Archiv der Kategorie ‘Umweltkrankheiten‘

Die Zukunft mitgestalten

MCS-Kranke sollen nicht weiter ausgegrenzt werden

CSN hat sich am Zukunftsdialog mit einem eigenen Vorschlag beteiligt:

Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte (BÜfU) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Vorschlag für eine „Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte“ (BÜfU) bis hin zur tatsächlichen Schaffung von MCS-gerechten Wohnraumes und Krankenversorgung, sowie ihrer baldigen Bearbeitung und Umsetzung.

Die Krankheiten CFS, EMS, TE, SBS, FMS sowie diverse Allergien (z.B. Duftstoffallergie), finden in der BÜfU neben der Multiplen Chemikalien Sensitivität (WHO ICD-10 T 78.4) eine notwendige Berücksichtigung.

Ein dringender Handlungsbedarf für die Betroffenen als auch die tatsächliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wird aufgezeigt.

Wir stellen das Dokument BÜfU mit aufgelisteten Lösungsvorschlägen zur Verfügung und zur Diskussion.

Weitere Informationen und Kontakt bei CSN – Chemical Sensitivity Network

Macht bitte mit, meldet Euch einfach an und stimmt ab bei:

SPD Zukunftsdialog: Behindertengerechte Übergangsregelung

 

Weitere CSN Blogs zur Thematik:

Wohnen im Mehrfamilienhaus ist nicht einfach

Allergiker und MCS-Kranke haben es besonders schwer

Das Leben in einem Mehrfamilienhaus kann sehr anstrengend sein, besonders wenn man Allergien hat oder unter Multipler Chemikaliensensitivität (MCS) leidet. Je mehr Menschen in einem Haus wohnen, desto unkontrollierbarer wird die Wohnsituation. Allergiker und Chemikaliensensible wären, wenn man es genau betrachtet, am Besten in einem baubiologisch ausgestatteten Einfamilienhaus statt in einem Mehrfamilienhaus untergebracht. In Städten und Ballungsgebieten kaum machbar, und wenn man unter einem gewissen Limit leben muss, auch unbezahlbar. Es bleibt also nichts anderes übrig, als sich mit dem Leben in einem Mehrfamilienhaus zu arrangieren und zu versuchen, die Gegebenheiten in den Griff zu bekommen. Spezielle Wohnprojekte für Multiallergiker und MCS-Kranke gibt es in Deutschland noch nicht, obwohl dieser Behindertengruppe gemäß der UN-Behindertenkonvention Hilfe zustünde und geeignete Wohnprojekte geschaffen werden müssen. Nicht einmal machbare Übergangslösungen zur Verbesserung der Wohnstuation von Chemikaliensensiblen sind durch die zuständigen Behörden angedacht. CSN hat sich deshalb auch am SPD Zukunftsdialog mit einem Vorschlag für die Umsetzung einer Übergangsregelung beteiligt: Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte (BÜfU) zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention

Allergiker und Chemikaliensensible haben in einem Mehrfamilienhaus bspw. Probleme mit:

  • Verwendung chemischer Wasch- und Reinigungsmittel, meist mit Duft
  • Raucher (in der Wohnung oder auf dem Balkon)
  • DECT Telefone, Handy’s WLAN
  • Renovierungsarbeiten in anderen Wohnungen
  • Raumduftsprays durch Nachbarn, Duftlampen, Räucherstäbchen
  • Grillen auf dem Balkon
  • Haustiere von Nachbarn (Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen)
  • Verwendung von Pestiziden (Wohnraum, Flur, Balkon)
  • Trocknen von Wäsche mit Weichspüler oder duftendem Waschmittel auf dem Balkon

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  1. Wie kommt Ihr im Mehrfamilienhaus zurecht mit MCS und Allergien?
  2. Habt Ihr oft Gesundheitsbeschwerden durch Eure Nachbarn und ihre Lebensgewohnheiten? Welche?
  3. Was schränkt Eure Gesundheit am Meisten ein im Mehrfamilienhaus?
  4. Sind Eure Nachbarn kooperativ und unterlassen das, was Euch krank macht, oder konfrontieren sie Euch noch extra mit dem, was Euch krank macht?
  5. Was war die schlimmste Reaktion, die Ihr erlitten habt durch das Leben im Mehrfamilienhaus?
  6. Was war der Auslöser und welche Symptome traten ein?
  7. Musstet Ihr bereits umziehen, weil das Leben im Mehrfamilienhaus Euch noch kränker gemacht hat?
  8. Wie habt Ihr Euch mit dem Leben im Mehrfamilienhaus arrangiert, um gesundheitlich einigermaßen über die Runden zu kommen?
  9. Welche Hilfsmittel oder Umbauten waren hilfreich?
  10. Wie geht Ihr auf Nachbarn zu, um sie um Kooperation zu bitten? Hattet Ihr Erfolg?
  11. Was würde Euch am Meisten helfen, um im Mehrfamilienhaus zurecht zu kommen?

Rentenversicherung setzt sich für Duftstoffallergiker ein

Schutz für Allergiker und Chemikaliensensible

Einige Angestellte, die bei der amerikanischen Rentenversicherung „Multi Sector Pension Plan“ (MSPP) arbeiten, berichteten ihrem Arbeitgeber, dass sie auf verschiedene chemische oder parfümierte Produkte mit gesundheitlichen Beschwerden reagieren. Die Duftstoffallergiker und Chemikaliensensible unter den Mitarbeitern litten zunehmend unter der allgemein üblichen Verwendung von Parfüms, Bodylotions, Haarspray, Deos durch Kollegen und Publikumsverkehr. Das bewog die Rentenversicherung dazu, ein Duftstoffverbot am Arbeitsplatz einzuführen. MSPP bittet alle Mitarbeiter auf der Internetseite und durch Dienstanweisungen um Kooperation, um der besonderen gesundheitlichen Problematik von Mitarbeitern, die auf Chemikalien und Duftstoffe reagieren, gerecht zu werden und dazu beizutragen diese zu schützen.

Büroräume wurden zur duftstofffreien Zone deklariert

Haarspray, Parfüm, Deo kann bei Duftstoffallergikern oder bei Personen, die chemikaliensensibel sind, Kopfschmerzen, Atemwegbeschwerden und andere Symptome hervorrufen. Deshalb werden alle Angestellten und Besucher aufgefordert, völlig auf Parfüm und parfümierte Pflegeprodukte zu verzichten, wenn sie in die MSPP Büros kommen.

Kanadische Gewerkschaften schützen Geringverdiener

Nicht nur die Solidarität gegenüber Chemikaliensensiblen und Arbeitnehmern mit Duftstoffallergien ist alles andere als alltäglich, MSPP selbst ist eine bemerkenswerte Einrichtung. MSPP wurde von zwei kanadischen Gewerkschaften gegründet. Ihnen war aufgefallen, dass in manchen Berufsbereichen Geringverdiener nur freiwillig ganz gering versichert waren oder gar nicht abgesichert und somit keine Rente erhielten. MSPP sorgt dafür, dass diese Geringverdiener, die meistens Frauen aus einkommensschwachen Schichten sind, über die Arbeitgeber abgesichert werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. Juni 2012

Literatur: MSSP, Scent free Policy, 2012

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Bündnis 90/ Die Grünen stellt Anfrage zur Verbesserung der Raumluft in öffentlichen Gebäuden

Gesündere Baustoffe helfen, Gesundheitsschäden zu verhindern

Laut Umweltbundesamt halten Menschen in Mitteleuropa durchschnittlich 90% der Zeit in Innenräumen auf. Wöchentlich berichten Zeitungen über schadstoffbelastete Schulen, Kindergärten, Behördengebäude oder andere öffentliche Gebäude. Oft führt es zu Gesundheitsbeeinträchtigungen und -schäden bei den Gebäudenutzern. Schadstoffanalysen, Expertengutachten werden erstellt und nicht selten dauert es Monate bis Jahre, bis gehandelt wird. Solche „Sick Buildings“ („kranke“ Gebäude) sind vermeidbar, wenn von Vornherein bei Neubauten, Sanierungen und Renovierungen auf gesunde Baumaterialien geachtet wird. Die Partei „Bündnis 90 / Die Grünen“ hat die Tragweite der Gesundheitsbelastungen durch Schadstoffe in der Innenraumluft erkannt und forderte von Behörden in verschieden Regionen Deutschlands detaillierte Informationen im Rahmen von Anfragen. (1,2)

Behörden nehmen schadstoff- und umweltbedingte Krankheiten ernst

Umweltschadstoffe und belastete Innenraumluft werden von Behörden zunehmend thematisiert. Anfang 2012 eröffnete die WHO in Bonn ein Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit. Die Weltgesundheitsbehörde hatte im Vorfeld durch Erhebungen festgestellt, dass zwischen 20 und 54% aller Erkrankungen in der EU umweltbedingt verursacht sind. Bedenklich ist, dass insbesondere bei Kindern beim Ausmaß umweltbedingter Erkrankungen steigende Tendenz zu beobachten ist. Bei Kindern unter 15 Jahren liegt der Prozentsatz der durch Umwelt verursachten Krankheiten bei rund 34%. Die WHO rät daher explizit zur Verwendung von Umwelt- und gesundheitsverträglichen Bauprodukten. (3,4,5)

Das deutsche Umweltbundesamt geht bei jüngeren Veröffentlichungen ebenfalls intensiv auf die Schadstoffproblematik und Verbesserungen der Innenraumluftqualität ein und stellt klar, dass in Bezug auf Innenraumschadstoffe für Arbeitsplätze andere Maßstäbe gelten als für Innenräume von Behörden oder öffentlichen Räumen. Für Arbeitsplätze, an denen mit Gefahrstoffen umgegangen wird, gelten Grenzwerte nach der Gefahrstoffverordnung. Diese Werte können jedoch nicht für Innenräume herangezogen werden. (6)

Das UBA nennt zur Verdeutlichung ein Beispiel:

„So ist eine Belastung mit Formaldehyd PDF / 381 KB in der Luft eines Büroraumes, die durch Ausgasung aus spanplattenhaltigen Möbeln entsteht, wie eine Wohnraumbelastung zu betrachten und nicht wie eine Belastung am Arbeitsplatz, etwa in der chemischen Industrie.“

Ständig Nachrichten über schadstoffbelastete Gebäude

Die Vorschläge und Ausführungen, die man Veröffentlichungen von Bundesbehörden entnehmen kann, lesen sich gut, die Realität sieht jedoch weniger erfreulich aus. Nahezu wöchentlich sind in deutschen Zeitungen Berichte über schadstoffbelastete öffentliche Gebäude zu finden. Immer wieder stehen Schulen und Behördengebäude in den Schlagzeilen, weil die Benutzer der Gebäude erheblich krank wurden. Für die Erkrankten beginnt in solchen Fällen oft ein nicht enden wollender Kampf um Anerkennung. Schülern wird „Massenhysterie“ unterstellt und Lehrer werden bezichtigt, „nur psychisch krank“ zu sein. Der Grund für solche bagatellisierenden Expertisen liegt auf der Hand, es geht um erhebliche Summen, die aufgewendet werden müssen, wenn ein Sick Building saniert werden muss, und es geht oft um Schadensersatz.

„Bündnis 90 / Die Grünen“ fragt nach

Weil die Problematik schadstoffbelasteter Innenräume sich häuft, stellte „Bündnis 90 / Die Grünen“ in verschiedenen Städten und Gemeinden in Deutschland im ersten Quartal 2012 folgende Anfrage:

„Vor diesem Hintergrund bittet Sie die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, folgende Anfrage auf die

Tagesordnung der nächste Ratssitzung zu nehmen und durch die Verwaltung beantworten zu lassen:

1. Welche Maßnahmen und Kontrollen unternimmt die Verwaltung in verbandgemeindeeigenen Gebäuden, um den Gesundheitsschutz für die sich darin aufhaltenden Kinder, MitarbeiterInnen und BürgerInnen zu gewährleisten?

2. Sind der Verwaltung Fälle in kommunalen Gebäuden (Kindergärten, Schulen, Bürogebäuden, Sporthallen etc.) bekannt, in denen es gehäuft zu gesundheitlichen Belastungen im Sinne eines „Sick-Building-Syndroms“ gekommen ist, also beispielsweise zu Geruchsbelästigungen, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, allergischen Reaktionen, Asthma, Pilzsporen, MCS (Multiple Chemical Sensitivity = Vielfache Chemikalienunverträglichkeit)? Falls ja, welche?

3. Welche Vorgaben/Kriterien hinsichtlich der Auswirkung auf die Raumluft, hat die Verwaltung bei der Beschaffung von Baustoffen zu beachten?

4. Welche weitergehenden Maßnahmen zur Erkennung, Vermeidung und Verringerung von insbesondere baustoffgebundenen Schadstoffquellen in der Innenraumluft der Gebäuderäume plant die Verwaltung?“

Behörden und Verwaltungen tragen Verantwortung für das Wohl der Bürger

Die Antworten der jeweiligen Verwaltungen werden mit großem Interesse erwartet und es wäre erfreulich, wenn die angestoßene Diskussion eine Wende hin zur Verbesserung der Innenraumluft in öffentlichen Gebäuden einleiten würde.

Schadstoffkontrollierte Bau- und Sanierungsmaterialien müssen nicht zwangsläufig teurer sein als schadstoffbelastete Materialien, diese Tatsache führen Fachleute immer wieder an. Doch selbst wenn schadstoffkontrollierte Baumaterialien etwas kostenintensiver wären, zahlen sie sich aus, denn wenn ein Sick Building erst saniert werden muss, wird es richtig teuer. Oft kostet eine aufwendige Sanierung Millionen. Von den gesundheitlichen Schädigungen, die Gebäudebenutzer erleiden, bis es irgendwann zu einer Sanierung kommt, ganz zu schweigen. Behördenziel sollte es sein, dass Meldungen, dass bspw. ein erheblicher Teil der Lehrerschaft einer Schule an Krebs starb, der Vergangenheit angehören.

Schadstofffreie Innenräume tragen dazu bei, die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen

Ein weiterer Aspekt, der durch schadstoffkontrollierte Innenräume in Behörden und öffentlichen Gebäuden positiv beeinflusst würde, wäre die Inklusion von Allergikern, Umweltkranken, Asthmatikern, Chemikaliensensiblen und anderen Behindertengruppen, die besonders empfindlich auf Schadstoffe und Allergene wie z.B. Schimmelpilze in Innenräumen reagieren.

Seit der Ratifizierung der UN-Behindertenrechtskonvention ist Deutschland seinen Bürgern, die unter diesen Behinderungen leiden, eine Integration schuldig. Bislang ist dies für die Behindertengruppe, die unter MCS (multiple Chemikaliensensitivität) leidet, noch nicht einmal ansatzweise geschehen, was einer erheblichen Benachteiligung gegenüber anderen Mitbürgern und Behinderten gleichkommt. Insbesondere, weil selbst Übergangslösungen, die durchaus machbar und bezahlbar wären, oft sogar nicht einmal etwas kosten, lediglich von Seiten der Betroffenen angedacht wurden. (7,8)

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1. Juni 2012

Literatur:

  1. Bündnis 90 / Die Grünen, Verbesserung der Raumluft in öffentlichen Gebäuden, 8. Februar 2012
  2. Bündnis 90 / Die Grünen im Landtag von NRW, Mustervordruck Raumlufthygiene, 12.01.2012
  3. Zsuzsanna Jakab, WHO Regionaldirektorin, Rede zur Eröffnung des erweiterten Europäischen Zentrums für Umwelt und Gesundheit, 14 Februar 2012, Bonn, Germany.
  4. WHO – Europäischen Zentrums für Umwelt und Gesundheit, WHO eröffnet erweitertes Europäisches Zentrum für Umwelt und Gesundheit in Bonn und stellt neuen Bericht über gesundheitsrelevante Umweltungleichheit vor, Kopenhagen und Bonn, 14. Februar 2012
  5. ECEH, Report Environmental health inequalities in Europe, 2012
  6. Umweltbundesamt, Gesundheit und Umwelthygiene, Innenraumlufthygiene, 13.02.2012
  7. Bundesbeauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, UN-Behindertenrechtskonvention, Oktober 2010
  8. CSN, BÜfU – Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte, 29.05.2012

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte

UN-Behindertenrechtskonvention für ein Leben mit MCS?

Soziale Inklusion, Barrierefreiheit, Gesundheitsversorgung und die Unterstützung von örtlichen Behörden sind für Umwelterkrankte ein Thema zum Überleben mit MCS, CFS, EMS, TE, SBS, FMS sowie diversen Allergien (z.B. Duftstoffallergie)

Seit zig Jahren leiden Menschen mit Umwelterkrankungen an den Folgen fehlender gesundheitsgerechter Wohnungen, sowie mangelnder behördlicher und angemessener ärztlicher Unterstützung.

Tagtäglich kämpfen Betroffene mit den Tücken ihrer Umwelt und schaffen es nicht, sich den bestehenden Bedingungen anzupassen. Es gehen Berichte umher von Notfall-Dokumentation wegen fehlendem MCS-gerechtem Wohnraum.

Es liegt nicht an dem Willen und der Bewältigungshingabe der Umwelterkrankten, dass sie immer wieder aus der Bahn geworfen werden, sondern an den Tücken neuer Wohnungen, der finanziellen Armut und wohl auch an der fehlenden Aufklärung der Bevölkerung, was nicht sein müsste, wenn man zu den USA hinüberblickt.

Umweltgifte ziehen ihren Bann mittlerweile durchs ganze Leben. Es gibt für einen erkrankten Betroffenen derzeit kaum eine Alternative dem zu Entkommen.

In den USA wurde der Gefahr von belastetem Wohnraum deshalb entgegengewirkt und entsprechende Gesetze erarbeitet, um den Betroffenen zu helfen.

Doch hier in Europa bzw. Deutschland, lässt eine adäquate Hilfe auf sich warten. Selbst einfachste Übergangsregelungen werden derzeit für Umwelterkrankte nicht eingeführt.

Vielleicht liegt ist es selbst nur an der Hilflosigkeit der politischen, behördlichen und medizinischen Kräfte, wenn sie von dem Leben mit Chemikalien-Sensitivität – ein Alltag mit vielen Einschränkungen hören.

Umwelterkrankungen führen im fortgeschrittenen Stadium zu einer unwiderruflichen Behinderung bis hin zur Schwerbehinderung.

Deshalb ist ein Handlungsbedarf notwendig und wird sogar International seit 2006 für alle Behinderte gefordert.

Die Vereinten Nationen haben die Rechte von Behinderten mit einem Übereinkommen, der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention, gestärkt. Derzeit wurde diese von 148 Staaten unterzeichnet und 100 davon ratifizierten diese – Deutschland schon 2009 und bekundete damit seine völkerrechtliche Verbindlichkeit zur Umsetzung derselben.

Ziel der Konvention ist es, für Menschen mit Behinderung die Barrieren des Alltages schrittweise abzubauen, um ihnen somit die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf allen Ebenen zu sichern.

Somit gilt nicht nur die Inklusion sowie Integration von Menschen mit Behinderung ins Berufsleben anzustreben, sondern bei jedem Betroffenen selbstredend erst einmal existenzielle Belange zu erfüllen; für Umwelterkrankte mit und ohne derzeitig zuerkannten Behinderung sind einige davon z.B.:

  • das Wohnen in einer gesundheitlich angemessenen Umgebung,
  • die Wahrung eines menschenwürdigen Lebens, medizinischer Versorgung, Verhinderung bzw. Vorbeugung von Diskriminierungen,
  • die Wahrnehmung aller Staatsrechte, wie barrierefreies Einkaufen, das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel,
  • das Besuchen von öffentlichen Gebäuden und Dienststellen sowie das in Kontakt treten mit Sachbearbeitern,
  • und vielem mehr.

Bei obigen Sachbereichen zeigen heutzutage schwerwiegend Umwelterkrankte ihr Nachsehen, ihre Gesundheit und ihr Leben sind deshalb bedroht. Die umfassenden Maßnahmen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention des deutschen Bundestages haben die Notleidenden bisher nicht erreicht.

Um diesem Mißstand mit Abhilfe zu verschaffen, wünschen sich Umwelterkrankte keine perfekte Lösung, die meist unmöglich zu verwirklichen wäre, sondern eine „Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte“ (pdf) (BÜfU), welche in einigen Punkten sogar in Kürze umgesetzt werden könnte.

Dieses angesprochene Regelwerk BÜfU enthält Vorschläge bzw. Lösungsansätze für viele der oben angesprochenen Problematiken und könnte zur Hilfestellung bzw. Findung für eine stufenweise oder entgültige Regelung für Umwelterkrankte mit Behinderung beitragen.

Autor:

Twei für CSN – Chemical Sensitivity Network, 29. Mai 2012

Weiterführendes Dokument:

Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte (BÜfU)

Weitere CSN Artikel zum Thema „MCS & Wohnen“:

Umweltmedizin: Das muss jetzt einfach (nicht) sein!

Warum soll die Psyche behandelt werden, statt tatsächliche Ursache und Auswirkungen von MCS?

Die Medizinerin am Telefon war aufgeregt. Sie versuchte mit Nachdruck zu überzeugen, dass MCS-Kranke dringend Psycho-therapeutischer und Trauma-therapeutischer Behandlung bedürften. „Das geht nicht anders, das muss jetzt einfach sein!“, schrie die Medizinerin im Gesprächsverlauf mehrfach ins Telefon. Eine Frage zu stellen oder eine Anmerkung ins Gespräch einzubringen war unmöglich, jeder Versuch wurde verbal erstickt.

Am Tag zuvor war eine Chemikaliensensible verstorben, weil ihr Körper einfach versagte. Der Neurologe, der sie wenige Tage zuvor examiniert hatte, vertrat gegenüber der Patientin und deren Mann die Ansicht, dass sie jetzt ein Neuroleptikum bräuchte – „dass müsse jetzt einfach sein!“.

Die Umweltkrankheit MCS trägt im ICD-10, dem Register für Krankheiten, den Code T78.4. und ist dort im Kapitel 19 eingetragen. Dieses Kapitel trägt den Titel „Verletzungen, Vergiftungen und andere Folgen äußerer Ursachen“. Eine Einordung im Kapitel für psychische Krankheiten oder Verhaltensstörungen existiert nicht und ist auch laut federführender Behörde nicht vorgesehen. Der ICD-10 ist für Ärzte laut Sozialgesetzbuch V verpflichtend, denn ohne korrekte Diagnose und korrekte Codierung gibt es auch keine korrekte medizinische Behandlung.

Warum also „muss es jetzt einfach sein“, dass MCS-Kranke mit Neuroleptika, Psycho- und Trauma-Therapie behandelt werden?

Statt umweltmedizinisches Verständnis, Beharren auf absurde Therapieangebote

Gegen Ende des Telefonats mit der Medizinerin bat ich mir aus, wenigstens zwei Dinge sagen zu können, ohne unterbrochen zu werden und berichtete ihr:

„Es ist gestern Nacht eine 48-jährige Frau mit schwerer MCS gestorben. Niemand sah sich im Stande, der Chemikaliensensiblen zu helfen. Anstatt auch nur die geringste Hilfe entgegenzubringen, wurde ihr vom behandelnden Neurologen letzte Woche ein Neuroleptika als Mittel der Wahl angeboten. Obwohl durch wissenschaftliche Studien belegt ist, dass Neuroleptika von den meisten MCS-Kranken nicht verstoffwechselt werden können und schwere Nebenwirkungen eintreten.“

Die Antwort der Medizinerin verblüffte mich. Mit immer noch erhobener Stimme teilte sie mir mit: Trotzdem, es müsse jetzt einfach sein, dass bei MCS-Kranken deren Psyche und Trauma behandelt würden. Ich würde es nur nicht verstehen wollen. Die Mitteilung über den Tod der Frau hatte keinerlei Regung verursacht. Ich fragte die Medizinerin: Wenn MCS-Kranke sich Ihrer Meinung nach solchen Therapien unterziehen müssen, wo dann bitte? Wir haben nur eine einzige Klinik in Deutschland, die sich seit kurzer Zeit drei Umweltbetten gönnt. Wir haben keine Psychologen, die über profundes Wissen zu MCS verfügen, oder auch nur über eine Praxis verfügen, die MCS-Kranke empfangen könne, weil sie nicht einmal im Stande seien, ein Duftstoff- und Chemikalienverbot in ihrer Praxis aufrecht zu halten. Die Medizinerin fuhr mich mit lauter Stimme an und erwiderte, dass dies auch nicht sein müsse, denn damit bestätige man die MCS-Kranken nur in ihrer Krankheit. (nach den weiterführenden Links weiterlesen)

Weiterführende CSN-Artikel zum Thema „Umweltmedizin: Psychiatrisierung bei MCS ein Irrweg“:

Kranke und Angehörige werden alleingelassen

Der Anruf der Medizinerin war nicht der einzige Anruf an diesem Morgen gewesen. Neben einigen Anfragen von Chemikaliensensiblen hatten eine ältere Dame und ihr Mann zweimal angerufen. Die Frau war in Sorge über eine 48-jährige, die unter Hypersensitivität auf Chemikalien leide und auch fast keine Nahrungsmittel mehr tolerieren könne. Kein Arzt sähe sich in der Lage zu helfen. Wenn in den nächsten Tagen nichts passiere, befürchte sie, dass die Frau sterben würde. Mein spontaner Rat war, dass man über den Hausarzt Kontakt mit der Hamburger Klinik aufnehmen solle, die über 3 Umweltbetten verfüge. Den Transport würde sie eher nicht mehr schaffen, meinte die ältere Dame. Ich bot ihr an, dass der Hausarzt mich anrufen könne und bat sie, dem Arzt die Informationen über die speziellen Umweltzimmer zu kopieren. Ihr das Gespräch mithörender Mann schrieb sich die Internetadressen auf, und die beiden wollten sofort tätig werden.

Etwa eine Stunde später kam ein erneuter Anruf der Beiden. Ich hörte nur ein Schluchzen und befürchtete bereits das Schlimmste. Die Annahme bestätigte sich. Die ältere Dame hatte beim Ehemann der MCS-Kranken angerufen, um ihm alle Informationen zu übermitteln und ihre Hilfe bei der Umsetzung anzubieten. Der Ehemann teilte ihr mit, dass seine Frau in der Nacht ihrem Leiden erlegen sei.

Nein, das muss jetzt einfach nicht sein!

Während in Deutschland mit Nachdruck absurden Diskussionen in der Umweltmedizin laufen, dass „Psycho- und Trauma-Therapie jetzt einfach sein müssten für MCS-Kranke“, sind Länder wie Australien, USA und Kanada damit beschäftigt, MCS-Kranken im medizinischen Bereich zu helfen und verfassen auf die Erkrankten und ihre Bedürfnisse zugeschnittene Leitlinien. Diese Leitlinien sind darauf ausgerichtet, Krankhäusern Anleitung zu geben, wie man Menschen mit einer Chemikaliensensitivität/MCS unterbringen muss und welche Unterstützung sie brauchen. Es sind keine psycholastigen Leitlinien, wie man sie jetzt in Deutschland installieren will.

Wer sich fragt, warum die Situation im Bereich Umweltmedizin in Deutschland so ist, braucht nicht lange nachzudenken. In Deutschland boomt das Geschäft mit der Psyche, weil Ärzte und Kliniken darüber abrechnen können. Ob es den MCS-Kranken hilft, ist zu bezweifeln, wie der jüngste Tod einer 48-jährigen Frau, der niemand angemessene medizinische Behandlung zugestand, erneut belegte.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Pfingsten 2012

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Eigene Regulierung für endokrine Disruptoren?

US-Wissenschaftlerin: Endokrine Disruptoren haben viele ‚Expositionswege‘

EurActiv, 9. Mai 2012Shanna H. Swan, eine angesehene Wissenschaftlerin auf dem Gebiet der reproduktiven Medizin, hat von den gesundheitlichen Folgen von Chemikalien, die den Hormonhaushalt stören [endocrine disrupting chemicals] (EDCs) gewarnt, z.B. Phthalate, die über Pestizide oder Kunststoffe in Lebensmittel gelangen können. In einem Interview mit EurActiv appelliert sie an Gesetzgeber, die Verbraucher besser gegen solche „versteckten Chemikalien“ zu schützen.

 

Sie sind eine bekannte Forscherin auf dem Gebiet endokrin disruptiver Chemikalien (EDCs), die Sie seit vielen Jahren erforschen. Was sind Ihre wichtigsten Ergebnisse?

Meine wichtigsten Ergebnisse – und ich habe mich insbesondere mit Pestiziden, Phthalaten und Bisphenol A befaßt – haben vor allem etwas mit der menschlichen Entwicklung zu tun, um so mehr, wenn es sich um eine fötale Exposition handelt. Die Belastung von Erwachsen spielt oft aber auch eine Rolle.

Hat die Belastung mit der Zeit zugenommen?

Es gibt ein paar Untersuchungen von alten, aufgehobenen Proben. Das ist die einzige Möglichkeit, wie wir die Belastung einer Person erfassen können. Also zum besseren Verständnis, anders als bei Studien zu Rauchen oder Medikamenten, bei denen wir die Person fragen können, um welche Exposition es sich handelte, kann man über die EDC-Belastung einer Person nichts – oder nur sehr wenig – erfahren, wenn man sie über ihr Verhalten befragt.

Diese Chemikalien sind versteckt – ich nenne sie Tarnkappen-Chemikalien – und aus diesen Grund besteht die einzige Möglichkeit zu wissen, welche Belastung vorlag, darin, sie in biologischen Proben zu messen, entweder im Urin oder im Blut. Urinproben sind normalerweise einfacher und aus zahlreichen technischen Gründen für diese unbeständigen Chemikalien vorzuziehen.

Wenn es ältere Proben gab und sie untersucht wurden, zeigten diese, dass die Werte in der Vergangenheit niedriger waren. Leider kann ich das nicht genauer ausführen, aber ich kann Sie auf ein paar Quellen verweisen.

Und diese gehen bis in die 1960er Jahre zurück?

Es gab 1958 eine Studie namens kollaboratives Perinatal Projekt, bei welcher Urinproben eingelagert wurden. In den frühen 60er Jahren gab es eine Studie von Kaiser Kalifornien, die Urinproben einlagerte. Es handelt sich also um sehr wenige Studien, sie sind die einzigen.

In den letzten vergangenen Jahren sind manche Phthalate zurück gegangen, z.B. nahm DEHP mit dem Ersatz durch andere Stoffe ab. Wir können also gewisse Trends anhand der staatenweiten Proben von Metaboliten im Urin erfassen.

Kennen wir die genauen Quellen der Exposition?

Dazu müssen wir uns jede Chemikalie einzeln ansehen. Wenn wir uns also auf Phthalate beschränken, müssen wir dies noch weiter eingrenzen, denn Phthalate werden unterschiedlich eingesetzt. Manche Phthalate werden Schläuchen zugesetzt, um sie weich zu machen, besonders DEHP.

Es ist in den Schläuchen der Krankenhäuser, in den Schläuchen von Melkanlagen, immer wenn man weiches, flexibles Plastik nimmt, wird man DEHP nehmen. Alles was da durchfließt, besonders wenn es warm ist, wird es aufnehmen. Auf diese Art werden wir durch Materialien belastet, die da durchgegangen sind.

Also auch durch Milch?

In Milch ist es messbar, ja. Was DEHP betrifft, ist die Nahrung unser häufigsten Expositionsweg und man findet es auch im Wasser. Doch man bekommt auch DEHP ab, wenn man sich in einer Krankenhaus-Abteilung befindet und an Schläuchen hängt.

Phthalate sind für manche Anwendungen wie z.B. Spielzeug etc. bereits verboten. Können wir deshalb das Problem als gelöst betrachten?

Lassen Sie mich kurz noch einmal zurück gehen. Bei Phthalaten handelt es sich um eine Klasse von Chemikalien und das ist deshalb wichtig, weil sie mich fragen, ob es viele Belastungsquellen gibt.

Wenn mir Kosmetik auf unsere Haut, auf unser Gesicht auftragen – Männer, Frauen, Kinder, Babys – nehmen wir sofort ein weiteres Phthalat in unseren Körper auf, nämlich DEP. Und darüber besteht kein Zweifel. Wenn wir Haarspray oder Nagellack verwenden, dann atmen wir ein Phthalat ein, das hauptsächlich DEP ist.

Darum ist dies eine komplizierte Geschichte, weil es viele Quellen und viele Wege der Exposition und auch unterschiedliche Toxizitäten gibt. Nun dazu, ob das Problem gelöst ist – überhaupt noch nicht. Wir haben erst damit angefangen, das Problem zu lösen.

Aber es hat doch für ein paar der schlimmsten Anwendungen von Phthalaten, wie z.B. Babyfläschchen-Verbote gegeben…

Nein, das war Bisphenol A, das ist eine andere chemische Klasse. Stellen Sie es sich so vor. Phthalate machen Plastik weich, BPA macht Plastik hart. Wenn Sie also eine dieser Sport-Wasserflaschen vor sich haben, ist diese mit BPA hergestellt. Harte Babyfläschchen, das ist BPA. Die Beschichtung von Konservendosen, das ist BPA. Doch die Phthalate stehen auf der anderen Seite des Vergleichs, obwohl es sich in beiden Fällen um Plastifizierer handelt. [Frage: Sind Phthalate nur Materialzusatz oder das Material selber, wie BPA? Polycarbonat ist polymerisiertes BPA]

OK, warum sage ich nun, das Problem ist nicht gelöst? Die hauptsächliche Verbannung von Phthalaten betraf Kinderspielzeug. Sicher ist dies wichtig, doch es schützt die empfindlichsten Organismen nicht, und das sind sich entwickelnde Föten.

Ein Spielzeug ist ja etwas, mit dem man nach der Geburt spielt, die schwangere Mutter ist einer Exposition ausgesetzt, die für den Fötus sehr viel gravierender ist als jene, die das Kind über ein Spielzeug abbekommen wird.

Wenn man diese Phthalate aus Kinderspielzeug verbannt – ich denke, dies ist wichtig, ausgezeichnet, ich unterstützte es unbedingt – würde ich dies aber nicht zu Lasten der Verbannung von Phthalaten aus Produkten tun, denen Schwangere ausgesetzt sind. Denn dies ist das empfindlichste Ziel von Phthalaten.

Seit vielen Jahren gibt es eine Kontroverse über die Gesundheitsgefahren durch eine niedrigdosige Belastung mit Chemikalien wie z.B. Phthalate. Gibt es dafür Belege, wenn man sich die Forschung ansieht?

Lassen Sie mich drei Dinge sagen.

Zu aller erst besteht absolut kein Zweifel daran, dass sehr, sehr kleine Hormondosen die Entwicklung des Fötus dauerhaft verändern können – wenn der Zeitpunkt gegeben ist. Man kann nicht nur auf die Dosis sehen, man muss die Dosis in einem bestimmten Zeitfenster berücksichtigen, ansonsten erfasst man die Toxizität nicht, denn diese ist tatsächlich das Resultat von zwei Dingen: Es ist nicht nur die Dosis, sondern auch der Zeitpunkt.

Im nächsten Punkt geht es eindeutig nicht nur um Chemikalien, sondern darum darauf hinzuweisen, was wir aus ein paar Humanstudien und vielen Tierstudien wissen, dass Nager in utero (im Bauch der Mutter), dass jeder von ihnen am Uterushorn hängt und sich wiederum zwischen zwei anderen Jungen befindet.

Wenn sie nun ein Männchen zwischen zwei Männchen und ein Männchen zwischen zwei Weibchen untersuchen, können sie den Testosteronspiegel in diesen beiden Männchen messen. Und der Unterschied ist signifikant und messbar und sehr, sehr klein. Es ist ungefähr ein Tropfen in ein olympisches Schwimmbecken. So klein ist es. Es ist eine extrem niedrige Dosis, ein Teil pro Billion [1/10^15].

Und welche Folgen hat eine Exposition damit?

Die Folge ist, dass jener Nager, der eines zwischen zwei Männchen ist, zu einem aggressiveren in seinem Verhalten und seiner allgemeinen Entwicklung mehr maskulinerem heran wächst. Er wird eine größere Spermienzahl erreichen; er wird fruchtbarer sein. Und dies wird nicht angezweifelt, dies wurde für viele Tierarten gezeigt. Und es gibt einige Humanstudien, die das bestätigen. Ich habe dies nur als Beweis des Prinzips erwähnt, dass eine sehr niedrige Menge hormonaler Substanz zum passenden Zeitpunkt die Entwicklung verändert.

Sehen wir uns nun die Situation des Menschen an. Wenn Leute sagen, ‚Was soll’s, die Dosen sind viel zu niedrig‘, sage ich zwei Dinge. Da eine ist, ‚Mag sein, aber wir sehen Wirkungen‘. Also egal welche Dosis, es scheint etwas zu bewirken. Es gibt wohl an die 30 Studien, die eine Verbindung zwischen Phthalaten und einer Vielzahl von Folgen für die menschliche Gesundheit feststellen.

Das Gegenargument könnte sein, dass diese Wirkungen von etwas ganz anderem kommen.

Genau. Nicht das Gegenargument, aber ein wichtiger, zusätzlicher Aspekt ist, dass wir niemals nur einer Chemikalie ausgesetzt sind. In der Tat stellte eine neuere Studie durchschnittlich 200 Chemikalien in Neugeborenen fest.

Das bedeutet, in utero zirkulierten bei den Babys durchschnittlich 200 Chemikalien in ihrem Körper und beeinflussten ihre Entwicklung. Der Höchstwert in diese Stichprobe von 10 [Kindern] war 287. Daher sind wir unbestreitbar Expositionen ausgesetzt und die Föten genauso.

Nun ja, es gibt viele Chemikalien und statistisch kann man fragen, welcher Zusammenhang nur zu DEHP oder nur zu DBP Metaboliten besteht. Doch das ist nicht die effektivste Art. wie man es tun kann. Besser ist zu fragen, was es mit der Belastung durch all diese Stoffe auf sich hat. Wie wirkt sich der Cocktail-Effekt aus?

Mit Stichproben von der Größe, wie sie uns zur Verfügung stehen, können wir zurzeit nicht ernsthaft all die 200 [Substanzen] zusammen untersuchen. Aber wir können und wir untersuchen mehrfache Belastungen. Trotz der Tatsache, dass sie für sich genommen sehr gering sein mögen wissen wir, dass sich diese Dosen addieren und wenn sie mehrere davon haben, erhalten sie natürlich eine sehr viel höhere Dosis.

Sind bestimmte Kombinationen bekannt, die besonders schädlich sind?

Ja, es gibt viele DEHP Metaboliten, von denen gerade vier oder fünf gleichzeitig untersucht und die Gesamtwirkung festgestellt werden. Das ist ein Beispiel, es gibt aber noch andere.

Das klingt erschreckend. Wie sollen sich Verbraucher verhalten oder reagieren? Was soll ich meiner Frau erzählen, wenn sie schwanger ist?

Diese Frage höre ich dauernd. Es ist eine frustrierende Frage, weil ich nur eine Teilantwort geben kann. Als einfache Antwort würde ich ihr sagen, dass sie ihre Belastung durch schädliche Körperpflegemittel begrenzen kann.

Und der Grund, weshalb wir diesen Rat geben können ist, dass sie sehr sorgfältig von ein paar NGOs untersucht worden sind, und ich verweise insbesondere auf die Webseite der Environmental Working Group die ‚Not Too Pretty‘ (PDF) [Nicht zu hübsch] heißt, wo sie Produkt für Produkt auflisten und über die Chemikalien darin informieren. Das ist ein nettes Tool für Verbraucher. [Vermutlich ist Skin Deep gemeint]

Sie können auch sagen, einfach als generellen Sicherheitsratschlag: Benutze keine Raumduftsprays, besprühe nichts zu Hause, benutze keine Sprays usw.

Was die Sache problematischer macht ist, dass selbst wenn wir den Leuten das alles erzählen, können wir nur in seltenen Situationen diese Chemikalien aus ihrem Körper entfernen. Und einer der Hauptgründe ist, dass sie derart versteckt sind, Sie können das Etikett auf der Lotion prüfen, aber sie können nicht das Etikett ihrer Spaghetti-Soße oder ihrer Milchflasche prüfen usw.

Deshalb müssen wir den Verbrauchern Werkzeuge geben, eine informierte Wahl zu treffen. Und zurzeit haben wir diese Werkzeuge nicht.

Meinen Sie Deklarierung?

Ja, Deklarierung und auch Verhaltensratschläge – zum Beispiel nicht in Plastik lagern, nicht in Plastik in die Mikrowelle stecken.

Was ich den Leuten sage, wenn sie das best Mögliche tun wollen ist, kauft lokale Produkte, kauft sie unverarbeitet, kauft aus biodynamischem Anbau. Es gibt eine Bevölkerungsgruppe in New York, welche dies tut, und das sind die Mennoniten der alten Ordnung [eine den Amish ähnelnde religiöse Anti-Technologie Gruppe [Wiedertäufer]]. Sie sind sehr streng, sie pflanzen alles selbst an, fahren nicht Auto, benutzen keine Sprays… und sie haben sehr niedrige Umweltchemikalien-Werte im Körper.

Und das wurde wissenschaftlich gemessen?

Ja, wir haben gemessen, wie viel Phthalate und Phenole in ihrem Urin waren und sie hatten fast keine. Und es ist interessant, weil ein paar Frauen Spitzenwerte hatten. Eine war eine Frau die Haarspray benutzte. Und man konnte dies feststellen, weil wir fragten, was haben sie gemacht, bevor sie zur Urinabgabe her kamen. Und diese Frau sagte, „Nun, ich sollte es nicht, aber ich benutzte Haarspray weil ich ausging.“ Und daraufhin sehen wir den MBG-Peak in ihrem Urin.

Und eine andere Frau fuhr Auto, obwohl sie das normalerweise nicht tun und man sieht einen weiteren Peak. Das heißt, in einer extremen Situation – welche für die meisten Verbraucher sehr radikales Handeln bedeutet – kann man [Schadstoffe] eliminieren.

Eine andere Gruppe bekam normale Lebensmittel und danach haben sie gefastet. Ihr Urin wurde während der normalen Diät getestet und nach 48 Stunden Fasten, und sie hatten überhaupt kein DEHP im Urin.

Natürlich können wir nicht alle fasten! Deshalb denke ich, wir sollten es für die Verbrauchen viel einfacher machen, diese Produkte zu vermeiden.

Was das Vorhandensein von Chemikalien in Lebensmitteln angeht, wurden auf EU-Ebene Maßnahmen eingeführt, um den Einsatz von Pestiziden zu verringern. In Frankreich gab es beispielsweise das Ziel, den Gebrauch von Pestiziden bis 2018 zu halbieren, und es gab Verbote, mit dem Flugzeug zu sprühen und solche Sachen. Sind diese Schritte ausreichend, um das Risiko der Kontaminationen in Lebensmitteln zu reduzieren?

Nun, Pestizide abzuschaffen beseitigt sicherlich eine Expositionsquelle für EDCs – und zwar eine sehr wichtige und ich denke, das ist großartig.

Übrigens, mal Phthalate außer Acht gelassen, wir fanden in mittleren Westen einige Pestizide und Herbizide, die im Zusammenhang mit einer niedrigeren Spermienzahl standen. Die wirken also auch. Auch sollte ich darauf hinweisen, dass Phthalate tatsächlich in Pestiziden drin sind – sie werden hinein getan, um die Absorption zu steigern.

Deshalb sind diese Maßnahmen, Pestizide zu reduzieren sicherlich eine gute Sache die man machen kann, aber das reicht nicht aus. Solange wie Lebensmittel in Kontakt mit Phthalaten oder Bisphenol A verarbeitet, in Dosen verpackt, in Plastik geliefert, in Plastik gelagert oder in Teflon zubereitet werden, gibt es auf diesem Weg ziemlich viele Gelegenheiten, endokrin disruptive Chemikalien einzusammeln.

Und die Abschaffung von Pestiziden ist sicherlich ein sehr bedeutender erster Schritt, aber danach müssen wir uns Sorgen machen, was mit den Lebensmitteln, nachdem sie geerntet wurden, und auf dem langen Weg vom Acker zum Teller geschieht.

In Europa haben wird Grenzwerte für Pestizide in Lebensmitteln, unterhalb derer der Verzehr als mit keinem Risiko für die menschlich Gesundheit verbunden angesehen wird. Sind Sie der Ansicht, dass diese Werte weiter gesenkt werden sollten?

Ich kann zu vertretbaren Werten von Pestiziden nichts sagen. Aber ich kann etwas zur Frage von Grenzwerten sagen. In der Umweltwissenschaft haben wir viele Beispiele – das Beste ist glaube ich Blei – daß egal wie weit wir den Grenzwert absenken, wir selbst beim niedrigeren Wert immer noch unerwünschte Wirkungen sehen.

Und ich denke, was wir nicht vergessen sollten ist, dass für manche besonders empfindliche Bevölkerungsgruppen und zu besonders gefährdeten Zeitabschnitten, die Grenzwerte wahrscheinlich weiter reduziert werden müssten. Aber es wird einen praktikablen Grenzwert geben müssen – offensichtlich können wir nicht alles ganz los werden.

Wahrscheinlich ist Ihnen bekannt, dass wir in Europa diese REACH-Regulierung für Chemikalien haben, welche dieses Jahr einer Überprüfung unterzogen wird. Wollen Sie die Gesetzgeber dazu ermutigen, REACH noch weiter zu verschärfen?

Das bedeutendste an REACH ist, dass es die Beweislast umkehrt. Von den 80.000 weltweit gehandelten Chemikalien wurden in den Vereinigten Staaten 62.000 nur abgesegnet und für sicher erachtet.

Das ist in den Vereinigten Staaten tatsächlich immer noch die Grundannahme: Solange die Schädlichkeit einer Chemikalie nicht bewiesen ist, wird angenommen, dass sie sicher ist. Natürlich verlagert dies die Beweislast ob etwas schädlich ist auf den Verbraucher, wo sie nach meiner Ansicht nicht sein sollte. Die Beweislast generell zu verschieben ist wie ich denke extrem wichtig und sollte auch in den US-Vorschriften eingeführt werden.

Die USA müssen sich an REACH halten, wenn sie nach Europa exportieren. wie hat sich dies auf die US-Industrie ausgewirkt, so wie Sie es sehen?

Das kann ich ihnen nicht sagen. Ich weiß, dass dies nicht die Grundannahme der Vorschriften ist. Selbst wenn sie nun etwas anders machen, um Dinge nach Europa zu schicken, ich bin sicher, sie müssen und sie tun es, akzeptieren sie es trotzdem nicht als ihre Pflicht, die Sicherheit eines Produktes zu beweisen, bevor es vermarktet wird.

Was die Verschärfung der Vorschriften angeht, ist dies eine sehr umfassende Frage. Und was meine Meinung angeht bin ich der Ansicht, dass endokrine Disruptoren eine Kategorie sind, die eigene Vorschriften erfordert. Sie unterscheidet sich ausreichend von reproduktiver Toxizität und Kanzerogenität. Die Risikobewertung für endogene Disruption ist eine andere. Die wissenschaftlichen Fragestellungen sind ausreichend verschieden, so dass es die öffentliche Gesundheit weitgehender schützen würde, wenn wir diese Chemikalien als eine eigene Klasse behandeln könnten. Ich sehe also hier mögliche Nachjustierungen.

Ist für Sie als Wissenschaftlerin der Zusammenhang zwischen jenen endokrin disruptiven Chemikalien, die Sie untersucht haben, und der geringeren Fruchtbarkeit bewiesen worden, und ist er wissenschaftlich wasserdicht? Könnte man dagegen argumentieren?

Wasserdicht? Das ist natürlich nie etwas. Es gibt immer noch Leute bei uns, die argumentieren, Zigaretten würden keinen Lungenkrebs verursachen. Natürlich wird immer dagegen argumentiert werden.

Ich denke, wir haben nun eine Menge Daten, dass Umweltchemikalien die Anzahl der Spermien verringern, den Zeitpunkt der Empfängnis beeinflussen, fötale Verluste in der frühen Schwangerschaft erhöhen und das Resultat einer Schwangerschaft beeinträchtigen können. Brauchen wir mehr Studien? Natürlich brauchen wir die. Aber haben wir genug Informationen und aufgrund der vorhandenen Studien zu handeln? Ich behaupte wir haben sie.

 

Das Interview mit Prof. Shanna H. Swan führte EurActiv-Redakteur Frédéric Simon
Übersetzung: Bruno für CSN – Chemical Sensitivity Network
Artikelfoto: eeetthaannn, CC: BY-NC

PhD Shanna H. Swan ist Professorin und Vizevorsitzende der Forschungs- und Mentorabteilung für präventive Medizin an der Mount Sinai School of Medicine. Dr. Swan ist für ihre Arbeit über die Folgen der Umweltbelastung auf die männliche und weibliche reproduktive Gesundheit bekannt und gehörte dem Komitee für hormonähnliche Giftstoffe der National Academy of Science an.

Copyright: EurActiv.com
Quelle des Original-Artikels – Wir danken EurActiv, dieses Interview übersetzen zu dürfen.

 

Weitere interessante CSN Artikel über Gesundheitsgefahren durch Phthalate, Flammschutzmittel und Pestizide:

Internationaler Tag für Menschen, die an MCS – multipler Chemikalien Sensitivität erkrankt sind

 

Informationsmaterial über Chemikaliensensitivität für den Aktionsmonat Mai

Rund ein Drittel der Bevölkerung reagiert auf Chemikalien in Alltagsprodukten mit mehr oder weniger starken Symptomen. Kopfschmerzen vom Parfüm der Kollegin, Schwindel durch das Putzmittel Zuhause, Asthmaattacke durch das Duftspray auf der Toilette im Restaurant, nur drei Situationsbeispiele von vielen. Der Monat Mai ist weltweiter Aktions- und Informationsmonat, um über Chemikaliensensitivität und Gesundheitsgefahren durch Alltagschemikalien aufzuklären. Wer sich informiert, ist in der Lage, sich besser zu schützen und unnötigen Kontakt mit Chemikalien, die unsere Gesundheit beeinträchtigen können, zu vermeiden. Um darüber zu informieren und diejenigen in unserer Gesellschaft zu schützen, die bereits unter Chemikaliensensitivität (MCS) leiden, haben Organisationen und Aktivisten Informationsmaterial zur freien Verwendung bereitgestellt.

Aktions- und Infomaterial zum Verwenden, Ausdrucken und Weitergeben:

MCS Flyer, Ärzteinformation

CSN Flyer über Chemikaliensensitivität (MCS) (Etwas dickeres Papier zum Ausdrucken nehmen)

Flyer der österreichischen Organisation MCS-Info: MCS – Wenn Alltagschemikalien krank machen!

MCS Ärzteinformation: Ärzteinformation zu MCS, CFS, FMS, EMS und TE zum Weitergeben

Informationskarte Duftstoffe

Kostenlose Informationskarten über Duftstoffe und deren Gefahren:

CSN Aktionskarte: Vermeiden Sie Duftstoffe in der Öffentlichkeit. Ohne Duft = Bessere Luft!

Infoblatt über Gefahren durch Duftstoffe und Parfüms, erstellt von Amazone, Initiative MCS Patienten für Barrierefreiheit und Teilhabe.

Aktionslogo, Aktionsphotos für den MCS-Aufklärungsmonat Mai 2012:

Das Avatar (Profilbild) für den MCS-Aufkläungsmonat Mai: Avatar

Weitere Größen des Logos für den MCS-Aufklärungsmonat zur freien Verwendung:

120 Pixel250 Pixel400 PixelGroß

MCS Online Aktionen:

Wohnraum für MCS-Kranke. Macht mit beim Zukunftsdialog

Das Thema „Wohnraum für MCS-Kranke“ wurde im SPD-Zukunftsdialog platziert.

Hier kann man online mit darüber abstimmen, ob man diesen Vorschlag unterstützt oder nicht.

Der BUTTON zum Abstimmen befindet sich links über der Überschrift. Wenn man dafür ist, klickt man auf den Pfeil, der nach oben zeigt. Für das Registrieren muss man nur einen Benutzernamen und eine Mailadresse angeben und kann dann sofort loslegen.

Behindertengerechter Wohnraum für MCS-Patienten

Nach Auskunft der Moderatoren kann dieses Thema noch bis Ende Mai öffentlich bearbeitet werden.

Dies ist eine einmalige Gelegenhei, öffentlich sichtbar Forderungen zu stellen, Anregungen zu geben oder vielleicht auch nur aufzuzählen, wer schon vergeblich um Hilfe gebeten wurde.

Wer nähere Informationen oder Hilfen zum Abstimmen oder Kommentare-Schreiben wünscht – dann lest Euch diesen Thread im CSN Forum durch.

MCS global verbreitet

Die österreichische MCS Organisation MCS-Info hat eine Karte erstellt, die die Standorte von Umweltkranken weltweit anzeigen soll. Damit die Karte aussagekräftig wird, braucht es Eure Unterstützung. Das Ganze ist natürlich anonym und der Standpunkt nur mittels PLZ und Ort gekennzeichnet. Ziel von MCS-Info ist es, eine Karte komplett voll mit Markierungen zu bekommen. Da die Daten über eine KML-Datei laufen, könnte man so eine Karte auf jeder Webseite mit eigener API einbinden.

Einige Chemikaliensensible haben sich bereits eingetragen, tragt auch Ihr Euch ein und zeigt damit, dass MCS real ist und Chemikaliensensibilität überall verbreitet ist. Tragt auch Ihr Euch ein:  MCS global verbreitet

Eine Idee und schon gehts los…

Die Schweizer Autorin Astrid Falk Schober geht für den MCS-Aufklärungsmonat Mai mit gutem Beispiel voran. Ihr fehlte ein Ort, an dem sie ihre Artikel und Gedanken online stellen kann. Plötzlich kam die Idee, einen eigenen Blog zu starten und kaum war diese Idee geboren, schon ging es los. Ihr seid die Ersten, die den neuen Blog ICEBLUE lesen dürft. Schaut rein auf ICEBLUE.

Weiteres Infomaterial:

Bedient Euch auch im CSN Blog und druckt Artikel aus, die Ihr für interessant haltet, um andere zu informieren. Ihr findet dort:

und im CSN Forum gibt es fast 100.000 Einträge über MCS, Umweltkrankheiten, Umwelt, Umweltpolitik und vieles mehr zum Lesen und untereinander austauschen.

Über MCS aufklären und dabei gewinnen:

Zum Schluss noch ein Hinweis: Wer den im CSN Forum den Eintrag Nr. 99.999 schreibt, gewinnt eine PureNature gesponserte MCS-Aktivkohlemaske und wer den Eintrag Nr. 100.000 schreibt, erhält einen von MCS-Infogate gesponserten Tablett Computer und eine MCS-Aktivkohlemaske. (der Rechtsweg ist ausgeschlossen)

Viel Erfolg für Eure persönlichen Aktivitäten, um über MCS aufzuklären!!

und berichtet in einem Kommentar über Eure Erfolge und Erlebnisse beim Aufklären über MCS:

Wer noch weiteres gutes Informaterial kennt, was zur Verwendung freigegeben ist, bitte als Kommentar anfügen.

NO HANDSHAKE PLEASE! – Eine Begegnung der ganz besonderen Art!

Aus dem Alltag mit MCS

Wir sind es gewohnt, jemandem die Hand zu geben, wenn wir ihn begrüssen. Das ist einfach normal! Oft ist das für mich als MCS-Betroffene aber mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Denn wenn der- oder diejenige sich grade frisch parfümiert hat und die Spuren des Parfüms noch auf den Händen kleben oder vielleicht eine Handcreme, dann habe ich das nach der Begrüssung auf meiner Hand, und weil all diese Produkte heute so konzipiert sind, dass der Duft möglichst lange auf der Haut haften bleibt, bekomme ich diesen nur noch schwer weg. Und das wird dann für mich zum ernsthaften Problem, denn MCS-Betroffene reagieren auf geringste Spuren von Chemikalien mit schweren körperlichen Symptomen!

Wenn ich also einer Person begegne, deren künstliche Duftstoffe ich schon von weitem rieche, dann muss ich diese Form der Begrüssung vermeiden, weil das für meine Gesundheit gefährlich werden könnte. Natürlich muss ich dann immer erklären, warum das so ist und oft stösst es auf wenig Verständnis.

Heute aber war alles anders! Ich hatte ein Treffen mit einer Person, die mir einwenig Arbeit anbieten wollte. Es war sozusagen ein Bewerbungsgespräch. Wie immer mache ich mir bei solchen Terminen meine Gedanken. Was erwartet mich? Stosse ich auf Verständnis, wenn ich die Sache mit den Duftstoffen erkläre?

Nun denn, da mir nicht grad eine riesige Parfümwolke entgegenkam, zeigte ich mich mutig und streckte wie üblich meine Hand zur Begrüssung aus. Die Hand meines Gegenübers aber kam mir nicht entgegen! Ich muss sehr verdutzt drein geschaut haben, denn der Herr entschuldigte sich mehrmals und hat mich dann sehr höflich und fast verlegen darauf aufmerksam gemacht, dass er Jude sei und es ihm seine Religion nicht erlaube, mir die Hand zu geben.

WOW, was für ein Hammer!!! Eigentlich bin ich die, die sich ständig erklären muss!!!

Obwohl ich an seinem Äusseren leicht feststellen konnte, dass er Jude ist, so kannte ich doch diese Verhaltensregel nicht und als er mir erklärte, warum das so sei, da sagte ich ihm, wie sehr mir das doch entgegen käme und wie erleichtert ich wäre! Für einmal musste nicht ICH MICH erklären, sondern hat sich mein Gegenüber erklärt und damit wurde mir doch tatsächlich für dieses eine Mal was abgenommen! Er hat sich dann für meine Sache interessiert und wir kamen darauf zu reden, wie sehr doch jeder von uns auf das Verständnis des anderen angewiesen sei, denn er hätte eben auch schon erleben müssen, dass sein Verhalten oft auf Unverständnis stösst.

Schlussendlich war dann aber er erleichtert, dass ich erleichtert war. :-)

Und das sind die kostbaren Erlebnisse in meinem Alltag mit MCS. In solchen Momenten habe ich das Gefühl, im Anderssein nicht allein zu sein.

Autor: Astrid Falk-Schober für CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. Mai 2012

Bücher von Astrid Falk-Schober:

„Ich kann dich nicht riechen“ – Die Schattenseite der Duftstoffe (März 2008)
„Und bin nie wirklich angekommen“ (Kurzgeschichten, Aphorismen, Gedichte, 2003)
„Ist dieses Blatt nicht unsere Welt?“ (Bilder und Sinnsprüche, 1997)

Bei Interesse Mail an astrid.falk @ gmx.ch

Weitere CSN Artikel über das Leben mit MCS und Einschränkungen durch Duftstoffe im Alltag:

Widersinnige MCS-Therapie oder „Rauch dich gesund“?

„Amygdala-Retraining – Rauch dich gesund!“

Rauchen ist schädlich. Rauchen gefährdet unsere Gesundheit. Eine Zigarette enthält neben dem Tabak aus der Tabakpflanze, unzählige schädliche Inhaltsstoffe, die jeder einzelnen Zigarettenmarke den individuellen Geschmack verleihen. Das macht das Rauchen eigentlich erst so richtig zum Schädigungsturbo, weil man keinen Tabak mehr raucht, sondern einen Krebs fördernden Chemiecocktail.

Um die Menschen auf die Problematik und Gesundheitsgefährdung des Rauchens aufmerksam zu machen, wurden seitens des Bundes für entsprechende Kampagnen in der Schweiz Millionen aufgewendet. Ist ein Körper aber einmal durch jahrelangen Zigarettenkonsum geschädigt, so dass er dauerhaft krank ist, kann diese körperliche Schädigung mit keiner Therapie rückgängig gemacht werden. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Angst vor einer körperlichen Schädigung durch Zigarettenrauch bei einer Krebserkrankung eine wesentliche Rolle spielt. Tatsache ist aber, dass der Genuss von Zigaretten ein stark erhöhtes Krebsrisiko beinhaltet. Das jedenfalls teilen uns Mediziner und Wissenschaftler seit Jahren mit.

MCS-Kranke sind Chemikaliengeschädigte. Sie sind erkrankt, weil ihr Körper durch irgendeinen chemischen Auslöser, z.b. sehr häufig Formaldehyd, Pestizide, Fungizide, PAK‘s, Benzol oder Kohlenmonoxyd Schaden genommen hat. Schaden durch Schadstoffe, die sich auch im individuellen Zigarettenrauch befinden. Einige der MCS auslösenden Chemikalien sind auch in Parfüms, Waschmitteln, Weichspülern, Reinigungsmitteln, Lebensmitteln, Getränken, Medikamenten usw. enthalten (Aroma-, Farb-, Konservierungsstoffe und Lösungsmittel) und gelangen über Einatmen, Auftragen auf die Haut oder durch Einnahme, z.B. beim Essen oder Trinken in unseren Körper.

Um uns vor diesen Auslösern und folglich einer Krankheit zu schützen, gibt der Bund keine Millionen aus. Neuerdings aber unterstützt der Schweizer Staat (BAG – Bundesamt für Gesundheit) eine Therapie, die MCS-Betroffene heilen soll, obwohl dieser die Krankheit nicht einmal anerkennt! (2)

Bei dieser Therapie geht es darum, die Amygdala (1) umzutrainieren: Amygdala Retraining. Das heisst laienhaft ausgedrückt, der MCS-Kranke wird darauf trainiert, vor den Auslösern keine Angst mehr zu haben und somit das aus der Kontrolle geratene Frühwarnsystem wieder auf einen „normalen Level“ runter zu fahren.

Jeder seriöse Umweltmediziner und körperlich erkrankte MCS-Patient weiss, dass eine solche Amygdala Retraining Therapie bei einem chemikaliengeschädigten Körper nicht helfen kann, genauso wenig, wie ein Lungenkrebspatient einfach nur durch Wegdenken seiner Krankheit, die Schädigung rückgängig machen kann. Einzig im Umgang mit der Krankheit, kann eine solche Therapie als Unterstützung hilfreich sein. Aber die entzündlichen Prozesse, die beim Kontakt mit einer Chemikalie auftreten, können schlicht und einfach nicht wegtherapiert werden, denn die Amygdala ist für unsere Emotionen zuständig und nicht für die biochemischen Abläufe in unserem Körper.

Es löst bei mir als MCS-Betroffene einfach nur Unverständnis aus, dass eine solche Heil verkündende Therapie, so schnell und so unvoreingenommen die Unterstützung des Ministerium für Gesundheit findet. Wie kann es sein, dass MCS-Kranke jahrelang um Anerkennung der Krankheit kämpfen, kein Gehör finden und dann mit einer solchen Haltung gegenüber einer solch fragwürdigen Therapie, das Thema MCS einmal mehr ad absurdum geführt wird?

Es gilt abzuwarten was passiert. Wenn das BAG erst mal von der Wirksamkeit dieser Therapie überzeugt ist, dann erleben wir vielleicht in einiger Zeit das blaue Dunstwunder, denn dann ist es naheliegend, diese Therapie auch für Raucher anzubieten, ganz nach dem Motto:

„Amygdala-Retraining – Rauch dich gesund!“

Autor: Purple Brain für CSN – Chemical Sensitivity Network, Schweiz, 8. Mai 2012

Anhang:

1. Die Amygdala ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und leitet die vegetativen Reaktionen dazu ein. Eine Zerstörung bei der Amygdala führt zum Verlust von Furcht- und Aggressionsempfinden und so zum Zusammenbruch der mitunter lebenswichtigen Warn- und Abwehrreaktionen. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2004 belegen, dass die Amygdala bei der Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung, also affekt- oder lustbetonter Empfindungen, unabdingbar ist, und vielleicht am Sexualtrieb beteiligt ist. (3)

2. Email Bundesamt für Gesundheit an CSN, 27.03.2012

Sehr geehrte Frau Müller

Das Bundesamt für Gesundheit (hier vertreten durch Fachstelle Wohngifte, Direktionsbereich Verbraucherschutz) hat dem Verein MCS-Liga Schweiz eine Unterstützung zugesagt für die Organisation eines Kurses, von dem dieser Verein überzeugt ist, dass es eine gute Sache für seine Mitglieder ist.
Generell sind wir der Ansicht, dass Ansätze, die auf Theorien erlernter Reaktionsmuster basieren, interessant und vielversprechend sein könnten für MCS-Patienten. Bis anhin wurden Dritte, welche Vorschläge in dieser Richtung vorgebracht hatten, von Seiten der Betroffenen scharf kritisiert, zuweilen wurde Ihnen sogar vorgeworfen, sie wollten MCS-Patienten „psychiatrisieren“. Wir begrüssen es daher ausdrücklich, dass eine entsprechende Initiative nun von Seite der Betroffenen bzw einer ihrer Organisationen kommt und möchten dies daher mit einem kleinen Beitrag an die organisatorischen Kosten unterstützen. Wir erhoffen uns, dass es dazu beitragen kann, die Lebensqualität zumindest einiger Betroffenen zu verbessern. Vor allem aber haben wir die Hoffnung dass solche Initiativen helfen können, die zuweilen extrem verhärteten Fronten im Streit  um „physische“ und „psychische“ Ursachen/Einflüsse beim MCS Phänomen aufzubrechen, um letztlich den Betroffenen auch neue Lösungswege erschliessen zu können.
Weder empfehlen wir eine bestimmte Therapie noch bestimmte Therapeuten. Wir beurteilen auch nicht die Qualität dieses Kurses.

Dass die Schweizerische Regierung Frau Hoppers DNRS Ansatz seit einiger Zeit beobachtet/verfolgt hat ist falsch. Eine vertiefte Evaluation und Beurteilung wurde keinesfalls durchgeführt; und schon gar nicht sprechen wir irgendwelche Empfehlungen für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen aus.

Selbstverständlich darf diese Antwort nun aber auch nicht als das Gegenteil interpretiert werden à la „Schweizer Regierung empfiehlt DNRS nicht!“  – etwa von Vertretern von „Konkurrenz-Produkten“ oder Kritikern von DNRS.
Das wäre dasselbe falsche Spiel!

Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen

Roger Waeber

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Direktionsbereich Verbraucherschutz
Fachstelle Wohngifte

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