Neuropsychiatrische Maskerade – Die Psyche ist nicht immer Ursache für psychische Symptome

Neuropsychiatrische Maskerade

Anfang Februar 2009 erschien in der amerikanischen Fachzeitschrift für Psychiatrie ein Bericht über einen bewusstseinserweiternden Kongressvortrag von Josè Maldonado / Stanford University. Maldonado legte anschaulich dar, dass psychische Symptome klar von psychiatrischen Krankheiten unterschiedene werden müssen, da deren Ursache nur zu oft nicht in der Psyche begründet ist, sondern in der Wirkungsweise von bestimmten Chemikalien, Medikamenten und den Begleiterscheinungen von anderen Krankheiten. Ein Aspekt, dem in der Praxis sicher in den allerseltensten Fällen Beachtung geschenkt wird und wodurch man vielen Erkrankten therapeutisch nicht gerecht wird.

Wenn Chemikalien, Medikamente und Krankheiten die Psyche beeinflussen
Josè Maldonado riet Ärzten bei seinem Vortrag auf einem Psychiatrie-Kongress in San Diego, jene Krankheiten, die psychische Symptome auslösen, von den primär psychiatrischen Erkrankungen zu unterscheiden. Infektionen, Krankheiten des endokrinen Systems, Stoffwechselkrankheiten, neurologische Erkrankungen und Krankheiten des Bindegewebes seien häufige unterschätzte Auslöser einer psychischen Symptomatik. In seinem ausführlichen Referat ging der Psychiater auf verschiedene Faktoren ein, gab aber zu verstehen, dass dies nur die Spitze des Eisberges sei, denn alleine über Infektionskrankheiten, die dazu in der Lage sind, psychische Symptomatiken auszulösen, könne er einen ganzen Monat lang erzählen.

Chemo, Pestizide, Schwermetalle,…
Maldonaldo, Professor für Psychiatrie und Medizin, leitet am Stanford Universitity Medical Center die medizinische und forensische Psychiatrie. Er bot auf dem „US Psychiatric and Mental Health Congress“ in San Diego Ärzten klinische Beratung zur Unterscheidung primär und sekundär psychischer Symptome an. Es gäbe bei jeder Krankheit bestimmte Hinweise, die die Unterscheidung ermöglichen.

Neben den genannten Krankheiten könnten auch verschiedene Medikamente wie (Korticostereoide, Opiate, Chemotherapien gegen Krebs, Parkinsonmittel), Drogen und Alkohol oder Toxine wie Schwermetalle, bestimmte Insektizide, z. B Organophosphate, oder manche Farben psychische Symptome auslösen. Es müsse daher darauf geachtet werden, ob der Patient mit solchen Substanzen belastet sei oder war. Bei Patienten, die bspw. unter Angstzuständen litten, müsse eruiert werden, ob diese Kohlenmonoxid, lösemittelhaltigen Farben oder Benzindämpfe ausgesetzt waren. Psychosen hingegen könnten bspw. durch Benzin, Organophosphatinsektizide, Nervengase, Schwermetalle, Kohlenmonoxid, Farben und Lösungsmittel ausgelöst werden.

Medikamente
Besonders häufig sei es auch die Wechselwirkung von Medikamenten, erläuterte Maldonado, sowohl verschriebene als auch freiverkäufliche. Dazu führte Maldonaldo ein Beispiel aus seinen Erfahrungen als Psychiater der Stanford Transplantationsabteilung an. Er stellte fest, dass manche Patienten über 20 Mittel einnahmen, die nicht Teil ihrer Therapie waren. An einem Tag fragte er einen Transplantationspatienten, wie viele verschiedene verschreibungspflichtige Medikamente er denn so einnehme. Der Mann zog eine Tüte voll mit Medikamenten hervor. Dann habe er ihn gefragt, ob er auch frei verkäufliche Medikamente einnähme. Daraufhin hätte der Mann eine weitere, noch größere Tüte herbeigebracht.

Endokrine Störungen
Störungen der Schilddrüse können eine Vielzahl psychischer Symptome verursachen. Maldonaldo nannte hier Angst, Depressionen, Bipolare Störungen und Manien, seelische Labilität und schwere Symptome bis hin zu Demenz, Psychosen und Delirium.

Mit einer Angststörung verwechselt werden kann das Pheochromocytoma, das Katecholamine ausschüttet. Mit Urintest, CT von Kopf, Nacken und Brust oder auch dem Massieren der adrenalinausschüttenden Drüsen, was Panikattacken hervorruft, lässt sich der Tumor identifizieren. Der Tumor muss operativ entfernt werden.

Hyperparathyroidismus ruft neben verschiedenen körperlichen Symptomen auch Müdigkeit und nicht selten das Restless-Legs-Syndrom hervor.

Eine überaktive Nebenschilddrüse kann Depressionen, Gedächtnisschwäche, Appetitlosigkeit, Konzentrationsschwäche und Müdigkeit verursachen, im Extremfall kommt es zum Delirium. Auch hier ist die chirurgische Entfernung die Therapie der Wahl.

Diabetes
Bei Unterzuckerung, meist durch Diabetes, kommt es zu eingeschränkten kognitiven Fähigkeiten, Schweiß, Angst, Zittern, bis hin zum Koma. Man könne leicht herausfinden, erklärt Maldonaldo, ob der Zustand durch Unterzuckerung bedingt ist, wenn man dem Patienten etwas Zuckerhaltiges zu essen gibt.

Stoffwechselstörungen
Eine erbliche Störung des Kupferstoffwechsels führt zur Anreicherung von Kupfer im Körper und in der Folge zu Bewegungsstörungen, Psychosen und Persönlichkeitsveränderungen. Neurologische Symptome, auch parkinsonähnlich, können ebenso auftreten wie Depression und Paranoia. Behandelt werden kann z.B. mit Chelaten oder Zink, dem Gegenspieler von Kupfer im Körper. Maldonaldo vergaß nicht, an dieser Stelle eindringlich darauf hinzuweisen, dass sich neurologische Symptome zu Beginn der Therapie verschlechtern können.

Porphyrie
Die Pophyrie, eine relativ seltene Stoffwechselerkrankung, kann körperliche und psychische Symptome von unterschiedlichster Intensität und verschiedenster Art hervorrufen. Sie ist mit einer Urinuntersuchung feststellbar.

Infektionskrankheiten, Borreliose
Man  könne einen ganzen Monat damit verbringen, über Infektionskrankheiten zu sprechen, stellte Maldonaldo bei seinem Vortrag fest.

Die Borreliose etwa werde oft fehldiagnostiziert. Die Wahrscheinlichkeit, nach einem Zeckenbiss zu erkranken, liegt bei 3%. Die Borreliose kann zu einer Arthritis, die kommt und geht, neurologischen Symptomen, Hirnhautentzündung und Hirnentzündung mit Schädigungen sowie Herzdefekten führen.

Aus psychiatrischer Sicht sei die Borreliose oft schwer von der Depression zu unterscheiden. Andere psychische Symptome verschiedener Intensität könnten hinzukommen, so etwa Panikattacken, Halluzinationen, Anorexie, Manien etc. Die Diagnose dieser Infektion wird durch Bluttest gestellt. Ergänzend könnten ein PET Scan und ein MRT weiteren Aufschluss über das Ausmaß der bereits eingetretenen Hirnschädigung bei Erkrankten geben.

Herpes
Herpesinfektionen können zur Hirnhautentzündung oder Gehirnentzündung führen. Maldonado gab zu verstehen, dass plötzliches Fieber, Kopfschmerzen, gefolgt von kognitiven und neurologischen Störungen, sowie neuropsychiatrischen Symptomen wie Halluzinationen, Gedächtnisverlust, Änderungen des Verhaltens etc. zu den Anzeichen der Erkrankung gehören, die bis zum Koma führen und tödlich enden kann. Verschiedene klinische Tests, u.a. PCR Tests, ermöglichen die Diagnose, behandelt wird mit Virostatika. Ein MRI könne ergänzend Entzündungen im Hirn aufdecken. Maldonado erwähnte, dass nach der Erkrankung neurologische Schäden zurückbleiben können.

Bindegewebserkrankungen

Lupus (SLE), sagte der Stanford Mediziner, kennzeichne sich durch wiederkehrende Phasen von Entzündungszuständen verschiedener Organe, wie Haut, Gelenke, Nieren oder Blutgefäße. Die Erkrankung zeige sich auch durch psychische und neurologische Symptome wie Demenz, Psychose oder kognitive Störungen. Die medikamentöse Behandlung müsse den Ursprung dieser Psychosen selbstverständlich berücksichtigen.

Delirium
Maldonaldo konzentrierte sich bei seinem Vortrag auch insbesondere auf Deliriumszustände, die 15% aller medizinischen Fälle, 40% auf chirurgischen Stationen und 80% der Patienten auf der Intensivstation betreffen. Patienten im Delirium würden häufiger an der zu Grunde liegenden Erkrankung sterben oder schwerere Verläufe erleben. Maldonaldo erläuterte, dass er keinen einzelnen Grund für das Delirium sähe, vielmehr verschiedene Risikofaktoren. So seien ältere Menschen häufiger betroffen als junge, Männer öfter als Frauen, verschiedene Genussgifte oder Drogen würden das Risiko ebenso erhöhen, wie manche Medikamente. Als Folge würden bei den Patienten auch nach Abklingen der Erkrankung oft psychische und neurologische Störungen auftreten. Daher sei es wichtig, das Delirium schnell zu erkennen und korrekt zu behandeln.

Neuropsychiatrische Maskerade
Maldonaldo vermittelte auf dem Psychiatrie-Kongress, dass das Wissen über die verschiedenen Faktoren, die eine neuropsychiatrische Maskerade bedingen, an Mediziner aller Fachrichtungen weitergegeben werden sollte und auf internationaler Ebene fester Bestandteil der medizinischen Ausbildung werden muss. Nur so könne man vermeiden, dass Patienten in einen Teufelskreis geraten und unnötig in Psychiatrien enden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 8. Februar 2009

Übersetzung: Amalie für CSN

Literatur: José R. Maldonado, Vortrag Neuropsychiatric Masquerade, 21th U.S. Psychiatric and Mental Health Congress, 2008

6 Kommentare zu “Neuropsychiatrische Maskerade – Die Psyche ist nicht immer Ursache für psychische Symptome”

  1. Franz 10. Februar 2009 um 12:27

    Toll, was José Maldonado da veröffentlicht hat. Wenn das Schule machen würde, müsste sich Ulla Schmidt weniger Gedanken machen, wie die psychiatrischen Volkskrankheiten noch zu finanzieren sind. Diesen Professor sollte man mal nach Berlin holen nach Fasching zur Demaskierung.
    Aber vorher müsste auch mal eine flächendeckende Demaskierung von LobbyControl vorgenommen werden.

  2. Maria 10. Februar 2009 um 12:48

    Man könnte, wie dieser Blogbeitrag belegt, die Ursachen für viele psychische Erkrankungen differenzieren und dann gezielt gegen die Erkrankung angehen und den Patienten dadurch individuell helfen. Aber bei uns werden psychisch Kranke über einen Kamm geschoren und ihnen Psycho-Pharmaka verordnet bzw. weitere Schritte eingeleitet. Viele landen in der Psychiatrie, obwohl ihre Erkrankungen auf Belastungen von Chemikalien oder Nebenwirkungen anderer Medikamente basieren. Gerade durch die aktuelle Gesundheitsreform sehe ich die Gefahr, dass sich diese Situation sogar noch verschärfen könnte, da die Ärzte nun noch weniger Zeit für ihre Patienten haben, um eine individuelle Diagnostik vornehmen zu können.

  3. Juliane 10. Februar 2009 um 22:36

    Hoch interessant, was der Stanford Mediziner da verkündet.

    Meine Güte, wenn ich mir dagegen die deutsche Medizinlandschaft anschaue. Hier macht man sich eher Gedanken, was man denn noch so alles aus dem psychologischen Blickwinkel betrachten könne.

    So kommen beispielsweise deutsche Dermatologen auf die Idee, dass die psychodermatologische Sichtweise dazu „befähigt (…) eigenen Ressourcen besser zu kennen und sich ggf. adäquat von Patientenforderungen abgrenzen zu können. Dies vermeidet das nach 15-20jähriger Praxistätigkeit häufig anzutreffende Burn-out-Syndrom bei Ärzten “

    Den Kollegen wird angetragen, Krankheiten psychodermatologisch zu betrachten:

    „Der Vorstand möchte dabei die dermatologischen Kollegen motivieren, auch im Zeitalter der knapperen Ressourcen (Zeitdruck, Budgetierung abrechenbarer Leistungen) den Vorteil der psychodermatologischen Sichtweise bei der Therapie von anspruchsvolleren Patienten und Problempatienten oder Kommunikationsproblemen aufzugreifen.“
    http://www.akpsychderm.de/downloads/APD-Rundbrief_2007.pdf

    Und hier bringt es ein Mediziner in der Fachpresse auf den Punkt:

    „Dr. med. Thomas Reimer, Nideggen, Allgemeinarzt mit Zusatzbezeichnung Psychotherapie: ‚Es ist verblüffend zu sehen, was passiert, wenn man dem Patienten nur minimalen Raum gibt.‘ Die Diagnostik und Therapie in seiner 20-jährigen Praxis habe sich durch sein geändertes Gesprächsverhalten enorm verbessert. Neben der größeren Zufriedenheit habe sich der Wechsel zur Psychosomatik auch finanziell gelohnt: Sein Jahresumsatz ist bei rückläufiger Patientenzahl gestiegen. Reimers profitiert in der Abrechnung jedoch von seiner Zusatzweiterbildung in Psychotherapie. Hausärzte, die die besser dotierten Gesprächsziffern nicht abrechnen können, seien gezwungen, den zeitlichen Aufwand für Gespräche durch mehr technische Leistungen auszugleichen, erklärte Wasserfuhr“

    http://www.freie-arzt-jobs.de/v4/archiv/artikeldruck.asp?id=24460

  4. Mary-Lou 11. Februar 2009 um 12:02

    Alles unter der Neuropsychiatrische Maskerade zu verstecken, dieser Schuß wird leider Gottes nach hinten losgehen. Dabei sind alleine hier im CSN-Blog schon viele wissenschaftliche Berichte über mögliche Ursachen psychischer Symptome zusammengetragen. Die Ursache muss angegangen werden, anstatt wie überall pauschal hur die psychische Keule anzuwenden.

  5. sunday 11. Februar 2009 um 17:30

    er hat mal all das zusammengefaßt, was eigentlich schon seit jahrzehnten bekannt ist und in vielen med. fachbüchern steht.

    ich habe einiges davon schon vor jahrzehnten da gelesen und mich immer wieder gewundert, wieso ärzte das nicht wissen (kein einziger der vielen ärzte, bei denen ich früher gearbeitet habe, hat diese dinge beachtet, teils mit üblen folgen. da sind dann „hypochonder“ und leute mit „nur“ psych.-som. beschwerden gestorben, weil nicht rechtzeitig die richtige diagnose gestellt wurde, obwohl die symptome oft ganz eindeutig darauf hingewiesen haben. ich fand das und einige andere üble dinge in praxen und krankenhäusern so zum k…, daß ich den beruf gewechselt habe).

    aber dieses nicht-wissen der ärzte ist auch bei vielen anderen dingen so, die in med. fachbüchern stehen und sehr vielen ärzten so unbekannt sind, daß ich es manchen ärzten sogar im pschyrembel raussuchen mußte, weil sie noch nicht mal wußten, wie es geschrieben wird, obwohl es sogar ganz „normale“ schulmed. anerkannte krankheiten waren.

    wahrscheinlich werden auch jetzt der vortrag und der bericht wieder nur die ärzte erreichen, die sich sowieso weiterbilden oder es wird auch weiterhin ignoriert (vor allem in deutschland) und in einigen jahren (oder jahrzehnten) wird es dann als neueste wissenschaftliche erkenntnis propagiert wie so einige andere dinge, die gute ärzte schon einige jahrzehnte vorher wußten und sagten und die deswegen teils sogar als spinner diffamiert wurden.

    lg
    sunday

  6. Dorothee Krien 13. Februar 2009 um 19:25

    Ein wichtiger bekannter Faktor allerdings findet in Maldonaldos Uebersicht keine Erwaehung, naemlich die verblueffende Uebereinstimmung von Mikrowellenstrahlung und Schizophrenie. Dazu kommt nocht, dass eine Anti-Personenwaffe bei Opfer Stimmenhoeren verursacht was umgehend als Schizophrenie diagnostiziert wird. Artikel von von John J. McMurtrey und Carol Smith zeigen die dringende Notwendigkeit fuer neue Kriterien bei der Diagnose einer Psychose.

    Cell Phones and Microwave Congruence Schizophrenia
    http://www.scribd.com/doc/11220204/Cell-Phones-and-Microwave-Congruence-Schizophrenia#document_metadata
    On the Need for New Criteria of Diagnosis of Psychosis in the Light of Mind Invasive Technology
    – by Carole Smith
    http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=7123

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