Glosse: Elektroschock, die Therapie der Wahl bei MCS

Den CSN-Blog erreichte neulich eine Email vom dänischen Forschungszentrum für Chemikaliensensitivität. Eine für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Journalistin schrieb im Auftrag der Forschungsleiterin. Infolge dessen las sich die ganze Mail wie eine Hochglanz-Werbebroschüre für das Forschungszentrum. Man glaubte, etwas richtig stellen zum müssen, da in der Öffentlichkeit durch Beiträge im Canary Report und bei CSN über die Arbeit dieser Einrichtung an der Kopenhagener Universitätsklinik Gentofte ein falschen Eindruck entstanden wäre. Zugleich wünsche man aber keine Veröffentlichung dieser Richtigstellung. Das Forschungszentrum verfüge nicht über die Ressourcen, sich mit langen Debatten im Internet abzugeben und wolle diese auch nicht, deshalb sei eine Veröffentlichung der besagten Email unerwünscht.

Bitte sehr, wir rücken nichts zurecht und bleiben bei unserer Auffassung, dass ECT, Electroconvulsive Therapy (Anwendung von Elektroschocks) für MCS und darüber hinaus für jegliche Erkrankung ziemlich daneben ist. So können wir nun natürlich auch nicht weitergeben, welchen Stellenwert dieser Therapieansatz in der Arbeit des Forschungszentrums hat. Der Makel, dieses unappetitliche Thema überhaupt angefasst zu haben, bliebt somit an dieser Einrichtung für immer hängen.

ECT ist grobe vorsätzliche Körperverletzung und wird auch irgendwann als solche verboten werden. Daran wird weltweit gearbeitet. ECT ist nichts anderes als elektrische Lobotomie und wurde in den Anfangszeiten von den Anwendern selbst nicht viel anders gesehen. Siehe P.R. Breggin, „Electroshock: scientific, ethical, and political issues“ im International Journal of Risk & Safety in Medicine 11 (1998), S. 20: „6. The brain-disabling principle“ und „Disturbing News for Patients and Shock Doctors Alike„.

Die Schlussfolgerung, welche das Forschungszentrum aus der Anwendung von ECT für MCS zieht, ist kaum klüger, wie jene Diagnose eines Forschers in einem brutalen Witz: „Ein Wissenschaftler schneidet einem Frosch ein Bein ab und befiehlt ihm zu springen: „Los Froschilein, springe!“ Das arme Tier tut es. Selbst mit zwei fehlenden Beinen tut es sein bestes und springt. Als der Frosch ganz ohne Beine nicht mehr springen kann, stellt der Forscher bei dem Frosch Taubheit fest.“

Nicht viel logischer ist es, von ECT für irgendeine Erkrankung eine positive Wirkung abzuleiten. Man schädigt das Hirn der Betroffen und diese können dann nicht mehr über ihr Leid klagen oder „spinnen“. Auf diese Weise wird MCS plötzlich zumindest teilweise, aber leider nur vorübergehend, „reversibel“. Was für ein Wunder! Wozu also aufwendige Vermeidungsstrategie, Atemschutz, gesunde Ernährung und all dieser Quatsch, wenn es auch so geht. Ab und zu ein paar Stromschläge und die Kranken parieren. Wie wäre es, stattdessen einen Stock zu nehmen? Es wird immer noch sehr angestrengt daran geforscht, wie die therapeutische Wirkung von ECT genau funktioniert. Ein Stock funktioniert viel zuverlässiger und wenn man nur auf den nackten Hintern schlägt, lassen sich Hirnschädigungen weitgehend ausschließen.

Man bot in der Mail an, auf persönlicher Ebene gerne weitere Fragen zu beantworten. Darauf verzichten wir!

Autor: BrunO für CSN

Englische Version im EMM Blog:

Gloss: Electric Shock, the Treatment of Choice for MCS

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“

6 Kommentare zu “Glosse: Elektroschock, die Therapie der Wahl bei MCS”

  1. Clarissa 24. September 2010 um 15:12

    Ich habe noch eine tolle Idee für die Ur- Urenkel von Frankenstein. Es gibt implantiere Hirnschrittmacher die z.B. bei Epilepsie- und Parkinsonkranken eingesetzt werden. Es gibt ja auch implantierbare Defis, die könnte man bestimmt so modifizieren das sie auch so ein mal die Woche einen Neustart des Gehirn auslösen und schon haben wir endlich MCS und andere Krankheiten kpl. besiegt.
    TOLL!

  2. Schlumpf 24. September 2010 um 16:19

    Das Video sieht für mich wie eine Foltermethode aus … dürfen sowas auch Ärzte machen?

  3. Clarissa 24. September 2010 um 17:11

    @Schlumpf, das ist Film, das hat nichts mit der Realität zu tun. Bei einer EKT wird der Patient in eine Kurznarkose gelegt und dann wird erst geschockt, soll human sein aber ich habe von Fällen gelesen die danach richtig kaputt waren.
    Mir ist zur Zeit auch nur die Zulassung bei schweren Depressionen die nicht anders zu behandeln sind zugelassen werden kann.
    Ich finde es trotzdem nicht in Ordnung und betrachte diese Behandlungsmethode als hochgradig kriminell.

  4. yolande 24. September 2010 um 19:26

    Und die, die diese Foltermethode dennoch nicht überleben???

    Wie die Mutter meines Schwagers und einige die ich kannte – diese sind zwar nicht für die Sache MCS gestorben – das war noch bis vor ca 15 Jahren Standardtherapie in der Psychiatrie, wo man sich ja seit jeher alles erlauben konnte – der psychisch Kranke kann/konnte sich ja nie wehren, er ist abhängig gemacht worden von der Macht derer, die „be(miss)handeln sollten/wollen.

    In jedem autoritären System wird diese Methode auch als Folter eingesetzt um Menschen gefügig zu machen.

    Vielleicht sollte man mal den Vorschlag machen, dass alle diese Besserwissenschaftler sich erst mal diesen Methoden selbst unterziehen sollten, damit sie wissen wie sie wirken. Das ist aus meiner Sicht nicht zuviel verlangt, wenn man als Wissenschaftler etwas behauptet, sollte man auch „minimale“ Risiken eingehen.

    Und die wirklich namhaften Wissenschaftler früherer Zeiten – die sehr oft bemerkenswerte Resultate erzielt hatten – ja die haben sich vor Selbstversuchen nicht gescheut um das zu beweisen, was sie in die Welt gesetzt haben.

    Machen wir uns nichts vor – die Verrohung der Gesellschaft macht vor der sogenannten Wissenschaft nicht halt – sogenannt, weil es immer noch keine Transparenz über die Mittel gibt, mit denen Wissenschaft finanziert wird. Die Herkunft der Mittel bestimmt die Richtung.

    Zähne und Krallen haben wir noch, die einzusetzen wäre angebracht angesichts solcher Abartigkeiten.

    P.S.: Sollte sich die Wissenschaft von meiner freien demokratischen Denkweise „getroffen“ fühlen – sie lesen ja mit als „Betroffene“ – ja dann wäre es an der Zeit mal das Denken, bzw. das Vordenken zu üben in Sachen Humanität und Ethik.

  5. Kira 24. September 2010 um 20:14

    Zitat
    „Ich finde es trotzdem nicht in Ordnung und betrachte diese Behandlungsmethode als hochgradig kriminell.“
    Nicht nur das, es ist das perverseste und menschenverachtende überhaupt, toxisch schwer erkrankte Menschen auf diese Weise zu mißbrauchen.
    So nach dem Motto, Hauptsache mundtot und wehrlos, dafür ist jedes Mittel recht.

  6. Schlumpf 25. September 2010 um 12:35

    Man sollte die Vorgänge an die zuständige Ethik-Kommission zur Überprüfung melden.

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