Medizin-News: Was ist Multiple Chemical Sensitivity?

Umweltkrankheit MCS

Wenn man MCS hat und bestimmten chemischen Stoffen ausgesetzt ist, werden postwendend eine Reihe von Symptomen ausgelöst, zu denen Irritationen der Atemwege, Herzrasen, Kopfschmerzen, geistige Verwirrung, Schwindel, Brechreiz, extreme Müdigkeit oder Schmerzen gehören. Diese Symptome verbessern sich erst, wenn man sich dem Kontakt mit jenen chemischen Stoffen entzieht, welche sie ausgelöst haben. Die Symptome können Tage oder sogar Wochen dauern.

Was ist Multiple Chemical Sensitivity?

Multiple Chemical Sensitivity (MCS) ist eine erworbene chronische Erkrankung, keine psychische, die sich in multisystemischen Symptomen als Reaktion auf eine sehr niedrige Belastung durch chemische Stoffe manifestiert, z.B. normale aber überflüssige Alltagschemikalien wie Parfüm, Luftverbesserer oder Weichspüler für die Wäsche.

Zu den chronischen Symptomen, die in der Krisis akut werden, gehören Müdigkeit, Probleme mit der Atmung, der Verdauung, des Blutkreislaufs, der Haut und Probleme neurologischer Art.

MCS ist eine Erkrankung mit vier Schweregraden, deshalb erleiden nicht alle von uns die erkrankt sind das selbe Niveau an Behinderung und Isolation.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich bei MCS um keine Allergie handelt.

Es ist eine Erkrankung, die seit den 50’er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt ist, aber sie muß für Spanien noch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt werden, obwohl es über 100 wissenschaftliche Abhandlungen gibt, welche die organische Natur von MCS unterstützen, obwohl die Zahl der Betroffenen Menschen schnell wächst und immer jüngere erkranken, und obwohl das Europäische Parlament MCS zu den immer zahlreicher werdenden umweltbedingten Krankheiten zählt. MCS ist in Deutschland (PDF-Link), Österreich und Japan bereits als körperliche Erkrankung anerkannt.

Wie viel Prozent der Bevölkerung sind an MCS erkrankt?

Hier in Spanien gibt es dazu keine Studien, aber man vermutet, dass je nach Schweregrad zwischen 0,5 und zwölf Prozent der Bevölkerung davon betroffen sind.

In Ländern wo es zu dieser Erkrankung Statistiken gibt sehen wir, dass die Gesamtzahl der Menschen mit MCS nicht gering ist. Nach Angaben der Environmental Health Association in Quebec haben 2,4 Prozent der Kanadier MCS. Nach Professor Dr. Martin L. Pall beträgt die Prävalenz schwerer MCS in den Vereinigten Staaten etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung.

Darum ist MCS keine „seltene Erkrankung“, bei denen es sich um solche handelt, die weniger als 0,05 Prozent der Bevölkerung betreffen. MCS ist eine rasch zunehmende und versteckte Erkrankung.

Chemische Produkte sind giftig und das gilt für uns alle. Chemische Produkte werden mit Krankheiten wie Krebs, Asthma, Allergien, Autoimmun-Erkrankungen und mit jedwelcher umweltbedingter Erkrankung in Zusammenhang gebracht.

Woran erkennt man, ob sich eine MCS-Erkrankung anbahnt?

Das häufigste Symptom ist, dass einem Chemikalien als unerträglich auffallen, die man früher nicht bemerkt hat. Plötzlich verträgt man zahlreiche Chemikalien nicht mehr, etwa Reinigungsmittel, Parfüme, Tabakrauch, Autoabgase, Luftverbesserer usw.

Auch verträgt man keinen Alkohol mehr, Molkereiprodukte oder Gluten (Klebereiweiß in div. Getreide). Eventuell entwickelt man zahlreiche Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln und Medikamenten.

Oft hat man noch andere Umgebung-Unverträglichkeiten: Hitze, Kälte, Lärm, Erschütterungen, Sonnenlicht und elektromagnetische Felder (Computer, Hochspannungsleitungen, Telefone, Mobilfunkantennen, Mikrowellen etc.).

MCS hat bei dafür anfälligen Personen einen Toleranzverlust chemischer Produkte zur Folge und man kann auf zwei Arten MCS bekommen: durch einmalige hochdosige Belastung mit giftigen Substanzen (z.B. Schädlingsbekämpfung) oder durch niedrige jahrelange Dauerbelastungen. In der zweiter Gruppe gibt es viele Menschen mit CFS/ME (Chronic Fatigue Syndrom/Myalgische Enzephalomyelitis) und FMS (Fibromyalgie Syndrom), die über die Jahre auch MCS entwickeln.

Wie wird MCS diagnostiziert?

Es gibt eine objektive auf Symptomen beruhende Diagnose. Es gibt keine Tests um MCS zu diagnostizieren und zuerst müssen andere Erkrankungszustände ausgeschlossen werden.

Zur Diagnose benutzen Ärzte den QEESI-Fragebogen (Quick Environmental Exposure and Sensitivity Inventory) etwa Schnellbestandsaufnahme für Umweltbelastung und Sensitivität, das ist ein differenzierendes und schnelles Befragungswerkzeug, um den persönlichen Grad an Sensitivität oder Unverträglichkeit einer Person auf einer fünfstufigen Skala festzustellen.

Die sechs Konsenskriterien für die Definition von MCS:

  • Chronische Erkrankung
  • Reproduzierbare Symptome
  • Die Symptome sind Reaktion auf eine niedrige chemische Belastung
  • Die Symptome treten bei Belastung mit einer Vielzahl nicht verwandten Chemikalien auf
  • Die Symptome bessern sich, wenn die auslösenden Chemikalien entfernt werden
  • Es sind mehrere Organsysteme betroffen

Wenn man MCS hat und bestimmten giftigen chemischen Stoffen ausgesetzt ist, werden unweigerlich eine Reihe von Symptomen ausgelöst, z.B. Atemnot, Irritation der Atemwege, Herzrasen, Kopfschmerzen, geistige Verwirrung, Schwindel, Brechreiz, Durchfall, extreme Müdigkeit und/oder Schmerzen. Diese Symptome verbessern sich solange nicht, bis man sich außer Reichweite jener Chemikalie begibt, durch welche sie ausgelöst wurden. Die Symptome können Tage oder Wochen anhalten.

Wie behandelt man MCS?

Da die pathophysiologischen Grundlagen dieses Syndroms noch unbekannt sind, kann man MCS nicht wirklich heilen. Es gibt aber sehr viele Behandlungsmethoden die helfen, MCS in den Griff zu bekommen und die Gesundheit zu verbessern (Sauna, Nahrungsergänzung, Homöopathie usw.) und es ist sehr wichtig einen Arzt zu finden, der sich auf MCS spezialisiert hat und jeden Fall genauestens untersucht, da jeder Patient anders ist, abhängig von Genetik, anderen mit einher gehenden Erkrankungen und dem Grad seiner MCS.

Neben der Behandlung ist es sehr wichtig, eine Kontrolle des Umfeldes durchzuführen. Eine Kontrolle der nahen Umwelt bedeutet, jegliche Belastung durch Giftstoffe oder chemische Substanzen maximal und prinzipiell zu vermeiden. Trotzdem ist MCS chronisch und unveränderlich und kann die Lebensqualität des Erkrankten reduzieren.

Umweltkontrolle heißt, Chemikalien und Lebensmittel die Reaktionen auslösen können aus dem Weg zu gehen, feuchte Umgebungen und Umgebungen die Irritationen auslösen können (Rauch und Gase) zu meiden. Dies erfordert, alle Kosmetika und Reinigungsmittel durch ökologische ohne Duftstoffe ersetzen; uns von Naturkost und nicht verarbeiteten Lebensmitteln (ohne die uns unverträglichen) ernähren, die mit ungiftigem Kochgeschirr zubereitet wurden; das Trinkwasser und auch das Wasser zur Nahrungszubereitung und zum Duschen filtern, in Situationen mit hoher Konzentration von Giftstoffen eine Kohlefilter-Atemmaske aufsetzen; einen Luftfilter anschaffen; ökologische Kleidung aus mit Pflanzenfarben gefärbten Naturtextilien tragen; elektromagnetische Felder meiden oder verringern und grundsätzlich alles entfernen, was wir nicht vertragen (Möbel, Kleidung, Kosmetik etc.). Manchmal ist es sogar notwendig, den Wohnort zu wechseln. Umweltkontrolle kommt nicht nur dem MCS-Kranken zugute, sondern seiner ganzen Familie und wird in anderen Ländern für Menschen mit Allergien oder Asthma empfohlen. Sie empfiehlt sich auch für Menschen mit einem Chronic Fatigue Syndrom und mit Fibromyalgie.

Umweltkontrolle: Elementare Hinweise und Empfehlungen

Wissenschaftliche Belege

Im September 2008 wurde die Studie „Ist Multiple Chemical Sensitivity eine erlernte Reaktion? Eine kritische Evaluierung von Provokationsstudien“ von Goudsmit und Howes im „Journal of Nutritional & Environmental Medicine“ veröffentlicht, die zu dem Ergebnis kam, dass MCS mit Chemikalien zusammen hängt und keine psychische Erkrankung ist.

Im Mai 2009 veröffentlichten Professor Anne C. Steinemann und Amy L. Davis von der University of Washington eine Zusammenstellung von MCS-Forschungsarbeiten mit mehr als 100 peer-reviewed’ten Artikeln, welche eine physiologische Grundlage von MCS unterstützen.

Nach dieser Zusammenstellung wurden zwei bedeutende Studien veröffentlicht:

Im Oktober 2009 veröffentlichte das „Journal of the Neurological Sciences“ die Studie „Brain dysfunction in multiple chemical sensitivity“ (Hirndysfunktion bei MCS), welche vom der Pulmonologischen Abteilung der Vall Hebron Klinik in Barcelona (Spanien) durchgeführt wurde.

Und Ende April 2010 wurde die Studie „Biological definition of multiple chemical sensitivity from redox state and cytokine profiling and not from polymorphisms of xenobiotic-metabolizing enzymes“ (Biologische MCS-Definition durch Ermittlung von Redoxzustand und Zytokin-Profilen anstelle von Polymorphismen fremdstoff-verstoffwechelnder Enzyme) des „IDI Institute of Rome (Italien)“ an der Abt. für Toxikologie und angewandten Pharmazie von Elsevier (großer Niederländischer Wissenschaftsverlag) veröffentlicht.

Ebenfalls 2010 war in dem Standardwerk „General and Applied Toxicology, 3rd Edition“ ein von dem Forscher Prof. Dr. Martin Pall verfasstes Kapitel über MCS enthalten, der Titel: „Multiple Chemical Sensitivity: Toxikologische Fragen und Mechanismen“.

Autor: Eva Caballé, No Fun Blog, für Canary Report, April 2011

Übersetzung: Sleepless B. für CSN-International

Eva Caballé ist eine Ökonomin aus Barcelona, Autorin des Buches Desaparecida: Una vida rota por la Sensibilidad Química Múltiple (Vermißt: Ein durch MCS zerstörtes Leben), das 2009 bei El Viejo Topo, in Barcelona auf Spanisch erschien. Sie betreibt den spanischsprachigen Blog NO FUN, auf dem es eine Abteilung in Englisch über Multiple Chemical Sensitivity, Chronic Fatigue Syndrom und Fibromyalgie gibt, welche Informationen und Ratschläge für Menschen bietet, die krank sind oder ein gesünderes giftfreies Leben führen wollen. Für den Canary Report und das Kunstmagazin „Delirio“ (Delirium), sowie für den CSN und EMM Blog liefert sie regelmäßig Beiträge.

Weitere Artikel von Eva Caballé:

MCS – Multiple Chemical Sensitivity: Gene und Sensitivität

Amerikanische Schüler lernen, was Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist

Environmental Health Perspectives, ein Journal der obersten US-Einrichtung für Umweltgesundheitsforschung (NIEHS), bietet Lehrern fertige Unterrichtsmaterialien an. In einer zweistündigen Lektion sollen die 15 bis 18 jährigen Schüler (grade 10-12) den im Folgenden übersetzten Text lesen und selbständig im Internet nach zusätzlichen Informationen recherchieren. Dazu werden ihnen zwei Aufgaben gestellt.

  1. Multiple Chemical Sensitivity und den Zusammenhang mit Genvariationen und Umweltfaktoren beschreiben
  2. Risikofaktoren für umweltbedingte Gesundheitsprobleme herausfinden und einschätzen, die im Zusammenhang mit MCS, Asthma, Brustkrebs und Übergewicht stehen.

Hier wird auf löbliche Weise der unsäglichen Psychothese begegnet, mit der die Schulmedizin auf jedes ihr noch nicht geläufige Erkrankungsbild reagiert. Das größte Interesse an der Psychiatrisierung hat jedoch bekanntlich die Industrie-Lobby, die uns weiß machen will, dass alle ihre Produkte gesund sind. Und viele (noch gesunde) Menschen vertrauen sogar naiv darauf.

  • Wird es ähnliche Unterrichtseinheiten auch einmal bei uns geben?
  • Welcher Lehrer getraut sich, die Materialien (PDF-Link) herunter zu laden und den Text entsprechend den Anweisungen seinen Schüler vorzulegen?
  • Welche Reaktionen werden ihm von Seiten der Schulleitung blühen? – Wir könnten darüber berichten.

Chemikalienexposition: Gene und Sensitivität

Menschen, die an multiplen chemischen Unverträglichkeiten leiden, eine Krankheit, die manchmal als „Multiple Chemical Sensitivity“ bezeichnet wird, berichten eine Vielzahl von Symptomen wie Kopfschmerzen, Probleme mit dem Kurzzeitgedächtnis, Verwirrung, Müdigkeit, Depressionen, Reizbarkeit und Atemprobleme. Ist dieses Phänomen Ergebnis einer verringerten Toleranz des Körpers gegenüber geringen Spuren von Chemikalien wie Pestiziden und Lösungsmitteln, oder ist es eine irrationale Furcht vor Chemikalien oder manifestiert sich so psychischer Stress, wie manche behauptet haben? Eine Studie der Epidemiologin Gail McKeown-Eyssen von der University of Toronto und ihrer Kollegen weist darauf hin, dass diese Erkrankung tatsächlich genetisch bedingt sein könnte.

Die Studie, von der das Journal of Epidemiology im Oktober 2004 berichtete, untersuchte zum ersten Mal die genetischen Unterschiede zwischen Frauen, die von chemischen Unverträglichkeiten berichten und solchen, die keine derartigen Unverträglichkeiten haben. Obwohl Männer wie Frauen von multiplen chemischen Unverträglichkeiten berichten, legen mehrere Studien nahe, dass sehr viel mehr Frauen als Männer betroffen sein könnten.

Die Forscher wählten 203 Fälle und 162 Kontrollpersonen aus Beantwortern einer Gesundheitsumfrage der Universität von Toronto. An multipler chemischer Unverträglichkeit Erkrankte bestimmten sie mittels von früheren Studien abgeleiteter Kriterien, dazu gehörte eine von James R. Nethercott und Kollegen aus der Januar/Februar Ausgabe der „Archives of Environmental Health“ von 1993. Sie definiert [MCS-] Fälle als solche mit chronischen Symptomen, die bei einer niedrigen Belastung durch chemische Stoffe auftreten und die mit Entfernung der Exposition verschwinden.

Die Forscher aus Toronto stellten fest, dass bei den Fällen eine signifikant höhere Wahrscheinlichkeit wie bei den Kontrollpersonen besteht, bei einem oder bei beiden der zwei Gene CYP2D6 und NAT2 Polymorphismen [Genvarianten] aufzuweisen. CYP2D6 codiert Enzyme, die solche Chemikalien verstoffwechseln, wie z.B. Medikamente, die auf das zentrale Nervensystem wirken (dazu gehören diverse Antidepressiva, Aufputschmittel, und Wirkstoffe auf Codein-Basis mit unterschiedlichen chemischen Strukturen), illegale Drogen, Nervengifte, Prokarzinogene (Stoffe, die nur dann krebserzeugend werden, wenn sie zu chemisch reaktiveren Verbindungen verstoffwechselt werden) und sogar die körpereigenen Neurotransmitter. NAT2 spielt beim Stoffwechsel zahlreicher Drogen und toxischer Chemikalien ebenfalls eine Rolle, zu diesen gehören aromatische Amine, eine Klasse chemischer Stoffe, die zur Herstellung von Epoxidharzen und Farbstoffen verwendet werden.

Frauen, deren Polymorphismus eine höhere CYP2D6 Aktivität zur Folge hat, haben mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit eine Chemikalienunverträglichkeit, als jene mit der inaktiven Form des Genes. Genauso werden Frauen mit der sogenannten Schnell-Acetylator Form von NAT2 mit viermal höherer Wahrscheinlichkeit an multiplen chemischen Unverträglichkeiten erkranken. Da der Stoffwechsel mancher Chemikalien giftige Nebenprodukte zur Folge haben kann, können Menschen mit schnellem Stoffwechsel schneller giftige Verbindungen im Körper akkumulieren. „Es hängt von der Verbindung ab und davon, welche Stoffwechselprodukte entstehen und wie schnell sie vom Körper beseitigt werden, ob ein schneller Stoffwechsel eine größere oder kleinere Belastung bedeutet“, sagt McKeown-Eyssen.

Die Forscher fanden sogar einen noch stärkeren Zusammenhang bei Frauen, welche sowohl von CYP2D6 als auch von NAT2 eine stoffwechselbeschleunigte Form aufwiesen. Diese Frauen erkranken mit 18-mal höherer Wahrscheinlichkeit als die Kontrollpersonen an multiplen chemischen Unverträglichkeiten. McKeown-Eyssen ist, was diese Ergebnisse angeht, besonders vorsichtig, da die Analyse solcher Wechselwirkungen im ursprünglichen Entwurf der Studie nicht vorgesehen war. „Wir müssen mit dieser Beobachtung wirklich vorsichtig sein“, sagt sie. „Doch wenn sie stimmt und reproduziert werden kann, bedeutet dies, dass manche Menschen besonders gefährdet sind.“

Wenn diese Ergebnisse reproduzierbar sind, könnten sie für diese rätselhafte Erkrankung den Beleg eines körperlichen Entstehungszusammenhanges erbringen. Erst 1994 hat die American Medical Association in einer gemeinsamen Erklärung mit anderen Organisationen bestätigt, dass chemische Unverträglichkeiten nicht als psychisch bedingt abgetan werden sollten.

Claudia Miller, eine Professorin für Umweltmedizin am Health Science Center der University of Texas in San Antonio sagt, dass die drei- bis vierfache mit den Polymorphismen verbundene Risikozunahme beträchtlich ist und dass diese Ergebnisse wichtig sind, weil sie eine körperliche Bedingtheit dieser Erkrankungen nahelegen. „Man kann kaum sagen, genetische Polymorphismen wäre psychisch bedingt“, sagt sie. „Uns war schon seit längerem bekannt, dass es ein ganzes Spektrum von Anfälligkeit (für chemische Unverträglichkeit) in der Bevölkerung gibt, und es sollte nicht überraschen, dass dies genetische Ursachen hat.“

McKeown-Eyssen sagt, wenn diese Ergebnisse reproduziert wurden, sollte es in der zukünftigen Forschung Studien geben, die sich mit der Funktion der Enzyme befassen, die von diesen Genen dafür programmiert werden. Es könnte auch sinnvoll sein, so schlägt sie vor, nach anderen Genen zu suchen, die etwas mit chemischer Intoleranz zu tun haben könnten, da diese Studie einen Zusammenhang feststellte, indem sie lediglich ein paar der vielen Gene untersuchte, die bei der Entgiftung von Chemikalien ein Rolle spielen.

Nachbemerkung:

Die Materialien zur Bearbeitung des Textes von Angela Spivey enthalten nicht nur alle erforderlichen Arbeitsschritte für den Unterricht, sondern sind mit zusätzlichen Informationen ergänzt, so daß auch den Lehrern der Einstieg in das Thema nicht allzu schwer fallen sollte.

Die Bedeutung von Genen im Zusammenhang mit Erkrankungen wird von der US Bundesbehörde NIEHS  – National Institutes of  Environmental Health Sciences wie folgt erläutert:

Lesson: Risk Factor Roulette (pdf)

„Die DNA des Menschen stimmt zu 99% bei jeder Person überein. Das verbleibende eine Prozent erlaubt jedoch genug genetische Variabilität, um jeden Menschen (mit der Ausnahme von eineiigen Zwillingen) genetisch zu einem Unikat zu machen. Die meisten Erkrankungen sind, was die Gene angeht, „polygenetisch“, das heißt mehrere unterschiedliche Gene spielen bei ihrer Entwicklung eine Rolle. Da das menschliche Genom erforscht wird, verstehen wir besser, warum manche Menschen aufgrund von Umweltfaktoren krank werden, während dies andere anscheinend nicht betrifft. Bei immer mehr  Erkrankungen, von denen man bisher dachte, sie hätten ihren Ursprung „in der Psyche des Patienten“, stellt man fest, daß sie mit bestimmten genetischen „Polymorphismen“ oder mit ungewöhnlichen Expressionen eines bestimmten Genes zusammen hängen. Die Suche nach genetischen Erklärungen für Krankheiten ist spannend und macht große Hoffnungen für Vorbeugung und frühe Behandlung. Gentherapie als Behandlung individueller Beschwerden bleibt eine äußerst aufregende Zukunftsmöglichkeit. Es ist jedoch wichtig, daran zu denken, dass Gene und genetische Faktoren nur für einen geringen Prozentsatz bestimmter Erkrankungen oder Beschwerden verantwortlich zu machen sind, das gilt gerade für Erkrankungen, bei denen der genetische Zusammenhang gut belegt ist, wie z.B. Brustkrebs.

Genetische Variationen sind nur ein Typ von Risikofaktoren für Erkrankungen. Zu weiteren Risikofaktoren zählen natürliche oder demographische Faktoren (z.B. Alter, Geschlecht und Rasse), Lebensstil oder verhaltensbedingte Faktoren (z.B. Ernährung oder Rauchen) und Umweltfaktoren (z.B. Luftbelastung mit Feinstaubpartikeln aus Dieselabgasen). Die Schüler sollten es vermeiden, Risikofaktoren als Ursache von Erkrankungen zu diskutieren. Einem Risikofaktor ausgesetzt zu sein bedeutet nicht, dass jemand eine bestimmte Erkrankung entwickeln wird, genauso wie dessen Nichtvorhandensein nicht heißt, dass jemand vor einer Erkrankung sicher ist. Risikofaktoren sind mit Blick auf die öffentliche Gesundheit nützlich, da ihre Berücksichtigung hilft, vorbeugende Programme für jene zu entwickeln, die statistisch gesehen am wahrscheinlichsten von einer Krankheit betroffen sein werden. Es ist selten, dass ein Arzt genau angeben kann, ob die Erkrankung eines bestimmten Menschen von einer bestimmten Umweltbelastung oder von bestimmten genetischen Problemen verursacht wird. Viel häufiger ist die Entstehungsgeschichte (oder die Grundursache) einer Krankheit ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren, die bei jedem Menschen anders sind. Indem sich die Schüler mit einem Mix bekannter Risikofaktoren für eine Anzahl von Erkrankungen befassen, bekommen sie einen Einblick in die Komplexität der Erforschung von Erkrankungen.“

Dem stellen wir ohne Kommentar die Ansicht eines deutschen Professors aus dem gleichen Jahr wie der Artikel von A. Spivey, gegenüber:

„Das Candida-Hypersensitivitäts-Syndrom ist ebenso wie das Chronic-fatigue-Syndrom oder das Multichemikaliensyndrom ein Hirngespinst, das allenfalls als Variante des Reizdarmsyndroms eingestuft werden kann“, so die Meinung von Prof. Dr. Wolfgang Rösch, Facharzt für Innere Medizin mit Zusatzbezeichnung Gastroenterologie und Chefarzt der Medizinischen Klinik am Krankenhaus Nord-West in Frankfurt, im Rahmen des deutschen Internistenkongresses in Wiesbaden.

Autor: Angela Spivey, 01.03.2005

Übersetzung und Anmerkungen: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. April 2011

Bibliographische Quellenangabe:

Der Originalartikel von A. Spivey in der EHP ist Public Domain. Lizenz dieser Übersetzung, Creative Commons: by-nc.

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Kranke benötigen medizinische und soziale Hilfe statt Wunderheiler

Ein falscher Schachzug, Erkrankte zu psychiatrisieren oder Wunderheilern zuzuführen

Seit dreizehn Jahren unterstützenzahlreiche Politiker verschiedener amerikanischer Bundesstaaten die Aufklärung über die Umwelterkrankung MCS – Multiple Chemical Sensitivity. Durch Proklamationen weisen sie darauf hin, wie dringlich es ist, dass jeder Bürger sich der Existenz von Umweltproblemen bewusst wird und zur Kenntnis nimmt, dass ein erheblicher Anteil der Bevölkerung bereits unter Umwelterkrank- ungen leidet. In Deutschland hat sich die Prognose für Umwelterkrankte im gleichen Zeitraum im Grunde genommen nur verschlechtert.

MCS, eine Umwelterkrankung, die Aufmerksamkeit verlangt

Etwa 15% der Allgemeinbevölkerung reagiert mehr oder weniger stark auf Chemikalien, mit denen man im normalen Alltag ständig in Kontakt gerät. Die an MCS Erkrankten klagen u.a. über Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Konzentrations- verlust, Atembeschwerden oder Muskelschmerzen, wenn sie Autoabgasen, Kamin- oder Zigarettenrauch, Parfüm, dem Geruch von Weichspüler, Zeitungsaus- dünstungen, Neuwagen oder neuen Möbel ausgesetzt sind. Die Beschwerden der Erkrankten haben erhebliche Auswirkungen auf deren Privat- und Berufsleben. Viele verlieren durch die anhaltenden und häufig schlimmer werdenden Gesundheitsbeschwerden ihre Arbeit. Weil die Auswirkungen wegen der hohen Verbreitung von MCS bereits einen Einfluss auf viele Bereiche haben, setzen sich amerikanische Gouverneure kontinuierlich für Umwelterkrankte mit MCS ein.

USA – Gouverneure bieten Verständnis und Hilfe für MCS Kranke

Der Gouverneur von Colorado, John Hickenlooper, gehört zu den Ersten, die eine Proklamation für den MCS Aufklärungsmonat Mai 2011 mit ihrem Staatssiegel beurkunden. Die Proklamation für den Bundesstaat Colorado lautet wie folgt:

MCS PROKLAMATION

WEIL, Menschen aller Altersgruppen in Colorado und in der ganzen Welt Multiple Chemical Sensitivity (MCS) als Folge der globalen Umwelt- verschmutzung entwickelten; und

WEIL, MCS eine schmerzhafte chronische Erkrankung ist, die von Überempfindlichkeits- reaktionen auf die Umwelt geprägt ist und für die es keine Heilung gibt; und

WEIL, die Symptome bei MCS akute Reaktionen auf Chemikalien, Lebensmittel und Medikamente einschließen, als auch neurologische Symptomatik, Muskel- und Gelenkschmerzen, Konzentrations- und Atembeschwerden verursachen; und

WEIL, MCS durch die amerikanische Gesetzgebung für Behinderte dem Americans with Disabilities Act, der amerikanischen Behörde für Barrierefreiheit, der Social Security Administration, dem US Department für Haus- und Stadtplanung und der Umweltschutzbehörde EPA und zahlreichen weiteren staatlichen Behörden und Kommissionen anerkannt ist; und

WEIL, die Gesundheit der Allgemeinbevölkerung in Gefahr ist durch Chemikalienexpositionen, die zu diesen umweltbedingten Krankheiten führen können; und

WEIL, diese Krankheit durch Reduzierung oder Vermeidung von Chemikalien in Luft, Wasser und Nahrung, sowohl im Innen- als auch im Außenbereich, vermeidbar sind, und weitere wissenschaftliche Untersuchungen, einschließlich der Genetik durchgeführt werden sollten; und

WEIL, Menschen mit MCS Unterstützung durch die medizinischen Fachwelt brauchen und Verständnis durch die Familie, Freunde, Mitarbeiter und der Gesellschaft, während sie mit ihrer Krankheit und der Anpassung an neue Lebensweisen kämpfen;

DESWEGEN, verkünde ich, John Hickenlooper, Gouverneur des Bundesstaates Colorado, jetzt hiermit den Mai 2011 als

Multiple Chemical Sensitivity

(MCS) Awareness Month

Die Situation Umwelterkrankter in Deutschland

Während in den USA die Allgemeinbevölkerung seit fast eineinhalb Jahrzehnten durch Gouverneure, Politiker und Behörden um Verständnis und Hilfe für MCS Kranke gebeten wird, gibt es in Deutschland keinerlei ernstzunehmende Bestrebungen, diesen Umwelterkrankten zur Seite zu stehen. Im Gegenteil, die Bestrebungen, die Ursache von MCS der Psyche der Erkrankten zuzusprechen, nimmt zu. Politiker widmeten sich Umwelterkrankten immer nur im Wahlkampf, was erkennen lässt, dass wirtschaftliche Interessen des Industriestandortes Deutschland als vorrangig betrachtet werden. Die Rechte, die MCS-Erkrankten als Behinderte im Sinne von Integration und Barrierefreiheit zustehen, werden grundsätzlich völlig ignoriert, obwohl Deutschland die UN-Behindertenkonvention unterzeichnet hat.

Immer öfter zweifelhafte Angebote statt echter Hilfe

Die jahrzehntelange Forderung von MCS-Kranken nach einer Umweltklinik, die den Bedürfnissen der Erkrankten gerecht wird, blieb in Deutschland unerfüllt. Stattdessen scheinen sich zwei Strömungen zu bilden. Die Strömung von einigen niedergelassenen Umweltmedizinern ausgehend versucht, die MCS-Kranken Wunderheilern und dubiosen „Detox-Experimenten“ zuzuführen.

Die andere Strömung, die von universitären Umweltinstituten ausgeht, versucht ein „bio-psycho-soziales Behandlungskonzept“ zu installieren.

Beide neuen Strömungen stellen nicht mehr als eine Kapitulationserklärung für den Medizinstandort Deutschland dar und sollten von den Umwelterkrankten nicht hingenommen werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 3. April 2011

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Umweltkrankheiten: Hinschauen oder wegsehen?

Erneut erschien ein Artikel der MCS-Aktivistin und Autorin Eva Caballé im spanische Kunst- und Kulturmagazin Deliro. Das Motto der aktuellen Ausgabe lautet „KINO.

Die zum Nachdenken anregende Geschichte von Eva Caballé handelt über Schadstoffe und Multiple Chemical Sensitivity. Sie trägt den Titel „Das Fenster zum Hof“ und ist ein Tribut an den großartigen Filmemacher Alfred Hitchcock. Die Fotos dazu stammen von Evas Mann David Palma.

Das Fenster zum Hof

Von Eva Caballé

Der Raum ist fast leer; nichts als ein Bett und ein alter Nachttisch ohne Dekor oder Vorhang, alles in hellen Farben. Es scheint ruhig. Die Frau sitzt auf dem Rand des Bettes vor dem Fenster und schaut ins Sonnenlicht, das orangefarben durch den Sonnenuntergang ist. Sie wirft einen kurzen Blick aus dem Fenster und beobachtet etwas ganz genau, wobei sie ihren Hals dreht, als ob sie nach etwas sucht. Sie dreht sich um und spricht mit der jungen Frau, die gerade den Raum mit einem ironisch besorgten Lächeln betritt.

Frau: Siehst du nicht, wie jeder verschwindet? Es ist kein Zufall! Sie haben begonnen, den Park zu sprühen, Tag für Tag, während die Kinder spielten und die Eltern und Großeltern in der Sonne saßen und redeten, während sie die Kinder beobachteten.

Die junge Frau stützt ihre Hand auf ihre Taille mit einem müden Blick und reagiert, mit der anderen Hand gestikulierend, während sie schnaubend impliziert, dass sie müde ist, immer über die gleiche Sache zu reden.

Junge Frau: Du sieht nur Verschwörungen, für Dich ist alles sehr einfach. Wie kannst Du so sicher sein, wenn Du das Haus nicht verlassen kannst? Du lebst nur durch Dein Fenster! Statt stundenlang Pamphlete zu schreiben, von denen ich sicher bin, dass sie niemand liest, und Fotos zu machen, solltest Du Dich nicht lieber auf Dein nächstes Buch konzentrieren?

Der Gesichtsausdruck der Frau wird ernst, sie wendet sich wütend um und antwortet mit einigem Unwillen.

Frau: Aber es ist offensichtlich! Es braucht keinen Sherlock Holmes! Der Hund des Nachbarn im ersten Stock starb wenige Tage nach der ersten Begasung. Sie sagen, dass er durch etwas, was er gefressen hat, vergiftet wurde … Vor ein paar Tagen kam ein Krankenwagen und nahm mitten in der Nacht die alte Frau mit, die im Obergeschoss wohnt, und sie ist noch im Krankenhaus, während ich sie in den 40 Jahren, die ich hier lebe, noch nie mit einer Erkältung gesehen haben! Und was ist mit den Kindern vom vierten Stock? (Sie macht eine Pause zum Atmen, ihre Stimme überschlägt sich fast, so dass sie fast den Atem verliert.) Jeden Tag sehe ich sie mit dem Inhalator und alle zwei Minuten in der Notaufnahme! Ihre Nachbarin hat Krebs und seit sie Chemotherapie bekommt, kann sie Parfums mehr nicht länger ertragen und jetzt muss sie eine Maske tragen, wenn sie für einen Spaziergang die Straße entlang geht. (Jetzt fast schreiend.) Man sagt, dass sie hat Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und die Ärzte kümmern sich nicht um sie!

Die Frau schneidet Gesichter und parodiert den Vortrag der junge Frau, denn sie bereits erwartet hat und auswendig kennt.

Junge Frau: Du bist ein wenig ein Panikmacher! Es gibt nur wenige Menschen, die unter MCS leiden, es gibt keinen Grund zur Sorge. Und heute hat fast jeder Allergien oder Asthma und die Behörden warnen davor, dass jeder vierte Mensch in seinem Leben Krebs haben wird. (Sie geht rückwärts, und spricht vom Flur aus, sich dabei an die Tür anlehnend). Das ist das moderne Leben. Vor irgendetwas müssen wir ja schließlich sterben!

Die Frau dreht sich um und antwortet entrüstet vom Bett aus.

Frau: Und, erscheint es normal für Dich? Wirklich? Und wenn es Dich betrifft, denkst Du dann immer noch genauso?

Die junge Frau verlässt schließlich den Raum und ihre Stimme, die vom Flur aus noch zu hören ist, klingt vom Ton her zwischen sarkastisch und müde.

Junge Frau: Also, wir sehen uns nächste Woche. Hör auf, Deine Nachbarn zu bespitzeln, weil Du sonst am Ende noch verrückt wirst. Du solltest Dich lieber amüsieren und aufhören zu fantasieren.

Die Frau antwortet und hebt dabei ihre Stimme, während die junge Frau die Vordertür schließt und das Haus verlässt.

Frau: Mach dir keine Sorgen, meine Einstellung bietet keine Lösung. (Und endet damit ärgerlich vor sich hinsprechend.) Und auch nicht Deine Dummheit.

Die Frau starrt immer noch entrüstet und mit einem besorgten Gesicht aus dem Fenster und denkt laut dabei.

Frau: Realisiert es irgendeiner? Ich sehe alles so klar, dass es mich erschreckt. Es drängt mich dazu, das Fenster zu öffnen und es von den Dächern zu schreien, aber will mich irgendjemand hören? Warum wollen sie nicht hören, selbst wenn es sie alarmiert? (Mit einem sarkastischen Ton.) Keine Zeit dafür, und die Geschwindigkeit des Lebens klingt wie billige Ausreden für mich. (Sie steht auf und nähert sich dem Fenster.) Es ist ganz einfach. Wir sind schlimmer als Esel geworden, denn es ist nicht einmal notwendig, dass sie uns Scheuklappen aufsetzen, um zu verhindern, dass wir unseren Blick vom ausgetretenen Weg abwenden. Wir haben nicht mehr den Drang dazu, es zu tun! Wir fürchten uns davor, was wir sehen, weil wir dann nämlich reagieren müssten. (Die Sonne ist untergegangen und sie beginnt die Fensterläden zu schließen.) Es muss daran liegen, dass ich keine Angst habe hinzuschauen oder daran, weil ich nichts zu verlieren habe. Es scheint, als sei mein Fenster anders…

Autor: Eva Caballé, No Fun Blog, Februar 2011

Originalartikel: LA VENTANA INDISCRETA, artículo sobre tóxicos y Sensibilidad Química Múltiple publicado en la revista DELIRIO

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Weitere Artikel von Eva Caballé, die in der Kunst- und Kulturzeitung Deliro erschienen:

Hamburger Krankenhaus bietet Zimmer für Patienten mit MCS und Umweltkrankheiten

Als erstes Krankenhaus in Deutschland, hat das Agaplesion Diakonieklinikum in Hamburg zwei Krankenzimmer für MCS-Kranke und Multiallergiker mit viel Aufwand eingerichtet. Viele Jahre setzten sich ortsansässige Selbsthilfegruppen unermüdlich für die Integration umweltkontrollierter Krankenzimmer im Krankenhaus ein. Erstmalig ist es nun möglich, dass sich Menschen, die unter Umweltkrankheiten oder schweren Allergien leiden, in einem Krankenhaus medizinisch behandeln lassen können, dass auf ihre gesundheitlichen Belange abgestimmt sind.

,,Umweltzimmer“ für MCS- undUmweltpatienten, Multiallergiker

Mit dem Umzug in den Neubau des AGAPLESION DIAKONIEKLINIKUM HAMBURG (vormals Krankenhäuser Alten Eichen, Bethanien und Elim) in Eimsbüttel stehen seit Februar 2011 erstmals in Hamburg zwei spezielle schadstoffarm hergerichtete Umweltzimmer für Multiallergiker, MCS- und Umweltpatienten zur Verfügung. Die spez- iellen Umweltzimmer wurden mit viel Sorgfalt hergerichtet. Sie bestehen aus einem Einbett- und einem Zweibettzimmer. Beide Zimmer sind durch einen Vorflur vom anderen Stationsbereich getrennt, damit chemikaliensensible Patienten nicht mit den üblichen Klinikchemikalien und Duftstoffen anderer Patienten in Kontakt kommen.

Medizinische Behandlung, Operationen, Geburtshilfe

Die beiden Umweltzimmer wurden eigens hergerichtet, um die Behandlung von Umweltpatienten im Rahmen des medizinischen Spektrums der Agaplesion Klinik zu ermöglichen.

Folgende Klinikabteilungen im medizinischen Spektrum der Klinik integriert:

  • Innere Medizin
  • Geriatrie (Altersmedizin)
  • Diabetologie
  • Chirurgie, Handchirurgie, Plastische Chirurgie
  • Gynäkologie, Geburtshilfe
  • Orthopädie
  • Anästhesie, Intensivmedizin

Voraussetzungen für die Aufnahme im Umweltzimmer

Die Einweisung erfolgt über einen Arzt oder über die Notaufnahme. Beim Erstkontakt ist eine Mitteilung erforderlich, dass der Patient eine Aufnahme im Umweltzimmer wünscht. Die Agaplesion Klinik benötigt vom Patienten einen ärztlichen Nachweis, dass MCS (Multiple Chemikalien Sensitivität), umweltbezogener Allergien/ Intoleranzen (Multi- allergien) und/oder eine chronische Intoxikation beim Patienten vorliegen. Ein MCS- und/oder Allergiepass ist ebenfalls geeignet, um den Bedarf für die Aufnahme in einem speziellen Umweltzimmer zu begründen.

Besondere Einrichtung der Umweltzimmer

Zimmer in herkömmlichen Krankenhäusern sind für chemikaliensensible Patienten nicht geeignet. In der Regel sind die Krankenzimmer mit PVC Boden und Pressspanmöbeln eingerichtet. Bei den Umweltzimmern in der Agaplesion Klinik wurde mit viel Mühe ein Konzept erstellt, das den Bedürfnissen MCS-Kranker Genüge trägt. Die beiden Umweltzimmer wurden aus schadstoffarmen/ -freien Baustoffen und Einrichtungs- gegenständen errichtet, um hypersensiblen Patienten eine möglichst schadstoffarme Raumluft zu gewährleisten.

Einige Beispiele über die besondere Ausstattung der Umweltzimmer:

  • Wände und Decken mit Fermacell Greenline-Platten ausgeführt
  • Massive Außenwände erhielten Kalkputz
  • Wände und Decken mit Kalkfarbe gestrichen
  • Zimmer sind mit einer Wandheizung ausgestattet
  • Fußboden besteht aus Keramikfliesen.
  • Fenster- und Türzargen sind mit Hanf gedämmt
  • Türen bestehen aus Glas
  • Belastung mit elektromagnetischen Feldern wurde unter anderem durch den Einbau von Netzfreischaltern verringert
  • Möblierung besteht aus einbrennlackiertem Metall oder Edelstahl

Das Klinikpersonal achtet auf eine belastungs- und schadstoffarme Patientenbetreuung:

  • Es werden duftstoffhaltige und belastende Produkte in Patientennähe vermieden.
  • Die Patienten werden zu ihren möglichen Nahrungsmittelunverträglichkeiten, zu Unverträglichkeiten gegenüber Medikamenten, Desinfektionsmitteln, Heilmitteln und Anästhetika befragt.
  • Eine Diätassistentin berücksichtigt die Nahrungsmittelunverträglichkeiten der Patienten
  • Auf der Station liegt Informationsmaterial aus, in dem Ausstattung, Materialien und Leistungen zusammengefasst sind. Diese können jederzeit eingesehen werden.
  • Das Personal der Station arbeitet sehr eng mit der Selbsthilfegruppe „Umweltkrankheiten MCS+CFS“ zusammen.
  • Die Reinigung der Umweltzimmer erfolgt mit duftstofffreien Reinigungsmitteln, aber eine desinfizierende Reinigung ist unumgänglich. Um evtl. auftretende Gerüche zu neutralisieren, wird den Patienten den Einsatz effektiver Mikroorganismen (EM1) angeboten.
  • Soweit erforderlich, können Medikamente wie auch kleine Mengen mitgebrachter Nahrungsmittel in einem Kühlschrank im Vorflur aufbewahrt werden. Ein Wasserkocher ist dort vorhanden.
  • Die Bettwäsche des gesamten Krankenhauses ist duftstofffrei. Es ist gestattet, eigene Bettwäsche mitzubringen.

Besondere Maßnahmen zum Wohle von Umweltpatienten

  • Der Gebrauch von duftstofffreien und schadstoffarmen Produkten ist für Patienten und deren Besucher geboten
  • Die Benutzung eines Handys sowie das Rauchen sind in diesem Bereich nicht gestattet
  • Das Zusammenleben erfordert von allen Patienten in den Umweltzimmern mit Vorflur großes Verständnis, Rücksichtnahme und Hilfsbereitschaft

Krankenhausalltag – Hinweis am Rande

Wichtig für Umweltpatienten und deren Ärzte, ist die Information, dass die Agaplesion Klinik ein Krankenhaus und keine Umweltklinik ist. In einem Krankenhaus ist der Ablauf geregelt und Sonderwünsche können nicht erfüllt werden. Die Agaplesion Klinik betritt Neuland mit den beiden Umweltzimmern, die sie zur Verfügung stellt. Die Mitarbeiter sind hinsichtlich MCS und Umweltkrankheiten geschult, aber sie sind auf Kooperation der Umweltpatienten angewiesen, damit ein reibungslos ablaufender Klinikalltag gewährleistet werden kann. Wenn anfangs noch nicht alles zur höchsten Zufriedenheit ist, sollten Patienten Verständnis aufbringen und ggf. konstruktive Vorschläge zur weiteren Verbesserung einbringen. Wichtig für Patienten mit Chemikalien-Sensitivität (MCS) ist der Hinweis, dass die Klinik ein gerade bezogener Neubau ist. Für Hypersensible kann ein Aufenthalt trotz sorgfältigster Materialauswahl anfänglich noch mit Problemen behaftet sein, weil auch ökologische Materien ausgasen.

Chemikaliensensible danken für das Engagement

Den MCS-Selbsthilfegruppen in Hamburg, die über Jahre ihr Ziel „MCS-gerechte Krankenzimmer in einem Krankenhaus“ verfolgten, gebührt großer Dank und Anerkennung. Ebenso den Ärzten, Krankenhausplanern, Architekten und Behörden, die bei diesem hoffnungsbergenden Projekt beteiligt waren. Alles Gute und viel Erfolg für die Umweltzimmer in der Agaplesion Klinik!

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1. März 2011

Literatur:

Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg, Rundbrief ,,Umweltzimmer“ für MCS- und Umweltpatienten/ Multiallergiker, Januar 2011

Kontakt:

AGAPLESION DIAKONIEKLINIKUM HAMBURG

Hohe Weide 17, 20259 Hamburg, Tel. (040) 7 90 20 – 0, Fax (040) 7 90 20 – 10 79, E-Mail: info@d-k-h.de, Internet: www.d-k-h.de

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Barrierefreiheit bei der Begutachtung von Behinderten

Umwelterkrankte mit MCS, auch beim Gutachter benachteiligt

Im Alltag, im Berufsleben und im sozialen Bereich sind Umwelterkrankte, die unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden, weitgehend ausgegrenzt. Barrierefreiheit, wie sie anderen Behinderte ermöglicht wird, existiert nicht. Selbst auf dem Papier nicht, obwohl MCS eine anerkannte körperlich bedingte Behinderung darstellt und die Anzahl der Erkrankten nicht unbeträchtlich ist.

Um Unterstützung zu erhalten und Behindertenschutz geltend machen zu können, beantragen Umwelterkrankte mit MCS eine Einstufung ihrer Behinderung. In den meisten Fällen wird eine medizinische Begutachtung anberaumt. Die Gutachter, die benannt werden, sind in der Regel jedoch weder fachlich für die Begutachtung von Umwelterkrankten mit MCS qualifiziert, noch verfügen sie über eine Praxis, die schadstoffkontrolliert ist. Das sind Erfahrungswerte, die durch zahlreiche Berichte Umwelterkrankter belegt und über Jahre gleich geblieben sind.

Begutachtungen im persönlichen Wohnumfeld der Umwelterkrankten mit MCS werden von Behörden und Institutionen zumeist kategorisch abgelehnt. Obwohl gerade eine Begutachtung im Wohnumfeld des Umwelterkrankten dem Gutachter besonderen Aufschluss über dessen Situation und Einschränkungen geben könnte. Gleichzeitig könnte die Benachteiligung Umwelterkrankter mit MCS, weil adäquate schadstoffkontrollierte Gutachterpraxen fehlen, ohne viel Aufwand ausgeglichen werden.

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  • Wie erging es Euch beim Gutachter, kamt Ihr mit den Räumlichkeiten klar?
  • Waren der Gutachter und seine Praxisangestellten auf MCS eingestellt?
  • Waren die Praxisräume, Toilette beduftet oder mit chemischen Mitteln gereinigt?
  • Verzichtete man auf Parfüm, Aftershave, parfümierte Handcremes, etc.?
  • Habt Ihr Reaktionen in den Räumlichkeiten erlitten, in denen die Begutachtung stattfand?
  • Oder seid Ihr während der Begutachtung oder danach sogar kollabiert?
  • Hat man Euch aufgrund fehlender schadstoffkontrollierter Praxisräume eine häusliche Begutachtung zugebilligt?
  • Oder lehnte man Euren Vorschlag, zuhause zu begutachten, ab? Mit welcher Begründung?

Macht oder Ohnmacht des Gerichts?

Medizinische Begutachtung eines Jugendlichen mit MCS auf Biegen und Brechen

Der Gesundheitszustand von Patrick verschlechterte sich rasch. An eine Rückkehr in die Schule war nicht zu denken. Er nahm an einer Beschulung per Internet teil und erhoffte sich, wenigstens auf diesem Wege einen Abschluss zu schaffen. Das Angebot, seine Behinderung mit 30 GdB zu bewerten, erschien wie ein Hohn. Das sah auch der Anwalt so und erhob im Januar 2010 Klage beim Sozialgericht um einen Gesamt- GdB von mindestens 50 festzustellen. Die Gegenseite beharrte auf ihrer Einschätzung und beantragte im Februar 2010, die Klage abzuweisen.

Teil I: Behördenkrieg gegen einen Jugendlichen mit Chemikalien-Sensitivität

Teil II:

Im Mai 2010 reichte der Anwalt von Patrick einen Schriftsatz zur Begründung der Klage ein und beschreibt den Gesundheitszustand des jungen Mandanten:

„Beim Kläger liegt eine schnelle Ermüdung und Erschöpfung bei schon geringen körperlichen Tätigkeiten, chronische Kopf- und Rücken- schmerzen, völlige Konzentrationsunfähigkeit und fehlender Antrieb, schwere bis schwerste Schwächeanfälle beim Gehen und Stehen, Tremor, Kontrollverlust beider Beine mit häufigem Einknicken und dann auch Sturz, sowie Koordinationsverluste besonders bei der Feinmotorik vor, ferner Blockaden im BWS/LWS-Bereich mit starken Schmerzen, starke Gelenk- und Gliederschmerzen, Muskel- und Nervenschmerzen am ganzen Körper, fehlende Muskelkraft, heftiger Schwindel, Benommenheit, Gleichgewichts- störungen, Taubheitsgefühle im Nasen-Stirnbereich, Magenkrämpfe, Übelkeit bis hin zur Atemnot bei der geringsten Exposition mit Duftstoffen und Chemikalien, Überempfindlichkeit und sensorische Missempfind- ungen auf Geräusche, Licht, Temperatur, Anschwellen der Nasenschleim- häute bis zur völligen Verstopfung, Reizungen und ständige Entzündungen der Atemwege bis hin zur Atemnot, zunehmende Nahrungsmittel- unverträglichkeiten, starkes Unruhe- und Bewegungsgefühl, Stimmungs- schwankungen, Chlorakne an Gesicht und Oberkörper, verschobener und gestörter Schlaf-Wachrhythmus vor. Der Kläger kann seine Wohnung nicht ohne fremde Hilfe verlassen. Trotz Behandlung mit Morphin bestehen beim Kläger unerträgliche Schmerzen.

Die angefochtenen Bescheide stützen sich demgegenüber hauptsächlich auf ältere medizinische Unterlagen, die den Gesundheitszustand des Klägers nur ungenügend erfassen und jedenfalls die gegenwärtig vorliegenden dauernden Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers nicht zutreffend wiedergeben.

Es geht nicht an, wenn deshalb keine adäquate Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen erfolgt, weil, wie es in der gutachterlichen Stellungnahme vom 01.07.2009 (Blatt 12 der Beklagtenakte) heißt, die aufgeführte Symptomatologie ließe sich auf keine gesicherte klinische toxikologische Befunderhebung zurückzuführen und es würden nicht widerlegbare Hypothesen aufgestellt. Die Einstufung hinsichtlich des Grades der Behinderung muss sich an den tatsächlich vorliegenden Leistungseinschränkungen orientieren und ist keine Frage der ätiologischen Einordnung von Krankheitserscheinungen.

Ungeachtet dessen ist die Einstufung des Krankheitsbildes des Klägers und der daraus folgenden Gesundheitsbeeinträchtigung lediglich als psychovegetative Minderbelastbarkeit gleichfalls nicht adäquat.”

Mai 2010 Beschluss der Sozialgerichts X vom 17.05.2010

“…hat die 6. Kammer des Sozialgerichts X am 17.Mai 2010 durch die Richterin am Sozialgericht Dr. XY beschlossen:

  1. Es soll Beweis erhoben werden durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens über die als Anlage beigefügten Beweisfragen (§ 103, 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG).
  2. Zum Sachverständigen wird ernannt ( § 118 Abs. 1 SGG, §§ 404 ff. ZPO): Dr. med. R (Schlafmedizin, Neurologie, Psychiatrie – Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Verkehrsmedizinische Qualifikation, Suchtmed- izinische Grundversorgung, Botulinumtoxinbehandlung.
  3. Das Gutachten soll aufgrund der übersandten Akten und einer ambulanten Untersuchung erstattet werden. Zu den bereits vorliegenden ärztlichen Gutachten, Befundberichten und anderen medizinischen Äußerungen soll ausdrücklich Stellung genommen werden.”

Sind 300 km für einen Schwerkranken an einem Tag zu schaffen?

Tage und Nächte waren für Patrick gleichermaßen. Sie bestanden aus Schmerzen und Reaktionen. Einen Gang in den eigenen Garten schaffte er nicht. Eigentlich ging überhaupt nichts mehr. Zeitgleich mit dem richterlichen Beschluss erhielt Patrick eine schriftliche Mitteilung des Sozialgerichts X, das durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens Beweis erhoben werden solle. Er erhielt außerdem eine schriftliche Einladung zur gutachterlichen Untersuchung vom bestellten Gutachter Dr. med. R – 150km (eine Strecke) vom Wohnort entfernt. Wie sollte das zu schaffen sein? Wenn es ihm ganz schlecht ging, was oft vorkam, half ihm sein Vater oder seine Mutter zur Toilette. Nicht einmal das schaffte er dann er allein. Hilfsmittel wie Sauerstoff und eine Aktivkohlemaske hatte man abgelehnt. Wie sollte er eine derart weite Fahrt packen?

Ärztlicher Beistand rund um die Uhr, sieben Tage die Woche

Der Arzt vor Ort kannte Patricks Zustand genau. Er hat den jungen Mann mehrfach gesehen und stand insbesondere mit der Mutter in ständigem Kontakt. Telefonisch half er weiter, wenn Patrick eine schwere Reaktion hatte und gab Rat, was zu tun sei. Selbst an Wochenenden war er für den jungen Mann da. Im Juni 2010 schrieb er eine Ärztliche Stellungnahme, um den Gesundheitszustand von Patrick darzulegen:

“Herr R. möchte gerne eine Begutachtung durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen wahrnehmen.

Er ist sich seiner Pflichten durchaus bewusst und möchte diesen auch in jedem Falle nachkommen.

Aufgrund seiner schweren Vergiftung und der ausgeprägten Chemikalien- überempfindlichkeit, vor allem durch Schimmel und der dadurch massiven Schmerzsymtomatik, leidet Herr R. unter sehr starken körperlichen Beeinträchtigungen und ist zudem auf medizinische Hilfsmittel angewiesen, die ihm derzeit jedoch nicht zur Verfügung stehen (MCS-Schutzmaske, O2 Gerät).

Ohne diese Hilfsmittel ist Herr R. kaum in der Lag,e seine Wohnung zu verlassen und ist nicht transportfähig.

Um dennoch eine Begutachtung zu ermöglichen, empfehle ich die ambulante Untersuchung notfalls durch den Sachverständigen bei Her R. zu Hause durchzuführen.”

Kein Wille, nur Willkür

Mit etwas Willen von Seiten der Behörde wäre eine Begutachtung von Patrick in seiner Wohnumgebung kein Problem. Der junge Mann lebt nahe einer Stadt, nicht weitab von medizinischer Infrastruktur. Eine Hausbegutachtung hätte den Doppeleffekt, dass sich der Gutachter ein Bild von der Situation hätte verschaffen können. Diese Auffassung vertrat auch der Anwalt von Patrick in einem Schreiben im Juni 2010 an das Sozialgericht und legte die Stellungnahme des behandelnden Arztes bei:

“…weisen wir daraufhin, dass der Kläger aufgrund seines Gesundheits- zustandes nicht in der Lage sein wird, den Sachverständigen in dessen Räumlichkeiten aufzusuchen. Eine Begutachtung durch den Sachver- ständigen muss daher beim Kläger zu Hause stattfinden.

Eine entsprechende ärztliche Stellungnahme vom …… fügen wir bei.”

Das Gericht war nicht gewillt, dem zu entsprechen. Ende Juni 2010 erhielt Patrick eine erneute Einladung zur gutachterlichen Untersuchung von Dr. med. R., in der stand:

“….wir haben vom Sozialgericht X den Auftrag erhalten, über Sie ein neurologisches Gutachten zu erstellen.

Den 1. Termin am … haben sie unentschuldigt nicht wahrgenommen. Wir bitten sie nun, sich zum o.g. Neuen Termin zur Untersuchung einzufinden. Bringen sie….”

Ein Verlassen des Hauses ist möglich?

Im Juli folgte ein Schriftwechsel zwischen Anwalt und Gutachter. Patricks Zustand war unterdessen noch schlechter geworden. Der Anwalt erhielt gegen Ende des Monats eine Verfügung des Sozialgerichts:

“Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem oben genannten Rechtsstreit wird mitgeteilt, dass weder den ärztlichen Berichten und Stellungnahmen aus der Verwaltungsakte noch den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen entnommen werden kann, dass eine Begutachtung allein in den Räumlichkeiten des Klägers möglich sein soll. Dem Kläger war es bislang möglich, verschiedene Kliniken, auch in anderen Städten aufzusuchen. Auch die von Dr. B. ausgeführten medizinischen Hilfsmittel lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein Verlassen des Hauses mit MCS-Schutzmaske, O2-Gerät nicht möglich ist.

An der Bestellung des Sachverständigen wird daher festgehalten. Auf die Regeln der Darlegungs- und Beweislast wird verwiesen.

Frist zur Stellungnahme: 30.08.2010.”

Nächstes Attest

Die vom Gericht angeführten Hilfsmittel besaß Patrick nicht. Auch das war bereits zuvor erörtert worden. Der Anwalt von Patrick legte im August 2010 ein weiteres ärztliches Attest und eine Stellungnahme vor.

Dr. med. N.:

“Der Patient R. ist aufgrund der genannten Diagnosen und die damit verbundenen körperlichen Reaktionen nicht transportfähig.

Diagnosen: schweres MCS, chron. Fatigue Syndrom, Toxische Wirkung sonstiger näher bezeichneter Substanzen, Polyneuropathien, Gleichgewi- chtsstörung”

Patricks Arzt an das Gericht:

“Es wird gesagt, dass dem Kläger bislang möglich war, verschiedene Kliniken auch in anderen Städten aufzusuchen: das war 2007, inzwischen hat sich der Zustand erheblich verschlechtert, das ist häufig bei schweren toxischen und immunologischen Schäden. Man sieht die extremen Schmerzen, er muss schon große Mengen Morphin nehmen, insgesamt 250 mg/Tag (leichter Geschädigte brauchen nur 60 mg/Tag).

Die Muskeln sind ebenfalls schwächer geworden, er kann nicht alleine aufstehen aus dem Bett, er kann keine Treppen mehr steigen, kann seine Körperpflege nicht mehr durchführen.

Zur Dokumentation der schweren körperlichen Veränderungen vor allem durch Stoffwechselstörungen: die Familie hat auf mein Anraten eine Reihe von Fotos aus den letzten Jahren zur Verfügung gestellt.

Es treten immer häufiger und schneller allergische Reaktionen auf bis zum Schock: Atemnot mit Erstickungsanfällen. Somit ist der Transportweg bis …… zu gefährlich und nicht zu verantworten. Zudem hatte er bisher auch noch keine MCS-Maske und kein O2-Gerät (das bisherige kann er nicht verwenden weil er auf Silikon, Weichmacher und Restmonomere am gebrauchten Gerät reagiert).

Er hat also 2007 zuletzt eine “andere Klinik” besucht.

Überdies habe ich die ärztliche Pflicht, mich zu Gutachtern zu äußern, die ich seit Jahrzehnten kenne, zu denen gehört

Dr. R.. Ich muss daher dem Patienten abraten, sich dort ein Gutachten über die Folgen vor allem durch Schimmel anzufordern.

Selbstverständlich sind Familie R. und ich mit allen neutralen und sachkundigen Gutachten einverstanden, das kann ja nur für alle die Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf und die Vorbeugung bei Schimmelschäden verbessern.”

Jugendliche mit MCS

Abstellgleis statt Schule – ausranggiert?

Bei allem was bis zum August 2010 passierte, ist zu ergänzen, dass es in ganz Deutschland keine Umweltklinik gibt, die sich auf die Behandlung von Patienten wie Patrick spezialisiert hat. Selbst niedergelassene Umweltmediziner verfügen nicht über die Räumlichkeiten, die es einer Person mit schwerer MCS möglich macht, sich darin auch nur für wenige Minuten aufzuhalten, ohne Reaktionen zu erleiden. Die Forderung nach einer Begutachtung in einer normalen Praxis bedeutet Kontakt mit einer Flut von Chemikalien: Desinfektionsmittel, scharfe chemische Reinigungsmittel, Duftstoffe und Parfums von Mitpatienten und Praxispersonal, gereinigte Praxiskleidung, Ausdünstungen von Kopierer und Druckern, ausdünstende Praxismöbel aus Pressspan, etc.

Fragen, die Beantwortung verlangen:

  • Wer hilft einem Patienten wie Patrick, wenn er durch eine Begutachtung in ungeeigneten Räumlichkeiten weiteren Schaden erleidet?
  • Wer stabilisiert den Gesundheitszustand solcher Patienten und wie?
  • Was spricht gegen eine Begutachtung in häuslicher Umgebung, dort wo sich der Gutachter auch einen Überblick hinsichtlich des Umfeldes und möglicherweise sogar bezüglich der krankheitsauslösenden Schadstoffbelastung machen kann?

Fortsetzung folgt…

Autoren: SilviaK. Müller und Kira, CSN – Chemical Sensitivity Network, Februar 2011

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Behördenkrieg gegen einen Jugendlichen mit Chemikalien-Sensitivität

Umweltkranke werden zur Zielscheibe

Patrick ging aufs Gymnasium. Die Schule fiel ihm leicht. In seiner Freizeit machte er Musik und spielte American Football. Die Rock Band, die er und seine Freunde gegründet hatten, fing an Fuß zu fassen und bekam Auftritte. Patrick fühlte sich mittendrin im Leben, jeder neue Tag war genial. Er schrieb Texte, die ins Mark trafen. Nicht das übliche Schülerband- gedudel. Zudem war er glücklich verliebt und schmiedete Pläne für die Zukunft. Dann pas- sierte es, Patricks’s Gesundheit kippte ab. Migräne bis auf Anschlag, Schwäche, Erschöpfung, er war zu nichts mehr fähig. Die Tage bestanden nur noch aus Schmerzen.

Der Alltag wurde zum geballten Schmerz

Die Schule wurde zur Qual. Patrick kämpfte. Er wollte nicht aufgeben, die Schule nicht, das American Football nicht, die Band nicht und schon gar nicht seine große Liebe. Was wäre das Leben ohne Alles? Schrott! Seine Eltern standen hinter ihm, sie ließen nichts unversucht. Ein Arzt fand die Ursache: Toxische Schäden durch Chemikalien und Schimmelpilze. Patrick war durch Chemikalien und Schimmel so krank geworden, dass kein Alltag möglich war. Er begann auf Haargel seiner Mitschüler zu reagieren. Axe Deo, das viele in der Schule benutzten, ein Alptraum, der Schmerzen auslöste, die mit nichts zu beschreiben waren.

Irgendwo hingehen mit den Kumpels, Auftritte mit seiner Band? No way. Dann ging es rasch, Patrick konnte nicht mehr zur Schule. Konnte nicht mehr lernen. Ende des American Football. Ende der Band. Ender der großen Liebe. Die Tage bestanden aus Schmerzen und den eigenen vier Wänden. Das ist so geblieben, bis jetzt. Isolation, Einsamkeit, jeder Tag ein Überlebenskampf – Das sind seine ständigen Begleiter. Medizinische Hilfe? Fehlanzeige. In Deutschland existiert keine Umweltklinik.

Ein Rachefeldzug gegen einen jungen Menschen?

Die Eltern von Patrick sind besorgt. Nicht zu vergessen, dass auch der Vater von Patrick schwer toxisch geschädigt ist und um seine Rechte kämpft. Was soll werden? Ohne Schulabschluss, ohne finanzielle, ohne medizinische Versorgung? Kein Kindergeld, keine Grundversorgung – Nichts. Was ist wenn sie nicht mehr da sind? Jeden Tag sehen sie ihren Sohn mit Chemikalien-Sensitivität, Schmerzen, die eigentlich nicht auszuhalten sind. Trotzdem gibt er nicht auf, das macht sie stolz auf ihn und gibt ihnen selbst Kraft, für ihn zu kämpfen. Patricks’s Eltern wollen, dass die Erkrankung ihres Sohnes als Schwerbehinderung anerkannt wird, schließlich ist er auf Hilfe von Dritten angewiesen und zwar rund um die Uhr. Die Eltern von Patrick sollten die Bürokratie kennenlernen. Medizinischer Dienst der Krankenkasse und Versorgungsamt lassen seit zwei Jahren ihre Muskeln spielen und verwehren dem jungen Mann jegliches Entgegenkommen.

Ende des Schweigens

Patrick’s Mutter hat niedergeschrieben, was ihrem Jungen seit zwei Jahren widerfährt: Keine Hilfe, nichts als Schikanen. Sie hat beschlossen, dass sie nicht länger schweigt:

MCS und die Anerkennung als Schwerbehinderung – eine Odyssee ohne Gleichen

März 2009 Erstantrag auf Feststellung einer Behinderung beim Amt für soziale Angelegenheiten

Schwere immuntoxische Schäden, Stoffwechselstörung, chronisch starke Schmerzen (Rücken, Kopf) u.a. durch Nervenentzündungen, Muskelschwäche, schul-/arbeitsunfähig seit 2004

August 2009 Bescheid

Grad der Behinderung beträgt 20

“..Zur Klärung, welche Beeinträchtigungen bei Ihnen vorliegt, wurden ärztliche Unterlagen beigezogen (z. B. von behandelten Ärzten).

Die Auswertung dieser Unterlagen unter Einschaltung unseres ärztlichen Sachverständigen hat ergeben, dass bei Ihnen folgende Beeinträchtigung(en) vorliegt (vorliegen) – in Klammern steht der jeweilige Einzel-GdB-:

1. Psychovegetative Mindestbelastbarkeit

Von dieser (diesen) Beeinträchtigung(en) bin ich bei der Entscheidung ausgegangen.”

August 2009 Widerspruch

Begründung

Laut ihrer eigenen Aussage „sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Leben typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (§2 Abs.1 SGBIX vom 19/06/2001).

Ihr Bescheid stützt sich lediglich auf die Behauptung „…Psychovegetative Minderbelastbarkeit (20)“ – hier stellt sich mir die Frage, ob ihr wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn grundsätzlich „wertfrei“ zu beurteilen ist und ob sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind.

Obwohl sie genügend begründete Unterlagen seitens Dr. Binz und Dr. Lucas erhielten, haben sie diese meines Erachtens bewusst nicht zur Kenntnis genommen bzw. einfach ignoriert. Es ist hinreichend bekannt, dass Gutachter die Wirkung von Chemikalien, Schimmelpilzen, Schadstoffen udgl. mehr bei der Auslösung chronischer Krankheiten gerne leugnen.

Weitere dauerhafte schwer körperliche Beeinträchtigungen bleiben unberücksichtigt oder werden „psychiatrisiert“.

Weiteren Sachvortrag behalte ich mir vor, notfalls auf dem Klageweg.

Mit freundlichen Grüßen

September 2009

die Zweigstelle des Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung beabsichtigt eine ärztliche Begutachtung durch Dr. X als tätigen medizinischen Sachverständigen der Versorgungsverwaltung Rheinland- Pfalz durchführen zu lassen.

Dr. X lehnte die Begutachtung wegen Befangenheit ab, da Patrick schon Patient bei ihm war (wurde telefonisch seitens des Amtes eher hinten herum erfragt, ob das wirklich so stimmt, und dadurch erfuhren wir dann den Stand der Dinge, außerdem auch dass sie sich ärztliche Auskünfte wo anders auch eingeholt hatten)

November 2009

unsererseits um Mitteilung des aktuellen Sachstandes gebeten und folgende Unterlagen noch nachgereicht: Ärztliches Zeugnis von Dr. Binz, Ärzteinfo von Dr. Merz, Datenschutzerklärung und Erklärung zum Gutachterauftrag. Ende des Monats nochmals erinnert.

Dezember 2009

unsererseits Aufforderung zur Offenlegung (Datenschutz), kurz darauf kam die Stellungnahme und Mitteilung “…Wie bereits telefonisch besprochen, beabsichtige ich, die Akte nach Abschluss der Sachverhaltaufklärung mit den ärztlichen Unterlagen und ihren Aufführungen zu der Art und dem Ausmaß der Erkrankung der Abteilung “Ärztlicher Dienst” zur Prüfung Ihres Widerspruchsbegehrens vorzulegen.

Im Anschluss daran wird Ihnen ein rechtsmittelfähiger Bescheid erteilt…”

Dezember 2009 Widerspruchsbescheid

Grad der Behinderung beträgt 30

“ Ihrem Widerspruch gegen den Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten in …… wird insoweit stattgegeben, als es sich im Hinblick auf die nachstehende neue Entscheidung ergibt.

  1. In Abänderung der Entscheidung des Amtes für soziale Angelegenheiten in… wird der Grad der Behinderung (GdB) nach… mit insgesamt 30 bewertet.
  2. Im Übrigen wird Ihr Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
  3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auf- wendungen im Vorverfahren sind auf Antrag zu 1/3 zu erstatten…

Gründe:

Nach Auswertung aller aktenkundigen ärztlichen Befundunterlagen im Benehmen mit einem/einer medizinischen Sachverständigen ist der Grad der Behinderung (GdB) mit nunmehr 30 zu bewerten.

Die bei Ihnen vorliegende und einen GdB von 30 begründende Beeinträchtigung nach dem § 69 SGB IX wird wie folgt neu bezeichnet bzw. Ergänzt -…

Psychisches Leiden, Chronic-Fatigue-Syndrom (30)

Soweit Ihr Widerspruch über die nunmehr getroffene Entscheidung hinausgeht und auf die Feststellung eines höheren GdB gerichtet ist, wird er als nicht begründet zurückgewiesen.

Bei Ihnen wurden keine Befunde erhoben, die es rechtfertigen würden, den Grad der Behinderung höher zu bewerten.

Die Bewertung richtet sich alleine nach den “Versorgungsmedizinischen Grundsätzen” (Anlage 1 zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)) bzw. den darin enthaltenen GdB-Werten, wie sie für bestimmte Veränderungen vorgeschlagen sind. Dem wurde auch in Ihrem Falle Rechnung getragen.

Die von Ihnen gewünschte Untersuchung war nicht erforderlich, weil der angefochtenen Entscheidung ausreichend ärztliche Befundberichte zugrunde lagen…”

FORTSETZUNG FOLGT

Autoren: Sivia K. Müller und Kira, CSN – Chemical Sensitivity Network, Februar 2011

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Politiker unterstützen Umweltkranke, die auf Chemikalien reagieren

Aufklärungskampagnen für Chemikaliensensible

Die Gouverneurin des US Bundesstaates Washington ist in diesem Jahr die erste Unterzeichnerin einer Proklamation, die Menschen unterstützen soll, die unter MCS – Multiple Chemical Sensitivity leiden. Alljährlich steht der Monat Mai für Aufklärung über diese Umwelterkrankung, die Erkrankte auf winzige Spuren von Alltagschemikalien reagieren lässt und dadurch ihr Leben völlig eingrenzt.

Zum 13. Mal finden in den USA in verschiedenen Bundesstaaten Veranstaltungen statt und werden Kampagnen durchgeführt, um den Bürgern nähere Informationen über MCS zu vermitteln. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Umwelterkrankung konnte durch diese Maßnahmen erheblich verbessert werden. In den letzten Jahren klinkten sich MCS Organisationen aus verschiedenen Teilen der Welt mit ein, und so wurde aus der amerikanischen Aktion zur Verbesserung der Situation Chemikaliensensibler eine internationale Angelegenheit.

Verkündung von Gouverneurin Christine O. Gregoire, Washington State:


WEIL: Menschen aller Altersgruppen als Resultat einer massiven Chemikalienexposition oder wiederholten Expositionen gegenüber Chemikalien im Niedrigdosisbereich und gegenüber anderen Reizstoffen in ihrer Umwelt in Washington eine Erkrankung entwickelten, die als Multiple Chemical Sensitivity (MCS) bekannt ist; und

WEIL, MCS von zahlreichen Organisationen dahingehend anerkannt ist, so dass diese die Gesundheit und das Wohlergehen von Chemikaliengeschädigten unterstützen, einschließlich der WHO – Weltgesundheitsorganisation, dem Americans with Disabilities Act, der Social Security Administration, dem US Department of Housing and Urban Development und der Umweltschutzbehörde EPA; und

WEIL, MCS eine chronische Erkrankung ist, für die keine Heilung bekannt ist; zu den Symptomen chronische Erschöpfung, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautausschläge, Asthma, Kopfschmerzen und andere Atemwegs- und neurologische Probleme gehören; und

WEIL, MCS zu erheblichen Konsequenzen führen kann im finanziellen Bereich, bei der Arbeit, beim Wohnen, für die Gesundheit und soziale Folgen für die Menschen haben kann, die unter dieser Behinderung leiden; und

WEIL, angemessene Unterkünfte und das Wecken von Aufmerksamkeit für MCS, Chancen für Menschen mit dieser Behinderung schaffen kann, damit diese Zugang zu Arbeit, Schulen, öffentlichen und anderen Einrichtungen erhalten, wo sie weiterhin dazu beitragen können, ihre beruflichen Fähigkeiten, Ideen, Kreativität, Fähigkeiten einzubringen; und

WEIL, Menschen mit MCS Unterstützung brauchen und Kooperation durch Familie, Freunde, Mitarbeiter und der Gesellschaft, um ihre Krankheit zu bewältigen und sich an neue Lebensweisen anzupassen;

DESWEGEN und JETZT, verkünde ich, O. Gregoire, Gouverneurin des Bundesstaates Washington, hiermit den Mai 2011 als

Multiple Chemical Sensitivity Aufklärungsmonat

im Staat Washington, und fordere alle Bürger auf, diesen speziellen Monat mit mir einzuhalten.

Unterzeichnet am 24. Januar, 2011

Gouverneur Christine Gregoire O.

Autor: Silvia K. Müller, Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. Feb. 2011

Literatur: Gouverneur Christine Gregoire O., Proclamation 2011 MCS Awareness Month

Photo: Canary Report

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Umweltklinik bestätigt starken Anstieg von Umweltkrankheiten

Die Umweltklinik in Fall River gilt als einzigartig. Umweltkontrollierte Räumlichkeiten und spezielle Behandlungen für Umweltkranke, Menschen, die auf Spuren von Chemikalien reagieren. Seit 15 Jahren existiert die Umweltklinik und beteiligt sich auch an der Erforschung von Umweltkrankheiten. Das Besondere an dieser Umweltklinik ist, dass sie die erste Klinik für Umweltkranke weltweit war, die durch staatliche Gelder finanziert wurde. Das Nova Scotia Environmental Health Center, unter Leitung des bekannten Umweltmediziners und Wissenschaftlers Roy Fox, konnte sich von Beginn an nicht über Patientenmangel beklagen. Die Zahl der Patienten, die die Umweltklinik konsultieren möchten, wächst stetig, war aus einem Interview in der Halifax News zu erfahren.(1) Die meisten der Patienten leiden unter Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Fibromyalgie (FMS) oder Chronic Fatigue Syndrome (CFS)

Andrang sorgt für Wartezeiten in der Umweltklinik

Die Wartezeiten der kanadischen Umweltklinik sind lang. Rund 2000 Patienten jährlich hat man zu verzeichnen. Viele kommen ambulant, um schneller Hilfe zu erhalten. Stationär werden zwischen 400 und 450 Patienten im Jahr aufgenommen. Anfragen aus anderen Ländern können kaum angenommen werden, weil der Bedarf aus den verschiedenen kanadischen Regionen zu groß ist und stetig wächst.

Verschiedene Umweltkrankheiten auf dem Vormarsch

Patienten mit Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Fibromyalgie (FMS) und Chronic Fatigue Syndrome (CFS) bilden das Hauptpatientenklientel.

Als die Umweltklinik 1996 eröffnete, seien fast ausschließlich Patienten zur Klinik gekom- men, die auf Stoffe in ihrer Umwelt reagierten und durch Expositionen extrem krank wurden, berichtete die Kliniksprecherin gegenüber der Zeitung. Diese Art Patienten käme noch immer, aber mittlerweile seien Patienten mit Fibromyalgie in der Überzahl.

Erfahrung, Know how, Wissenstransfer

Als die Umweltklinik in den neunziger Jahren eröffnete, waren es vornehmlich chemikaliensensible Patienten gewesen, die sie aufsuchten. Der Sohn des Klinikleiters hatte eine längere Zeit an der bekanntesten Umweltklinik, dem EHC-Dallas, assistiert. Dort war es ihm möglich gewesen, hautnah zu erleben, wie viel Aufwand notwendig ist, um Umweltbedingungen bereitzustellen, die hypersensibilisierten Menschen gerecht werden.

Dänisches MCS Forschungscenter besucht Umweltklinik in Kanada

Nova Scotia Environmental Health Center ist auch unter Wissenschaftlern bekannt. Ärzte und Umweltmediziner aus verschiedenen Ländern sind immer wieder zu Gast. Gerade seien Wissenschaftler aus Dänemark dagewesen, berichtete die Halifax News Anfang Januar 2011. Das Behandlungsmodell sei für die dänische Delegation von großem Interesse gewesen.

Von Arzt zu Arzt, keiner findet die Ursache

Viele Patienten kämen ohne konkrete Diagnose, berichtete die kanadische Kliniksprecherin. Ähnlich wie in Deutschland, existiert auch in Kanada umweltmedizinische Ausbildung an Universitäten noch nicht lange und ist nicht sehr umfassend. In der Umweltklinik in Nova Scotia vergeht in der Regel nicht viel Zeit bis eine Diagnose gestellt ist. Gezielte Untersuchungen, ausgiebige Anamnese und die Ursache ist gefunden. Erhebliche Summen könnten eingespart werden, wenn es genügend Umweltkliniken gäbe, die in der Lage sind, zeitnah qualifizierte Diagnosen zu stellen.

Strenge Umweltkontrolle in der Umweltklinik

Die Klinik ist der Dalhousie University angeschlossen. Kein Besucher darf die Klinik einfach so betreten. Große Plakate klären auf. Niemand darf Parfums, After Shaves oder andere parfümierte Produkte verwenden. Die Schuhe müssen ausgezogen und gegen Einwegüberzieher ausgetauscht werden. All das trägt zum Erfolg der Umweltklinik bei und dazu, dass Patienten in dieser schadstofffrei eingerichteten Umgebung ihre Symptome abbauen können.

Umfassende individuelle Behandlung, der Schlüssel zum Erfolg

Der Behandlungsansatz der Umweltklinik ist ganzheitlich. Verschiedene medizinische Fachrichtungen arbeiten zusammen und bieten für jeden Patienten ein ganz individuelles Therapieprogramm. Sauna, Infusionen, Allergiekontrolle gehören u.a. zu den Bausteinen. Ein großes Augenmerk liegt darauf, dass der Umweltkranke nach dem Klinikaufenthalt in seinem persönlichen Umfeld zurechtkommt. Dafür wird ein individuelles Konzept entwickelt, das dem jeweiligen Patienten ermöglicht, seine Wohnsituation schadstofffrei herzurichten. Steht die Familie und das soziale Umfeld der Umweltkrankheit konträr gegenüber, erhalten Patienten Anleitung, damit besser zurechtzukommen und die Gesamtsituation dergestalt positiv zu verändern, dass sie der weiteren Genesung nicht im Wege steht.

Umweltkrankheiten nehmen weltweit zu

Die Aussage der kanadischen Umweltklinik, dass Umweltkrankheiten zunehmend sind, entspricht Berichten aus den USA, Spanien, Italien, Frankreich, Norwegen, Dänemark, Schweiz, Australien, Neuseeland, Deutschland und einer Reihe weiterer Industrieländer. Die verhaltene Einstellung der Mainstream Medizin und ihr Mauern gegen die Umweltmedizin wird zwangläufig aufweichen (müssen).

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 16. Februar 2011

Literatur:

  • Halifax News, Fall River health clinic seeing more patients than ever, 18. Feb. 2011
  • Environmental Health Centre (NSEHC)

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