Archiv der Kategorie ‘Umweltkrankheiten‘

Durchsichtige Strategie in der deutschen Umweltmedizin

Chemikaliensensitivität, ein Problem, das der Industrie unbequem ist

Im Jahr 1962 erschien in den USA das erste medizinische Fachbuch über Chemikaliensensitivität. Der amerikanische Allergologe Theron Randolph hatte seit 1945 Artikel und Fallbeispiele in Fachzeitschriften veröffentlicht. Der Mediziner stellte durch Beobachtungen bei seinen Patienten und durch kontrollierte Provokationstests an ihnen fest, dass sie auf geringste Konzentrationen bestimmter Chemikalien Symptome entwickelten. Ausführliche Anamnese enthüllte bei nahezu allen seinen Patienten, dass die initiale Ursache oder Ursachen Chemikalien waren. Bis heute, fünfzig Jahre später, wird versucht, das für die Industrie unangenehme Problem „Chemikaliensensitivität“ oder Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) als nicht existent abzutun.

In Deutschland negieren universitäre Einrichtungen und die Mehrzahl der niedergelassenen Mediziner immer noch, dass es Menschen gibt, die hypersensibel auf bestimmte Chemikalien reagieren. Wissenschaftliche Studien über die Folgen sensibilisierender Chemikalien und Belege für die Existenz von MCS und Chemikaliensensitivität werden für Deutschland als irrelevant und nicht gültig abgetan.

Die in der internationalen Wissenschaft für MCS verwendete Falldefinition, der „American Consensus“, die Chemikaliensensitivität bei Erkrankten identifiziert, wird ignoriert. Wenn eine Falldefinition überhaupt zum Einsatz kommt, ist es die in Zwischenzeit als unzuverlässig und fehlerhaft erkannte Definition des Industrieberaters Marc Cullen, die „Cullen Criterias“. Einfache Hilfsmittel, wie das QEESI Diagnosetool, die neben der Diagnosedefinition im Stande wären, Ärzten flächendeckend zu helfen, Chemikaliensensitivität schnell, einfach und ohne Kosten zu diagnostizieren, werden nicht kommuniziert.

Der in Deutschland für MCS anzuwendende Diagnosecode im ICD-10 lautet T78.4 und ist im Register für Verletzungen und Vergiftungen eingetragen. Er kann kinderleicht bereits mittels Smartphone und kostenlosem App von jedem gefunden werden. Trotzdem wird die Existenz des korrekten Codes und dessen Eingliederung in das Kapitel für Vergiftungen sogar von Medizinern und medizinischen Fachverbänden bestritten, obwohl der ICD-10 für jeden Mediziner verbindlich ist (Sozialgesetzbuch V). Der Code für MCS sei nicht auffindbar, heißt es notorisch.

Objektive, wissenschaftlich basierte Aufklärung in medizinischen Fachzeitungen, im Sinne dessen, was MCS tatsächlich ist, was die Erkrankung an Auswirkungen für den Erkrankten mit sich bringt und wie man jemandem mit MCS medizinisch helfen kann, findet nicht statt.

Die Situation, die man mit dieser durchsichtigen Vorgehensweise schafft, stellt sich wie folgt dar:

  • medizinische Versorgung für Chemikaliensensible ist, außer durch wenige Privatärzte, nicht existent. Seit einem Jahr gibt es ein einziges Krankenhaus in Hamburg, das über zwei Krankenzimmer verfügt, die für Chemikaliensensible bis zum mittleren Schweregrad bedingt geeignet sind.
  • Die soziale Versorgung der Chemikaliensensiblen obliegt dem Erkrankten und seiner Familie.
  • Anerkennungsverfahren zur Erlangung eines Behindertenstatus werden verschleppt, oder man deklariert Chemikaliensensitivität als psychische Störung und negiert damit den Stand der Wissenschaft und den internationalen medizinischen Sachstand.

Das wichtigste Ziel, das Verursacher für die bei ca. 15% der Bevölkerung auftretende Erkrankung erreicht sehen wollen, ist erfüllt:

Chemikaliensensible sind ohne Lobby, ohne adäquate medizinische Hilfe, und die Erkrankung bleibt im Wesentlichen undiagnostiziert.

Die Basis, damit Gerichtsverfahren gegen Verursacher gewonnen werden könnten, bleibt somit unerfüllt. Damit es so bleibt, werden von Zeit zu Zeit Publikationen veröffentlicht, die Chemikaliensensitivität als „neue Erkrankung, die erst erforscht werden muss“ oder als psychische Störung abtun.

Neuere Bestrebungen, die dazu dienen sollen, dass die Situation längerfristig kontrollierbar bleibt und um den Erkrankten psychisch bedingte Probleme unterzuschieben, sind „Leitlinien“, die man allgemeingültig installieren will, um Möglichkeiten zur Durchsetzung eines „bio-psycho-sozialen Konzepts“ zu schaffen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1, September 2012

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Beipackzettel zur NORAH-Fluglärm Studie

Fluglärmstudie, Notizen zu den Machern

Am 20.05.2011 berichtete der Gießner-Anzeiger über „Bisher größte internationale Studie zu Fluglärm

Prof. Thomas Eikman, Leiter des Institut für Hygiene und Umweltmedizin (IHUM) der Justus-Liebig-Universität (JLU) wird dafür bei 2000 repräsentativ ausgewählten Personen Blutdruckwerte erheben, die Herz-Kreislauf-Belastung und das Schlafverhalten untersuchen sowie die Teilmodule im Bereich Gesundheit koordinieren. Dafür stehen den Gießenern 1,6 Millionen Euro aus dem Gesamtkostenvolumen von 7,2 Millionen Euro zur Verfügung.

Nun, inzwischen ist die sogenannte NORAH-Studie in die Diskussion geraten.

Vielleicht haben viele Menschen zu wenig Informationen über solche Studien. Deshalb schreibe ich hier mal einen Beipackzettel zum Thema NORAH-Studie:

Wie kam Prof. Eikmann auf die Idee mit der größten Studie zu Fluglärm?

Hier ein Hinweis: 3/2010 • Hessisches Ärzteblatt

Zitat

„Vor diesem Hintergrund sollte angesichts der Besorgnis vieler Menschen in der Region statt einer weiteren Studie mit Sekundärdaten, die erneut nur Assoziationen erbringen, jedoch keine kausalen Zusammenhänge untersuchen kann, endlich der Forderung nach einem Gesundheitsmonitoring nachgekommen werden. Gerade die guten Daten aus der Region (Schreckenberg et al. 2009), welche insbesondere die möglichen Einflussfaktoren Lärmsensitivität und erlebte Wohnqualität, individueller Umgang mit Lärmbelastung detailliert erfragt und in die Bewertung mit einbezogen haben, sind als Ausgangsbasis für die weitere Untersuchung der aufgeworfenen Fragen besonders geeignet…“

weiterlesen hier:

Neue Studie zu Krebs durch Fluglärm – näher betrachtet

Autoren: Thomas Eikmann, Anja zur Nieden, Caroline Herr

Ja und was stellt denn ein Herr Schreckenberg zum Fluglärm fest?

Das UBA hat eine pdf online:

Zitat

„Die Annahme eines direkten Effekts der Flugverkehrsgeräusche auf die körperliche Gesundheit konnte allerdings nicht bestätigt werden. Aus der Stressforschung abgeleitete Annahme der vermittelnden Funktion psychischer Stressreaktionen wird bestätigt. Ein rekursiver Prozess ist hierbei wahrscheinlich, in Querschnittsstudien aber kaum nachweisbar. Zentrales Erfolgskriterium wirksamer Lärmschutzmaßnahmen ist die Reduktion psychischer und physischer Stressreaktionen….“

weiterlesen hier:

Betroffenheit durch Fluglärm am Beispiel des Frankfurter Flughafens

Mal schauen, was Prof. Guski so macht:

Umwelt-Wahrnehmung und Umwelt-Bewertung

Rainer Guski & Anke Blöbaum

Ruhr-Universität Bochum Fakultät für Psychologie Kognitions- und Umweltpsychologie

Zitat:

„Ähnlich wie bei der Geruchsbelästigung wirken auch bei der Lärmbelästigung unterschiedliche (Geräusch-) Quellenarten unterschiedlich belästigend. So zeigt die zusammenfassende Analyse von Bevölkerungsuntersuchungen zu Straßen-, Schienen- und Fluglärm (Miedema & Vos, 1998), dass Fluglärm bei vergleichbarer objektiver Belastung wesentlich lästiger wirkt als Straßen- oder Schienenlärm, was u. a. auf die stärkere potenzielle Gefährdung der Bevölkerung durch Abstürze zurückgeführt wird…

So konnten Finke, Guski und Rohrmann (1980) zeigen, dass die Belästigung durch Verkehrslärm auch abweichend vom Mittelungspegel je nach Uhrzeiten deutlich schwankte. Ebenso können auch personale Faktoren die empfundene Belästigung verstärken oder abschwächen. Hier sind besonders die individuelle Lärmempfindlichkeit, die subjektive Bewertung der Schallquelle und die Beurteilung eigener Bewältigungsstrategien zu nennen…“

Schon 2004 beschäftigte Prof. Guski sich interdisziplinär mit Fluglärm (übrigens nicht der Einzige aus der Psychoecke in diesem Arbeitskreis)

Fluglärm 2004 – Stellungnahme des Interdisziplinären Arbeitskreises für Lärmwirkungsfragen beim Umweltbundesamt

  • Prof. Dr. Rainer Guski, Bochum
  • Dir. und Prof. i. R. Dr. Hartmut Ising, Falkensee
  • Prof. Dr. Dr. Gerd Jansen, Heiligenhaus
  • Prof. Dr. Peter Költzsch, Dresden
  • Prof. Dr. Klaus Scheuch, Dresden
  • Prof. Dr. August Schick, Oldenburg
  • Prof. Dr. Wolfgang Schönpflug, Berlin
  • Prof. Dr. Manfred Spreng, Erlangen…“

Und noch mehr interessante Zusammenhänge gefunden im Hessischen Ärzteblatt

Links zu den genannten Unis und GmbHs aus dem Ärztenblattartikel:

Zitat aus Fluglärm und seine Auswirkungen auf die Gesundheit und Belästigung der Bevölkerung in der Rhein-Main-Region

D. Schreckenberg, T. Eikmann, C.E.W. Herr, U. Heudorf M., Meis, A. zur Nieden

Umweltmed Forsch Prax 14 (5) 2009

„Es zeigte sich ein deutlicher Zusammenhang zwischen den Fluglärmpegeln und der erlebten Lärmbelästigung. Die Belastungs-Wirkungsbeziehungen ergaben einen höheren Prozentanteil an Fluglärmbelästigten als anhand von generalisierten Dosis-Wirkungskurven aus der Literatur prognostizierbar. Hinsichtlich des Gesundheitszustands zeigte sich, dass die befragten Bewohner der Rhein-Main-Region im Vergleich zum Bundesdurchschnitt seltener erkranken. Ein direkter Effekt der Flugverkehrsgeräuschbelastung auf den Gesundheitszustand und die Medikamenteneinnahme im Sinne einer Zunahme von gesundheitlicher Beeinträchtigung mit steigendem Fluglärmpegel konnte dabei nicht nachgewiesen werden. Allerdings wurde eine Zunahme der Häufigkeit einzelner Gesundheitsbeschwerden und diagnostizierter Erkrankungen mit steigender Intensität der erlebten Fluglärmbelästigung festgestellt. Deutlicher noch waren die Assoziationen zwischen der individuellen Lärmempfindlichkeit und den berichteten Gesundheitsproblemen…“

Damit man sich ein Bild machen kann hier noch Prof.  Eikmann in einer Fernsehdiskussion.

 

„Doch sag ich nichts, was jemand kränkt!

Das könnte euch so passen!

Was man von Beipackzetteln denkt,

bleibt jedem überlassen.“

(Frei nach James Krüss)

Autor:

Juliane für CSN – Chemical Sensitivity Network, 13. August 2013

Weitere CSN Blogs zum Thema Flugverkehr:

Klinikum berichtet über 250 MCS Patienten

Kein Bedarf für spezielle Krankenzimmer für Behinderte?

Seit Sommer 2011 gibt es in Deutschland endlich ein Krankenhaus, das Umweltkranke mit MCS aufnehmen kann. Die Klinik in Hamburg ist die Einzige in ganz Deutschland. Weil sie hoch im Norden des Landes liegt und damit für Umweltkranke aus Süd- und Mitteldeutschland im Ernstfall fast unerreichbar, sind die eigens eingerichteten Umweltzimmer bislang unterbelegt. Umwelterkrankte aus dem Raum Stuttgart setzten sich dafür ein, dass auch in dieser Großstadt ein Krankenhaus Umweltzimmer einrichtet, um auch MCS-Kranken im süddeutschen Raum einen Klinikaufenthalt zu ermöglichen. Politiker der CDU wollten die an MCS Erkrankten unterstützen und fragten bei der Stuttgarter Stadtverwaltung nach. Der Leiter des Klinikums vor Ort führte eine Erhebung durch und stellte fest, dass man über 250 Patienten mit MCS versorgt hatte. Bedarf für spezielle Umweltzimmer wie in Hamburg sieht er trotzdem nicht. Obwohl MCS eine im ICD-10 unter Verletzungen und Vergiftungen, mit dem Code T 78.4 klassifizierte Krankheit ist.

Da Chemikaliensensitivität ab einem gewissen Schwergrad eine Behinderung darstellt, weil die Krankheit im Alltag stark einschränkt oder ihn völlig unmöglich macht und Aufenthalte in einer herkömmlichen Klinik nur mit weiterer gesundheitlicher Verschlechterung zu bewerkstelligen sind, sehen MCS-Erkrankte sich als benachteiligt gegenüber anderen Kranken und Behinderten an.

Krankenhausaufenthalt nötig, Krankenhaus unerreichbar

Für MCS-Kranke ist es schwer, Hunderte von Kilometern zurückzulegen, um behandelt zu werden. Der Transport in einem Krankenwagen ist wegen der teils schweren bis lebensbedrohlichen Reaktionen auf geringste Konzentrationen von Chemikalien nahezu unmöglich. Speziell ausgestattete Krankenwagen, wie es sie in den USA schon gibt, sind in Deutschland nicht verfügbar. Viele der Umweltkranken mit MCS sind nicht in der Lage, alleine zu reisen, es wäre schlichtweg unverantwortlich. Sie sind auf die Hilfe und ein Transportangebot eines Familienmitglieds oder Freundes angewiesen. Die Zumutbarkeit einer Wegstrecke von Süddeutschland nach Hamburg im Schmerzfall sei dahingestellt. Mit einer solchen mangelhaften Versorgungssituation ist kaum eine andere Patientengruppe in Deutschland konfrontiert.

MCS zu selten um angemessene Krankenzimmer bereitzustellen?

In der Südwestpresse wurde über die Anfrage der CDU und Stadtverwaltung beim Klinikum Stuttgart berichtet. Klinikleiter Claude Klier sagte gegenüber der Zeitung, es gäbe Zimmer im Klinikum, die einzelne Merkmale erfüllten, man habe bei einigen Klinikneubauten entsprechende Umweltstandards berücksichtigt und schadstoffarme Materialien verwendet. Umweltzimmer, wie es sie in Hamburg gibt, hält der Leiter des Stuttgarter Klinikums nicht für erforderlich und führt gegenüber der Zeitung interne Klinikstatistik an:

„Vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2012 wurden 27 Patienten mit der Hauptdiagnose MCS im Klinikum Stuttgart aufgenommen – verteilt auf neun unterschiedliche Klinken, inklusive Notaufnahme. Weitere 227 Patienten hatten diese MCS als Nebendiagnose“.

Ein konkreter medizinischer Bedarf bestünde nicht, sagte der Leiter des Klinikums im Interview.

Mike, User im CSN Forum, wollte das nicht ungeprüft lassen. Er recherchierte und fand Folgendes heraus:

„Wenn man von einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 8,5 Tagen ausgeht, dann wären das 254 x 8,5= 2159 Belegungstage in 1,5 Jahren. Ein Bett würde da gar nicht ausreichen.“

Als seltene Erkrankung sieht auch die EU-Kommissarin für Gesundheit MCS nicht an. In einer Stellungnahme verdeutlichte sie Ende 2009 das MCS im internationalen ICD-10 klassifiziert sei und die Definition einer seltenen Erkrankung nicht erfülle, dafür sei sie zu häufig. Die Bereitstellung einer angemessenen Gesundheitsversorgung obliege den einzelnen EU-Mitgliedsländern ließ EU-Kommissarin Androulla Vassiliou damals wissen.

Kaum Ärzte informiert über die Existenz der Hamburger Umweltzimmer

Die zwei Umweltzimmer der Hamburger Klinik sind bislang zwar noch unterbelegt, aber die MCS-Patienten, die bereits dort zur Behandlung waren oder um sich operieren zu lassen, waren durch die Bank großen Lobes. Man habe wirklich das Möglichste getan, um den Aufenthalt für MCS-Patienten verträglich zu machen und ihnen sei medizinisch hervorragend geholfen worden. Bislang gab es nur wenig mediale Berichterstattung über die beiden Umweltzimmer, das mag ein Grund sein, weshalb die beiden mit viel Mühe errichteten Spezialzimmer unterbelegt sind.

Wenn man mit Klinikärzten aus dem Bundesgebiet spricht, trifft man auf Wissbegier bezüglich der Thematik, und es ist davon auszugehen, dass ein informativer Artikel über das Hamburger Pilotprojekt im Deutschen Ärzteblatt mit Interesse gelesen würde. Ärzte, die in ihrem Praxisalltag mit MCS-Patienten in Not konfrontiert werden, hätten gerne eine Anlaufstelle, selbst wenn sie entfernt ist. Erst kürzlich verstarb eine MCS-Patientin, weil es kein Klinikangebot für diese Patientengruppe gibt und der Hinweis von CSN auf die Hamburger Klinik genau einen Tag zu spät kam. Die Patientin war in der Nacht zuvor verstorben.

Andere Länder ermöglichen MCS-Patienten Klinikaufenthalte

In den USA, Kanada und Australien bemüht man sich seit Jahren, die Bedingungen in Krankenhäusern zu optimieren, um auch Chemikaliensensible behandeln oder im Notfall versorgen zu können. Standardisierte Notfallinformationen für Rettungssanitäter und Ärzte, Leitlinien, die Krankenhäusern helfen sollen, MCS-Patienten im normalen Klinikalltag versorgen zu können, spezielle Klinikabteilungen mit Arbeitsanweisungen, wie man diesen hypersensiblen Patienten den Aufenthalt ermöglicht, all das gibt es in den USA, in Kanada und Australien. Dass solche Maßnahmen mit hohen Kosten verbunden sind trifft nicht zwangsläufig zu. Arbeitsanweisungen, Duftstoffverbote und einfache Regelungen sind beispielsweise mit keinen nennenswerten Kosten verbunden.

MCS-Patienten, Behinderte die kaum medizinische Hilfe erhalten

Umweltzimmer nach Hamburger Standard kosten zwischen 30.000 und 40.000€, führte der Leiter des Stuttgarter Klinikums gegenüber der Südwestpresse an. Für eine Privatperson mag diese Summe hoch anmuten, für ein Spezialzimmer in einer Klinik ist sie kein Kostenfaktor, der nicht zu realisieren wäre. Über EU-Subventionen ist es möglich, Kliniken umweltverträglicher und schadstofffreier zu konzipieren. Bei entsprechender Planung dürfte es durchaus im Rahmen des Machbaren stehen, dass weitere Umweltzimmer, wie die in Hamburg, in verschiedenen Regionen in Deutschland geschaffen werden. Mit entsprechender „Vermarktung“ im Sinne von Kommunikation über die medizinische Fachpresse und Eintrag in entsprechende Klinikregister dürften diese Spezialzimmer für Allergiker und Umweltkranke sicherlich über ausreichende Belegung nicht klagen müssen. Fast jeder Zweite in unserem Land ist Duftstoffallergiker. Unter Chemikaliensensitivität (MCS) in beachtenswertem Ausmaß leiden rund 10-15% der Bevölkerung, wenn man Prävalenzstudien aus anderen Ländern für eine Bedarfserhebung zugrunde legt, weil es keine verlässlichen deutschen Studien gibt.

Werden MCS-Kranke gegenüber anderen Kranken und Behinderten benachteiligt?

MCS kann in Deutschland im Einzelfall schon seit Jahren als Behinderung anerkannt werden. Es gibt Chemikaliensensible, die ihre Krankheit als Behinderung eingestuft bekamen. Doch auch ohne eine solche behördliche Anerkennung gilt eine durch Behinderung beeinträchtigte Person, laut UN Behindertenkonvention, als Behinderter, dem Hilfe zusteht. Deutschland hat die UN -Behindertenkonvention unterzeichnet. Die deutschen Patienten mit Chemikaliensensitivität oder MCS können jedoch, auch Jahre nach der Ratifizierung des Behindertenschutzgesetzes, immer noch an keinem normalen Alltag teilnehmen und erhalten kaum medizinische Versorgung zugestanden. Die Kernaussage des Gesetzes besagt, dass kein Behinderter vor einem anderen Behinderten bevorteilt oder benachteiligt werden darf und adäquate Hilfe erhalten muss, da er sonst gegenüber anderen Behinderten und Mitmenschen als diskriminiert gilt.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. August 2012

Literatur:

 

Weitere interessante CSN Artikel und Informationen zum Thema:

Renommierte Universität über Chemikalien-Sensitivität

MCS ist keine Allergie

Chemikalien-Sensitivität, in Deutschland häufig als „MCS“ bezeichnet, nimmt in seiner Häufigkeit zu. Obwohl wissenschaftliche Erhebungen ermittelten, dass rund 10-15% der Allgemeinbevölkerung unter Chemikalien-Sensitivität leiden, ist im medizinischen Bereich kaum Hilfe für die Erkrankten oder Fachwissen über die Umweltkrankheit anzutreffen. Das renommierte Johns Hopkins Hospital möchte mit einer informativen Beschreibung der Erkrankung dazu beitragen, die falsche These, „Chemikalien-Sensitivität“ sei eine Allergie, aus dem Weg zu räumen.

Führende Universität räumt Missverständnisse über Umweltkrankheit aus dem Weg

Die amerikanische Johns Hopkins University gehört zu den renommiertesten und bekanntesten Universitäten weltweit. Das zugehörige Johns Hopkins Hospital ist in der Wissenschaft und Medizin eine führende Institution. Auf der Webseite des JH Hospitals wird kurz und prägnant erläutert, was Chemikalien-Sensitivität ist und in welcher Relation Allergien dazu stehen:

„Chemikalien-Sensitivität wird nicht als allergische Reaktion betrachtet, weil es sich bei dieser Hypersensitivität nicht um Freisetzung von IgE (Immunglobulin E)-Antikörpern, Histamin oder anderen Chemikalien durch das Immunsystem handelt. Reaktionen auf bestimmte Chemikalien können jedoch ähnliche Reaktionen hervorrufen, wie sie bei Allergien erfahren werden.“

Chemikalien, die Chemikalien-Sensitivität auslösen

Weiterhin erfährt der Leser auf der Johns Hopkins Webseite, welche Chemikalien eine Hypersensitivität hervorrufen und dass es synthetische, wie auch natürliche Substanzen sind, die in folgenden Alltagsprodukten zu finden sind:

  • Teppichboden
  • Kunststoffe
  • Parfüms
  • Pflanzen
  • Farben
  • Zigarettenrauch
  • Schlecht belüftete Kaminöfen
  • Inhalativ aufgenommenes Ozon und Stickoxyd
  • Natürlich bedingte Umweltverschmutzung, wie bspw.: Staubstürme, Waldbrände oder ausgebrochene Vulkane
  • Von Menschen verursachte Umweltverschmutzung: Autoabgase, Ölraffinerien, Verbrennung fossiler Brennstoffe
  • Reinigungsflüssigkeiten
  • Pestizide

Fachinformationen erweitern medizinischen Kenntnisstand über Umweltkrankheit

Konstruktive Informationen, wie die der Johns Hopkins University, tragen dazu bei, dass Mediziner, Personal in Kliniken und Erkrankte ihren Kenntnisstand über Chemikalien-Sensitivität erweitern können. Fachinformationen wie diese, auch wenn sie noch um Vieles ergänzt werden könnte, sucht man auf Webseiten deutscher Universitätskliniken vergeblich.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. August, 2012

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Arbeitsschutz für Allergiker

Behörden setzen Rücksichtnahme auf Duftstoffallergiker durch

Das Benutzen von Parfüms, Bodylotions, Deo’s und anderen Duftstoffen an Arbeitsplätzen hat Dimensionen angenommen, die Behörden tätig werden lässt. Etwas Duft kann eine angenehme Bereicherung sein, wenn zu viel des Guten verwendet wird, werden Duftstoffe zur quälenden Last. Insbesondere in Büros, wo man auf engem Raum zusammen sitzt, kann das Parfüm oder Aftershave des Kollegen sogar zum handfesten Gesundheitsproblem werden. Für Allergiker, Asthmatiker und Chemikaliensensible (MCS) reicht ein wenig Parfüm, um die Arbeitsfähigkeit einzuschränken oder aufs Spiel setzen. Selbst ein kurzer Aufenthalt einer Person, die ein Parfüm oder Pflegeprodukt benutzt hat, das allergieauslösende natürliche Duftstoffe oder Chemikalien enthält, kann die Luft in einem Innenraum für viele Stunden belasten.

Die kanadische Bezirksregierung von Kootenay Boundary hat einer Arbeitsanweisung zur Minimierung von Duftstoffen und Parfüms am Arbeitsplatz höchste Priorität eingeräumt. Am 11. Juli 2012 trat die Leitlinie in Kraft. Seit einiger Zeit kann man nahezu wöchentlich über die Einführung solcher Regulierungen oder über Verbote von Parfüm und Duftstoffen bei Behörden, in Konzernen, auf Veranstaltungen, als auch in Schulen und Universitäten lesen.

Gründe für ein Duftstoffverbot

Die kanadische Bezirksregierung von Kootenay Boundary beschreibt in ihrer Leitlinie mit dem Titel „Scent-Sensitive Environment“ die Gründe für die nun in Kraft tretende Arbeitsanweisung. Man möchte die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Mitarbeiter und Besucher durch Minimierung von parfümierten Produkten die Umwelt- und Chemikaliensensitivität auslösen können, sicherstellen. Das Ziel der Leitlinie ist die Reduzierung der Verwendung stark gedufteter Produkte. Die Behörde hat insbesondere folgende problematische Produkte im Visier und bittet darauf zu verzichten, wenn sie parfümiert sind, bzw. auf duftfreie Alternativen auszuweichen:

  • Shampoo, Conditioner
  • Haarsprays
  • Deos
  • Parfüms, Aftershaves
  • Bodylotions, Cremes
  • Potpourri
  • Handseifen
  • Kosmetika
  • Lufterfrischer, Raumsprays
  • Aromatherapie Produkte
  • Duftöle
  • Beduftete Kerzen

Die Behörde ist bestrebt, Reinigungs- und Desinfektionsmittel zu finden, die verträglich sind und verspricht die Verwendung zu beobachten und im Falle von Unverträglichkeiten durch Ersatzprodukte Abhilfe zu schaffen.

Duftfreie Arbeitsplätze werden zur Norm

In USA und Kanada sind Arbeitsplätze, an denen ein „Duftstoff- oder Parfümverbot“ herrscht, keine Seltenheit mehr. Arbeitsplätze, an denen Duftstoffe und Parfüms reglementiert sind, stellen in diesen Ländern laut Dokument der Bezirksregierung von Kootenay Boundary zwischenzeitlich eine gewisse Norm dar. Ähnliche der Gesundheit von Angestellten an Arbeitsplätzen zuträgliche Bestrebungen sind in europäischen Ländern erst selten anzutreffen. Die Leitlinie wurde von der kanadischen Bezirksregierung als Teil eines umfassenden Programms für Arbeitssicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingeführt. Mitarbeiter, Leiter von Behörden wie auch Besucher sollen sich daran halten, um die Gesundheit ihrer Mitmenschen zu schützen.

Ist Verzicht auf Duftstoffe wirklich nötig?

Duftstoffe bestehen aus Chemikalien oder aus natürlichen Ölen, die allergene Wirkung haben können. Zusätzlich oxidieren solche ätherische Öle durch Licht-, Luft- und Ozoneinwirkung wodurch Schadstoffe freigesetzt werden. Es ist also keineswegs unbedenklich, wenn nur natürliche Duftöle / Aromaöle verwendet werden, oder bspw. Reinigungsmittel mit Zitrusöl. Beides, chemische und natürliche Duftstoffe belasten die Raumluft und können die Gesundheit einer Person erheblich beeinträchtigen. Folgende Gesundheitsbeschwerden durch beduftete Produkte, Parfüms, etc. werden häufig berichtet und auch in der Leitlinie für Arbeitssicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz angeführt:

  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Benebeltes Gefühl im Kopf
  • Übelkeit
  • Erschöpfung
  • Schwäche
  • Müdigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Depressionen
  • Angst
  • Taubheitsgefühle
  • Atemwegbeschwerden
  • Kurzatmigkeit
  • Hautirritationen
  • Tränende, gereizte Augen
  • Anaphylaxie

Kosten für die Umsetzung eines Duftstoffverbots am Arbeitsplatz

Duftfreie Seife für Seifenspender und Reinigungsmittel ohne Duft kosten nicht mehr als herkömmliche Produkte, wenn man etwas Preisvergleich betreibt. Die Kosten für die Umsetzung eines Duftstoffverbots sind abhängig von der Größe eines Unternehmens oder einer Behörde. Hinweisschilder, Schulungsmaterial und Aufklärungsbroschüren sind die Hauptposten. Wenn nicht viele Mitarbeiter über ein Duftstoffverbot informiert werden müssen, reicht oft eine einfache Dienstanweisung, die außer Mühe und Zeit, sie zu erstellen, keine oder kaum Kosten verursacht.

Rigoroses Verbot oder freiwilliges Verzichten auf Duftstoffe?

Ob an einem Arbeitsplatz ein rigoroses Duftstoffverbot eingeführt werden muss oder ob Aufklärung und die Bitte an Mitarbeiter und Besucher auf duftende Kosmetika zu verzichten, ausreicht, hängt von einigen Faktoren ab:

  • Kooperationswille der Mitarbeiter und Gebäudebesucher
  • Mitarbeiter, die schwere gesundheitliche Reaktionen durch Parfüms und Duftstoffe erleiden
  • Gesundheitsbewusstsein, Einsicht
  • Schrittweises Vorgehen aus Umsetzbarkeitsgründen
  • Zeitlicher Aufwand, Mitarbeiter über das Duftverbot zu informieren (Schulungen)
  • Duftstoffe vom Arbeitsplatz verbannen

Parfüms und Duftstoffe gehören zwar für viele Menschen zum Leben dazu, sie sind jedoch in keinster Weise notwendig. Jeder, der besorgt ist um das Wohlergehen und die Gesundheit seiner Mitmenschen, kann dazu beitragen, dass eine Firma, ein Betrieb oder eine Behörde barrierefreier und ein gesünderer Arbeitsplatz wird.

Unterstützen kann man die Einführung einer solchen Duftstoff-Reglementierung durch:

  • Hinweisschilder an Eingängen, auf Toiletten und in den verschiedenen Arbeitsbereichen
  • Eliminierung von Duftspendern auf Toiletten, statt dessen Einbau einer besseren Lüftung
  • Besonders eingeschränkten Mitarbeitern gestatten, einen Raumluftfilter in ihrem Arbeitsbereich einzusetzen, ihre Pausenzeiten frei wählen zu können, bei Erfordernis eine Aktivkohle-Schutzmaske verwenden zu dürfen
  • Telefon, Intranet, iMessage, Messenger, SMS und andere Möglichkeiten elektronischer Kommunikation nutzen, um Mitarbeiter mit schweren Gesundheitsproblemen vor massiver Duftstoffexposition zu warnen

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Juli 2012

Weitere CSN Artikel zum Thema:

„Funktionelle Leiden“ – Eine vorsätzlich gelegte falsche Spur?

Einspruch gegen das dänische liaisonpsychiatrische „TERM-Modell“

in einem neuen Buch von Bente-Ingrid Bruun

Die dänische Gesellschaft für Allgemeinmedizin [Dansk Selskab for Almen Medicin, DSAM] hat geplant, ein kleines, klinisches Handbuch zu funktionellen Leiden und Psychosomatik [Klinisk Vejledning om Funktionelle Lidelser og Psykosomatik] für Hausärzte herauszugeben, das im Oktober 2011 als Hearing-Entwurf verschickt wurde. Wie erwartet, kamen viele Hearing-Einsprüche von medizinischen Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen. Eine Anzahl dieser Einwände werden nun im Appendix des neuen Buchs von Bente-Ingrid Bruun veröffentlicht.

Mehr und mehr Kinder und Erwachsene klagen über Kopfschmerzen, Ruhelosigkeit, Unwohlsein, Gelenkschmerzen, Herzprobleme, Schlafstörungen, Müdigkeit, fehlende Konzentration und Missmut. Die Mehrheit hat aber keine funktionellen liaisonpsychiatrischen Leiden, wie es von Professor Per Fink behauptet wird. Fink ist für die Forschungseinheit für funktionelle Leiden und Psychosomatik, Aarhus, zuständig. Per Fink hat einen veralteten, neurologischen Brauch ausgebaut, mittels dessen Neurologen schon früh die Angewohnheit annahmen, in ihrem Gutachten subjektive Einschätzungen zu funktionellen Leiden abzugeben, wenn sie ausserstande waren, die Leiden ihrer Patienten zu diagnostizieren. Sie gaben psychosoziale Faktoren an, obwohl diese nicht nachgewiesen waren, und die Angewohnheit, funktionelle Einschätzungen zu verwenden, hat sich inzwischen bei Schwierigkeiten beim Diagnostizieren auch auf andere medizinische Fachgebiete ausgebreitet. Etliche Ärzte etwa haben Probleme damit, Schleudertraumen und Hypersensitivitäten wie MCS und EHS zu diagnostizieren, obwohl es schon nachgewiesen ist, dass die Umweltkrankheiten mit steigender Exposition zu chemischen Schadstoffen und drahtlosen Signalen wie WiFi und 3G zusammenhängen. Karenztherapie und Expositionsstop haben einen positiven Effekt auf die Erkrankten. MCS hat in Dänemark gerade eine selbständige Diagnose, DR688A1, im Klassifikationssystem des Gesundheitssystems bekommen.

Das angestrebte Ziel ist, subjektive Einschätzungen über funktionelle Leiden als liaisonpsychiatrische Diagnosen anzuerkennen. Menschen mit WHO klassizifizierten ICD-10 Diagnosen wie Fibromyalgie, werden damit ins dänische Patientenregister aufgenommen, als ob sie ein psychiatrisches Leiden hätten. Auf diese Weise vermehrt sich statistisch gesehen das Ausmass funktioneller Leiden, und die oben angeführte Behauptung lässt sich irrigerweise bestätigen.

Wie viele wissen, dass Menschen mit Umweltkrankheiten, chronischen medizinischen Krankheiten und Hypersensitivitäten wie MCS und EHS in der Zukunft bei ihren Hausärzten ihre Krankheiten in funktionelle Leiden konvertiert bekommen aufgrund eines veralteten ”TERM-Modells” ( The Extended Reattribution and Management Model), woraus belastende Umweltfaktoren aussortiert wurden? Symptombehandlung mit Medikamenten und kognitive Gruppentherapie werden die künftigen Haupttherapien darstellen, und die Beschwerden sollen nicht länger bei einem Facharzt untersucht und diagsnostiziert werden.

Es geht um eine kostensparende, individuelle, gesundheitspolitische Lösung eines steigenden Krankheitsproblems in der hochtechnologischen drahtlosen Gesellschaft, in der die Verantwortung für die Auswirkungen politisch-finanzieller Entscheidungen über u.a. drahtlose Gesellschaften auf die Schultern des einzelnen Kranken gelegt werden soll.

Haben Ärzte und Psychologen Überlegungen über Begrenzungen des liaisonpsychiatrischen Fachgebiets angestrebt?

Autor: Bente-Ingrid Bruun. Übersetzung: Dorte Pugliese für CSN – Chemical Sensitivity Network, 25. Juli 2012

Das Buch ”LIAISONPSYKIATRI og TERM-modellen – Fra forebyggelse til fejlbehandling?”

[Liaisonpsychiatrie und das ”TERM-Modell” – zur Vorbeugung zur Fehlbehandlung?] ist gerade beim dänischen BoD Verlag erschienen. Die Autorin ist Diplom-Psychologin Bente-Ingrid Bruun.

ISBN: 978-87-7114-734-6 – Preis: 125 DKK [? 17 EUR] im Buchhandel. Wird auch online verkauft.

Bente-Ingrid Bruun ist erreichbar per Email: bibruun@viljens-kraft.dk oder per Telefon: +45 2070-4432.

 

Weitere CSN Artikel über die Situation von Umwelterkrankten in Dänemark:

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“:

Gupta, Hopper, MCS und die Angst

Wird eine Therapie gegen Angststörungen als MCS-Therapie verkauft?

Seit rund einem Jahr machen zwei Therapien von Annie Hopper und Ashok Gupta von sich reden. Es steht die Behauptung im Raum, sie könnten Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS) heilen. Das Schweizer Ministerium für Gesundheit hat im Frühjahr 2012 ein Seminar mit Annie Hopper gesponsert und äußerte sich folgendermaßen dazu:

Roger Waeber, Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Bundesamt für Gesundheit BAG, Direktionsbereich Verbraucherschutz, Fachstelle Wohngifte:

„..Generell sind wir der Ansicht, dass Ansätze, die auf Theorien erlernter Reaktionsmuster basieren, interessant und vielversprechend sein könnten für MCS-Patienten. Bis anhin wurden Dritte, welche Vorschläge in dieser Richtung vorgebracht hatten, von Seiten der Betroffenen scharf kritisiert, zuweilen wurde Ihnen sogar vorgeworfen, sie wollten MCS-Patienten „psychiatrisieren“. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass eine entsprechende Initiative nun von Seite der Betroffenen bzw. einer ihrer Organisationen kommt und möchten dies daher mit einem kleinen Beitrag an die organisatorischen Kosten unterstützen. Wir erhoffen uns, dass es dazu beitragen kann, die Lebensqualität zumindest einiger Betroffenen zu verbessern. Vor allem aber haben wir die Hoffnun dass solche Initiativen helfen können, die zuweilen extrem verhärteten Fronten im Streit um „physische“ und „psychische“ Ursachen/Einflüsse beim MCS Phänomen aufzubrechen, um letztlich den Betroffenen auch neue Lösungswege erschließen zu können…“ (1)

Die australische MCS Aktivistin Catherine McIver möchte nicht ungeprüft im Raum stehen lassen, dass es sich bei der Gupta und Hopper Therapie tatsächlich um MCS-Therapien handelt, denn bei näherer Betrachtung könnte es sich auch ganz einfach um Therapien zur Behandlung von Angststörungen und Traumata handeln.

Catherine Mclver’s Gedanken dazu:

Gupta, Hopper, MCS und die Angst

Psychogene Theorien über Multiple Chemical Sensitivity (MCS) wurden diskreditiert (siehe Martin Pall Abschnitt über „Psychogene Ansprüche“). Menschen mit MCS haben hart daran gearbeite ihre Mitmenschen, angefangen von Familienmitgliedern bis zu Regierungsbeamten, davon zu überzeugen, dass MCS kein Angstproblem ist. Deshalb ist es seltsam und befremdlich, dass es man Begeisterung für die „Erklärungen“ zweier Menschen zu MCS antrifft und über deren Behandlungsprogramme, befremdlich deshalb, weil diese beiden (Gupta, Hopper) glauben, dass MCS ein Angstproblem sei.

Ashok Gupta (Gupta Amygdala Retraining™) sagt:

„Zusammenfassend gesagt ist MCS eine konditionierte Reaktion des Gehirns auf eine Chemikalie, von der es denkt, sie ist gefährlich…

Warum entwickeln manche Leute MCS, und andere, die der gleichen Chemikalie ausgesetzt sind, nicht?

Das ist so, weil das „Gehirn programmiert ist“, weil sein „Software-Programm“ wenn Sie so wollen, während eines traumatischen Ereignisses verändert wird. Nach diesem initialen, sensibilisierenden Ereignis beginnt das Gehirn dieser Person auf andere Weise zu reagieren.

Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass jemand mit einer hyper-erregten Amygdala (z.B. mit einer Krankengeschichte in der Angst, Panikstörung, etc. vorzufinden sind) anfälliger ist, und desto anfälliger sind diese Menschen auch für die Entwicklung einer MCS, weil die Amygdala empfindlicher gegenüber neuen Bedrohungen ist.“ (Gupta Programm (2))

C. McIver: Eine alternative Antwort auf Gupta’s Frage, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhend, ist, dass genetische Unterschiede in Bezug darauf, wie Chemikalien metabolisiert werden, manche Menschen anfälliger für MCS werden lassen. Für sechs Gene wurden bisher damit in Zusammenhang gebracht. Siehe The Tenth Paradigm für weitere Informationen über diese Forschung. Außerdem muss man sich daran erinnern, dass Menschen MCS auch ohne „traumatisches Erlebnis“ entwickeln können.

Annie Hopper (Dynamic Neural Retraining-System TM) sagte in einem Interview:

„Mit einer MCS entwickeln wir eine konditionierte abnorme Angstreaktion vor Chemikalien durch eine gestörte Funktion des limbischen Systems durch die wiederkehrenden traumatischen Muster  im Gehirn. Angst stimuliert die Amygdala, löst „Kampf- oder Flucht-Reaktionen“ aus.“ (3 )

Auf ihrer Website sagt Annie Hopper:

„Das häufigste, primäre Merkmal bei Multipler Chemikalien Sensitivität ist eine abnorme und erhöhte Fähigkeit, Chemikalien in der Umwelt zu erkennen, vor allem durch den Geruchssinn und über den Geschmackssinn.

Das Erkennen wird von einer Vielzahl von körperlichen Reaktionen, einer unmittelbaren, ungesunden Stimulus-Antwort und von starker Abneigung gegen Chemikalien begleitet…“ (4)

C. McIver: Beachten sollte man, dass Menschen mit MCS auf Chemikalien reagieren, nicht auf den „Geruch“ von Chemikalien. Sie reagieren auf sie, ganz gleich ob sie diese wahrnehmen können oder nicht. Auch haben Menschen mit MCS nicht unbedingt eine „starke Abneigung gegen Chemikalien“, genauso wie Menschen, die allergisch gegen Katzen sind, nicht unbedingt eine schwere Abneigung gegen Katzen haben.

Mancher mag sich fragen, warum denken Gupta und Hopper, dass MCS mit Furcht und Angst in Zusammenhang steht. Die nachfolgenden Zitate könnten die Antwort liefern.

Annie Hopper schrieb über ihre eigene MCS:

„Sorge war der Gedanke am Morgen, Nachmittag und Abend. Manchmal lehnte ich mich einfach zurück und beobachtete meine Gedanken, und sie erschienen mir buchstäblich wie ein endloser Strom von Sorgen. Dies wurde in hohem Maße beunruhigend für mich, weil ich dachte, ich hätte bereits die Werkzeuge in der Hand, um diesen Prozess zu stoppen. Doch Nichts, was ich versuchte, konnte es verhindern. „(5)

Ashok Gupta sagte in einem Interview:

„Ich konnte fühlen, dass mein Körper voller Adrenalin war, oder wie auch immer Sie es nennen wollen, – konnte fühlen, dass ich am Ende war. Ich saß zu Hause, konnte fühlen, dass einige Reaktionen in meinem Körper vor sich gingen – einige Stress-Reaktionen – und wenn ich mit jemandem sprach oder in eine leicht stressige Umgebung kam, spürte ich das Pumpen meines Herzens, aber es war keine Angst per se – das Gefühl war verschieden zu Angst. Ich hatte immer etwas Angst in meinem Leben, aber Nichts war vergleichbar mit dieser völligen Erschöpfung. Es war etwas Einzigartiges, was da passierte. Also fing ich an, mich über Stressreaktionen und Angststörungen umzuschauen.

Ich schaute in die neuesten Forschungsergebnisse, was es ist das schwere Angst verursacht – die Antwort war die Amygdala. Ich las Joseph Ledoux’s Arbeit und sagte zu mir selbst, weißt du dieses Zeug ist genau das, was ist los in meinem Körper und ich sah mir die ganze CFS-Literatur an und fügte all das zusammen so gut es ging und sagte mir, dass da wirklich ein offensichtlicher Mechanismus ist. “ (6)

Ist die Erfahrung von Angst, die Gupta und Hopper erlebten, nun typisch für Menschen mit MCS?

Weit davon entfernt. Caress und Steinemann führten eine Prävalenz Studie über MCS in Atlanta, Georgia durch und man fragte die Menschen mit MCS weitere Fragen, darunter auch einige über psychische Erkrankungen. Caress und Steinemann schrieben in ihrem Bericht: (7)

  • Nur 1,4% (n = 1) der Befragten berichteten über Depressionen, Angst oder andere emotionale Probleme, bevor ihre Symptome erstmalig auftraten.
  • Weitere 5,8% (n = 4) antworteten, dass ihnen nichts davon bekannt war, ob sie emotionale Symptome hatten oder nicht, bevor sich ihre Überempfindlichkeit auf Chemikalien entwickelte.
  • Nur 4,3% (n = 3) der Befragten hatte je irgendwelche Medikamente wegen emotionaler Probleme genommen, bevor die Reaktionen durch ihre Überempfindlichkeit einsetzten.
  • Im Gegensatz dazu gaben 37,7% (n = 26) der Befragten an, dass sie Depressionen, Angst oder andere emotionale Probleme erst erlebten, nachdem sie die Überempfindlichkeit auf Chemikalien entwickelt hatten.
  • 27,5% (n = 19) hatte einige Medikamente wegen emotionaler Probleme nach dem Beginn von ihres Gesundheitszustandes genommen.

Angst-und Panikattacken können eine ganze Reihe von Symptomen auslösen:

Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Herzklopfen, Atemnot, Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen, diese Symptome könnten mit MCS Symptome verwechselt werden. Natürlich ist es möglich, beides – MCS und Angst – zu haben. Genauso kann es aber auch Personen geben, die sich von MCS erholen (oder teilweise erholen), aber weiterhin Angst haben.

Autor: Catherine McIver, Gupta, Hopper, MCS and anxiety, 12. Januar, 2012

Vielen Dank an Catherine McIver / Multiple Chemical Sensitivity, dass wir den Artikel übersetzen und veröffentlichen duften.

Antext und Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Literatur:

  1. Schreiben des Schweizer Bundesamt für Gesundheit an CSN, 27.03.2012
  2. Gupta Programme, Explain MCS, Gupta Webseite
  3. Planet Thrive, Rewiring the chemically sensitive Brain, 10, 2009
  4. DNR system, MCS, Webseite Hopper
  5. Hopper, Emotional Rescue, Multiple Sensitivity Cure, Webseite Hopper
  6. EI Ressource, Phoenix rising, Ashok Gupta – Amygdala Retraining Techniques
  7. Caress SM, Steinemann AC 2003. A Review of a Two-Phase Population Study of Multiple Chemical Sensitivities. Environ Health Perspect 111:1490-1497

 

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Chemikalien in Kosmetika können Diabetes-Risiko bei Frauen erhöhen

Weichmacher in Körperpflegemitteln, Medikamenten und Medizinprodukten gefährden die Gesundheit

Kosmetika enthalten häufig eine ganze Anzahl von unterschiedlichen Chemikalien. Zum Teil haben diese Substanzen, die in vielen Bodylotions, Nagellacken, Seifen, Haarsprays, Parfüms, Aftershaves, etc. nachzuweisen sind, weitreichende Auswirkungen auf unseren Hormonhaushalt. Wissenschaftler aus Dallas fanden jüngst einen Zusammenhang zwischen erhöhten Konzentrationen bestimmter Phthalate im Körper und einem erhöhten Risiko für Diabetes bei Frauen. Diese als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzte Chemikaliengruppe ist in den Kosmetika oft anzutreffen. Phthalate werden auch in Klebstoffen, Elektronik, Spielzeug und einer Vielzahl von anderen Produkten verwendet.

Phthalate verstärken Risiko, an Diabetes zu erkranken

Wissenschaftler des renommierten Brigham and Women‘s Hospital (BWH) in Dallas untersuchten die gesundheitlichen Auswirkungen von Phthalaten. In der groß angelegten Studie analysierten Forscher unter der Leitung von James Tamarra-Todd, Ph.D. die Urin-Konzentrationen von Phthalaten bei 2.350 Frauen. Die Probanden der in der medizinischen Fachzeitschrift „Environmental Health Perspectives“ veröffentlichten Studie hatten zuvor an einer Befragung zur nationalen Gesundheit der US Bundesbehörde „National Institute of Environmental Health Sciences“ teilgenommen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Frauen mit höherer Phthalat-Konzentration im Urin häufiger unter Diabetes leiden als solche mit geringerer Weichmacherbelastung.

Diabetes-Risiko bis zu 70% erhöht durch Weichmacher in Kosmetik

Die Wissenschaftler spezifizierten ihre Erkenntnisse, um deutlich zu machen, welche weitreichenden Auswirkungen die unterschiedlichen Phthalate in Kosmetika auf die Gesundheit haben können:

  • Bei den Frauen in der Studie, bei denen die höchsten Werte von Mono-Benzyl Phthalate und Mono-Isobutyl Phthalate nachgewiesen wurden, stellte man ein fast doppelt so hohes Risiko, an Diabetes zu erkranken, fest, als vergleichsweise bei den Frauen mit den niedrigsten Werten dieser Chemikalien im Urin.
  • Frauen mit einer etwas höher als dem Mittelwert liegenden Belastung von Mono-(3-Carboxypropyl) Phthalat im Urin hatten ein um etwa 60 Prozent erhöhtes Risiko für Diabetes.
  • Studienteilnehmerinnen mit mäßig hohen Belastungswerten der Chemikalienkombination Mono-n-Butyl-Phthalat-und Di-2-ethylhexylphthalat hatten etwa ein 70 Prozent erhöhtes Risiko für Diabetes.

Weitere Ursachenforschung notwendig

Einen Unsicherheitsfaktor gibt es jedoch in der Studie. Es steht zwar außer Frage, dass Phthalate mit Diabetes in Zusammenhang stehen und dass die Stichprobe einen repräsentativen Querschnitt für die Bewertung eines Risikofaktors für Diabetes in der weiblichen amerikanischen Bevölkerung darstellt. Doch obwohl die vorliegenden Forschungsergebnisse Rückschlüsse auf das Vorhandensein einer Phthalat-Belastung bei amerikanischen Frauen zulassen, bedarf es weiterer Absicherung der Kausalitätskette. Warum dies so ist, erläutert Studienleiter James Tamarra-Todd, Ph.D. von der Abteilung für Frauenheilkunde am BWH:

„Dies ist ein erster wichtiger Schritt in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Phthalaten und Diabetes“, sagte Dr. James-Todd. „Wir wissen, dass zusätzlich zu den in Körperpflegemittel verwendeten Phthalate in bestimmten Arten von medizinischen Geräten und in Medikamenten zur Behandlung von Diabetes vorhanden sind, das könnte ebenfalls erklären, warum Phthalate bei Frauen mit Diabetes in so hohen Konzentrationen nachweisbar sind. Also insgesamt wird mehr Forschung benötigt.“

Verbraucherschutz

Welche Konsequenzen seitens der Entscheidungsträger in Behörden und bei den Herstellern aus der aktuellen Studie gezogen werden, bleibt abzuwarten und kann dauern. Verbraucher können sich nur bedingt schützen, bis die Weichmacher in Kosmetika, Medizinprodukten und Medikamenten verboten werden.

Zwei der gängig in Kosmetika verwendete Phthalate müssen auf der Verpackung von Kosmetika angegeben werden und können unter den Kürzel DMP und DEP identifiziert werden. Einige andere Phthalate sind in Deutschland durch die Kosmetikverordnung verboten. Welche Chemikalien in nachgemachten Parfüms und anderen Kosmetika aus unsicheren Quellen zu erwarten sind, kann niemand einschätzen, und man ist gut beraten, auf solche unsicheren Produkte zu verzichten.

Bei Medizinprodukten und Medikamenten ist die Situation noch schwieriger. In diesen Bereichen hat man gerade erst begonnen, mögliche Ersatzchemikalien für die gesundheitsschädlichen Phthalate zu finden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. Juli 2012

Literatur:

Brigham and Women’s Hospital, Chemicals in personal care products may increase risk of diabetes in women, Environmental Health Perspectives, 13. Juli 2012.

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Grobe Missstände bei Antibiotika-Einsatz in Massentierhaltungen von NRW aufgedeckt

Bundesregierung muss endlich handeln

Berlin/Düsseldorf: „Die Geflügelindustrie hat den Einsatz von Antibiotika überhaupt nicht im Griff und gefährdet damit die Gesundheit der Bevölkerung“, kommentierte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die heute veröffentlichten Studienergebnisse über Antibiotika im Tränkewasser nordrhein-westfälischer Geflügelmastanlagen. Dem unkontrollierten Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung müsse endlich ein Riegel vorgeschoben werden, forderte Weiger.

Das Verbraucherschutzministerium in NRW habe in 62 Prozent der untersuchten Puten- und Masthühneranlagen grobe Missstände beim Einsatz von Antibiotika festgestellt. So wurden mehrere Antibiotika im Trinkwasser nachgewiesen, die teilweise schon seit Jahren nicht mehr zur Behandlungen eingesetzt wurden. Die Medikamente seien im Tränkesystem der Massentierhaltungen verschleppt worden. Darüber hinaus seien auch nicht speziell zugelassene Antibiotika zum Einsatz gekommen.

Weiger: „Hauptursache für den Antibiotikamissbrauch sind die miserablen Haltungsbedingungen in den Anlagen und die fehlende Kontrolle des Medikamenteneinsatzes. Doch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner versagt bislang bei der Aufgabe, hier gegenzusteuern. Beim geplanten neuen Tierschutzgesetz sucht man vergeblich nach besseren Tierschutzstandards. Und das Arzneimittelgesetzt lässt der Geflügelindustrie Hintertüren offen, so groß wie Scheunentore.“ Um die Verbraucher wirkungsvoll vor Antibiotikaresistenzen zu schützen, müsse Ministerin Aigner dringend nachbessern und sofort strengere Tierschutz- und Arzneimittelgesetze vorlegen. Geschehe dies nicht, müsse der Bundesrat alle Widerspruchsmöglichkeiten ausschöpfen.

Die Studienergebnisse zeigten, dass industrielle Mastanlagen mit ihren typischen Tränkesystemen beim verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika versagten, so der BUND-Vorsitzende. Antibiotikareste, die in den Tränkerohren von Riesenmastanlagen hängen blieben, würden offenbar von den Betreibern ignoriert. Dabei könnten schon Kleinstmengen an verschleppten Antibiotika Resistenzen bewirken.

„Die Untersuchung in NRW offenbart eine neue Dimension der Risiken der Agrarindustrie. Da der Einsatz der Antibiotika noch immer nicht zentral erfasst, geschweige denn flächig kontrolliert wird, haben Betreiber von Massentierhaltungen keinen Anlass, sorgfältig mit den Medikamenten umzugehen. Je schlampiger der Einsatz jedoch ist, desto eher bilden Keime Resistenzen gegen die Wirkstoffe“, sagte Weiger: Die Kontrollen müssten deshalb deutlich erhöht und im Missbrauchsfall wirksame Sanktionen erteilt werden können.

Der BUND forderte Ministerin Aigner auf, unverzüglich eine arzneigesetzliche Grundlage zu schaffen, nach der jeder Einsatz und jede Verschreibung vom Tierhalter und Tierarzt digital dokumentiert werden müssten. Ein Ampelsystem müsse Behörden automatisch und in Echtzeit ermöglichen, nachzuvollziehen, welche Betriebe zu hohe Mengen einsetzten und welche Tierärzte auffällige Mengen verschrieben. Untersuchungen wie in NRW müssten zudem auch in allen anderen Bundesländern vorgenommen werden, um die repräsentative Datenlage zu verbessern.

Autor: BUND, Reinhild Benning, BUND-Agrarexpertin, Presseerklärung vom 3. Juli 2012

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Chronische Erschöpfung verursacht enorme Kosten

Ständig müde und erschöpft

Chronische Müdigkeit ist häufiger Grund für einen Besuch beim Hausarzt, doch einige dieser Patienten berichten, dass sie mit ihren Symptome nicht ernst genug genommen werden. Man glaubt ihnen einfach nicht. Nahezu eine von zehn Personen in der Bevölkerung leidet irgendwann in ihrem Leben länger als sechs Monaten unter extremer Erschöpfung und ausgeprägter anhaltender Müdigkeit.

Ärzte wissen oft nicht weiter

Viele Ärzte unterschätzen es, welche Auswirkungen völlige Erschöpfung und permanente Müdigkeit auf das Leben eines Patienten hat. Wissenschaftler vom Kings College in London untersuchten, welche wirtschaftlichen Auswirkungen chronische Müdigkeit auf Patienten hat, welche Hilfe sie von Hausärzten erhielten und auf welche Weise die Krankheit den Erkrankten und ihren Familien Kosten verursacht. In sehr vielen Fällen wären die enormen Kosten vermeidbar, wenn tatsächliche Ursachen von chronischer Erschöpfung besser kommuniziert und Prävention betrieben würde.

Arbeitsplatzverlust durch Erschöpfung und Müdigkeit

Für die Studie wurden Patienten aus 29 Allgemeinarztpraxen in London und aus den South Thames Regionen, die unter ungeklärter Erschöpfung litten, mittels Fragebogen bewertet. Es wurde erkundet, welche medizinische Versorgung die Patienten in den letzten sechs Monaten erhalten hatten und ob sie ihre Arbeit in dieser Zeit wegen der Erschöpfung verloren hatten. Die Wissenschaftler setzen Regressionsmodelle ein, um Faktoren und Abweichungen der jeweiligen finanziellen Auswirkungen bei den einzelnen Patienten zu identifizieren und zu erklären.

Erschöpfung verursacht Kosten für den Patienten und seine Familie

Die durchschnittlichen Gesamtkosten für Dienstleistungen, Arztrechnungen und Verluste durch Arbeitsunfähigkeit lagen bei den 222 Patienten, die an der Studie teilnahmen, bei etwa 4800 Euro für den Zeitraum von sechs Monaten. Bei dieser Summe entfielen 13% des Betrages auf Dienstleistungen, 61% wurden durch Arbeitsunfähigkeit und 26% durch Pflege des Erkrankten verursacht. Die Wissenschaftler stellten fest, dass die Verteilung der jeweiligen Gesamtkosten für den Patienten und dessen Familie zu den aussagekräftigsten Faktoren gehört, die in Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung und dessen sozialer Funktionsfähigkeit steht.

Entgegenbringen von Verständnis bringt keine Heilung

Die volkswirtschaftlichen Kosten, die durch chronische Müdigkeit produziert werden, sind hoch und werden in erster Linie von den Patienten und ihren Familien getragen. Unterstützung durch Versicherungen und Behörden sind selten. Ein genaues Nachfragen bei den Patienten, wie sich die funktionellen Folgen der Ermüdung im individuellen Fall auf das soziale und berufliche Leben auswirken, kann behandelnden Ärzten helfen besser zu verstehen, welche Auswirkungen die chronischen Müdigkeit auf den Alltag und das Berufsleben hat und wie sich mache Patienten fühlen, wenn ihnen nur Misstrauen entgegen gebracht wird. Es wäre jedoch falsch davon auszugehen, dass dieses Entgegenbringen von Verständnis ausreicht, um bei einem Patienten nachhaltige Besserung zu erzielen.

Aus- und Fortbildung verbessern, Krankheitsursachen aufdecken

Angemessen hinsichtlich Schwere und den Auswirkungen wäre, dass Ärzte in die Lage versetzt werden, Patienten mit chronischer Erschöpfung umfassende Anweisung zur Gestaltung ihres Alltags und ihres Umfeldes zu geben. Ärzte sollten durch Fortbildungen darin geschult werden, die tatsächlichen Ursachen für die chronische Erschöpfung bei ihren Patienten zu finden. Hierzu gehören oft schadstoffbelasteter Wohnraum oder Arbeitsplatz, weitreichenden Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Eine Änderung der Situation muss für den Patienten nicht zwangsläufig mit hohen Kosten verbunden sein. Das Weglassen eines allergieauslösenden Nahrungsmittels beispielsweise kostet nichts.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 21. Juni 2012

Literatur:

Sabes Figuera-R, P McCrone, Hurley M, König M, Donaldson AN, Ridsdale L., The hidden cost of chronic fatigue to patients and their families, BMC Health Serv Res. 2010 Mar 4; 10.56.

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