Vergleich bei Gericht: 100 000$ Entschädigung wegen Parfumallergie und Duftstoffverbot bei Behörden

Drei Jahre kämpfte eine Angestellte einer Planungsbehörde aus Detroit um ihr Recht, jetzt bekam sie 100 000$ vom Gericht zugesprochen. Sie hatte ihren Arbeitgeber, die Stadt Detroit, verklagt, weil das Parfum ihrer Kollegin dafür sorgte, dass sie nicht mehr arbeiten konnte. Die Stadt plädiere auf Nichtzulassung der Klage, das Gericht hielt die Klage jedoch für zulässig und verwies auf einen ähnlich gelagerten, positiv entschiedenen Parallelfall. Im vergangenen Monat kam es zu einem Vergleich. Im Rahmen des Vergleichs erklärte sich die Stadt außerdem bereit, ein Duftstoffverbot bei den städtischen Behörden einzuführen.

Original-Dokument des Vergleichs: Settlement Agreement and full and complete Release of Liability

Kein Entgegenkommen – Klage bei Gericht

Die Klägerin Susan McBride hatte die Stadt Detroit 2007 verklagt, nachdem man ihr keinerlei Entgegenkommen gezeigt hatte. Ihre Kollegin hatte nicht nur ein schweres Parfum benutzt, auf das sie nicht verzichten wollte, sondern zusätzlich noch einen Duftvernebler auf ihrem Schreibtisch aufgestellt. Das unterließ sie nach einigem Drängen, doch auf ihr Parfum wollte sie keinesfalls verzichten.

Susan McBride leidet unter einer Duftstoffallergie und Chemikalien-Sensitivität. Die Duftstoffe ihrer Kollegin schnürten ihr die Kehle zu, sie bekam Atemnot und musste ständig husten. Weder die Kollegin noch die arbeitgebende Behörde waren bereit, Abhilfe zu schaffen. McBride hatte darum gebeten, dass die Kollegin ihr Parfum unterlassen oder man sie in einen anderen Bereich versetzen möge.

Anstellerei oder Recht auf uneingeschränktes Atmen?

McBride wurde in der Zeit bis zur aktuellen Verhandlung von einigen Kritikern angegriffen, sie führten an, die Frau sei nur etwas „überempfindlich“ und missbrauche das Rechtssystem. Das Gericht sah dies anders und verwies darauf, dass die chemikaliensensible Frau eine Behinderung habe und deswegen das Recht auf Atmen als lebensnotwenige Funktion einklagen könne. Viele Arbeitsplätze in den USA sind bereits duftfrei, weil es Menschen gibt, die durch die Duftstoffe anderer gesundheitlich in Mitleidenschaft gezogen werden.

Integration und Barrierefreiheit für Chemikaliensensible und Allergiker

Bei der letzten Verhandlung hatte McBride kundgetan, dass es ihr statt um Geld eher darum ginge, dass betroffene Menschen Unterstützung bekämen und ihnen Kooperation zuteil würde. Sie zitierte in ihrer Bitte ans Gericht eine Regelung des Ministeriums für Information im Bundesstaat Michigan. Dort hatte man von den Angestellten gefordert, starke Düfte zu unterlassen, leichte Parfümierung jedoch erlaubt.

Das aktuelle Ergebnis geht sogar noch weiter und dürfte viele Menschen, die Probleme mit Duftstoffen haben, sehr erfreuen. Die Stadt Detroit unterzeichnete, dass man Hinweise an das Schwarze Brett in den Behörden und Büros der Stadt hängen wird, die auf denen steht:

Unser Ziel ist es, sensibel gegenüber Angestellten mit Parfum- und Chemikalien-Sensitivität zu sein, und wir bitten daher unsere Angestellten, dass sie Abstand davon nehmen, duftende Produkte zu verwenden, einschließlich, aber nicht beschränkt, auf Colognes, After Shave, Lotion’s, Parfums, Deodorants, Body- und Gesichts Lotions, Haarspray und ähnliche Produkte.

Dieser Maßnahme wird zusätzlich Nachdruck verliehen durch einen neuen Passus in der Betriebsordnung, in der die Stadt auch darauf hinweist, dass Duftkerzen, Parfumproben aus Zeitschriften, Raumsprays, Duftstecker für die Steckdose, Reinigungsmittel mit Duftstoffen, etc. zu unterlassen sind.

Entgegenkommen schützt oft schon vor Leid und höheren Forderungen

Die beiderseitige Unterzeichnung des Vergleichs zeigt, dass die Stadt zur Einsicht kam und es so aussieht, als habe man aus dem Prozess eine Menge gelernt. Der Richter hatte auch deutlich genug zu verstehen gegeben, dass die Stadt mit ihrer Haltung und Aussagen nur unzulänglich dargelegt habe, warum man die starke Benutzung von Parfums der Kollegin von McBride nicht einfach untersagt habe. Zum Weitern sei nicht zu verstehen, warum das Unterlassen von Duftstoffen nicht als ein angemessenes Entgegenkommen für einen kranken behinderten Menschen angesehen worden sei.

Auch ein vom Gericht angeführter Parallelfall dürfte zur Einsicht geführt haben

Im Jahr 2005 gewann DJ Eric Weber 10.6 Millionen Dollar durch einen Urteilsspruch gegen ihren Arbeitgeber WYCD (99.5 FM), nachdem sie erklärt hatte, dass sie durch das Parfüm eines Radiokollegen krank gemacht wurde. Die Urteilssumme wurde in diesem Fall jedoch vom Richter auf 814.000 Dollar reduziert, weil die Klägerin den Beweis, dass sie unter einer Parfümallergie leide, nicht ausreichend erbringen konnte.

Anwältin gab Tipps im Umgang mit Parfumproblematik am Arbeitsplatz

Der Rechtsstreit über Duftstoffe am Arbeitsplatz wird in den Medien diskutiert, was auch gute Ansatzpunkte hervorbringt, die dazu beitragen, dass mehr Verständnis für Angestellte entsteht, die von der Problematik betroffen sind. Wie man an einem Arbeitsplatz zum Wohle aller agiert, wenn eine solche Situation eingetreten ist und wie die rechtliche Situation aussieht, stellte ein TV Sender sehr gut heraus.

In der Sendung “Early Show” äußerte sich eine Rechtsanwältin für Arbeitsrecht zum aktuellen Fall und der rechtlichen Vorgehensweise, wenn jemand durch das Parfum eines Kollegen nicht mehr vernünftig arbeiten kann und Symptome bekommt. Die Anwältin sagte in Early Show: „Eine Person hat nicht notwendigerweise das Recht, Parfum zu tragen, aber eine Person hat das Recht, in der Lage zu sein, am Arbeitsplatz atmen zu können. Also wenn ein Arbeitnehmer zur Arbeit kommt und zu seinem Chef oder seiner Chefin sagt, „Ich kann nicht atmen, dieses Parfum löst Beschwerden aus, die meine Fähigkeit, an meinem Arbeitsplatz zu atmen, einschränken,“ und seinem Chef oder seiner Chefin darüber berichtet, dann muss der Chef dieser Person angemessen entgegenkommen.“

Die Arbeitsrechtlerin ergänzte in der TV-Show, dass es wichtig sei, dass ein Chef nicht nur mit den Beteiligten kommuniziert, sondern auch Optionen auskundschaftet. Dieser Hinweis ist sehr wertvoll, denn oft ist es mit ein wenig nachdenken möglich, allen Beteiligten gerecht zu werden und von einem Angestellten gesundheitlichen Schaden abzuwenden, ohne dass der Betriebsablauf leidet.

Ein weiterer Hinweis, der zur Sprache kam, ist sehr wichtig für betroffene Angestellte. Sie müssen Takt wahren und die Anwältin gab hierzu den Rat, dass man nicht sagen solle, dass ein Kollege „stinkt“. Das sei kein angemessener Ansatz. Sie selbst würde zum Chef der Person hingehen und sagen: „Der Geruch beeinträchtigt meine Atemfähigkeit. Er verursacht eine Allergie oder er beeinträchtigt meine Atmung. Es ist ein Eingriff in meine Arbeitsfähigkeit. Können Sie mir entgegenkommen, mir helfen, bitte?“ Das ist in der Tat taktisch wesentlich klüger, als emotional hochzufahren, auch wenn es im einen oder anderen Fall schwerfällt. Wer auf diese diplomatische Weise ohne große Emotionen auf seinen Chef zugeht, wird mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit Unterstützung erfahren.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. März 2010

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7 Kommentare zu “Vergleich bei Gericht: 100 000$ Entschädigung wegen Parfumallergie und Duftstoffverbot bei Behörden”

  1. Arnfried 18. März 2010 um 23:53

    Ein Wahnsinnserfolg! Davon sind wir in Deutschland noch weiiit entfernt.

    Hier stehen einige englischsprachige Kommentare zu dem Fall:
    http://www.cbsnews.com/8601-500251_162-6303538.html?assetTypeId=58

  2. herbach-kuhn 19. März 2010 um 01:38

    Tut mir echt leid aber Amiland ist NICHT Deutschland und deshalb wird es wahrscheinlich noch JAHRE dauern bie endlich Gerechtigkeit zu uns kommt. Bis dahin bin ich längst unter der Erde und verfault

  3. Maria Magdalena 19. März 2010 um 13:32

    Eines Tages wird dieser Traum auch in Deutschland Wirklichkeit werden.

    Wir haben inzwischen schon sehr viele Duftstoff-Allergiker und Chemikaliensensible.

    Deutschland kann sich nicht ewig daraus halten. Hoffentlich müssen wir nicht allzu lange darauf warten, denn sonst hätten wir irgendwann einmal zu wenig Steuerzahler.

  4. Fischer Siegfried 19. März 2010 um 22:05

    Liebe Silvia,

    bravo, Sie haben nach meiner Überzeugung den Durchbruch im englischen Sprachraum geschafft, und das war für Ihre so wichtige Arbeit unerläßlich. Ohne die Solidarität der restlichen Welt ,führt unser Weg in der BRD weiterhin ins Nirwana.

    Der gesuchte Rat und die professionelle Hilfe können aus naheliegenden Gründen nur von außerhalb der BRD kommen. Es gibt unzählige Beispiele aus der Geschichte dieses Landes, daß man sich von jeher hinter der deutschen Sprache und der herrschenden Rechtsprechung Deutschlands selbstherrlich verschanzt und u.a. behauptet hat, daß Menschenrechte nur bestimmten Interessengruppen zugedacht sind.

    Die Zeit, in der jegliche medizinische Weisheit der Welt aus den Deutsch-sprachigen Universitäten von Zürüch, Wien, München, Heidelberg, Berlin etc. floß,das ist seit 1939 Geschichte.Längst haben die ehemaligen „Kolonien“ Deutschland in
    vielen Bereichen der Medizin überholt. Wer daran
    zweifelt, der sollte sich die Länder anschauen,
    wo diese Auszeichnungen für medizinische Innovationen etc. hingegangen sind.

    Wer nach 20 Jahren Diskriminierung in der BRD
    mit der hier geächteten Krankheit weiter auf ein
    deutsches Wunder warten möchte, der könnte ebensogut darauf warten, daß die Sonne im Westen auf und im Osten untergeht.

    Gut gemacht, Silvia!

    S. Fischer

  5. Iris 3. September 2011 um 14:25

    Hallo,

    dieser Artikel freut mich, vor allem weil er sachlich verfasst wurde. Es gibt ähnliche im Netz, die mehr auf Konfrontation aus sind und so zu Unverständnis führen, so dass ein Nichtbetroffener erst einmal vor den Kopf gestoßen wird.

    Ich wünschte mir, dass in Deutschland ein vernünftiges Bewusstsein geschaffen würde, was Duftstoffe angeht. Das Hauptproblem sehe ich darin, dass Parfümbenutzer ihre Duftstoffe selbst nicht mehr wahrnehmen und so immer stärkere Nuancen brauchen. Das ist der Parfümindustrie bekannt und sie erfüllt dieses Verlangen mit stärkeren Komponenten. Der Mensch ist für Dauerbeduftung nicht geeignet, weil er sie nicht wahrnimmt. Darin sehe ich das Hauptproblem! Leider verlässt sich der Mensch auf seine Sinne und glaubt fest daran er würde seine Umgebung und sich selbst korrekt wahrnehmen. Ein Trugschluß der Wissenschaftlich wiederlegbar ist.

  6. Sabine 9. Februar 2012 um 19:33

    …DAS ist in BRD noch Utopie..
    Vor 3 Jahren hatte ich wegen MCS und die daraus resultierende Arbeitslosigkeit einen Termin auf dem GESUNDHEITSAMT.
    Der dortige AMTSARZT stank dermaßen parfürmiert, dass es mir auf dem Gang schon die Sinne nahm und ich ihm nur knapp mitteilen konnte, dass ich gezwungen bin, das Gebäude zu verlassen….woraufhin er sehr unangenehm wurde und mir was von „persönlicher Freiheit“ an den Kopf warf.
    Leider erforderte die Situation Flucht meinerseits.
    Es ist schon erschreckend, wie man Ansprüche verdrehen kann.
    Erst wird man durch die Arbeit krank gemacht, dann wird man als Simulant hingestellt, Diagnoseverweigerung.Bekommt man eine Diagnose, ist der Arzt auch „nicht ganz richtig im Kopf“
    Die Menschenrechte werden mit Füßen getreten und mittlerweile bin ich (seit ich es weiß) 14Jahre alleinegelassen und rieche wie ein Spürhund.Würde mir nicht so elend, könnte ich mich ja bei der Polizei bewerben.
    Ziehe es jedoch vor aufrecht zu gehen…
    Ich bete jeden Tag, dass dieser Horror ein Ende nimmt.Und wir alle endlich wieder ein vollwertiges Glied der Gesellschaft sein dürfen/können.
    Verstehe nicht, wie all diese Dinge BEKANNT sind, aber trotzdem Tag für Tag stattfinden.
    An ihrer immensen Gier wird sich die Menscheit selbst zugrunde richten.

  7. Christel Marckhoff 12. Juni 2018 um 12:10

    Ich bin seid 10 Jahren Duftstoffallergikerin. Unsere Hausbewohnerin unter uns beduftet rund um die Uhr ihre Wohnung. Ein Gespräch und die Reduzierung auf ein normales Maß an Beduftung sind fehlgeschlagen. Ich hoffe auf eine baldige Regulierung der Gesundheitsbehörde in Deutschland.

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