Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte

UN-Behindertenrechtskonvention für ein Leben mit MCS?

Soziale Inklusion, Barrierefreiheit, Gesundheitsversorgung und die Unterstützung von örtlichen Behörden sind für Umwelterkrankte ein Thema zum Überleben mit MCS, CFS, EMS, TE, SBS, FMS sowie diversen Allergien (z.B. Duftstoffallergie)

Seit zig Jahren leiden Menschen mit Umwelterkrankungen an den Folgen fehlender gesundheitsgerechter Wohnungen, sowie mangelnder behördlicher und angemessener ärztlicher Unterstützung.

Tagtäglich kämpfen Betroffene mit den Tücken ihrer Umwelt und schaffen es nicht, sich den bestehenden Bedingungen anzupassen. Es gehen Berichte umher von Notfall-Dokumentation wegen fehlendem MCS-gerechtem Wohnraum.

Es liegt nicht an dem Willen und der Bewältigungshingabe der Umwelterkrankten, dass sie immer wieder aus der Bahn geworfen werden, sondern an den Tücken neuer Wohnungen, der finanziellen Armut und wohl auch an der fehlenden Aufklärung der Bevölkerung, was nicht sein müsste, wenn man zu den USA hinüberblickt.

Umweltgifte ziehen ihren Bann mittlerweile durchs ganze Leben. Es gibt für einen erkrankten Betroffenen derzeit kaum eine Alternative dem zu Entkommen.

In den USA wurde der Gefahr von belastetem Wohnraum deshalb entgegengewirkt und entsprechende Gesetze erarbeitet, um den Betroffenen zu helfen.

Doch hier in Europa bzw. Deutschland, lässt eine adäquate Hilfe auf sich warten. Selbst einfachste Übergangsregelungen werden derzeit für Umwelterkrankte nicht eingeführt.

Vielleicht liegt ist es selbst nur an der Hilflosigkeit der politischen, behördlichen und medizinischen Kräfte, wenn sie von dem Leben mit Chemikalien-Sensitivität – ein Alltag mit vielen Einschränkungen hören.

Umwelterkrankungen führen im fortgeschrittenen Stadium zu einer unwiderruflichen Behinderung bis hin zur Schwerbehinderung.

Deshalb ist ein Handlungsbedarf notwendig und wird sogar International seit 2006 für alle Behinderte gefordert.

Die Vereinten Nationen haben die Rechte von Behinderten mit einem Übereinkommen, der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention, gestärkt. Derzeit wurde diese von 148 Staaten unterzeichnet und 100 davon ratifizierten diese – Deutschland schon 2009 und bekundete damit seine völkerrechtliche Verbindlichkeit zur Umsetzung derselben.

Ziel der Konvention ist es, für Menschen mit Behinderung die Barrieren des Alltages schrittweise abzubauen, um ihnen somit die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf allen Ebenen zu sichern.

Somit gilt nicht nur die Inklusion sowie Integration von Menschen mit Behinderung ins Berufsleben anzustreben, sondern bei jedem Betroffenen selbstredend erst einmal existenzielle Belange zu erfüllen; für Umwelterkrankte mit und ohne derzeitig zuerkannten Behinderung sind einige davon z.B.:

  • das Wohnen in einer gesundheitlich angemessenen Umgebung,
  • die Wahrung eines menschenwürdigen Lebens, medizinischer Versorgung, Verhinderung bzw. Vorbeugung von Diskriminierungen,
  • die Wahrnehmung aller Staatsrechte, wie barrierefreies Einkaufen, das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel,
  • das Besuchen von öffentlichen Gebäuden und Dienststellen sowie das in Kontakt treten mit Sachbearbeitern,
  • und vielem mehr.

Bei obigen Sachbereichen zeigen heutzutage schwerwiegend Umwelterkrankte ihr Nachsehen, ihre Gesundheit und ihr Leben sind deshalb bedroht. Die umfassenden Maßnahmen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention des deutschen Bundestages haben die Notleidenden bisher nicht erreicht.

Um diesem Mißstand mit Abhilfe zu verschaffen, wünschen sich Umwelterkrankte keine perfekte Lösung, die meist unmöglich zu verwirklichen wäre, sondern eine „Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte“ (pdf) (BÜfU), welche in einigen Punkten sogar in Kürze umgesetzt werden könnte.

Dieses angesprochene Regelwerk BÜfU enthält Vorschläge bzw. Lösungsansätze für viele der oben angesprochenen Problematiken und könnte zur Hilfestellung bzw. Findung für eine stufenweise oder entgültige Regelung für Umwelterkrankte mit Behinderung beitragen.

Autor:

Twei für CSN – Chemical Sensitivity Network, 29. Mai 2012

Weiterführendes Dokument:

Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte (BÜfU)

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5 Kommentare zu “Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte”

  1. Amazone 31. Mai 2012 um 15:40

    Seit Monaten bin ich händeringend auf der Suche nach einer für mich bezahlbaren und verträglichen Mietwohnung.
    Mit meiner kleinen vorgezogenen Altersrente für Schwerbehinderte kann ich jedoch keine horrenden Mietpreise über € 450,– Warmmiete bezahlen.

    Die vom BMAS im Rahmen des Nationalen Aktionsplans zur Umsetzung der UN-BRK mit hohem finanziellen Aufwand publizierten, plakativen Broschüren, an denen sich unsere Politiker berauschen, helfen mir da auch nicht weiter. Sogenannte barrierefreie Wohnungen, von denen u.a. auch in dieser Broschüre:

    http://www.behindertenbeauftragter.de/SharedDocs/Publikationen/DE/Brosch%C3%BCre_Wohnraum_kk.pdf?__blob=publicationFile

    die Rede ist, kosten hier um die € 15,–/qm. Das und auch irgendwelche schadstoffarmen Sanierungsmaßnahmen kann ich nicht bezahlen. Ich muss an mein Leben in den nächsten 10 Jahren und später denken und kann dann keine Treppen mehr hochsteigen, was mir schon jetzt wegen ständiger Muskelschmerzen in den Beinen schwerfällt.

    Abgesehen von meiner persönlichen Problematik wäre meine Überlegung, ob man vielleicht mal die Stiftung „Deutschland rundet auf“ (bitte beim Einkaufen mitmachen) anschreibt und auf unsere Problematik aufmerksam macht, mit der Anfrage, ob man dort bereit wäre, uns diesbezüglich zu unterstützen. Gibt es von den Usern jemanden, der das übernehmen würde?

    Im Übrigen möchte ich noch auf folgende schriftlich vorliegenden Aussagen von Frau Prof. Degener, Mitglied des CRPD-Fachausschusses, hinweisen, da diese explizit besagt, dass man keinen Schwerbehindertenstatus braucht, um als behinderter Mensch durch die UN-BRK geschützt zu sein. Die Regelungen der UN-BRK stehen übrigens über denen des SGB IX.

    Zitat aus den Emails:
    1. Die von Ihnen vorgetragene Problematik ist
    Frau Degener bereits aus anderen
    Zusammenhängen bekannt. Bei ihren häufigen
    Aufenthalten in den USA stieß sie immer wieder
    auf dieses Thema und sie weiß, dass man dort
    in der Anerkennung der Betroffenen schon
    weiter ist als hier. Selbstverständlich
    schützt die VN-Behindertenrechtskonvention
    auch Menschen mit Behinderungen durch
    Unverträglichkeitsreaktionen auf
    Umweltschadstoffe/Chemikalien.

    2. Im Auftrag von Frau Degener möchte ich gern
    versuchen, Ihre Fragen zu beantworten.
     
    Sie schrieben:
     
    1. … Bestätigung, dass die VN-BRK auch
    Menschen mit Behinderungen durch
    Unverträglichkeitsreaktionen auf
    Umweltschadstoffe/ Chemikalien schützt …
    Ist es richtig, dass dies auch für
    Behinderte ohne Schwerbehindertenausweis
    gilt?
    Selbstverständlich.

    Amazone

  2. PappaJo 2. Juni 2012 um 15:58

    Seit Jahren nichts zu finden. Wenn ich doch mal, von der Ausstattung und Lage, eine gefunden habe ist diese zu teuer für AlgII. Da bräuchte man 2x AlgII um dann noch was zum Leben zu haben.

    Die zweite Hürde wären dann die Nachbarn.
    Baden die jeden Tag in Düften? Hatte mal auf dem Land, mit wirklich guter Luft und kaum Mobilfunk, eine Wohnung besichtigt. Es war eine kleine Häusersiedlung. Als ich den Eingangsbereich eines 4-Parteien-Hauses betrat, erschlug mich eine chemische Keule von billigstem Deo, Bodenreiniger, etc. Da wohnen die Deppen schon auf dem Land und aasen mit den Düften als wenn es kein Morgen mehr gäbe. Wirklich extremer als bei mir in der Stadt.

    Dritte Hürde: Nachbarn!
    Selbst wenn man die Wohnung verträgt, nicht direkt in der Funkkeule der Mobilfunkeufel steht. Was haben die Nachbarn so alles am Laufen? Von DECT fürs Telefon, W-LAN fürs Internet, sonst ein Funk für die Drahtlosen TV-Geräte, nebenbei mit dem Handy Stunden telefonieren und irgendwer fröhnt seinem Hobby, dem Funken mit meterlangen analogen Sendern am Dach und ordentlich Watt-Leistung.

    Diese 3 Hürden zu nehmen ist absolut und in einem normalem Umfeld unmöglich. Denn irgendwas ist immer.

    Ich bin für eigene Siedlungen oder Reservate, anders kann man das nicht nennen und auf Dauer geht das auch nicht anders. Man kann nicht mit Gesunden zusammenleben, in der Höffnung das die genau den Lebensstyle führen und nichts einsetzen das einem schadet. Sowas ist Wunschdenken.

  3. M. B. 2. Juni 2012 um 20:00

    Ich bin auch für eigene Siedlungen in einer Umgebung mit hoher Luftqalität für MCS-Kranke. Die Probleme die häufig mit den Nachbarn auftreten lassen sich bei schwer erkrankten Personen kaum vernünftig lösen. Da fehlt noch sehr viel Aufklärung über die Wirkung von Chemikalien.

  4. Twei 2. Juni 2012 um 20:32

    Zu Amazone,
    ich muß Dir da wirklich Recht geben, dass eine Umsetzung für die notwendigen Hilfen bei einer Umwelterkrankung, durch das o.g. Prospekt (siehe obigen Link) des Behindertenbeauftragten:
    „Die barrierefreien eigenen 4 Wände
    Wege zum barrierefreien Wohnraum“, nicht abgedeckt werde. Es ist ein Probleme schieben von einer Dienststelle zur anderen und gilt eigentliche nur für „einfach zu handhabene“ und „üblich bekannte“ Behinderungen und nicht für „komplizierte“ Umwelterkrankungen.

    Die erste Barriere stellt schon mal das Aufsuchen öffentlicher Gebäude dar, welche mit einer MCS und Duftstoffallergie schon mal unmöglich ist, was bei Antragsstellung wichtig ist.

    Die zweite Barriere stellen die Sachbearbeiter dar, welche ebenfalls meist nicht duftstoffarm bzw. chemikalienarm ihren Dienst versehen.

    Die dritte Barriere stellen die Formulare dar, welche Druckerschwärze oder andere chemischen Ausdünstungen abgeben.

    Die vierte Barriere stellen die Sachbearbeiter dar, welche bei HarzIV-Empfängern bzw. Grundsicherungsempfängern mit geringer Rente selten telefonisch zu erreichen sind. Tatsächlich können so Monate vergehen, auch wenn man sich schriftlich an sie wendet.

    Die fünfte Barriere stellen die Zuständigkeiten dar und die üblichen Ablehnungen eines Antrages, auch für Biokost, Möbelgeld, Erstaustattung, Luftfilter, Wasserfilter, zusätzliches Renovierungsgeld usw.. Die Widerspruchsverfahren dauern auch Monate bis Jahre. In der Regel wird nichts zuerkannt.

    Die sechste Barriere stellt die tatsächliche Begründung dar. Bei Umwelterkrankungen werden alle Arteste angezweifelt und somit auch die wirkliche Notwendigkeit z.B. einer aufwendigen Renovierung und der Einsatz besonderer Materialien sowie besonderer Regelungen bei der handwerklichen Ausführung.

    Die siebte Barriere stellt die ÜBERFORDERUNG eines schwerkrankten Menschen dar, der diese Hürden aufgrund seiner Erkrankung gar nicht überwinden kann und auch die Kompetenz dafür nicht besitzt. Das aufsuchen eines Rechtsanwaltes ist unabdingbar, was schon wieder die Barrierefreiheit zum Besuch eines Rechtsanwaltes anspricht???

    Diese Barriereliste könnte noch ausführlicher aufgeführt werden. Jedoch kann man an dieser Stelle schon ersehen, dass ein „Sonderbeauftragter für Umwelterkrankte“ notwendig erscheint, so wie es im Dokument BÜfU unter „7.2. Behördlicher BEAUFTRAGTER für Wohnungen GESUNDHEITSSCHONEND“ vorgeschlagen wird, um der UN-Behindertenrechtskonvention tatsächlich einer Wirkung zu versprechen.

    Zu PappaJo,
    Deine aufgelisteten 3 Hürden, sind wirklich nur zu umgehen, durch die tatsächliche Schaffung von MCS-gerechten Wohnraumes. Dieses entspräche auch meiner wirklichen Wunschlösung und würde vielen Umwelterkrankten endlich die adäquate Hilfeleistung Zuteil kommen lassen, die von der UN-Behindertenrechtskonvention auch vorgesehen ist.

    Eine Übergangsregelung würde aber die derzeitige Situation schon mal erheblich verbessern, da ein schwerkranker Betroffener, dann von der Last der „Kleiderlosigkeit“, „unrenovierten Wohnung“, „Möbellosigkeit“, dem jahrelangem fertigrenovierens wegen Geldmangels und vielem mehr befreit wäre.

    Es wäre vorbildhaft für jede größere Stadt bwz. Gemeinde, wenn sie am Stadtrand in einer geeigneten Umgebung für Umwelterkrankte wenigstens ein MCS-Haus mit Sozialwohnungen in Auftrag geben würde, sowie eine speziell geschulte Fachkraft als „Behördlicher Beauftragter“, also direkten Anprechpartner für die Betroffenen aufstellt, welcher dann gleichzeitig für alle amtlichen Angelegenheiten, auf „einer“ Dienststelle für bisher zig verschiedene Dienstellen, eine Autorisierung erhält.

  5. Mirijam 13. Juni 2012 um 15:29

    Vielen Dank an Twei für seine Mühe, dieses brenzlige Thema zu behandeln.

    MCS-Kranke stellen groben Schätzungen zufolge ca. 5-10% der Bevölkerung dar. Und diese Zahlen werden rasant ansteigen. Das dürfte jedem, de sich mit der Problematik einigermaßen auskennt, bekannt sein.

    Noch hält man es nicht für nötig, die Rechte dieser Patienten zu berücksichtigen, doch die Lage wird sich in naher Zukunft mit Sicherheit ändern, mit zahlreichen für alle Lebensbereiche verheerenden Konsequenzen.

    Bevor es zu spät wird, sollte man schon jetzt mit der Planung und Durchführung von Maßnahmen für die Verbesserung der Wohnraumsituation MCS- und anderer Umweltkranker anfangen.

    Um solche Aktionen, die eine wichtige gesellschaftliche Bedutung haben werden, erfolgreich durchführen zu können, braucht man viel Fachwissen, Zeit und Erfahrungen.

    Wenn man sich nicht rechtzeitig mit dem Thema auseinandersetzt, weil es für die Politik so bequemer und billiger zu sein scheint, dann wird diese Problematik eines nicht allzu fernen Tages uns alle mit aller Gewalt erdrücken.

    Intelligentes und zukunftsorientiertes Handeln ist angesagt.

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