Schwindel, Glieder- und Rücken- schmerzen, Schmerzen im Verdauungstrakt usw. klagen, dann kann das nicht direkt durch Röntgen, Ultraschall, Blut- und Gewebeuntersuchungen u.a. Methoden nachgewiesen werden und wird mit diesem Vorwand nicht akzeptiert. Forschungen von deutschen, schwedischen und amerikanischen Ärzten und Wissenschaftlern haben durch Gehirnscans zwar eindeutig belegt, dass der Gehirnstoffwechsel bzw. die Gehirnaktivitäten bei MCS-Kranken im Vergleich zu gesunden Menschen stark verändert ist, wenn sie Chemikalien ausgesetzt sind, aber das hindert die deutschen Gesundheitsbehörden, den MDK und Krankenkassen nicht daran, diese Krankheit zu bagatellisieren und immer noch zu psychiatrisieren. Noch arroganter ist es, die sehr umfangreiche Fachliteratur von dem Pionier der Umweltmedizin und führenden Experten auf diesem Gebiet, Dr. Rea vom EHC Dallas zu ignorieren, sowie die Forschungsergebnisse von Dr. Pall…

Fortsetzung folgt.

Autor: Gerhard Becker, CSN – Chemical Sensitivity Network, Dezember 2010

FORTSETZUNGSGESCHICHTE:

Teil I: …und komme bitte nicht mit Parfüm

Teil II: MCS als Fiktion hinzustellen ist einfach, mit MCS zu leben ist schwer

Teil III: Die Problematik MCS ist der Regierung schon öfter unterbreitet worden

Die Problematik MCS ist der Regierung schon öfter unterbreitet worden

Verantwortliche stehlen sich aus der Verantwortung

Fortsetzungsgeschichte

…Noch unerträglicher war der Fall von Angelika, deren Leben an einem seidenen Faden hing. Tim erfuhr von ihrem Schicksal und schrieb im Herbst 2009 an das Bundesministerium für Umwelt eine Email mit folgendem Text:

„Sehr geehrte Damen und Herren,

es gibt Menschen in Deutschland, die Unverträglichkeiten gegenüber Lebensmitteln, Geruchsstoffen und chemischen Produkten haben, die sehr weit über das allgemein bekannte Maß von Allergien hinausgehen. Diese Menschen haben eine derart hohe Sensibilität auf die genannten Stoffgruppen, dass für sie ein normales Leben unmöglich ist. Oft können sie nicht in ihrem Wohnraum bleiben, weil sie die Ausdünstungen von Fußbodenbelägen, Farben, Möbeln oder Rauchgasen der Schornsteine nicht vertragen und vegetieren in der freien Natur. Die übliche medizinische Behandlung ist für diese Krankheitsform tödlich. Ein psychiatrisches Abschieben ist nicht nur völlig wirkungslos, sondern auch menschen- verachtend. Es ist ein unmenschliches, unwürdiges und für das reiche Deutschland inakzeptables Los dieser schwerstkranken Menschen. Viele von ihnen begehen Selbstmord, weil sie nicht mehr weiter wissen. In den USA, Kanada und anderen Ländern wird diese Krankheit, in Übereinstimmung mit der entsprechenden Definition der WHO, als schwere organische Krankheit anerkannt und die Menschen als Schwerstbehinderte akzeptiert und unterstützt.

Über den Link:

http://www.csn-deutschland.de/blog/2009/10/27/aufruf-zur-hilfe-umwelterkrankte-wurden-innerhalb-weniger-monate-zum-notfall/comment-page-1/#comment-15405

finden sie 3 aktuelle Fälle, wo das Leben von Betroffenen wirklich an einem seidenen Faden hängt. Jetzt kann nur noch die Regierung durch augenblickliches Handeln diese Menschen vor dem Tod bewahren. Bitte helfen sie sehr schnell!

Auch meine Frau hat extreme Probleme, in unserer Wohnung zu bleiben, weil wir mehrmals in der Woche durch fallenden Luftdruck und entsprechende Windrichtung die Rauchgase in der noch relativ konzentrierten Form eines sehr nahen gelegenen Holzpellets-Blockheizwerk abbekommen und diese auch bei geschlossenen Fenstern in die Wohnung gedrückt werden.

Für diese Menschen muss schnell eine grundsätzliche Lösung gefunden werden. Es kann nicht sein, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern in der Betreuung von diesen Kranken ein „Entwicklungsland“ ist. So wie die Umweltverschmutzung nicht vor Ländergrenzen halt macht, darf auch eine menschenwürdige Behandlung von diesen Schwerstkranken nicht halt vor Ländergrenzen machen.

Nochmals: Bitte helfen Sie schnell!

Mit freundlichen Grüßen

Tim Bayer“

Daraufhin erhielt er folgende Antwort, die über die Menschlichkeit der Teflon-Behörden Bände spricht:

„Sehr geehrter Herr Bayer,

vielen Dank für Ihre Mitteilung an das BMU, die wir mit Interesse zur Kenntnis genommen haben. Wir sind weiterhin vielfältig bemüht, dass Umweltschutz gleichzeitig der Gesundheitsvorsorge dient.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag

Küllmer“

Was sollte Tim dazu noch sagen?

Wenige Tage später war Angelika tot. Sie hatte sich das Leben genommen, weil sie nicht mehr wusste, wo sie leben sollte. Ihr Körper reagierte auf jedes Umfeld, sei es ein Wohnraum oder sei es die Natur. Wahrscheinlich hätte sie nur noch eine Art Glascontainer retten können und ein Entgiftungsprogramm eines fähigen Umweltmediziners, die mit Dr. Rea, Dr. Pall und Dr. Runow konform gehen.

Keine Hilfe für Kranke, dafür Druck nach allen Seiten

Nur zu gut erinnerte sich Tim an die schwere Zeit, als sich die Verdauungsorgane von Carla sehr entzündet hatten und sie trotz reichlichem und kalorienreichem Essen auf achtundvierzig Kilogramm abmagerte. Innerhalb von neun Monaten hatte sie damals fünfzehn Kilogramm verloren. Eine andere Frau magerte sogar auf 38 Kilogramm ab, wurde von ignoranten Ärzten als magersüchtig abgestempelt und musste sich psychologisch diesbezüglich behandeln lassen. Natürlich erfolglos, so dass man sie damals in die Frührente schickte. Auch heute wiegt sie noch unter fünfzig Kilogramm und kann mit ihrer kleinen Frührente nicht so leben, wie sie es müsste, um nicht noch kränker zu werden.

Da nur sehr wenige Ärzte und keine Krankenkasse diese Krankheit anerkennen, müssen Betroffene sämtliche Behandlungskosten und andere Aufwendungen selbst tragen. Ärzte, die die Interessen der Patienten vertreten, werden von Krankenkassen und Gesundheitsbehörden unter Druck gesetzt, teilweise sogar juristisch verfolgt, wie der Neurologe Dr. Binz.

Ob die Kanzlerin von diesen Zuständen weiß?

Und wenn, wie würde sie darauf reagieren? Im Sinne ihrer Worte „ Etwas für sein Land tun heißt übrigens auch: an den Diskussionen teilzunehmen…“ (die sicher etwas bewirken sollen und nicht zum Selbstzweck dienen, so dass es sich auch lohnt, daran teilzunehmen), oder wie eine Teflon-Kanzlerin?

Verhöhnung, Bagatellisierung

Mit Wut denkt Tim an jene Hausärztin, die sie aufsuchten, um eine Überweisung Carlas in eine Umweltklinik zu erbitten. Auf den Bericht von Carla, dass sie erheblich abgenommen habe, immer weniger Lebensmittel vertrage und extrem auf Benzingerüche reagiere, sagte diese, dass sie eine gute Figur habe. Sie solle abends mal ausgehen und gut essen, das Leben genießen. Und wenn man meint, auf Benzin reagieren zu müssen, dann täte man dann das auch. Die Nerven würden einen so manchen Streich spielen.

Aufgebracht erwiderte Tim: „Sie müssen es auch nicht aushalten. Die Beschwerden meiner Frau nehmen sie überhaupt nicht ernst“, worauf die Ärztin ihn des Sprechzimmers verwies. Gegenüber Carla hatte sie dann beteuert, dass sie ihre Beschwerden sehr wohl ernst nehme. Was sich dann dadurch ausdrückte, dass sie Carla keinen Einweisungsschein für die Umweltklinik ausstellte…

Auch der Allergologe, der Carla wegen ihres Asthma behandelte, wollte ihre Beschreibungen nicht glauben und verschrieb ihr Antidepressiva gegen ihre „Winterdepressionen“, wie er meinte.

„In Deutschland sorgt man sich zehn Mal mehr um Suchtkranke als um Menschen mit einer Umweltkrankheit“, dachte Tim…

Fortsetzung folgt.

Autor: Gerhard Becker, CSN – Chemical Sensitivity Network, Dezember 2010

FORTSETZUNGSGESCHICHTE:

Teil I: …und komme bitte nicht mit Parfüm

Teil II: MCS als Fiktion hinzustellen ist einfach, mit MCS zu leben ist schwer

Weitere CSN Artikel zum Thema:

MCS als Fiktion hinstellen ist einfach, mit MCS zu leben ist schwer

Eine Riesensauerei was da läuft

Fortsetzungsgeschichte, Teil II

Als Carla und Joel nach Hause kamen, war Tim, Carlas Mann und Vater des Jungen, schon zu Hause. Tim war von einer Dienstreise vorzeitig zurück gekehrt, die er meistens mit der Bahn unternahm. Herzlich umarmte er seine Frau und seinen Sohn. Er wusste, was sie täglich auszuhalten hatten und bemühte sich, vor allem durch Liebe und Verständnis ihr Los zu erleichtern.

Jahre hatte er damit zugebracht, Umzüge zu organisieren, um eine verträgliche Wohnung für seine Lieben zu finden oder sie durch verschiedene Maßnahmen ver- träglich zu machen.

Carla schnüffelte prüfend an seiner Schulter.

Riechst du was? Ich habe nichts Duftendes angefasst.“

Überall

„Nein, das hast du nicht. Aber vielleicht hast du dich auf einem Platz gesetzt, indem vorher ein parfümierter Mann gesessen hat, denn ich rieche etwas Männerparfüm.“

„Tut mir leid, das habe ich nicht gemerkt. Ich ziehe mich sofort um.“

„Ist schon gut. Du kannst es ja nicht so riechen wie ich. Es geht schon“, sagte Carla lächelnd. Sie wollte nicht, dass Tim sich erst umzog und so das liebevolle Wiedersehen einen Abbruch erlitt. Tim würde es anstandslos tun, ihr zu liebe sogar gern, dass wusste sie, aber sie spürte, er wollte etwas los werden.

Tim seufzte erleichtert, strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn, öffnete seine Tasche und hielt Carla die Dezemberausgabe der Bahnzeitschrift „mobil“ von 2010 hin.

Sie setzte sofort ihre Maske auf, denn sie vertrug oft nicht den Geruch der Druckfarben.

„Was gibt es denn besonderes in dieser Ausgabe?“, fragte sie lächelnd, denn sie wusste, dass Tim sie nicht ohne Grund auf die Zeitschrift aufmerksam machte.

„Zwei was“, antwortete Tim.

„Zwei was?“

Behauptungen besser erst auf den Wahrheitsgehalt abklopfen

„Nun ja, dass eine würde ich gern auf den Wahrheitsgehalt einmal abklopfen und das andere ist eher besorgniserregend.“

„Leg los“, sagte Carla, trotz ihrer Erschöpfung um freundliches Interesse bemüht, damit Tim nicht seinen Elan verlor.

„Nun, ich zitiere und du rate einmal, wer das sagte: „ Etwas für sein Land tun heißt übrigens auch: an den Diskussionen teilzunehmen, die unser Land bewegen. Das fängt im privaten Bereich an, und findet seine Fortsetzung in Vereinen, Verbänden oder Initiativen…“ Na Schatz, wer sagte das?“

„Na wer schon?“, antwortete Carla und konnte nur mühsam ein Lachen unterdrücken. „Angela Merkel, wer sonst?“

„Woher weißt du….?“, fragte ungläubig Tim, den vollkommen unklar war, wie Carla darauf auf Anhieb kam. Da fiel sein Blick auf das Titelblatt der Zeitschrift und er schlug sich mit der Hand auf seiner Stirn: Auf ihm war deutlich die Kanzlerin zu sehen und er hatte vergessen, die Zeitschrift entsprechend zu knicken. Und Carla tat so… „Du Mistvieh…“, zischte er.

Und da prustete das Lachen aus Carla heraus und Tim freute sich, dass er seine oft genug bedrückte Frau zum Lachen bringen konnte.

„Aber interessant ist das schon“, bestätigte Carla. „Das Bedrohliche von Chemikalien bewegt zweifellos unser Land, das heißt die Bevölkerung. Und da möchte ich mal eine öffentliche Diskussion entfachen und sogar Initiativen auslösen. Ob sie dann noch so hinter ihren Worten steht?“

Die Problematik MCS ist der Regierung schon öfter unterbreitet worden

„Das ist der Punkt“, stimmte Tim zu. „Und die Problematik MCS ist der Regierung schon öfters unterbreitet worden, ohne dass ernsthaft darauf reagiert wäre. In Dänemark wurde wider besseres Wissen manipulativ versucht, MCS-Kranke in die psychische Ecke zu stellen. Das versuchte man immer wieder auch schon in Deutschland, aber nicht mit einer so pseudowissenschaftlich-kriminellen Energie wie dort. Man müsste die Kanzlerin bei Wort nehmen…“

„Ja, das müsste man. In Dänemark lief eine besonders hinterhältige Methode. Sogar Fragekataloge zur Erkennung von MCS wurden so umgestellt, dass Antworten psycho- lastig erschienen.“

Das ist eine Riesensauerei

„Das ist eine Riesensauerei“, gab Tim mit verächtlicher Mine seiner Frau Recht. „Nimm eine Gruppe jugendlicher Querschnittgelähmter, die vor kurzer Zeit durch einen Verkehrsunfall von heute auf morgen gelähmt wurden. Es ist keine Kunst, ihnen eine Reihe von Fragen zu stellen, die dann ihre Befindlichkeiten entblößen und sich psychisch oder psychiatrisch ausschlachten lassen. Wenn man nur will, kann man es immer so aussehen lassen, dass eine psychiatrische Behandlung dringend erforderlich sei.“

„Weißt du, es wurde damit an für sich ein Eigentor geschlossenen. So wird ja immer wieder behauptet, dass durch Studien festgestellt worden sei, dass MCS-Betroffene – sie sagen: Menschen, die sich selbst für MCS-krank halten – eine schwierige Kindheit gehabt, dass sie traumatische Erlebnisse gehabt hätten usw…. Und dass sei die eigentliche Ursache für das Befinden der Betreffenden. Wenn das stimmt, dann ist in naher Zukunft eine bedrohliche Anzahl von Menschen betroffen, denn die Mehrheit der Eltern ist heute entweder beruflich maßlos überlastet oder arbeitslos bzw. unterversorgt. Sehr viele Kinder sehen entweder ihre Eltern fast gar nicht, und wenn dann im gestressten Zustand oder sie sehen sie als perspektivlose Wesen. Wie jetzt eine Fernsehsendung von 3Sat belegte, hat fehlende Liebe und Fürsorge verheerende Folgen in der Persönlichkeitsentwicklung. Aber das ist nicht gleichzusetzen mit den Ursachen von MCS.

Es stellt sich sonst die Frage, warum es nach den Weltkriegen kaum MCS gab?

Und warum gab es sie in den früheren Ostblockstaaten nicht bzw. war sie nicht bekannt, dafür aber heute n den Nachfolgestaaten?

Die Häufung ein statistischer Zufall?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass es z.B. in der DDR nur sehr wenig Asthma- und Allergiefälle gab, heute aber in den neuen Bundesländern genauso viele wie in den alten Bundesländern. Selbst Fachleute geben zu, dass die neuen Länder hier aufgeholt haben, können oder wollen aber nicht die Gründe hierfür nennen. Die Psychiatrisierung aber – das wird man gar nicht bedacht haben – stellt, wenn man über ihre Aussagen wirklich nachdenkt, eine gigantische Anklage darüber dar, wie extrem sozial krank unsere Gesellschaft ist. Ob das den verantwortlichen Herren besser gefällt, wie die tatsächliche Ursache: Das Übermaß an Chemikalien im Alltag in Verbindung mit ererbten oder erworbenen Schwächen der Entgiftungsorgane der Körper der Betreffenden?“

„Weißt du aber, was die Kanzlerin noch gesagt hatte?“

„Nein, was meinst du?“

„Nun es gab eine Anfrage im Bundestag, warum es so viele Krebsfälle in der näheren Umgebung von der Atommüll Lagerstätte Asse gibt. Ihre Antwort war, dass sie diese Häufung für einen statistischen Zufall hält.“

„Klingt doch gut Carla, oder? Warum es immer mehr Allergien und MCS gibt in der heutigen Zeit? Statistischer Zufall! In den letzten zehntausend Jahren gab es doch kaum Allergien und MCS oder?“

Carla musste lachen. „Sie hat ja jetzt ihren Spitznamen als Teflon-Merkel weg. Ob das drastische Bienensterben in Amerika und Europa auch nur ein statistischer Zufall ist? Ach, lassen wir das für heute, Tim. Sag mir lieber das Zweite von „mobil“.“

Ein Seufzen kam aus der Ecke der Stube. Das Paar blickte in Richtung Sofa. Joel war eingeschlafen. Es war ein anstrengender Tag für ihn. Carlo und Tim sahen sich an. Ihnen war klar, dass sie sich erst einmal um den Jungen kümmern mussten, bevor sie weiter diskutierten. Dann aber spürten sie, dass sie selbst auch erschöpft waren und gingen zu Bett.

Kranke werden auf sich allein gestellt

Tim hatte seine, noch im Halbschlaf befindliche Frau am Morgen gefragt, was für Wasser am selbigen Tag mit Trinken und Kochen dran sei, denn Carla musste auch das Mineralwasser im Rotationsplan mit einbeziehen, damit sie nicht auch noch gegenüber einer Mineralwassersorte allergisch wird. Sie vertrug ohnehin nur drei Sorten. Er füllte zweieinhalb Glasflaschen Wasser in einem Glastopf, um das Mineralwasser zehn Minuten zu kochen. Damit entweicht nicht nur die Kohlensäure, sondern es wird auch ein Teil der Mineralien ausgefällt. Zuviele Mineralien kurbeln den Entgiftungsprozess zu sehr an, was Carla unnötig belasten würde. Da sie auf das Metall von Stahltöpfen reagierte, musste alles mit Glas- oder Keramiktöpfen gekocht werden. So auch das Frühstück, das dieses Mal planmäßig aus gekochten Quinoa mit Blattspinat und Hanföl bestand. Joel war nicht so histaminanfällig wie seine Mutter und vertrug daher Brötchen.

Sauerstoff aus der Flasche

Während Tim kochte, fiel ihm der Bericht von Carla ein, als sie im EHC-Dallas bei Dr. Rea zur Behandlung weilte. Dort war eine Frau, die überhaupt kein Wasser vertrug. Sie musste sich Entenbrüste zubereiten und den austretenden Fleischsaft trinken, wollte sie nicht verdursten. Carla berichtete auch von einem Mädchen, dass auf einer Rollliege transportiert wurde und sogar innerhalb der cleanen Klinikräume noch eine Atemschutzmaske tragen musste. Ihr Körper und Kopf waren mit Decken zugedeckt, weil sie nicht einmal das Licht der Lampen der Klinik vertrug. Eine alte Frau zog ständig eine Stahlflasche mit medizinischem Sauerstoff hinter sich her, weil sie auf die normale Luft schwer reagierte. Sie war früher Lehrerin und wurde durch chemisch verseuchte Schulräume krank. Sie lebte praktisch in ihrem Auto und schrieb auf einer alten Schreibmaschine ihre Biografie. Eine andere Betroffene hielt es nur in den speziellen cleanen Räumen der mit dem EHC kooperierenden Hotels aus. Selbst die elektromagentische Strahlen eines normalen Schnurtelefons konnte sie nur wenige Minuten tolerieren. In den USA gibt es MCS-Kranke, die überhaupt nicht mehr in einer Wohnung leben können und Sommer wie Winter in Zelten oder Autos hausen müssen. In Deutschland, Italien und in der Schweiz kämpfen schwer kranke MCS-Kranke, oft noch zusätzlich mit einer starken Elektrosensibilität belastet, in Wohnwagen um ihr Überleben.

…plötzlich völlig alleine

Andere sind zu einer Art „Waldmensch“ geworden, um zu überleben. Die Selbstmordrate unter den Kranken ist sehr hoch, weil sie in schweren Fällen nicht mehr wissen, wo sie sich aufhalten, was sie für Lebensmittel und Kleidungsstoffe sie vertragen und welche Mineralwässer sie tolerieren können. Viele leben weitgehend isoliert. Eine MCS-kranke Frau stand plötzlich völlig allein dar, als sich ihr Mann bei der Arbeit eine schwere Verletzung zuzog und er ins Krankenhaus musste. Sie erlitt einen Herzschock, weshalb sie ebenfalls ins Krankenhaus hätte gehen müssen, aber nicht konnte, weil sie MCS hatte. Es gibt einfach kein SOS-Notprogramm für solche Fälle… Sie waren mehr oder weniger Freiwild, das oft genug in Psychiatrien weggesperrt wurde, statt das ihnen wirksam geholfen wurde. Fortsetzung folgt.

Autor: Gerhard Becker, CSN -Chemical Sensitivity Network, Dezember 2010

Teil I: ….und komme bitte nicht mit Parfüm

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Dr. William Rea als Experte für Opfer des BP Ölunfalls anerkannt

Dr. William J. Rea, Gründer und Direktor des Environmental Health Center-Dallas (EHC-D) und weltweit anerkannter Spezialist für die Behandlung von chemikalieninduzierten Gesundheitsschäden, wurde in letzter Zeit in mehreren Artikeln über die gesundheitlichen Auswirkungen der BP Ölkatastrophe bei Aufräumarbeitern und Anwohnern besonders herausgestellt.

Die neueste Veröffentlichung, „BP schuld an Vergiftung“ durch Dahr Jamail von Al Jazeera, geht näher darauf ein, wie die 1.900.000 Gallonen giftiger chemischer Dispergiermittel, die zum Zersetzen des Öls, das durch die Explosion einer BP-Tiefsee-Bohrinsel im Golf von Mexiko letzten Sommer freigesetzt wurde, eine breite Palette beeinträchtigender Symptome bei Betroffenen auslöste, die diesen Chemikalien ausgesetzt waren.

Öl-Unfall am Golf von Mexiko/ Photo: NASA

Der Artikel führt an, „Aufnahmewege für die Dispergiermittel sind Einatmen, Verschlucken, Haut- und Augenkontakt. Zu gesundheitlichen Auswirkungen gehören Kopfschmerzen, Erbrechen, Durchfall, Bauchschmerzen, Schmerzen in der Brust, Schädigung der Atmungsorgane, Hautreizungen, Bluthochdruck, Depression des zentralen Nervensystem (ZNS), neurotoxische Wirkungen, Herzrhythmusstörungen und Herz-Kreislauf-Schäden. Die Chemikalien sind auch teratogen, mutagen und krebserregend.“

Worüber auch in den anderen Artikeln berichtet wurde, ist das Auftreten von „Schadstoff- induziertem Toleranzverlust“ (TILT) – ein anderer Name für Chemical Sensitivity. Eine behindernde Erkrankung, die das Leben für die Betroffenen sehr schwierig macht, weil sie auf sehr geringe Konzentrationen von Chemikalien, Schimmelpilzen und anderen Substanzen reagieren. Weil die Verwendung von Chemikalien in unserer Kultur so allgegenwärtig ist und tief in unser Alltagsleben verwoben ist, kann der Umgang mit der Krankheit ein lebenslanger Kampf sein.

Dr. Rea ist ein Experte für Chemical Sensitivity, der viele Tausende Patienten mit dieser Erkrankung behandelt hat, einschließlich solcher Patienten, die giftigen Chemikalien aus Erdöl-und Dispergiermittel ausgesetzt waren, seit er sein Behandlungszentrum 1974 eröffnet hat. Hinsichtlich der Opfer der BP Ölkatastrophe erklärt Dr. Rea seinen Behandlungsansatz:

„Wir versuchen zunächst die Symptome der Menschen zu beseitigen, und das ist organspezifisch „, erklärt Rea in seiner Klinik, die als eines der ältesten und am weitesten fortgeschrittenen Zentren der Welt gilt für die Bewältigung von Gesundheitsproblemen, die durch die Umwelt entstanden sind. „Wir versuchen, ihre toxische Belastung zu reduzieren, indem wir ihnen Nährstoffe intravenös und oral verabreichen, Sauna durchführen und sie in Unterkünften unterbringen, die so gering wie möglich mit Schadstoffen belastet sind. Wir geben ihnen Bio-Lebensmittel zum Essen und leiten sie an, unbelastetes Wasser zu trinken.“

Rea hat viele Menschen aus der Golfregion behandelt, die krank gemacht wurden durch BP’s giftige Chemikalien.

„Ich habe im Moment mehrere Bedenken wegen der Menschen in der Golfregion, die von diesen Chemikalien betroffen sind“, sagte er. „Erstens, sie sind alle müde und nicht in der Lage zu arbeiten. Wenn alle Muskeln müde und erschöpft sind, ist es schwer zu funktionieren. Die Menschen dort bekommen „benebelte“ Gehirne von den Chemikalien, andere haben Herzprobleme deswegen. Andere haben Broncho- spasmen und Asthma davon. Andere sind aufgedunsen und werden schläfrig nach dem Essen, bekommen Durchfall, Verstopfung, Reizdarmsyndrom und andere Magen-Darmprobleme. “

Dr. Rea betont, dass es wichtig ist, die Patienten aus dem Belastungsbereich heraus- zuholen, damit die Behandlung effektiv sein kann.

In Ricki Ott‘s Artikel „BP, Regierungen, Bagatellisierung von öffentlichen Gesund- heitsrisiken durch Öl-und Dispergiermittel“, der von der Huffington Post im Juli vergangenen Jahres herausgegeben wurde, erinnerte sie uns daran, dass Dr. Rea auch bereits einige der kranken Exxon Valdez Aufräumarbeiter behandelt hat.

Planet Thrive ist stolz darauf, dass Dr. Rea Betroffenen der Tragödie, die durch den BP Ölunfall ausgelöst wurde, in einer kostenlosen Kolumne auf der Planet Thrive Plattform Rede und Antwort steht. Auch Fragen von Menschen, die durch andere Arten von Chemikalienexposition krank wurden, sind willkommen.

Literatur:

Planet Thrive, Dr. William Rea recognized as expert for BP Oil Spill victims, November 10, 2010

Vielen Dank an Julie Genser von Planet Thrive für die Erlaubnis, diesen Artikel übersetzen zu dürften!

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Weitere CSN Artikel zum Thema BP-Ölkatastrophe und damit verbundene Gesund- heitsschäden:

Spanischer Professor beendet Hungerstreik, aber der Kampf um Behandlung geht weiter

Spanien, 1. August 2010 –  Prof. Servando Pérez, Chef von Mercuriados und Vizepräsident der World Alliance for Mercury- Free Dentistry [Welt-Allianz für quecksilberfreie Zahnheilkunde] hat aus gesundheitlichen Gründen seinen Hunger-streik abgebrochen, in den er in der Universitätsklinik von Santiago de Compostela getreten war, um seiner Forderung nach einer Behandlung wegen chronischer Quecksilbervergiftung Nachdruck zu verleihen.

Spanien, weltweit eines der Länder mit der größten Quecksilberausbeute, verfügt in seinem Gesundheitssystem weder über Ärzte noch über Einrichtungen, um eine Chelat-Therapie (Behandlung zur Entfernung giftiger Metalle aus dem Körper) bei chronischer Quecksilbervergiftungen durchzuführen (man kann akute Queck-silbervergiftung behandeln, aber diese Behandlung ist sehr viel einfacher durchzuführen). Dieser Mangel an geeignetem Behandlungsangebot betrifft in Spanien mehrere tausend Menschen und deshalb hat Servando als selbst Betroffener die Tapferkeit aufgebracht, die ganze Welt durch seine Klugheit und soziale Kompetenz auf die Situation aufmerksam zu machen.

Nachdem sich Professor Pérez einen Monat lang geweigert hatte, die Klinik zu verlassen und sich eine Woche im Hungerstreik befand, um eine Behandlung zu erzwingen (wie von einem Urteil entsprechend seiner Diagnose angeordnet), hat das Hospital schließlich zugestimmt, ihn an einen Toxikologen in Valencia zu überweisen. Aber auch dieser Toxikologe hat mittlerweile erklärt, dass es in Spanien keine einzige Klinik gibt, die eine chronische Quecksilbervergiftung behandeln kann. Deshalb lässt eine Lösung für die Lage von Servando und tausender anderer Menschen weiterhin auf sich warten und wir treten nun in die zweite Phase dieses Kampfes ein. In dieser zweiten Phase geht es um ein Treffen mit dem Spanischen Gesundheitsministerium.

Wir, die spanischen Selbsthilfegruppen für Menschen mit Umwelterkrankungen (Multiple Chemical Sensitivities, Chronic Fatigue Syndrome/Myalgische Enzephalitis, Fibromyalgie, chronische Vergiftung durch toxische Metalle), setzen unseren Kampf fort, um vom öffentlichen Gesundheitssystem eine Behandlung zu erhalten. Wir möchten Servando Pérez für seinen Mut und sein Durchhaltevermögen und dafür danken, für uns alle ein Vorbild zu sein. Wir wissen, dass die Ärzte während seines Klinikaufenthaltes Druck auf ihn ausübten und ihn schikanierten, dazu gehört auch das äußerst aggressive Verhalten der Psychiater, die vorhatten, bei ihm eine psychische Störung zu diagnostizieren.

Wir möchten außerdem allen Wissenschaftlern, Ärzten, Verbänden und Individuen danken, die während Servandos Isolation und Hungerstreik von der ganzen Welt aus spanische und galizische Behörden kontaktierten, um gegen Servandos Situation zu protestieren und die gezeigt haben, dass sie unseren Kampf unterstützen. Wir hoffen, wir können uns weiter auf Ihre Unterstützung verlassen.

Wir alle sind Servando!

Viva Servando!

Clara Valverde

Leiterin der Liga SFC

(Im Namen von Servando, der zum selber schreiben zu krank ist)

Übersetzung: BrunO für CSN

Englische Übersetzung:

SERVANDO PEREZ ENDS HIS HUNGER STRIKE, BUT THE BATTLE FOR TREATMENTS CONTINUES

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

Input: MCS korrekt zu diagnostizieren ist notwendig und nicht so schwer

Chemikaliensensible berichten häufig, dass viele Ärzte sich sträuben, MCS zu diagnostizieren. Eine ganze Reihe von Erkrankten sagt sogar, dass man ihnen ärztlicherseits mitgeteilt habe, man wüsste nicht, wie man MCS diagnostiziert. Manche Mediziner behaupten sogar, man könne MCS nicht diagnostizieren, bzw. die Krankheit wäre nicht existent. Auch dass kein ICD-10 Code für MCS existent sei, wurde Patienten schon mitgeteilt, obwohl es kostenlose einfach zu handhabende Tools (z.B. ICD-10 Auskunft) gibt, mit denen sich jeder in Sekundenschnelle vom Gegenteil überzeugen kann. Andere weigern sich schlichtweg unter dem Vorwand, sie bekämen nur „Ärger“, wenn sie die Diagnose „MCS – Multiple Chemical Sensitivity“ stellen.

So schwer ist es nicht, MCS bei einem Patienten zu diagnostizieren:

Es gibt die American Consensus Diagnosekriterien, das validierte MCS Diagnosetool QEESI und ergänzend diverse umweltmedizinische Fragebögen.

Außerdem ist jeder Arzt verpflichtet, eine vernünftige Anamnese zu erstellen und dabei den Patienten gezielt zu befragen. Genau das halten erfahrene Ärzte und Kliniker für eines der allerwichtigsten Diagnoseinstrumente bei MCS, denn – was soll ein Patient sonst haben, wenn er über einen längeren Zeitraum heftige akute Symptome bspw. auf Autoabgase, Parfüm, Putzmittel, Pestiziden, Lacke, neue Teppichböden, Tageszeitungen etc. in geringster Konzentration entwickelt, die er vorher nicht hatte und wenn die Beschwerden verschwinden, wenn er sich in sauberer Umgebung befindet?

Oder, anders gefragt, warum sollte ein Patient lügen und falsche Angaben machen, um das Vorliegen einer MCS vorzugaukeln? Was hätte er davon? Nichts.

Provokationstests könnten den Beweis erbringen, doch mit welchem Risiko?

Theoretisch kann man das Vorliegen einer Chemikalien-Sensitivität mit Provokationstests beweisen. Dies ist jedoch schon aus rein ethischen Gesichtspunkten abzulehnen, weil das Risiko für den Patienten nicht vorherkalkulierbar ist.  Außerdem ist der Aufwand, wirklich aussagekräftige Provokationests durchzuführen,  immens. Der Patient muss dafür erst einmal für eine Weile in cleaner Umgebung sein, damit es zu keinen falsch negativen Ergebnissen kommt.

Warum? Ein veranschaulichendes Beispiel: Ein MCS-Patient, der in einer desinfizierten Klinikeinrichtung einem Provokationstest unterzogen wird, war zuvor zwangsläufig mit einer ganzen Palette von Chemikalien in Kontakt (z.B. Duftstoffe, Reinigungsmittel, etc.) Der ganze Aufenthalt in einem normalen Klinikgebäude ist, genau betrachtet, für MCS-Patienten mit einem einzigen fortlaufenden Provokoationstest gleichzusetzen. Daraus ergibt sich, dass  ein Provokationstest unter solchen widrigen Bedingungen kein objektives Ergebnis liefern kann. Dazu braucht es eine Klinik mit optimalen umwelt- und schadstoffkontrollierten Gegebenheiten. In Deutschland gibt es aber keine Klinik, die diesen zwingend notwendigen Anforderungen entspricht.

Teure Labordiagnostik bei erster Diagnosestellung nicht erforderlich

Stapelweise teure Labordiagnostik braucht man zur Diagnosestellung von MCS nicht, weil bislang noch keine spezifischen MCS-Marker ermittelt wurden, die  bei allen an MCS Erkrankten vorliegen. Das bedeutet nicht, dass MCS-Kranke keine pathologischen Befunde aufweisen. Es gibt genug wissenschaftliche Studien, die Auffälligkeiten belegen, aber  d e n  MCS-Marker, der bei allen nachzuweisen ist, hat noch keiner gefunden.

Für die Therapie ist weiterführende Diagnostik oft notwendig

Ist die Diagnose MCS erst einmal gestellt und es geht in Richtung Behandlung, dann wird es durchaus sinnvoll, dass verschiedene Laborparameter ermittelt werden, z.B. das Vorliegen von Chemikalien- und Schwermetallbelastungen, ob Defizite bestimmter Nährstoffe vorliegen, um diese mit Infusionen und oraler Gabe auszugleichen, Sauerstoffgehalt des Blutes vor einer Sauerstofftherapie, oder die Ermittlung von Gen-Polymorphismen, um eine Entgiftungstherapie auf die Entgiftungsfähigkeit des Patienten abzustimmen, Immunstatus, etc.

Genauso wie es sinnvoll ist, das ein PET und/oder ein SPECT Scan anberaumt wird, wenn der Verdacht besteht, dass Chemikalien eine toxische Schädigung des Gehirns verursacht haben.

Korrekte Diagnosestellung führt zu Qualitätssicherung bei der Behandlung

Ärzte sollten mehr Mut entwickeln, MCS zu diagnostizieren und mit ICD-10 T78.4 korrekt zu codieren, damit ebnen sie auch den Weg, dass adäquate, MCS-gerechte Kliniken geschaffen werden. Ohne existierende Kranke gibt es keine spezifische Behandlung, die von Krankenkassen übernommen wird und keinen Bedarf für Fachkliniken. Logisch, oder?

Fehldiagnosen gehen zu Lasten der Patienten

Deshalb muss, wenn MCS vorliegt, dies auch korrekt bezeichnet und mit ICD-10 T78.4 codiert werden und darf nicht mit irgendwelchen Pseudobegriffen umschrieben werden. Es geht auch nicht an, dass Multiple Chemical Sensitivity aus Abrechnungsgründen einfach anders bezeichnet wird, um höher abrechnen zu können. Das ist auch unter dem vorgeschriebenen QM (Qualitätsmanagement) so definiert, dem jeder Arzt verpflichtet ist. Genauso wie jeder Arzt vom geltenden Sozialgesetz her verpflichtet ist, eine Krankheit richtig zu kodieren.

Fehldiagnosen (z.B. MCS als psychische Erkrankung zu deklarieren, weil das u.U. mehr Geld beim Abrechnen bringt) gehen immer zu Lasten des Patienten, weil ihm auf diese Weise weiterführende Diagnostik verwehrt wird und er folglich auch nicht die richtige Behandlung erhält, die seinen Gesundheitszustand stabilisiert. Denn nur mit richtiger Diagnose kann auch eine Behandlung erfolgen, die der Krankheit angemessen ist. Ohne  diese ist eine Verschlimmerung vorprogrammiert.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 21. März 2010

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Antwort der Europäischen Kommission auf eine Anfrage zur Umweltkrankheit Multiple Chemical Sensitivity

Jüngst setze sich das Europäische Parlament mit der Anfrage eines italienischen Politikers auseinander, ob MCS – Multiple Chemical Sensitivity eine seltene Erkrankung ist und demnach besondere Unterstützung bereitgestellt werden muss. Die EU-Kommissarin für Gesundheit gab hierzu eine Stellungnahme ab, die verdeutlicht, dass MCS keine seltene Erkrankung ist und international mit einem ICD-10 Code als unspezifische Allergie einklassifiziert ist.

Seltene Krankheiten

Als seltene Krankheit wird eine Erkrankung dann bezeichnet, wenn sie in den Praxen von Allgemeinmedizinern in der Regel höchstens einmal pro Jahr vorkommt. Auf EU-Ebene gilt die Definition, dass eine Krankheit dann als seltene Krankheit (Orphan Disease) bezeichnet wird, wenn weniger als 5 pro 10 000 Einwohner darunter leiden. Es handelt sich dabei oft um schwere und chronische Krankheiten.

Anfrage eines Mitglieds des EU-Parlaments bzgl. MCS

Am 4. November 2009 stellte Oreste Rossi, italienisches Mitglied des EU-Parlaments, eine schriftliche Anfrage an die EU-Kommission hinsichtlich der Diagnostik, Behandlung und Versorgung von MCS-Kranken.

In seiner Anfrage gab das Parlamentsmitglied zu verstehen, dass er MCS für eine in Italien selten auftretende, umweltbedingte Erkrankung hält. Das Parlamentsmitglied erklärte zu Beginn seiner Anfrage die Erkrankung. Er erläutert, dass MCS-Kranke auf Pestizide, Desinfektionsmittel, künstliche Parfüme, Deodorants und Raumluft-Erfrischer, bedrucktes Papier, Tinte, Kunststoffe, Medikamente, Betäubungsmittel, Textilien und Kleidung und alles, das man aus Erdöl oder Erdgas herstellen kann, reagieren und dies selbst in geringfügigster Konzentration.

Der Parlamentarier fuhr in seiner Beschreibung fort, dass Multiple Chemical Sensitivity eine der schlimmsten Krankheiten der Welt sei. Sie führe zur vollständigen Behinderung, und damit zu einer vollständigen Isolation und mache es unmöglich, auf irgendeine Art am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Oreste Rossi ging in seiner Anfrage auch auf die Situation MCS-Kranker in den USA ein, da die Krankheit dort schon länger im Brennpunkt der Diskussion steht und die Erkrankten bereits über Rechte verfügen. Er lies das EU Parlament wissen, dass MCS in den Vereinigten Staaten (wo es 35 Millionen Erkrankte gibt) eine anerkannte Krankheit sei, man sich in Italien jedoch seit einigen Jahrzehnten weigere, MCS in das Register der seltenen Erkrankungen aufzunehmen, und so blieben die Patienten unsichtbar in Bezug, was ihre Rechte angehe. Dieses Problem noch länger zu ignorieren würde das Eingeständnis darstellen, dass es immer noch Bürger zweiter Klasse gibt, denen man das Recht auf Gesundheit verwehrt.

Der italienische Parlamentarier teilte in seiner Anfrage mit, dass er davon ausgehe, dass in seinem Land rund 4 000 Menschen unter MCS leiden. Seine gezielte Frage an das EU-Parlament galt der Versorgung MCS-Kranker in Italien, da die Krankheit dort, im Gegensatz zu Deutschland und einigen anderen Ländern, bislang nicht im ICD-10 aufgenommen ist.

Oreste Rossi stellte dem EU-Parlament die Frage, ob die Kommission beabsichtige, Menschen in den Mitgliedstaaten, die an MCS leiden, auf vorbildliche Weise die notwendige Unterstützung und eine angemessene Versorgung zu gewähren.

In einer zweiten Frage wollte er wissen, ob die Kommission die nötigen Schritte einleiten werde um sicherzustellen, dass MCS in die nationalen Listen der Seltenen Erkrankungen aufgenommen werden kann und dass Patienten von allen finanziellen Beiträgen für Diagnose und Behandlung freigestellt werden.

Antwort des EU-Gesundheitsausschusses

Am 18. November 2009 erfolgte die Antwort der EU-Kommission durch die Vorsitzende, Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Gesundheit.

Die EU-Kommissarin teilte dem italienischen Parlamentarier mit, man sei sich bewusst, was Multiple Chemical Sensitivity für die Patienten, die daran leiden, bedeutet. Diese Erkrankung werde auf internationaler Ebene im ICD (International Classification of Diseases) als unspezifische Allergie aufgeführt. Dies sei eine Gruppe verschiedener Erkrankungen, von denen viele eine größere Prävalenz (Häufigkeit des Vorkommens) besitzen, als der Schwellenwert für Seltene Erkrankungen, der auf EU-Ebene mit weniger 5 von 10.000 Einwohner festgelegt sei, wie dies in der Kommissions- Mitteilung zu Seltenen Erkrankungen ausgeführt sei.

Die EU-Kommissarin ließ in ihrer Antwort wissen, dass diese Mitteilung eine Gesamtstrategie der Gemeinschaft für Seltene Erkrankungen darstelle, auch solche wie seltene Formen von MCS.

Die Strategie umfasse den Austausch von Informationen zu Seltenen Erkrankungen über bestehende Europäische Nachrichten-Netzwerke und die Entwicklung von Strategien und Mechanismen für den Informationsaustausch und die Koordination auf EU-Ebene, um die Arbeit und grenzüberschreitende Kooperation anzuregen. Man wolle die Anerkennung und Sichtbarkeit von Seltenen Erkrankungen verbessern, mehr Forschung zu Seltenen Erkrankungen anregen und Zentren der Expertise und Fachleute in verschiedenen Ländern zusammenbringen. Dies solle durch die Einrichtung Europäischer Referenz-Netzwerke geschehen, um Wissen und Expertise auszutauschen und um gegebenenfalls sagen zu können, wohin sich Patienten wenden können, wenn es nicht möglich ist, ihnen solche Expertise zugänglich zu machen.

Forschung über Wechselbeziehungen zwischen Umwelt-Risikofaktoren und der Gesundheit des Menschen, erläuterte die EU-Kommissarin, würden im Siebten Forschungs-Rahmenprogramm gefördert. Auf diesem Gebiet geförderte Projekte sollen ein besseres Verständnis wissenschaftlicher Unsicherheiten über die Wirkung von Umwelt-Stressoren auf die menschliche Gesundheit ermöglichen. Solches Wissen könne potentiell für umweltbedingte Erkrankungen wie Multiple Chemical Sensitivity von Nutzen sein. Die EU-Kommissarin für Gesundheit teilte abschließend mit, dass die Kommission durch ihr Forschungs-Rahmenprogramm (FP7) auch für die klinische und physiopathologische Definition von MCS Unterstützung bereitstellen könne. Dies würde helfen, die Prävalenz und die verschiedenen Formen von MCS, einschließlich der seltenen Formen, besser zu definieren und zu überprüfen.

In Bezug auf die Zuständigkeit ließ die EU-Kommissarin wissen, dass die Festlegung einer bestimmten Erkrankung als selten in einem Mitgliedstaat den nationalen Behörden obliege. Dies hänge jedoch von der besonderen Prävalenz der besagten Erkrankung in jenem Land ab. Außerdem falle in der EU die Bereitstellung von Gesundheitsvorsorge in die alleinige Verantwortung eines Mitgliedstaates. Daher müsse Italien selbst herausfinden und entscheiden, wie man Diagnose, Behandlung und Pflege, einschließlich Schmerzversorgung, für MCS bereitstelle.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 26. Januar 2010

Literatur:

  • Oreste Rossi (EFD) Anfrage P-5468/2009 EU-Kommission, 4 November 2009
  • Androulla Vassiliou, Antwort der EU-Kommission durch die Vorsitzende, EU-Kommissarin für Gesundheit, 18. November 2009

Umweltmedizinische Leistungen durch die Krankenkasse erstattet

Arzt und Patient oft hilflos weil Krankenkassen nicht zahlen

Patienten, die an einer Umweltkrankheit leiden, benötigen oft spezifische Diagnostik und ganz spezielle Therapien. Erstattung umweltmedizinischer Diagnostik, fallspezifischer Behandlungen und Hilfsmittel können den Gesundheitszustand des Erkrankten oft stabilisieren und Chronifizierung verhindern.

Thommy’s Blogfrage der Woche

  • Hat Eure Krankenkasse umweltmedizinische Diagnostik übernommen?
  • Wie steht es mit umweltmedizinischen Behandlungen beim Umweltarzt oder einer Therapie in einer Umweltklinik, half Euch die Krankenkasse?
  • Oder bekamt Ihr nur Steine in den Weg gelegt?
  • Musstet Ihr kämpfen um eine Therapie? Vielleicht sogar vor Gericht gehen?
  • Mit welcher Begründung wurden Eure Anträge abgelehnt?
  • Wurden Euch Hilfsmittel wie z.B. Sauerstoffgerät, Luftfilter, Aktivkohlemaske, Spezialbett genehmigt?
  • Wurden Euch in den letzten 12 Monaten Hilfsmittel, umweltmedizinische Diagnostik oder Therapien zugebilligt?

Berichtet uns über Eure Erfahrungen mit der Erstattung umweltmedizinischer Leistungen durch die Krankenkasse.

Bundesministerium für Gesundheit zum aktuellen MCS-Notfall

SOS für eine MCS-Patientin

Am 10. Dezember wurde im CSN Blog ein öffentlicher Hilferuf für eine Frau publiziert, die an schwerer MCS – Multiple Chemical Sensitivity erkrankt ist und unter völligem Toleranzverlust gegenüber Nahrungsmitteln und Wasser leidet. Die 44-jährige müsste dringend in einer Umweltklinik mit aufbauenden Infusionen behandelt werden. Der Versuch, in einer normalen Klinik Behandlung zu erhalten, scheiterte an den Chemikalien, mit denen man in einer Klinik unweigerlich konfrontiert wird. Eine Umweltklinik in Süddeutschland offerierte eine außerplanmäßige Aufnahme der Schwerstkranken am 4. Januar, bis dahin ist ihr Leben weiter in Gefahr. Diese untragbare Situation zum Anlass nehmend, schrieb Frau L. am 13. Dezember den Bundesgesundheitsminister an und bat um Unterstützung:

Sehr geehrter Herr Bundesgesundheitsminister Dr. Rösler,

SOS – ich spreche Sie direkt an, weil ich eine unglaubliche Geschichte vorbringen muss. Seit Wochen sucht Geli Hubernagel und ihr Mann verzweifelt nach medizinischer Hilfe. Die 44 jährige Frau hat eine sehr ausgeprägte MCS (multiple chemical sensitivity) und schwerste Reaktionen auf alle Nahrungsmittel. Ihr Zustand verschlechtert sich sehr stark. Selbst das Trinken von kleinen Schlucken Wasser sorgt ebenfalls für schwere Reaktionen.

Trotz großer Bemühungen blieb jeglicher Versuch, medizinische Hilfe zu bekommen, bisher erfolglos. Leider fehlt mir der Kontakt zu Frau Hubernagel, aber Frau Silvia K. Müller leitet das CNS Deutschland (Chemical Sensitivity Network). Sie hält den Internetkontakt mit der Patientin.

In den letzten Monaten haben 2 Frauen, die in ähnlich hoffnungsloser Situation waren, Selbstmord begangen.

Das Bundesgesundheitsministerium antwortete wie folgt:

Sehr geehrte Frau L,

vielen Dank für Ihre Zuschrift vom 13.12.2009, in der Sie die Situation von Frau Hubernagel schildern.

Bitte haben Sie Verständnis, dass der Minister nicht selbst antwortet. Angesichts der vielfältigen Aufgaben unseres Hauses und der damit verbundenen Verpflichtungen von Bundesminister Dr. Philipp Rösler wird er bei der Beantwortung der zahlreich eingehenden Bürgerbriefe durch ein engagiertes Team von Experten unterstützt. Dies kommt den Bürgern in den meisten Fällen in Form einer zügigen Antwort auf ihre Fragen zugute.

Den Erwartungen, die ich Ihrem Schreiben entnehme, kann das Bundesministerium für Gesundheit leider nicht entsprechen. Bedingt durch die Zuständigkeiten und Befugnisse gibt es hier keine Möglichkeit, den dargestellten Sachverhalt zu überprüfen bzw. eine wertende Stellungnahme abzugeben.

Für die Entscheidungen zur Behandlung einer Erkrankung kann man sich an einen Arzt des Vertrauens wenden. Das Bundesministerium für Gesundheit kann keine individuelle Patientenberatung durchführen, keine Auskunft über Verordnungsmöglichkeiten für den konkreten Einzelfall erteilen und auch keine Arztempfehlungen aussprechen.

Individuelle Fragen kann auch eine Krankenkasse beantworten. Allein sie ist rechtlich befugt und in der Lage, verbindlich zu informieren und konkrete Entscheidungen im Einzelfall zu treffen. Krankenkassen haben die Möglichkeit, das Verhalten eines Arztes von der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung überprüfen zu lassen. Falls Sie eine solche aufsichtsrechtliche Überprüfung wünschen, erfahren Sie die Anschrift der zuständigen Aufsichtsbehörde bei der Krankenkasse. Man kann sich gemeinsam mit der Krankenkasse oder auch direkt dorthin wenden.

Wenn jemand  mit der Entscheidung oder dem Verhalten einer Krankenkasse nicht einverstanden ist, steht es demjenigen offen, sich an die zuständige Aufsichtsbehörde zu wenden. Bei bundesunmittelbaren Krankenkassen ist dies das Bundesversicherungsamt, Friedrich-Ebert-Allee 38, 53113 Bonn; ansonsten das jeweilige Sozialministerium des Bundeslandes, das auch die Aufsicht über die Gesundheitsversorgung im jeweiligen Bundesland inne hat.

Dieses Schreiben ist im Auftrag und mit Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit durch das Kommunikationscenter erstellt worden und dient Ihrer Information.

Mit freundlichem Gruß

Gerlind Nestler

Kommunikationscenter

Bundesministerium für Gesundheit

Aktuelle Informationen des Bundesministeriums für Gesundheit finden Sie unter: www.bmg.bund.de