Ohne Maske

Die spanische Bloggerin Eva Caballé wurde erneut gebeten, für die Kunst- und Kulturzeitung Deliro einen Artikel zu schreiben. „Die sieben Todsünden“ sind das Thema der aktuellen Ausgabe.

Evas Leben wird durch ihre Chemikalien-Sensitivität (MCS) 24 Stunden am Tag bestimmt. Die Krankheit hat Eva trotz größter Restriktionen nicht gebrochen, im Gegenteil, sie hat es ihr ermöglicht, hinter die Hochglanzfassade unserer modernen Welt zu schauen:

Eva Caballé: Ohne Maske


Und in dieser zerfallenden Welt ist es das Schlimmste, was es gibt, kein Rückgrat und keine Persönlichkeit zu haben. Es ist eine Welt voller Menschen, die sich beschweren und die graue und leere Existenzen leben. Personen, die nicht den Mut haben, Widerstand zu leisten, ihre eigenen Gedanken zu haben und die von der Masse aufgesogen werden. Es ist schwer in dieser Herde zu leben, wenn man nicht so sind wie sie, wenn du weißt, was du denkst, wenn du keine Angst hast zu sagen, was Du denkst und wenn du dich nicht darum schers, ob andere dich akzeptieren. Dann passt du nicht ins Schema, du bist anders, du bist radikal.

Aber eine kranke Person kann nicht so sein. Du hast dich gut zu benehmen, musst es zulassen, dich selbst einer Gehirnwäsche zu unterziehen, eine Maske tragend, einem ausgetretenen Weg ohne nachzudenken folgend. Wenn du Multiple Chemical Sensitivity hast, eine Krankheit, die nicht anerkannt ist, dann kämpfst du um dein Überleben. Aber mach dabei nicht zu viel Lärm und folge einfach den anderen. Denk nicht dabei, unternimm nichts. Du bist krank. Verhalte dich so. Du hast gehorsam zu sein und um Erlaubnis fragen, damit Du nicht aus der Herde geworfen wirst, einer Herde, für die andere sich selbst töten, um ein Teil davon zu sein.

Und in dieser Ignoranz, die uns umgibt, sind die sieben Hauptsünden aktueller denn je, in diesen Zeiten, in der es so scheint, als gäbe es eine Theorie für so ziemlich alles. In Zeiten des zerfallenden Wohlfahrtsstaats.

Mit betäubten Sinnen wird SEX zu einer weiteren Frustration in einem leeren Leben, durch das Sie oder Er sich Tag für Tag schleppen, ohne dabei aufzuhören zu denken.

Es ist das Leben einer Frustration, die zu einem nicht zu befriedigenden HUNGER steigert. Essen, bis du platzt. Diese Angst, die einen hemmt zu reagieren und einen unter einem Berg von Menschenfutter zerquetscht. Die pervertierte Lust in einer übersättigten Gesellschaft.

Eine Leere, die uns überkommt und ein wachsender Hass, der sich in Wut verwandelt und sich gegen alles, was uns nicht passt, richtet, unter kindischen und lächerlichen Ausreden. INTOLERANZ wird zu Gewalt gegen diejenigen, die nicht so wie wir sind, vielleicht weil diejenigen, die denken, uns erschrecken.

Ohne sich unseres Lebens bewusst zu sein, vergehen die Tage, während wir auf unsere Taschen schauen um zu sehen, ob wir besser sind als andere. Wir KONKURIEREN in einem dummen Rennen, um unserem Erfolg zu zeigen. Wir täuschen vor, dass wir glücklich sind. Im Inneren, da sind wir leer.

Das Leben ist eine Klammer aus Angst und oberflächlicher Behaglichkeit, darauf wartend, dass die Dinge sich ändern, OHNE SICH ANZUSTRENGEN, aufgesaugt von einem System, das nicht möchte, dass wir denken.

Wir sind durch Faulheit gehemmt. Wir hassen die, von denen wir denken, dass sie besser sind als wir. Sie erinnern uns daran, dass wir uns nicht anstrengen wollen. Wir verschwenden unsere Leben damit, uns zu wünschen, dass sie stolpern, während wir ihre Erfolge KRITISIEREN und ohne es zu wissen, wollen wir, dass sie so mittelmäßig wie wir sind.

Eine billige künstliche Schönheit aus Plastik vergiftet uns, eine, die sich uns besser fühlen lässt für einen Moment, in dem wir denken, wir sind besser als andere. Eine giftige Schönheit, für die es uns nicht interessiert, welchen Preis wir dafür zahlen, in einer Welt, in der wahre Gesundheit nicht geschätzt wird. Enormer falscher STOLZ, diese durch Arroganz verursachte Ignoranz. Wer will schon gesund sein, wenn man sogar dann als schön erscheinen kann, selbst wenn man dumm ist? Wer will denn schon nicht besser erscheinen als andere?

Wagt es jemand, ohne Maske zu leben?

Autor: Eva Caballé für Deliro, No Fun Blog, September 2010

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Bildmaterial: Aida/ Delirio

Englische Übersetzung: Without a Mask

Weitere Artikel von Eva Caballé, die in der Kunst- und Kulturzeitung Deliro erschienen:

2 Kommentare zu “Ohne Maske”

  1. Maria 28. September 2010 um 11:34

    Liebe Eva,

    gut dass Du mit Deinem Bericht zum Ausdruck bringst, wie widerstandslos ein Großteil der Bevölkerung sorglos in den Tag hineinlebt. In der heutigen Zeit der Konsumgesellschaft hat das tatsächlich Wichtige für´s Leben zumeist nur noch einen geringen Stellenwert. „Ohne Maske“ offen die eigene Meinung zu bekunden und Kritik zu üben, das traut sich die Mehrheit eben leider nicht, sie sind quasi willenlose Mitläufer im System.

    Liebe Grüsse nach Spanien und besten Dank für Deinen abermals interessanten Bericht,

    Maria

  2. Eva 2. Oktober 2010 um 12:23

    Thanks a lot Maria.

    Unfortunately in our society there are a lot of people who don’t dare to live without a mask and who prefer just to follow others.

    Liebe Grüsse nach Deutschland,

    Eva

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