Stadtrat verbietet Parfum und Duftstoffe am Arbeitsplatz

Gesundheit hat Vorrang

Der Stadtrat von Portland hat am 23. Februar 2011 in einer Sitzung beschlossen, dass Parfüm und Duftstoffe an Arbeitsplätzen in der Stadt, die sich im US Bundesstaat Oregon befindet, unerwünscht sind. Zukünftig soll auf Parfum, Aftershave, Deo, Haarspray und ähnliche parfümierte Produkte auf der Arbeit verzichtet werden. Der Stadtrat möchte, dass jeder frei atmen kann und sich am Arbeitsplatz gut und nicht krank fühlt. Es sei eine Sache des gesunden Menschenverstandes, sagten die Stadtoberhäupter gegenüber der Presse. Noch will der Stadtrat kein rigoroses Verbot aussprechen, sondern appelliert, dass jeder Mitbürger die neue Regelung von sich aus befolgt. Rund zwei Millionen Menschen leben im Großraum Portland und sind von der neuen Regelung direkt oder indirekt betroffen. Wenn Angestellte gesundheitliche Beschwerden erleiden, weil ein Kollege die Regelung nicht befolgt, soll er beim Vorgesetzten um Hilfe bitten. Die Gesundheit aller habe Vorrang, ließen die Stadtväter verlauten. (1)

Folgt dem Rauchverbot ein Duftstoffverbot?

Experten erwarten dem Vernehmen nach, dass es in absehbarer Zeit zunehmend Städte, Regionen, Ministerien und Behörden geben wird, die Duftstoffverbote verhängen und Arbeitsanweisungen mit der Bitte um Einschränkung von Duftstoffen herausgeben. Es geht dabei nicht um die Geruchsbelästigung durch eine Vielzahl verschiedener Parfüms in einem Raum, wenn gleich diese störend wirken kann. Sie halten Parfums und parfümierte Produkte wegen der darin enthaltenen Chemikalien und Allergenen für genauso gesundheitsbedenklich wie Passivrauch. Gerichtsprozesse, bei denen Arbeitnehmer bei Gericht Recht erhielten, weil ihre Gesundheit durch Duftstoffe am Arbeitsplätz in Mitleidenschaft gezogen wurde, deuten darauf hin, dass die Einschätzung der Experten realistisch ist.

Duftstoff- und Parfumverbot, notfalls per Gericht

In den USA und in Kanada gibt es bereits Städte, Behörden, Schulen und Universitäten, die Angestellte und Besucher darum bitten, in Gebäuden und bei Veranstaltungen auf Parfums und parfümierte Produkte zu verzichten. Auch Ministerien gehen dazu über, Duftstoffverbote zum Wohle der Gesundheit zu verhängen, bspw. Die Centers of Disease Control and Prevention (2) und das Ministerium für Gesundheit in Gergoria (3) und das Zentralbüro für Volkszählung in den USA. (4)

Duftstoffverbote – In Europa noch nicht angekommen

In Mitteleuropa folgt man den neuen Tendenzen zum Wohle der Gesundheit erst zögerlich, hier ist eher ein Anstieg der Verwendung von Duftstoffen im öffentlichen, wie auch privaten Bereich zu verzeichnen und die Duftstoffindustrie ist dabei, mit Nachdruck neue Märkte zu forcieren.

In Skandinavien scheint stärkeres Bewusstsein zum Schutze der Gesundheit zu herrschen. Schweden führte 2008 ein Duftstoffverbot im Gesundheitsbereich ein, der alle Kliniken, Arztpraxen und Gesundheitsbehörden betrifft. (5)

In Norwegen ist man aktuell sehr bestrebt, Duftstoffverbote und Arbeitsanweisungen einzuführen, um Allergiker, Asthmatiker und Chemikaliensensible zu schützen. Der norwegische Allergie- und Asthmaverband NAAF arbeitet intensiv daran, die Bevölkerung und Entscheidungsträger für die Problematik zu sensibilisieren. (6) Insbesondere aus öffentlichen Gebäuden, aus dem Gesundheitsbereich, Schulen und aus Schulbusen möchte der NAAF Duftstoffe völlig verbannen.

In Deutschland haben Duftstoffverbote bislang kaum Fuß gefasst. Lediglich ein paar wenige Praxen von Ärzten und Umweltmedizinern, als auch einige wenige kleinere Firmen gehen diesen Weg, um Allergikern, Asthmatikern und Chemikaliensensiblen den Zutritt in ihre Räumlichkeiten und bei Veranstaltungen zu ermöglichen.

Sind Parfum- und Duftstoffverbote sinnvoll oder Panikmache?

Hersteller von Parfüms und parfümierten Produkten geben dem Konsumenten nahezu keinerlei Auskunft, mit welchen Inhaltsstoffen er konfrontiert wird, wenn er sie verwendet oder ihnen in Innenräumen ausgesetzt ist.

Die amerikanische Wissenschaftlerin Ann Steinemann untersuchte 2010 an der University of Washington eine Auswahl von 25 parfümierten Produkten. Sie wählte solche aus, die in jedem Supermarkt in den Regalen stehen und am Häufigsten verkauft werden. “Die Produkte gaben zusammen über 420 Chemikalien ab, aber nahezu keine wurde irgendwo dem Verbraucher offen gelegt”, teilte die Wissenschaftlerin in einer Pressemitteilung mit. (7,8)

Dass Parfüms und Duftstoffe u.a. Kopfschmerzen, Asthmaanfälle, Allergien und Ekzeme hervorrufen können, ist in der Medizin hinreichend bekannt. Über die tatsächlichen Auslöser, die verantwortlich sind, ist der Verbraucher jedoch immer noch wenig informiert. Insbesondere die Tatsache, dass „Düfte“ durch Verwendung verschiedenster Chemikalien komponiert werden, wurde bislang nicht zur Kenntnis genommen.

Der Mehrheit der Konsumenten ist unbekannt, dass durch eine nicht unerhebliche Anzahl der chemischen Inhaltsstoffe in Parfüms und parfümierten Produkten, Krankheiten, u.a. Krebs, Nervenschäden, Allergien, Asthma, Kontaktallergien, Fortpflanzungsstörungen verursacht werden können. Von Panikmache zu sprechen ist also unangemessen. Ganz im Gegenteil, die bereits bekannten Fakten drängen zu besserer Information über die Risiken und zu genauer Deklaration, inklusive Warnhinweisen auf den Produktverpackungen.

Mein Parfum brauche ich (doch nicht)

„Das ist eine Einschränkung meiner persönlichen Freiheit!“ oder „wo kommen wir da hin, wenn ich nicht einmal mein Parfum benutzen darf, wo und wann ich will?“, sind Ausrufe empörter Duftliebhaber. Sind sie gerechtfertigt?

Intensive, sachliche Aufklärung der Konsumenten über die Gesundheitsgefahren, die Chemikalien und Allergene bergen, die sich in Parfums und Duftstoffen befinden, sollte in der Lage sein, heftige Diskussionen zu erübrigen.

Kampagnen, durchgeführt von verantwortlichen Behörden in Zusammenarbeit mit der Medizin, sollten im Stande sein zu überzeugen, dass Argumente „ein Parfüm- und Duftstoffverbot beeinträchtige die persönliche Entfaltungsmöglichkeit von Mitmenschen die „Düfte lieben“ unangebracht sind, weil sie sich über die Gesundheit anderer hinwegsetzen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 25. Februar 2011

Literatur:

  1. Koin6, Portland City Council adopts rule discouraging of fragrances on workplace, 23. 02.2011
  2. Department of Health and Human Services, Indoor Environmental Quality Policy, 22.06.2009
  3. Silvia K. Müller, Ministerium für Gesundheit ordnet an, CSN, 26. Okt. 2010
  4. Silvia K. Müller, Zentralbüro für Volkszählung untersagt Duftstoffe am Arbeitsplatz, CSN, 21. April 2009
  5. Silvia K. Müller, Duftstoffe verboten in Krankenhäusern und Arztpraxen in Schweden, CSN, 6. Okt. 2008
  6. Alena J., Norwegischer Allergie- und Asthmaverband bittet darum, keine Parfums zu benutzen, CSN, 9.12.2010
  7. University of Washington, Hannah Hickey, Release: Scented consumer products shown to emit many unlisted chemicals, Oct. 26, 2010
  8. Steinemann AC, et al., Fragranced consumer products: Chemicals emitted, ingredients unlisted, Environ Impact Asses Rev (2010), doi:10.1016/j.eiar.2010.08.002

7 Kommentare zu “Stadtrat verbietet Parfum und Duftstoffe am Arbeitsplatz”

  1. Allergie Portal jucknix 19. Mai 2011 um 11:35

    Hallo Frau Müller,

    vielen Dank für Ihren Artikel, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Das ist in der Tat ein wichtiges Thema, das viel zu lange vernachlässigt wurde. Wenn man bedenkt, dass inzwischen ungefähr jedes fünfte Kind in Europa an Asthma, Neurodermitis und / oder Allergien leidet, ist die öffentliche Diskussion mehr als überfällig. Leider ist es in Deutschland häufig so, dass die Wirtschaft eine größere Lobby zu besitzen scheint als die Konsumenten. Hoffentlich wird man sich hierzulande bald für eine Beschränkung vor allem auch in Kaufhäusern etc. aussprechen – auch wenn diese Läden sich mehr Umsätze vom Duftmarketing versprechen können.

    Viele Grüße

  2. Claudia 21. November 2011 um 23:08

    „Das ist eine Einschränkung meiner persönlichen Freiheit blablabla“. So haben die Raucher auch jahrelang erfolgreich argumentiert. Dabei ist das nichts anderes als purer Egoismus und Rücksichtslosigkeit zu Lasten derer, die darunter massiv leiden müssen, dass sie gezwungen werden, egal wohin sie gehen, egal wo sie sich aufhalten, künstliche Gerüche ertragen zu müssen bzw. daran schwer zu erkranken. Höchste Zeit, das auch hierzulande zu ändern, damit alle Menschen sich wieder frei und unbeschwert überall bewegen können, wozu ein jeder das Recht hat!

  3. Asthmakranke 20. Dezember 2012 um 17:01

    Ich wünsche mir, dass bald auch in Deutschland eine Parfümbeschränkung kommt.

    Ich arbeite in einer Behörde und habe, seit ich vor ca. 2 Jahren mit einer extrem stark parfümierten Kollegin in ein Büro gesteckt wurde, eine Parfümallergie. Vor 15 Monaten erhielt ich auf inständige Bitten dann endlich ein Einzelzimmer.

    Leider ist das Parfümproblem hiermit nicht gelöst worden, denn ich bin bei meiner Arbeit auf ständigen Kontakt mit meinen Kollegen angewiesen, von den 2/3 wahnsinnig stark parfümiert sind. Wenn ich nun ein anderes Büro aufsuchen muss, mich auf den Gang, ins Treppenhaus, den Aufzug oder auf die Toilette begebe, werde ich überall mit wahnsinnigem Parfümgeruch empfangen. Auch habe ich häufig Kundenkontakt und die meinen wohl, wenn sie eine junge Dame aufsuchen, müssen sie nochmal eine extra Schicht Parfüm auflegen.

    Mein Versuch, im Gang das Fenster zu öffnen, um wenigstens ein bisschen Luft zu bekommen, wurde von der Geschäftsstelle unterbunden. Ebenso wurde mir untersagt andere darauf hinzuweisen, dass ich von Parfüm Asthma bekomme. Und Kollegen soll ich bloß nicht darauf ansprechen – man könnte ja deren Gefühle verletzen!

    Immer heißt es dann, „Naja, so schlimm ist es doch nicht. Und man kann den Leuten doch nicht verbieten, in einer Duftwolke daherzuschweben. Da würde man ja in deren Persönlichkeitsrechte eingreifen.“

    Was ist eigentlich mit meinem Recht auf Atmen?

  4. Linda Ekerö 10. Januar 2013 um 14:29

    Es tut gut, zu lesen, dass man mit dem Problem nicht allein ist. Ich bin seit vielen Jahren Migräne- und Asthmapatientin, einer der Migräne-Auslöser sind eindeutig Duftstoffe.
    Und ausgerechnet mein Chef badet wohl täglich in Parfüm. Andere Kollegen konnte ich schon oft erfolgreich darauf hinweisen, wenn sie es mal übertrieben haben – aber beim Chef?
    Es ist wirklich manchmal zum Verzweifeln.

  5. Aldebaran 2 18. September 2019 um 23:25

    Ich glaube, ich habe mich sehr unglücklich ausgedrückt, weil ich gelöscht worden bin. Mich befremdet die Handhabung in Deutschland, dass solche Konzentrate, wie sie in Parfümen üblich sind, überhaupt auf dem Markt verkauft werden dürfen. Das ist in Krankenhäusern und in Arztpraxen nicht mehr zeitgemäß.
    Ich verstehe auch nicht, warum es möglich ist, dass man Menschen ein Produkt verkauft, was sie nach kurzer Zeit selbst nicht mehr wahrnehmen können.

    Ich schätze die Arbeit von Silvia Müller sehr.

    Und obwohl ich inzwischen wieder eine gute Gesundheit erlangt habe, so bin ich trotzdem dafür, dass hier noch viel mehr Ursachenforschung betrieben wird. Gerade was die fehlenden Enzyme angeht, die manche Menschen haben, sollte man nachgehen.

    Liebe Grüße und noch mal sorry für meinen Missmut, der aber nichts mit CSN zu tun gehabt hat, sondern mit dem Umstand, dass sich viel zu wenig tut in Deutschland.

  6. Beate 9. August 2023 um 10:26

    Vielen Dank für diesen Artikel! Das Thema ist immer noch nicht (2023) ausreichend in den Medien und in der Gesellschaft angekommen. Bin im Bürogebäude und im Pausenraum von einer extrem parfümierten Kollegin betroffen. Der Versuch, das Thema unter vier Augen ruhig anzusprechen endete in Trotz, Unverständnis und Beleidigung.

  7. Martina Winkel 26. Juli 2024 um 09:42

    Dieser Artikel drückt genau das aus, wie ich empfinde. Ich fühle mich durch den übermässigen Gebrauch von aufgetragenen Duftstoffen in den öffentlichen oder im Büro genötigt und eingeschränkt in meiner Gesundheit. Auf mein Bitten hin, im Büro den Gebrauch von unnatürlichen, chemischen Duftstoffen wegzulassen, wird mit Unverständnis, teilweise agressivem und beleidigendem Verhalten reagiert. Es sollte genauso damit verfahren werden, wie mit dem Rauchen. Bitte mit Rücksicht auf andere.

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