Heilung in den Tropen kostete das Leben

Der Anruf kam mitten in der Nacht. Am anderen Ende die verzweifelte Stimme einer jungen Frau: „Hier ist Tara, ich will heim, ich kann nicht mehr“, dann nur noch Schluchzen. Kein Zweifel, dass ein völlig verzweifelter Mensch am anderen Ende der Leitung war. „Tara, wo bist Du? Was ist passiert?“ Die Leitung knisterte, die Stimme war durch das Schluchzen kaum zu verstehen. Die Frau versuchte sich zu beruhigen, um sich ausdrücken zu können. „Frag mich nicht. Ich bin schon im Flugzeug fast gestorben, dort wurden Pestizide versprüht. Jetzt bin ich hier in den Tropen. Hilf mir heim, ich sterbe hier.“ Ich war nun hellwach und fragte die junge Frau, deren Stimme ich jetzt wiedererkannte: „Was um Himmels Willen machst Du in den Tropen?“ Tara flehte mich an: „Versprich mir, dass Du mir hilfst, versprich es mir.“

Die junge Frau hatte sich auf den Weg in die Tropen gemacht, weil die Ärzte der Umweltkranken in Deutschland nicht mehr helfen konnten. Ihr Fall war sehr komplex und sie reagierte auf eine große Bandbreite von Chemikalien. Irgendwann erfuhr sie von einem Heiler. Es sei einer der Besten. Tara kollabierte im Flugzeug und nur der Zufall, dass ein Arzt an Bord war, rettete ihr Leben. Er reanimierte sie und sie wurde bis zur Landung mit Bordsauerstoff versorgt. Im Flughafenhotel ging es ihr hundsmiserabel, aber sie lebte und regelte telefonisch, dass sie es bis an den Ort des Heilers schaffte. Wie genau, daran konnte sie sich nicht erinnern.

Tara rief aus einem kleinen Lehmhaus an, in dem sie alleine untergebracht war. „Du kannst Dir nicht vorstellen, wie viel Chemie es hier in der Einsamkeit gibt. Nichts Gesundes zu essen, Pestizide, überall wird mit Chemie hantiert.“ „Was ist mit dem Heiler, hast Du ihn schon getroffen. Kann er Dir nicht helfen?“ Tara atmete tief durch und erwiderte: „Ich kann nicht in das Haus, in dem er die Heilungen durchführt und seine Energien verteilt. Es wird dort mit Chlor gereinigt. Der Geruch ist unerträglich und ich breche zusammen.“ Tara hatte in diesen Heiler ihre ganze Hoffnung gesetzt und fast ihr Leben verloren auf dem Weg zu ihm. Zu sagen, es sei alles Unsinn, hielt ich für undiplomatisch in Anbetracht der Verzweiflung der jungen Frau. Kurz überlegend sagte ich: „Dann setze Dich doch vor die Eingangstür, dann müssten die „Energien“ doch auch helfen.“

Tara klang völlig desillusioniert, als sie erklärte: „Das will der Heiler nicht. Er sagt, ich soll wieder zurück nach Deutschland, seine „Geister“ hätten ihm gesagt, nur dort könne mir geholfen werden. Er sagte, die Energien würden nur im Raum wirken, nicht bis vor die Tür.“

Es folgten viele Dutzende Anrufe von Tara. Sie wollte heim, ihr war klar, dass ihr Wunsch, in den Tropen Heilung zu finden, eine Fehlentscheidung gewesen war. Die Fluggesellschaften weigerten sich, die junge Frau, die während des Hinfluges fast gestorben war, zu transportieren. Außerdem war die nächste Stadt mit einem Flughafen Hunderte von Meilen entfernt. Nach Hause, aber wie? Es erschien aussichtslos. Jahre gingen ins Land. Plötzlich ein Anruf mit einer deutschen Telefonnummer auf dem Display. „Ich bin daheim.“

Tara hatte es irgendwie geschafft, einen Flug zu buchen. Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt, nachdem es ihr in den Tropen immer schlechter ging. „Sie haben mich bewusstlos aus dem Flugzeug rausgeschleppt. Jetzt bin ich in meiner alten Wohnung. Ich muss hier raus, sie ist nicht safe. Ich habe unendliche Schmerzen. Ich brauche einen Arzt. Hilf mir.“

Monat um Monat verging. Von Ärzten, die sie telefonisch um Hilfe bat, wurde die Umweltkranke abgewiesen. Keine Nacht konnte sie schlafen. Sie war unendlich müde, die Schmerzen hielten sie wach. Aus den Tropen hatte sie eine Infektion mitgebracht, die hätte behandelt werden müssen. Antibiotika lösten Schockreaktionen bei ihr aus, also keine Möglichkeit. Kein Arzt konnte Alternativen anbieten. Tara stellte sich aufs Sterben ein. Sie wollte schlafen, endlich schlafen.

Der Heiler, für den die chemikaliensensible Tara den Rest ihrer Gesundheit geopfert hatte und der ihr gesagt hatte, dass seine „Geister“ eine Heilung für sie in Deutschland sehen würden und sie nur dort Hilfe finden würde, kommt irgendwann nach Europa. Einige Umweltkranke hoffen bereits auf Heilung durch ihn.

Während der letzten Telefonate mit Tara berichtete sie mir, was sich alles zugetragen hatte. Sie schickte einen ausführlichen Bericht. Gleichzeitig hatte sie große Angst. Man hatte sie gewarnt, es könne übel für sie enden, wenn sie über das berichten würde, was ihr widerfahren war. Tara ist vor einigen Monaten eingeschlafen, für immer.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 10. März

Der Artikel beschreibt eine wahre Begebenheit. Aus Pietätsgründen wurde der Name geändert und der Ort bewusst nicht näher spezifiziert.

Checklisten:

Web Tipps:

Buchtipps:

(Laut Sektenexperte sind dies die besten Bücher für Betroffene, leider nur noch antiquarisch erhältlich)

10 Kommentare zu “Heilung in den Tropen kostete das Leben”

  1. Kira 11. März 2011 um 10:29

    Kompliment zu diesem Schritt – so ist es richtig.
    Aufklärung tut Not und die Wahrheit gehört nun mal ans Tageslicht.

  2. Wüstenfieber 11. März 2011 um 13:47

    Danke, Silvia, für diesen Blog.

    Jeder, der sich dies zu Herzen nimmt und sich auch über die Links informiert, kann sich nun besser vor Sekten und Scharlatanen schützen.

    Das ist gerade für Kranke wichtig, da mit falschen
    Heils- und Heilungsversprechen natürlich genau die angesprochen werden, die verzweifelt nach einem Strohhalm suchen, an dem sie sich festhalten können.

    Und genau das wissen diese Verbrecher und nutzen dies gnadenlos aus, um sich und ihre Sekte zu bereichern. Die Opfer werden, sobald sie ausgesaugt sind, natürlich immer fallen gelassen.

    So funktioniert das, deshalb: wehret den Anfängen!

    Wüstenfieber

  3. PappaJo 11. März 2011 um 16:17

    Was ist das denn?
    Zitat:“Man hatte sie gewarnt, es könne übel für sie enden, wenn sie über das berichten würde, was ihr widerfahren war…“ – Sind wir jetzt schon bei den Mafiosis angekommen?!

    Ich glaub es nicht!

    Und wieso fallen im 3. Jahrtausend immer noch Leute auf so dämliche Scharlatane rein? Heiler aus den Tropen der sich mit Chlordämpfen umgibt. Ha – die braucht der wohl für seine Haluzinationen, sonst würde der es ja selbst nicht glauben was er da verzapft.

    Keiner kann physikalische Körperschäden wie diese durch Chemikalien geschehen sind, per Geistheilung, rückgängig machen!
    NIEMAND!
    NIEMALS!
    Und das ist auch noch – NIEMALS – geschehen!

    Alles Märchen!

    Wenn es so wäre würde dieser „Geistheiler“ NIEMALS und in IRGENDEINER FORM dafür eine finanzielle Entschädigung verlangen! Wenn man so eine Erleuchtung hätte, wäre man fernab dieser Materiellen Welt und dem Geld.

    Kauft Euch für das Geld lieber einen Gasluftfilter für die Wohnung.

  4. Therese 11. März 2011 um 18:03

    Auch von mir ein DANK an euch für diesen Blog.

    Wie Kira sagt Aufklärung tut Not.

    Als Kranker greift man nach jedem Strohhalm der Heilung verspricht. Was fatale Folgen hat wenn man an die Falschen gerät.

    Bei hirnorganischen Schäden durch Vergiftungen gibts keine Wunderheilung. Ich würde mein Mann nie dieser Gefahr aussetzen, klar würde man sich Heilung wünschen. Dazu möchte ich noch etwas berichten:

    Beim Abschluss Gutachten BG 2004 sagte Prof. X das was sie haben möchte ich nicht haben, sie sind zu jung um so ein Leben zu führen. Vielleicht gibts irgendwann ein Arzt auf der Welt der helfen kann.
    Auch Freunde wollten helfen sagten er solle mal zu einem Heilpraktiker gehen. Ein Bekannte die ständig beim HP in Behandlung war,gab ich Unterlagen von meinem Mann mit (2005). PET Bilder,Gutachten Anerkennung BK 1317 (37 Jahre waren 60% der Arbeitszeit Grenzwerte überschritten TAD) Psyschl.Gutachten (ausgeprägte Defizite Kurzzeitgedächnis etc….

    Gutachten Neurologe: Dauerzustand chronisch toxische Encephalopathie,außer Expositionsvermeidung kann keine Therapie genannt werden. Sie kam zurück mit der Mitteilung vom HP,er könne
    sich den Weg und das Geld sparen er könne ihm nicht helfen. Ohne Expositionsvermeidung, Bio Essen, alle Produkte im Haushalt ohne Chemikalien, ein Leben meist in Isolation.
    Ohne diese Einschränkung gibts kein Überleben, sonst hätte mein Mann nicht überlebt.

    Wir wollen hoffen, dass es irgendwann eine Behandlung gibt, die für MCS Kranke Heilung verspricht.

    Therese

  5. Silvia 11. März 2011 um 19:02

    @ Pappajo

    Es gibt Länder, in denen ist ein Menschenleben nichts wert. Eine Ausländerin verschwindet dort ohne dass sich jemand darum kümmert.

  6. Arien 11. März 2011 um 19:27

    Gut, dass Ihr dieses heikle Thema mal auf den Tisch bringt.

    Die „Checkliste für unbekannte Gruppen“ hat’s mir besonders angetan. Das ist ein richtiger Hingucker, da sind mir direkt verschiedene Situationen an der Haustüre, in der Stadt und auch im Internet eingefallen, in denen man genau diese Informationen gebraucht hätte.

    Klar, oft hilft einem auch der gesunde Menschenverstand, aber wie es aussieht, sind diese Gruppierungen ja so geschult, so verschlagen und so skrupellos, dass es besser ist, wenn man genau Bescheid weiss und deren charakteristischen Merkmale und Manipulationstechniken sofort erkennen kann.

    Bitte weiter so, wenn Ihr noch mehr Informationen habt.

    Arien

  7. Tanja 12. März 2011 um 01:59

    Zu dem Thema moechte ich kurz berichten, dass mir durch eine Heilerin (in Deutschland) geholfen wurde. Sie hat den Anstoss gegeben, aber es lag an mir, wie weit ich mitgearbeitet habe.

    Am Ende muss man sich aber auch selbst heilen, sonst nuetzt alles nichts.

    In die Tropen zum „Heilen“ zu fliegen ist total absurd, weil dort, wie auch leider von der Betroffenen berichtet, ueberhaupt kein Umweltschutz betrieben wird.

    Es gibt sehr gut ausgebildete Heiler. Diese Heiler durchgehen eine 4-jaehrige Ausbildung und arbeiten auch mit Aerzten zusammen.

    MCS/CFS heilt man nicht mal so eben in ein paar Sitzungen.Dazu gehoert sehr viel Selbst-Disziplin.

    Gruss
    Tanja

  8. Silvia 12. März 2011 um 13:12

    Hallo Tanja,

    zum Thema Heilung von MCS durch Heiler“ werden wir einen extra Blogbeitrag schreiben. Darin wird dargelegt werden welche Erfolgsaussichten man bei MCS mit einer „Heilung“ durch Heiler hat.

    Die Geschichte von Tara ist kein Einzelfall. Uns liegen weitere Berichte von Betroffenen vor, bei denen „Heilungen“ durch Heiler nicht nur fehlschlugen, sondern zu einem Disaster führten.

    Viele Grüsse,
    Silvia

  9. PappaJo 12. März 2011 um 15:50

    @Tanja
    Zitat:“MCS/CFS heilt man nicht mal so eben in ein paar Sitzungen.Dazu gehoert sehr viel Selbst-Disziplin.“
    Bitte schreibe hier nicht so einen Unsinn und mache denen Hoffnung, für die es keine Heilung gibt! Heilung würde bedeuten das die Organischen Schäden reversibel wären, was sie aber nicht sind. Wenn die Wissenschaft es schaffen würde, Nerven wieder zum Zusammenwachsen zu bewegen, würde es keine Querschnittsgelähmten mehr geben.

    Und das geht nunmal nicht nach dem Stand der Wissenschaft!

    Es hat auch noch niemand geschafft totes Hirngewebe wieder zum Leben zu erwecken. Außer vieleicht Jesus, nur den haben wir 2000 Jahre verpasst.

  10. yolande 13. März 2011 um 00:11

    Was „geheilt“ wird hängt doch wohl sehr viel von der Interpretation ab. Und vom Glauben dran. MCS und ich meine hier wirklich MCS, wird wohl für diese Behandlungsweise nicht angreifbar sein. Gifte reagieren nicht sehr empfindlich auf Geistheilung. Und auch mit der allergrössten Selbstdisziplin werden Gifte nicht total zu negieren sein. Bleiben wir mit den Füssen auf dem Boden der Tatsachen – eine Stabilisierung ist nach dem heutigen Stand der Möglichkeiten erreichbar – das tatsächlich mit eiserner Disziplin und den Möglichkeiten clean wohnen zu können und auch wenn man sich diese Krankheit ohne Unterstützung leisten kann.
    Ich schätze es nicht sehr aus der Verzweiflung von schwer kranken Menschen Kapital zu schlagen und auch nicht ihnen mit falschen Hoffnungen zusätzlich zu schaden.

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