WIDERLEGT Lüge Nummer 3: „Chemikalien-Sensitivität ist eine neue Krankheit“

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Chemikalien-Sensitivität ist keine „neue Krankheit“, eher ein „alter Hut“

Es war im geschichtsträchtigen Jahr 1945, als die erste Veröffentlichung über Menschen, die plötzlich auf minimale Spuren von Alltagschemikalien reagierten, mit denen sie zuvor keine Probleme hatten, in einer medizinischen Fachzeitschrift für Allergologen in den USA erschien. Theron Randolph, der Autor des Artikels, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, doch lernte er durch seine Patienten rasch hinzu.

Über ein Schlüsselerlebnis berichtet Randolph in einer frühen Fallbeschreibung aus dem Jahr 1947:

Eine 41-jährige Kosmetikverkäuferin, die Frau eines Arztes, litt unter häufigen Kopfschmerzen, chronischer Erschöpfung, ständigem Schnupfen, Ausschlag, Irritiertheit, etc. Jedes Mal, wenn sie Nagellack auftrug, bekam sie spontan Ödeme und Ausschlag an den Augenlidern. Sie hatte ganz offensichtlich eine Hypersensitivität gegenüber Parfums, Kosmetika mit Duftstoffen und vielen Medikamenten.

Im Verlauf stellte Randolph fest, dass sie auch auf Hausstaubmilben, Seide und sehr viele Nahrungsmittel reagierte. Das Spektrum der Substanzen, auf die die Frau Reaktionen entwickelte, weitete sich immer weiter aus. Randolph berichtet, dass diese Frau beispielweise jedes Mal, wenn sie zu ihm nach Chicago zur Behandlung fuhr, akuten Husten, Asthmaanfälle und Kopfschmerzen bekam, wenn sie eine Gegend im nördlichen Indiana erreichte, in der eine große Ölraffinerie ihren Stützpunkt hatte. An nebligen oder regnerischen Tagen ging es ihr noch schlechter, weil die Emissionen der Ölraffinerie nach unten gedrückt wurden.

Auch auf Autoabgase, insbesondere Dieselabgase, regierte die ehemalige Kosmetikverkäuferin sehr stark. So konnte sie im Hotel nur im obersten Stockwerk übernachten, wo sie keinen Abgasen ausgesetzt war. Hielt sie sich im zwanzigsten Stock des Hotels auf, verbesserte sich ihr Zustand innerhalb vierundzwanzig Stunden. Hielt sie sich im Parterre des Hotels auf, ging es ihr zunehmend schlechter. Randolph musste zusehen, wie sich die Gesundheit der Frau zunehmend verschlechterte. Sie bekam Phasen, in denen sie wie betrunken herum torkelte und das Bewusstsein verlor. Dreimal lief sie in einen Wagen in einem solchen Zustand.

Der Allergologe Randolph verschrieb eine möglichst weiträumige Karenz gegenüber allen Auslösern der Reaktionen, die ihm und der Patientin bekannt waren, und siehe da, die Frau stabilisierte sich und Randolph war klar, dass Vermeidung ein Grundpfeiler der Behandlung von Patienten sein musste, die besondere Empfindlichkeit gegenüber Alltagschemikalien zeigten. 

Theron Randolph, der Autor dieses Fallberichtes, stand damals noch in den Anfängen seiner Beobachtungen, die er im weiteren Verlauf intensivierte und die er 1962 im ersten Buch über die Krankheit Chemikaliensensitivität ausführlich darlegte (1,2). Wenig später sollte der Allergologe die erste Umweltklinik weltweit gründen. Diese Klinik hatte sehr streng kontrollierte Umweltbedingungen, die bis heute in ihrer Perfektion nicht oft erreicht wurden. Randolph veröffentlichte insgesamt 4 Bücher, sowie über 300 medizinische Artikel, die einen ersten Grundstock für die heutige Umweltmedizin bilden und noch immer informative lesenswerte Standartwerke darstellen.

Der Aufschrei blieb bis heute aus

Eigentlich hätte mit Erscheinen von Randolphs erstem Buch und seinen vielen damaligen Publikationen in medizinischen Zeitschriften ein Aufschrei erfolgen müssen, und gleichzeitig hätte die Medizin beginnen müssen, diese anschaulich vermittelten Erkenntnisse in die Praxis einfließen zu lassen. Doch weit gefehlt, nichts geschah, denn man befand sich gerade im Rausch der Möglichkeiten, die ständig neu auf den Markt kommende Chemikalien boten. Nylonstrümpfe, Haarspray, Nagellack, Putzmittel, die im Nu jeden Fleck tilgen, erste synthetische Parfums, wetterfeste Farben und wunderschöne chromblitzende, benzinfressende Straßenkreuzer, die Statussymbol einer ganzen Ära wurden.

Das Wirtschaftwunder hatte sich seinen Weg gebahnt und wollte nicht durch Menschen gestört werden, die auf das „Wunder Chemie“ reagierten, welches einer aufstrebenden Industrie größten Profit versprach. Man wollte den Zweiten Weltkrieg vergessen, man wollte leben, das Leben in vollen Zügen genießen.

Seit der damaligen Zeit ist die Zahl der auf dem Markt befindlichen Chemikalien rasant angestiegen. Eine Welt ohne synthetische Chemikalien ist undenkbar geworden. Wir profitieren davon, müssen aber längst die Kehrseite der Medaille bezahlen, wie durch Chemikalien induzierte Krankheiten beweisen.

Die Fragen, mit denen Randolph sein 1962 erschienenes Buch „Human Ecology and Susceptibility to the Chemical Environment“ beginnt, können bis heute nicht vollständig beantwortet werden (2).

Theron Randolph, 1962:

  • Wie sicher ist unsere derzeitige chemische Umwelt?
  • In welchem Ausmaß trägt sie zu chronischen Krankheiten bei?
  • Wieviel wissen wir über die Langzeitfolgen von solchen Nebenprodukten des „Fortschritts“; wie chemischen Schadstoffe in der Luft unserer Häuser und Städte; chemische Zusatzstoffe und Kontaminierungen in unserer Nahrung, im Wasser und in biologischen Medikamenten ebenso wie in synthetischen Medikamenten, Kosmetika und vielen anderen persönlichen Expositionen, denen wir ausgesetzt sind, und den Kontakten mit den von Menschen hergestellten Chemikalien am Arbeitsplatz?

Das Szenario, dass Chemikalien in der Tat einen negativen Einfluss auf unsere Gesundheit, Gene und Fortpflanzungsfähigkeit haben können, wird heutzutage durch wissenschaftliche Veröffentlichungen bestätigt. Es wird täglich deutlicher und mahnt zu sorgsamerem Umgang mit Chemikalien.

Forschung in den Sechzigern weiter als heute?

Ab den sechziger Jahren häuften sich die Fälle von Chemikalien-Sensitivität, und man fing man an, die Krankheit wissenschaftlich zu erforschen. Erste Doppelblindstudien von Eloise Kailin belegten schon damals, 1963, dass die Beschwerden der Patienten real sind und Erkrankte sich von Normalpersonen durch ihre Reaktionen auf Chemikalien unterscheiden. (4-6) Verstärkte Forschung über Chemikalien-Sensitivität wurde ab den achtziger Jahren betrieben. Heute ist die Zahl der wissenschaftlichen Studien auf über 800 angewachsen (7,8). Das ist viel für eine Krankheit, die angeblich „neu“ sein soll, und für „eine Krankheit, die es nicht gibt“, wie manche Interessenvertreter als Abwehrmechanismus gerne behaupten.

Wo bleibt Hilfe für Chemikaliensensible nach über 60 Jahren?

Vergleichsweise gibt es tatsächlich Krankheiten, die noch weitgehend „jung“ sind im Gegensatz zu Chemikalien-Sensitivität. Dennoch wird dazu weltweit geforscht. Erkrankte solcher „neuen Krankheiten“ bekommen Therapien angeboten, auch wenn die Krankheit bis dato nicht heilbar ist. Je nachdem gibt es Hilfsfonds, Unterstützung, Beistand, kurzum es existiert im Nu eine Infrastruktur für die Erkrankten. Anders bei Chemikalien-Sensitivität. Warum?

Über 60 Jahre, das ist länger als ein halbes Jahrhundert, ist es nun bekannt, dass es Menschen gibt, die leichte bis völlig behindernde Symptome auf Alltagschemikalien im Niedrigdosisbereich erleiden. In all dieser Zeit verloren viele der Erkrankten ihre Gesundheit, Arbeit, Familie, Existenz und ihre Lebensqualität. Manche brachten sich sogar um, weil ihnen keiner half, weil sie auf alles reagierten und nur diskriminiert wurden oder weil sie keinen Ort fanden, an dem sie auch nur Minuten beschwerdefrei leben konnten.

FAZIT: Die Behauptung, „MCS ist eine neue Krankheit“, stellt nachweisbar eine dreiste Lüge dar. Gegenüber vielen anderen Krankheiten ist Chemikalien-Sensitivität ein „alter Hut“. Wo bleibt also Hilfe, medizinische Versorgung, Unterstützung und unabhängige Forschung für die Millionen Erkrankten, die es zweifelsfrei weltweit gibt?

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, Mai 2008

Literatur:

  1. Randolph, T.G. 1945. Fatigue and weakness of allergic origin (allergic toxemia) to be differentiated from nervous fatigue or neurasthenia. Ann.Allergy 3:418-430.
  2. Randolph Theron, Human Ecology and Susceptibility to the Chemical Environment, Thomas Publisher, 1962
  3. Randolph, Theron G. (1987). Environmental medicine: beginnings and bibliographies of clinical ecology. Fort Collins, CO: Clinical Ecology Publications.
  4. Kailin, E. and C. Brooks. 1963. Systemic toxic reactions to soft plastic food containers: a double-blind study [of MCS patients]. Med.Ann.Washington DC 32:1-8.
  5. Kailin, E. and C. Brooks. 1965. Cerebral disturbances from small amounts of DDT; a controlled study [of MCS patients]. Med..Ann.Washington DC 35:519-524.
  6. Kailin, E. and A. Hastings. 1966. Electromyographic evidence of DDT-induced myasthenia [in MCS patients]. Med.Ann.Washington DC 35:237-245.
  7. Silvia K. Müller, Wissenschaftlicher Sachstand zu MCS, CSN Blog, Jan.2008
  8. MCS Bibliographie, http://www.csn-deutschland.de/mcs_bib_main.htm

Die 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität (MCS)

Alle 10 größten Lügen über Chemikalien-Sensitivität sind längst widerlegt.

6 Kommentare zu “WIDERLEGT Lüge Nummer 3: „Chemikalien-Sensitivität ist eine neue Krankheit“”

  1. Franz 20. Mai 2008 um 23:43

    Ein halbes Jahrhundert verschlafen.Ein halbes Jahrhundert verdrängt. In der Idividualpsychologie würde man von einer Lebenslüge sprechen. Randolph warnte, viele andere auch. 1962 erschien Rachel Carsons Buch „Der stumme Frühling“. Und spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der letzte Schläfer aufwachen müssen. Al Gore versucht Schlafmützen wach zu rütteln. Ob sie noch aufwachen, bevor es zu spät ist?

    Fürwahr: Wir erleben die Lebenslüge einer Gesellschaft im Wahn!

  2. Annette 21. Mai 2008 um 10:00

    Ein dickes Lob an dich Silvia, der Blog war ja von Anfang an ein Knaller aber was du jetzt mit den 10 Lügen über MCS auf die Beine stellst, klasse.

    Wie du die Lügen widerlegst hat Hand und Fuss, ich möchte schon sagen das es wissenschaftlich gesehen kaum besser geht und manch ein Gutachter sich eine Scheibe von dir abschneiden könnte.

  3. Mary-Lou 21. Mai 2008 um 10:02

    Wo bleibt die Hilfe für uns Chemikaliengeschädigte? Das frage ich mich auch schon all die Jahre, seit ich endlich nach langer Ärzte-Odyssee bei einem praktizierenden Umweltmediziner landete und die Diagnose MCS erhielt. Tatsächliche Hilfe vermissen wir Chemikaliensensiblen auf weiter Flur. Die meisten Untersuchungen, um die Ursachen für die Krankheitsentstehung heraus zu finden muss man selbst zahlen, und das, obwohl viele unter uns durch MCS zu Erwerbsunfähigen wurden. Von was also die Kosten für Arzt, Untersuchungen, verträgliche Medikamenten zahlen, wenn kein eigenes Einkommen mehr vorhanden ist?

    Und all das, obwohl das Krankheitsbild MCS in der Medizinwelt so lange bekannt ist! Nur weil man sich offiziell nicht zur Krankheitsursache, nämlich der CHEMIE bekennt, stellt man MCS-Kranke in Deutschland auf´s Abstellgleis.

    Aber schon Greenpeace berichtet, dass die Schäden und Risiken der Chemie in unserem Alltag, den Nutzen bei weitem übertreffen:

    http://www.greenpeace.de/themen/chemie/gefahren_risiken/artikel/eiskalt_erwischt_dauergifte_bedrohen_menschen/

  4. Spider 21. Mai 2008 um 16:42

    Von wegen, MCS ist eine neue Krankheit!

    Ich habe unendlich lange Zeit bebraucht, habe mir förmlich die Füsse platt gelaufen, um dann doch irgendwann einmal herauszufinden, an was ich eigentlich erkrankt bin. Und ich möchte anmerken, dass dafür ein Jahrzehnt bei weitem nicht ausreicht!

    Ich bin bedient, wenn ich lese, wie viele aussagefähige und auch ältere internationale MCS-Studien vorliegen, die die Existenz und die wahren Ursachen von MCS bereits viele Jahre belegen, und zwar als organische Erkrankung. Mir geht der Hut hoch, nachträglich zu erfahren, welche miese Nummer man mit uns schwer Kranken betreibt. Dass uns quasi flächendeckend Hilfe verwährt wird und man behauptet, MCS gibt es nicht und MCS ist eine neue Erkrankung, ist eine Unverschämtheit, denn ausländische Studien beweißen, dass man uns allen Lügengeschichten zum Wohle gewisser Interessenvertretungen, auftischt.

    Hätte man in meinem Fall früher MCS diagnostiziert, wäre die Intensität meines Beschwerdebildes voraussichtlich nicht so gravierend und man hätte mir durch Ergreifung entsprechender Maßnahmen eingreifend helfen können.

    Die Hauptsache die Umsätze der Chemie-Industrie verzeichnen ein kontinuierliches Wachstum, uns Chemikalien-Sensiblen manöviert man lieber mittels Lügenmärchen ins Abseits, Falschgutachten in Sozialverfahren setzen allem noch eine Krone auf.

  5. Babyface 21. Oktober 2008 um 19:42

    Wie neu soll Chemikalien Sensitivität denn sein? Ich leide schon über 20 Jahre an MCS. Solche Lügen sind doch lachhaft und traurig zu gleich. Das Gegenteil ist längst belegt. Die Ignoranz und das Lügen werden so manchem Intriganten noch sauer aufstoßen, davon bin ich überzeugt.

  6. Mary-Lou 18. November 2008 um 23:33

    Hallo Babyface,

    dass Chemikalien Sensitivität keine neue Erkrankung ist, wurde durch eine ganz besonders erfreuliche Nachricht, erneut widerlegt.

    Die Golfkriegskrankheit wurde als körperliche Erkrankung anerkannt und die Ursachen dafür, nämlich toxische Chemikalien, als auslösende Faktoren öffentlich bestätigt.

    http://www.csn-deutschland.de/blog/2008/11/18/golfkriegsveteranen-leiden-unter-einer-realen-krankheit-die-durch-toxische-chemikalien-verursacht-wurde/

    Lügen haben kurze Beine!

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