NO HANDSHAKE PLEASE! – Eine Begegnung der ganz besonderen Art!

Aus dem Alltag mit MCS

Wir sind es gewohnt, jemandem die Hand zu geben, wenn wir ihn begrüssen. Das ist einfach normal! Oft ist das für mich als MCS-Betroffene aber mit grossen Schwierigkeiten verbunden. Denn wenn der- oder diejenige sich grade frisch parfümiert hat und die Spuren des Parfüms noch auf den Händen kleben oder vielleicht eine Handcreme, dann habe ich das nach der Begrüssung auf meiner Hand, und weil all diese Produkte heute so konzipiert sind, dass der Duft möglichst lange auf der Haut haften bleibt, bekomme ich diesen nur noch schwer weg. Und das wird dann für mich zum ernsthaften Problem, denn MCS-Betroffene reagieren auf geringste Spuren von Chemikalien mit schweren körperlichen Symptomen!

Wenn ich also einer Person begegne, deren künstliche Duftstoffe ich schon von weitem rieche, dann muss ich diese Form der Begrüssung vermeiden, weil das für meine Gesundheit gefährlich werden könnte. Natürlich muss ich dann immer erklären, warum das so ist und oft stösst es auf wenig Verständnis.

Heute aber war alles anders! Ich hatte ein Treffen mit einer Person, die mir einwenig Arbeit anbieten wollte. Es war sozusagen ein Bewerbungsgespräch. Wie immer mache ich mir bei solchen Terminen meine Gedanken. Was erwartet mich? Stosse ich auf Verständnis, wenn ich die Sache mit den Duftstoffen erkläre?

Nun denn, da mir nicht grad eine riesige Parfümwolke entgegenkam, zeigte ich mich mutig und streckte wie üblich meine Hand zur Begrüssung aus. Die Hand meines Gegenübers aber kam mir nicht entgegen! Ich muss sehr verdutzt drein geschaut haben, denn der Herr entschuldigte sich mehrmals und hat mich dann sehr höflich und fast verlegen darauf aufmerksam gemacht, dass er Jude sei und es ihm seine Religion nicht erlaube, mir die Hand zu geben.

WOW, was für ein Hammer!!! Eigentlich bin ich die, die sich ständig erklären muss!!!

Obwohl ich an seinem Äusseren leicht feststellen konnte, dass er Jude ist, so kannte ich doch diese Verhaltensregel nicht und als er mir erklärte, warum das so sei, da sagte ich ihm, wie sehr mir das doch entgegen käme und wie erleichtert ich wäre! Für einmal musste nicht ICH MICH erklären, sondern hat sich mein Gegenüber erklärt und damit wurde mir doch tatsächlich für dieses eine Mal was abgenommen! Er hat sich dann für meine Sache interessiert und wir kamen darauf zu reden, wie sehr doch jeder von uns auf das Verständnis des anderen angewiesen sei, denn er hätte eben auch schon erleben müssen, dass sein Verhalten oft auf Unverständnis stösst.

Schlussendlich war dann aber er erleichtert, dass ich erleichtert war. :-)

Und das sind die kostbaren Erlebnisse in meinem Alltag mit MCS. In solchen Momenten habe ich das Gefühl, im Anderssein nicht allein zu sein.

Autor: Astrid Falk-Schober für CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. Mai 2012

Bücher von Astrid Falk-Schober:

„Ich kann dich nicht riechen“ – Die Schattenseite der Duftstoffe (März 2008)
„Und bin nie wirklich angekommen“ (Kurzgeschichten, Aphorismen, Gedichte, 2003)
„Ist dieses Blatt nicht unsere Welt?“ (Bilder und Sinnsprüche, 1997)

Bei Interesse Mail an astrid.falk @ gmx.ch

Weitere CSN Artikel über das Leben mit MCS und Einschränkungen durch Duftstoffe im Alltag:

10 Kommentare zu “NO HANDSHAKE PLEASE! – Eine Begegnung der ganz besonderen Art!”

  1. Beobachter 10. Mai 2012 um 07:45

    Astrid hatte dieses Erlebnis, weil sie als Frau einem orthodoxen Juden begegnet ist – der sich streng an seine religiösen Vorschriften gehalten hat:
    Fremde Frauen sind „unberührbar“.

    http://www.gutefrage.net/frage/warum-geben-orthodoxe-juden-frauen-nicht-die-hand

    Einem männlichen Chemikaliensensiblen wäre das nicht passiert.
    Ihr war diese „Frauendiskriminierung“ aufgrund ihrer Duftstoff-Empfindlichkeit gerade recht – sie brauchte sich nicht sofort erklären wegen ihres „Anders-Seins“.

    Dieses Anders-Sein kann man aber m. E. nicht in einen Topf werfen mit dem Anders-Sein aus streng religiösen Gründen/Verhaltensregeln, die zudem noch geschlechtsspezifische Auswirkungen haben.

    Diese Auswirkungen sollten und müssen hinterfragbar sein, weil sie nicht ohne Weiteres zu akzeptieren sind.

    LG Beobachter

  2. Clarissa 10. Mai 2012 um 08:53

    Danke Beobachter für die Klarstellung. Orthodoxe Juden machen es nicht, denn die Frau könnte ja ihre Tage haben und damit wäre sie unrein und deshalb wird er keine fremde Frau berühren. Soviel Aufklärung musste jetzt sein.

    Das mit dem Hand geben habe ich schon in der Jugend verweigert, denn nachdem ich mitbekommen habe das viele Menschen es mit dem Hände waschen nicht so genau nehmen. Eine beliebte Falle im Alltag sind Türklinken, Einkaufswagen, Geld aus dem Automaten uvam.

    Lösungen? Gibt es eigentlich keine, außer man trägt Handschuhe, schon einfache weiße Baumwollhandschuhe sind da ein brauchbarer Schutz.

    Wie grüße ich heute die Menschen? Mit einem freundlichen Kopfnicken und nach vorne offenen Händen.

    Das mit dem Hände geben halte ich für eine furchtbare Unsitte und die beliebten Fingerquetschspiele als sehr abartig. Es gibt viele Kulturen wo man sich ohne diese Geste begrüßt und es wirkt kein bisschen unhöflich.

  3. Clarissa 10. Mai 2012 um 08:55

    Sorry ich vergaß, bei Moslems verhält es sich genauso wie bei den orthodoxen Juden.

  4. Galaxie 10. Mai 2012 um 10:22

    Beobachter,

    du hast vollkommen recht, das sehe ich genauso, das sind wirklich grosse Unterschiede, viele geben heute aus anderen Gründen nicht immer die Hand, wegen Viren und Bakterien und beim Einkaufen sehen Kassierer, dass ich ein Atemschutz trage und die meisten passen auf, dass sie mir nicht so das Geld geben, dass sie an meine Hände kommen, aber wissen ja nichts von MCS. Ich passe da auch immer auf, aber das Geld und Geldscheine sind auch parfümiert u.a. -.

    Der Vorteil von Astrid´s Erfahrung ist, die wir sie auch nachvollziehen können, sich nicht rechtfertigen zu müssen und wäre die Bevölkerung besser aufgeklärt, wie bei Menschen die z.B. ein Gipsarm tragen, dann sähe die Welt doch schon etwas anders aus für uns, aber das wird bezweckt von der Lobby u.a. vermieden und dazu gehört sogar eine Gruppe, die nennt sich „Gegen Diskriminierung von Menschen mit Behinderungen und Minderheiten“ die sogar ein tolles Video bei Youtube nach dem Motto:

    „§ Wir sind Menschen wie Du und Ich“
    http://www.youtube.com/watch?v=rbp9aVWIJS8

    rausgebracht haben und dort wird MCS bewusst nicht erwähnt und es ist verboten Beiträge dort einzubringen über diese Erkrankung. Es wird nur ein Beitrag, wenn überhaupt nur geduldet. Da sieht man wie widersprüchlich die Menschen sind und gerade da und das ist nur ein Beispiel…

    LG
    Galaxie

  5. Twei 10. Mai 2012 um 10:27

    Schön von Dir Astrid, dass Du ein Alltagsgeschehen geschildert hast, welchem ich ebenfalls ausgesetzt bin.

    Meinen „Mut“ jemandem die Hand zu schütteln, habe ich leider fast immer bereuen müssen, weshalb ich mittlerweile jenes strikt ablehne. Sollen die anderen doch damit klarkommen.

    Unter Kollegen wird manchmal gutmeinend gemunkelt „Michael Jackson“, weil er ängstlich gegenüber Bakterien und Viren gewesen sein soll und deshalb immer Handschuhe trug. (Was die so alle wissen…) Auf jeden Fall wird mein Ablehnen des Händeschüttelns, von meinen Gegenüber nicht negativ aufgenommen und mit meinen Krankheitserklärungen kommen meine Gegenüber auch zurecht (und wer mir gegenüber nicht nicht ehrlich ist, der soll doch dann bitteschön in seiner eigenen Wunschwelt glücklich werden).

    Das Händeschütteln ist nicht in allen Kulturen und zu allen Epochen in der Geschichte gleich geregelt gewesen. Wir leben heute in einer „freien“ Gesellschaft, wo es sich m.E. erübrigt, wie und wann und ob ich Überhaupt jemandem die Hand gebe.

    Es gibt auch viele Kulturkreise, wo eine Umarmung und das Küsschengeben gegenüber wildfremden Personen als höflich gilt…

    Was mir aber häufig passiert ist, wenn ich jemandem gegenüber bin, dass ich ihm noch zu erklären habe, dass ich mich aus seiner Windrichtung zu entfernen habe oder das ein gewisser Abstand einzuhalten ist.

    Ja… so ist das nun mal mit MCS bzw. diversen Allergien…

    Ich stehe auf dem Standpunkt, dass der Fehler bei den anderen liegt, da sie es vorgezogen haben eine „chemisch kultivierte Lebensart“ zu vertreten, die das „Natürliche“ als widerlich empfindet… (Nur kann ich dieses nicht jedem direkt erzählen…aus Höflichkeit…).

  6. Carsten 10. Mai 2012 um 11:07

    Erstaunlich das es aber ein Vorstellungsgespräch gab denn Orthodoxe Juden dürfen sich auch nicht mit einer Frau in einem Raum einschließen. Das ist unsittlich.

    Meine Cousine aus Sri Lanka hat mir nie die rechte Hand gegeben weil die bei denen die unsaubere ist.

    Ich trage bei Situationen wo ich jemandem die Hand geben muss immer von vornherein Vinylhandschuhe. Dann sage ich den Leute ich habe mich an der Hand verletzt oder sie verzichten direkt auf den Handschlag.
    Und durch meine Erziehung fasse ich sowieso ungerne Türklingen an. Ich mache das immer mit dem Jackenärmel und sprühe dann hinterher Sagrotan auf die Jacke. Natürlich mit Abstand denn von Sagrotan bekomme ich regelrecht Fieberanfälle.

  7. Silvia 10. Mai 2012 um 11:26

    Das mit dem Sagrotan solltest Du besser ganz sein lassen Carsten, das Zeug ist sehr bedenklich und kann DEine MCS erheblich verschlimmern.

  8. Astrid 10. Mai 2012 um 13:30

    @Carsten: Der Herr hat mich auch darauf aufmerksam gemacht, dass er die Türe während des Gesprächs offen lassen muss, aber das musste ich hier nicht erwähnen, denn mir ging es darum, dass mir das Thema Hände schütteln „abgenommen“ wurde, das mit der offenen Türe, ist mcs-technisch nicht relevant.

  9. Clarissa 10. Mai 2012 um 20:17

    Was soll das Sagrotan gegen Düfte ausrichten? Okay es ist ein Desinfektionsmittel aber das war’s auch schon.

    Ich möchte ausdrücklich vor dem Gebrauch von Desinfektionsmitteln warnen, jeder unsachgemäße Gebrauch macht wieder ein paar Stämme resistent.

    Um eine korrekte Desinfektion durch zu führen muss man sich sehr gut damit auskennen und das sehr gründlich und gewissenhaft durch führen. Und zur Überprüfung müsste man auch alle Nase lang einen Abklatsch machen und den bebrüten und dann die Keime bestimmen und auszählen!

    Mit Desinfektionsmitteln spielt man NICHT!

  10. Harutyun Melkonyan 22. März 2013 um 14:26

    Hallo.

    Praktiziere seit Jahren den Verzicht auf das Händeschütteln, aus hygienischen Gründen. Dies ist ein neuer Aspekt.

    Gruß

    Harutyun Melkonyan

    —————————————
    http://www.no-hands.de
    Händeschütteln vermeiden. Ist besser so.

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