Leben mit Chemikalien-Sensitivität – ein Alltag mit vielen Einschränkungen

Alltag, Normalität - nicht für Menschen mit Chemikalien-Sensitivität

Der Alltag besteht aus vielem, das wir als selbstverständlich hinnehmen. Wir – als gesunde Normalbürger. In unserer Gesellschaft gibt es einen etwa 15%-igen Anteil von Menschen die unter MCS, Chemikalien-Sensitivität leiden. Was von Gesunden als selbstverständlich im Leben erachtet wird, ist für diese Mitmenschen alles andere als selbstverständlich. MCS-Kranke müssen ihren ganzen Tagesablauf vorausplanen, um nicht mit Chemikalien in Kontakt zu geraten. Doch selbst eine gute Vorausplanung ist keine Versicherung, dass ein Tag zu Ende geht ohne doch Reaktionen auf Alltagschemikalien erlitten zu haben. Nachfolgend ein Auszug, was im Leben von Chemikaliensensiblen anders ist, worauf diese Mitmenschen verzichten müssen.

Chemikaliensensible müssen verzichten:

  • Sich mit 99% aller Körperpflegemittel und Kosmetika, die es im Handel gibt, zu waschen, cremen, schminken oder parfümieren, Haare zu färben, tönen, spülen usw. Das gilt auch für die Familienmitglieder, die mit in der Wohnung sind und alle Besucher der betreffenden Familie, wenn sie die Betreffenden besuchen wollen.
  • Die Verwendung von 99% aller Hauhaltsprodukte für das Waschen und Pflegen der Wäsche, Möbel, Einrichtungsgegenstände, Fußbodenbeläge, Fenster, des Bades usw.
  • Die Einrichtung der Wohnung mit neuen Möbeln, sofern sie nicht aus Glas, Metall oder unbehandelten Bambus bestehen.
  • Das Auslegen der Fußböden der Wohnung mit textilen Fußbodenbelägen aus Kunstfasern oder behandelten Naturfasern, Kork oder Linoleum. Des Weiteren, wenn sie einen Kunststoffrücken oder gummiert bzw, mit Latex versehen sind. Tabu sind auch Laminat und PVC-Beläge.
  • Der Aufenthalt in Räumen, die direkt mit Gas, Öl, Holz oder Kohle beheizt werden oder in denen Rauchgase, Verkehrsabgase, Zigarettenrauch, Industrieabgase sowie Lösungsmitteldämpfe u.a. flüchtige Substanzen aus Möbeln, Fußbodenbeläge, Farben, Duftstoffe eindringen oder innerhalb des Raumes ausgasen. Dazu gehören auch natürliche Terpene oder Formaldehyde aus Nadelhölzern und einigen Laubholzarten. Daraus folgt, dass der Aufenthalt in fast allen öffentlichen Gebäuden (Ämtern, Behörden, Kaufhäuser, Museen und anderen Kulturstätten, Krankenhäuser oder Arztpraxen) nicht möglich ist.
  • Der Verzehr von konventionell angebauten Lebensmitteln, von Fertignahrungsmitteln und mit Zusatzstoffen versehenen Lebensmittel. Sehr oft wird nur Bionahrung aus Bioläden vertragen, weil diese auch nicht sekundär mit Insektizide oder Pestizide in Berührung kommen.
  • Einfach essen, wozu man Lust hat, weil man viele Lebensmittel nicht verträgt und/oder sich nach einem strengen Rotationsplan richten muss.
  • Einen Arzt aufsuchen, einen Notarzt alarmieren oder eine Klinik aufsuchen, wenn es einen nicht gut geht, weil das Personal sich kaum mit dieser Krankheit auskennt oder die Einrichtung auf die besonderen Bedürfnisse dieser chronisch kranken Menschen nicht eingestellt ist.
  • Wird ein Angehöriger in ein Krankenhaus eingeliefert, kann der/die MCS-Kranke ihn nicht besuchen. Wird er zu Hause krank, wird es ebenfalls sehr kritisch.
  • Selbst wenn der Betreffende durch jahrelanges konsequentes Einhalten der besonderen Maßnahmen, die seinen Gesamtzustand deutlich verbessern, wieder so weit hergestellt ist, dass er einer Erwerbstätigkeit teilweise oder in Vollzeit nachgehen könnte, ist dies kaum möglich, weil kaum ein Arbeitgeber diesen Anforderungen gerecht werden kann oder will und es zu wenig Heimarbeitsmöglichkeiten gibt.
  • Der Aufenthalt in der Nähe von konventionell bewirtschafteten Feldern oder Plantagen, weil diese mit Pestizide, Insektizide und Fungizide belastet sind.
  • Einfach einen Handwerker zu rufen, wenn etwas im Haus defekt ist. Man muss damit rechnen, dass der Handwerker Duftstoffe benutzt hat oder mit Chemikalien in Kontakt war.

Das ist nur ein kleiner Auszug der Restriktionen, die das Leben eines Chemikaliensensiblen tagtäglich erschweren.

Autor: Gerhard Becker, CSN – Chemical Sensitivity Network, 14. Januar 2010

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11 Kommentare zu “Leben mit Chemikalien-Sensitivität – ein Alltag mit vielen Einschränkungen”

  1. Kallewirsch 14. Januar 2010 um 11:25

    Hallo Gerhard,

    durch Deine Ausführungen können Ausstehende besser begreifen, was es heißt an MCS erkrankt zu sein.
    Danke für Deinen Bericht.

    Gruss Kalle

  2. pretty woman 14. Januar 2010 um 12:04

    Erkrankt man als Kind oder Jugendlicher an MCS heißt das

    einsam per Ferunterricht beschult zu werden
    und/oder sich täglich mit einem Hauslehrer begügen zu müssen, der meist auch noch beduftet antanzt

    keine Berufsausbildung wählen zu können

    nicht an einer Uni studiern zu können

    keinen Vereinssport betreiben zu können

    nie im Schwimmbad schwimmen zu können

    kaum neue soziale Kontakte knüpfen zu können

    von Verwandten abhängig zu sein

    nie in Urlaub fahren zu können

    niemals einen Führerschein machen zu können

    nicht und Gruppen oder Vereinen aktiv werden zu können

    keinen Stadtbummel
    keine Disco
    kein Kino
    kein Theater

  3. Adele 14. Januar 2010 um 13:56

    Äußerst schwierig sind Arztbesuche, die sich jedoch nicht immer vermeiden lassen. Gerade heute morgen hatte ich einen Termin beim Hausarzt. Es war der erste Termin und ich nahm im gelüfteten Wartezimmer Platz. Das ging ein paar Minuten gut, dann kam eine stark einparfümierte Frau herein, das war es dann wieder für mich. Ich ging sofort aus dem Zimmer und konnte dann glücklicherweise auch sofort ins Sprechzimmer. Doch auf dem Weg dorthin schlug mir der penetrante Geruch abermals in die Nase, er hatte bereits die gesamte Praxis erfasst.

    Mein Arzttermin ist mittlerweile 5 Stunden her und ich habe immer noch schwere Symptome. Ich friere extrem und habe Schüttelfrost, blaue Lippen, starke Kopfschmerzen, Unwohlsein, Krämpfe, Erschöpfung und ich bin kreidebleich.

    Eigentlich sollte man gesünder vom Arzt heimkommen, als man dorthin gegangen ist. Bei mir ist es mal wieder umgekehrt.

    Herzliche Grüsse an alle Leidensgenossen,
    Adele

  4. canary2 14. Januar 2010 um 14:36

    I have moved to Switzerland from America and I have tried to find a church to attend. So far, no success. Not only am I sensitized to chemicals but also to molds/bacteria found in water damaged buildings. Each building I have tried has toxins makes my head spin like I’ve been drugged after only an hour inside. It makes me sad that I cannot find a spiritual community or building that is safe because of my compromises.

  5. Frosti 15. Januar 2010 um 00:50

    Erkrankt man an MCS muss man nicht nur auf vieles verzichten, sondern sich auch von vielen Dingen trennen, die einem zum Teil schon ein Leben lang begleitet haben: Möbel, Andenken, Kleidung.
    Sich von liebgewonnenen Dingen trennen zu müssen, weil sie einen krank machen ist vielleicht vergleichbar mit Menschen, deren Hab und Gut einem Feuer zum Opfer gefallen sind.
    Es sind zwar nur „Dinge“, aber wenn das Herz daran hängt ist es schwer sich von ihnen zu trennen.

  6. Franzi 15. Januar 2010 um 06:47

    Die Einschränkungen sind so umfassend, so radikal, so unerbittlich und so dauerhaft, daß aber auch, wer früher eine Zeitlang am sozialen Leben teilhatte und von daher gute Kontakte bewahren konnte, nun als MCS-Kranker die Charakterzüge der Menschen dieser Welt im allgemeinen extrem deutlich, wie es kaum krasser geht, auf dem Präsentierteller sieht und ohne Mühe Freund und Feind auseinanderhalten kann. Da gibt es diesbezüglich letztendlich keine Grauzone der Ungewißheit mehr, aber neue Kontakte aufzubauen ist um so schwieriger.

  7. Monja 15. Januar 2010 um 10:31

    Ein einfacher schöner bunter Blumenstrauß, wie gestern erlebt zusammen mit einer anderen MCS- Betroffenen, der im Wartezimmer stand, verbreitete einen beißend-chemischen Gestank, dass ich ihn dann in den Flur stellte, unser beider Luftwege waren davon wie eingeschnürt. Selbst eine einzige Rose zum Geburtstag muss sofort auf den Balkon gelegt werden, wegen der Spritzmittel darauf.

    Monja

  8. Kira 17. Januar 2010 um 21:21

    Danke Gehard für deine realistische Aufklärungsarbeit:).
    Danke Pretty Woman für deinen Kommentar, du hast etwas angesprochen, was mir schon lange am Herzen liegt.

    Jugendliche und junge Erwachsene werden ihrer Kindheit und Jugend beraubt. Sie müssen ebenso mit diesen alltäglichen Einschränkungen und chronischen Schmerzen leben. Gleichzeitig werden sie von ihrer Umwelt diskriminiert, nicht ernst genommen.
    Hinsichtlich Schule und Ausbildung fallen sie durch unser Bildungssystem, jeder Schulverweigerer bekommt seine Chance – ein MCS kranker Jugendlicher nicht, er wird geoutet.
    Berufsausbildung kaum dran zu denken.
    Beziehungen und Freundschaften werden aufgebaut bzw. versucht, sind jedoch zum scheitern verurteilt.
    Alles was Spaß macht und Sozialisiert ist nicht machbar.

    Möchte die Aufzählung von Pretty Women noch ergänzen:
    – zu keiner Einladung gehen können (Geburtstagsfete)
    – kein Konzert live erleben können
    – keine Reisen machen können
    – keine eigenen sportlichen Erfolge machen können
    – nie raus essen gehen können
    – selbst nicht mehr im Chor/Konzertchor mitsingen können
    – nicht den Stadtbus nutzen können
    – nicht die Bahn oder ein Flugzeug nutzen können
    – keine guten Bücher lesen können

    Gruß Kira

  9. Seelchen 21. Januar 2010 um 12:24

    Auch ich möchte,besonders für die Öffentlichkeit zeigen,dass es wirklich so ist,wie beschrieben.
    Seit nun 10 Jahren in Isolation lebend im Wald,am Wald ,auf Wiesen,Im Haus mit immer geöffneten Fenstern auch bei -15 Grad..
    kaum Menschen sehend,reden nur mit 1 Person,,ab und zu mal mit einer Zweiten..das ist schon alles..keine Ausflüge..keine Reisen..keinen Einkauf seit 8 Jahren mehr selbst erledigen…
    bei jedem Kleidungsstück 10-12 mal waschen,bevor es auf die Haut kommen darf..
    Schuhe nur aus pflanzengegerbtem leder für 200 Euro und auch die nur bedingt verträglich…
    Im Winter sich ständig gute Gedanken machen,damit
    man nicht depressiv wird,weil alles so grau..jeden Tag die gleichen Abläufe..die man zum Glück noch kann…ja,das ist diese in vielen Augen komische Umweltkrankheit M C S..

  10. Clarissa 22. Januar 2010 um 11:43

    Symptome die sich bei mir zeigen, teilweise einzeln oder auch in Kombination.

    Augenprobleme, brennen, geschwollene Lider,

    wechselnde Sehschärfen

    Bauchkrämpfe

    Blähungen, bei einigen Lebensmitteln

    Blutdruckprobleme (sehr niedrig – sehr hoch), teilweise durch Medikamente und durch Triggerstoffe

    Denkfähigkeit —— kann nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen eingeschränkt sein.

    Depressionen —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Druckempfindlichkeit der Haut (schmerzhaft)

    Durchfälle

    Ein Gefühl als ob man meine Haut mit lauter kleinen Messern ritzen würde

    Elektrosensibilität —— tritt zeitweise auf, körperliches Unbehagen, Schlafstörungen, Kopfschmerzen

    Ellenbogen – und Schultergelenksschmerzen

    Fieber bis 39°C innerhalb sehr kurzer Zeit mit anschließendem Schüttelfrost

    Frieren, Schwitzen

    Gereizte Schleimhäute im Rachenraum, ein Gefühl als ob mir etwas den Hals zuschnürt

    Geruchsempfindlichkeit, auch schon bei geringster, kaum nachweisbarer Belastung

    Handy und DECT-Telefone, —— können bei längerem Gebrauch ein Brummen im Kopf auslösen und im Kopf fühlt es sich an, als ob das Gehirn zu schaukeln beginnt. (Symptome sind vom Modell abhängig)

    Halsschmerzen, die immer wieder auftreten

    Hautausschläge, Ekzeme, Hautveränderungen

    Hautiritationen

    Hirnblockaden, Denkblockaden —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Hungergefühl, Heisshunger

    Ischiasschmerzen, immer wiederkehrend

    Konzentrationsfähigkeit (nachlassen) —— kann nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Körpergeruch, als ob ich mich schon eine Woche nicht gewaschen hätte

    Krämpfe in div. Muskeln, (Beine, Brustkorb, Arme) —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Kreislaufstörungen

    Kribbeln, Ameisenlaufen und weitere seltsame Gefühle in Armen und Beinen

    Kurzeitgedächtnis ist zeitweise eingeschränkt

    Lähmungserscheinungen in Armen und Beinen

    Leichte Dauer-Kopfschmerzen, fast ständig vorhanden

    Luftnot —— kann nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Muskelfaserrisse in den Beinen —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Müdigkeit, bei gleichzeitigen Schlafstörungen

    Nervenschmerzen —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Persönlichkeitsveränderungen —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Riechbeschwerden, Nasenbeschwerden, chron. Rhinitis

    Schmerzen im Schulter- und Nackenbereich

    Schmerzen in den Fingerkuppen, den Fingergelenken und den Daumenballen

    Schwindel —— kann nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Sehr starke Kopfschmerzen, bis hin zur Migräne

    Sonnenunverträglichkeit, starke Lichtempfindlichkeit, teilweise sehr schmerzhaft

    Steife, geschwollene Glieder, Gliederschmerzen

    Taubheitsgefühle der Lippen und der Zunge, teilweise ein brennendes Gefühl

    Totale Erschöpfung —— kann nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Trigenimus-Neuropathie —— ist ständig vorhanden mit mittleren bis starken Schmerzen

    Übelkeit, mit Erbrechen

    Unbekannte Infekte, ähnlich grippalen Infekten

    Verwirrtheit —— kann nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Weinen ohne erkennbaren Anlass

    Wortfindungsstörungen —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Zahnschmerzen —— können nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

    Zittern, der Hände —— kann nach Kontakt mit auslösenden Aerosolen auftreten

  11. Renate 18. Juni 2011 um 12:18

    @ Seelchen
    Du sprichst mir von der Seele. Genauso ist es bei mir auch.

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