Gupta, Hopper, MCS und die Angst
Wird eine Therapie gegen Angststörungen als MCS-Therapie verkauft?
Seit rund einem Jahr machen zwei Therapien von Annie Hopper und Ashok Gupta von sich reden. Es steht die Behauptung im Raum, sie könnten Multiple Chemikalien-Sensitivität (MCS) heilen. Das Schweizer Ministerium für Gesundheit hat im Frühjahr 2012 ein Seminar mit Annie Hopper gesponsert und äußerte sich folgendermaßen dazu:
Roger Waeber, Eidgenössisches Departement des Innern EDI, Bundesamt für Gesundheit BAG, Direktionsbereich Verbraucherschutz, Fachstelle Wohngifte:
„..Generell sind wir der Ansicht, dass Ansätze, die auf Theorien erlernter Reaktionsmuster basieren, interessant und vielversprechend sein könnten für MCS-Patienten. Bis anhin wurden Dritte, welche Vorschläge in dieser Richtung vorgebracht hatten, von Seiten der Betroffenen scharf kritisiert, zuweilen wurde Ihnen sogar vorgeworfen, sie wollten MCS-Patienten „psychiatrisieren“. Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass eine entsprechende Initiative nun von Seite der Betroffenen bzw. einer ihrer Organisationen kommt und möchten dies daher mit einem kleinen Beitrag an die organisatorischen Kosten unterstützen. Wir erhoffen uns, dass es dazu beitragen kann, die Lebensqualität zumindest einiger Betroffenen zu verbessern. Vor allem aber haben wir die Hoffnun dass solche Initiativen helfen können, die zuweilen extrem verhärteten Fronten im Streit um „physische“ und „psychische“ Ursachen/Einflüsse beim MCS Phänomen aufzubrechen, um letztlich den Betroffenen auch neue Lösungswege erschließen zu können…“ (1)
Die australische MCS Aktivistin Catherine McIver möchte nicht ungeprüft im Raum stehen lassen, dass es sich bei der Gupta und Hopper Therapie tatsächlich um MCS-Therapien handelt, denn bei näherer Betrachtung könnte es sich auch ganz einfach um Therapien zur Behandlung von Angststörungen und Traumata handeln.
Catherine Mclver’s Gedanken dazu:
Gupta, Hopper, MCS und die Angst
Psychogene Theorien über Multiple Chemical Sensitivity (MCS) wurden diskreditiert (siehe Martin Pall Abschnitt über „Psychogene Ansprüche“). Menschen mit MCS haben hart daran gearbeite ihre Mitmenschen, angefangen von Familienmitgliedern bis zu Regierungsbeamten, davon zu überzeugen, dass MCS kein Angstproblem ist. Deshalb ist es seltsam und befremdlich, dass es man Begeisterung für die „Erklärungen“ zweier Menschen zu MCS antrifft und über deren Behandlungsprogramme, befremdlich deshalb, weil diese beiden (Gupta, Hopper) glauben, dass MCS ein Angstproblem sei.
Ashok Gupta (Gupta Amygdala Retraining™) sagt:
„Zusammenfassend gesagt ist MCS eine konditionierte Reaktion des Gehirns auf eine Chemikalie, von der es denkt, sie ist gefährlich…
Warum entwickeln manche Leute MCS, und andere, die der gleichen Chemikalie ausgesetzt sind, nicht?
Das ist so, weil das „Gehirn programmiert ist“, weil sein „Software-Programm“ wenn Sie so wollen, während eines traumatischen Ereignisses verändert wird. Nach diesem initialen, sensibilisierenden Ereignis beginnt das Gehirn dieser Person auf andere Weise zu reagieren.
Darüber hinaus ist es wahrscheinlich, dass jemand mit einer hyper-erregten Amygdala (z.B. mit einer Krankengeschichte in der Angst, Panikstörung, etc. vorzufinden sind) anfälliger ist, und desto anfälliger sind diese Menschen auch für die Entwicklung einer MCS, weil die Amygdala empfindlicher gegenüber neuen Bedrohungen ist.“ (Gupta Programm (2))
C. McIver: Eine alternative Antwort auf Gupta’s Frage, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhend, ist, dass genetische Unterschiede in Bezug darauf, wie Chemikalien metabolisiert werden, manche Menschen anfälliger für MCS werden lassen. Für sechs Gene wurden bisher damit in Zusammenhang gebracht. Siehe The Tenth Paradigm für weitere Informationen über diese Forschung. Außerdem muss man sich daran erinnern, dass Menschen MCS auch ohne „traumatisches Erlebnis“ entwickeln können.
Annie Hopper (Dynamic Neural Retraining-System TM) sagte in einem Interview:
„Mit einer MCS entwickeln wir eine konditionierte abnorme Angstreaktion vor Chemikalien durch eine gestörte Funktion des limbischen Systems durch die wiederkehrenden traumatischen Muster im Gehirn. Angst stimuliert die Amygdala, löst „Kampf- oder Flucht-Reaktionen“ aus.“ (3 )
Auf ihrer Website sagt Annie Hopper:
„Das häufigste, primäre Merkmal bei Multipler Chemikalien Sensitivität ist eine abnorme und erhöhte Fähigkeit, Chemikalien in der Umwelt zu erkennen, vor allem durch den Geruchssinn und über den Geschmackssinn.
Das Erkennen wird von einer Vielzahl von körperlichen Reaktionen, einer unmittelbaren, ungesunden Stimulus-Antwort und von starker Abneigung gegen Chemikalien begleitet…“ (4)
C. McIver: Beachten sollte man, dass Menschen mit MCS auf Chemikalien reagieren, nicht auf den „Geruch“ von Chemikalien. Sie reagieren auf sie, ganz gleich ob sie diese wahrnehmen können oder nicht. Auch haben Menschen mit MCS nicht unbedingt eine „starke Abneigung gegen Chemikalien“, genauso wie Menschen, die allergisch gegen Katzen sind, nicht unbedingt eine schwere Abneigung gegen Katzen haben.
Mancher mag sich fragen, warum denken Gupta und Hopper, dass MCS mit Furcht und Angst in Zusammenhang steht. Die nachfolgenden Zitate könnten die Antwort liefern.
Annie Hopper schrieb über ihre eigene MCS:
„Sorge war der Gedanke am Morgen, Nachmittag und Abend. Manchmal lehnte ich mich einfach zurück und beobachtete meine Gedanken, und sie erschienen mir buchstäblich wie ein endloser Strom von Sorgen. Dies wurde in hohem Maße beunruhigend für mich, weil ich dachte, ich hätte bereits die Werkzeuge in der Hand, um diesen Prozess zu stoppen. Doch Nichts, was ich versuchte, konnte es verhindern. „(5)
Ashok Gupta sagte in einem Interview:
„Ich konnte fühlen, dass mein Körper voller Adrenalin war, oder wie auch immer Sie es nennen wollen, – konnte fühlen, dass ich am Ende war. Ich saß zu Hause, konnte fühlen, dass einige Reaktionen in meinem Körper vor sich gingen – einige Stress-Reaktionen – und wenn ich mit jemandem sprach oder in eine leicht stressige Umgebung kam, spürte ich das Pumpen meines Herzens, aber es war keine Angst per se – das Gefühl war verschieden zu Angst. Ich hatte immer etwas Angst in meinem Leben, aber Nichts war vergleichbar mit dieser völligen Erschöpfung. Es war etwas Einzigartiges, was da passierte. Also fing ich an, mich über Stressreaktionen und Angststörungen umzuschauen.
Ich schaute in die neuesten Forschungsergebnisse, was es ist das schwere Angst verursacht – die Antwort war die Amygdala. Ich las Joseph Ledoux’s Arbeit und sagte zu mir selbst, weißt du dieses Zeug ist genau das, was ist los in meinem Körper und ich sah mir die ganze CFS-Literatur an und fügte all das zusammen so gut es ging und sagte mir, dass da wirklich ein offensichtlicher Mechanismus ist. “ (6)
Ist die Erfahrung von Angst, die Gupta und Hopper erlebten, nun typisch für Menschen mit MCS?
Weit davon entfernt. Caress und Steinemann führten eine Prävalenz Studie über MCS in Atlanta, Georgia durch und man fragte die Menschen mit MCS weitere Fragen, darunter auch einige über psychische Erkrankungen. Caress und Steinemann schrieben in ihrem Bericht: (7)
- Nur 1,4% (n = 1) der Befragten berichteten über Depressionen, Angst oder andere emotionale Probleme, bevor ihre Symptome erstmalig auftraten.
- Weitere 5,8% (n = 4) antworteten, dass ihnen nichts davon bekannt war, ob sie emotionale Symptome hatten oder nicht, bevor sich ihre Überempfindlichkeit auf Chemikalien entwickelte.
- Nur 4,3% (n = 3) der Befragten hatte je irgendwelche Medikamente wegen emotionaler Probleme genommen, bevor die Reaktionen durch ihre Überempfindlichkeit einsetzten.
- Im Gegensatz dazu gaben 37,7% (n = 26) der Befragten an, dass sie Depressionen, Angst oder andere emotionale Probleme erst erlebten, nachdem sie die Überempfindlichkeit auf Chemikalien entwickelt hatten.
- 27,5% (n = 19) hatte einige Medikamente wegen emotionaler Probleme nach dem Beginn von ihres Gesundheitszustandes genommen.
Angst-und Panikattacken können eine ganze Reihe von Symptomen auslösen:
Muskelverspannungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Übelkeit, Herzklopfen, Atemnot, Konzentrationsstörungen und Schlafstörungen, diese Symptome könnten mit MCS Symptome verwechselt werden. Natürlich ist es möglich, beides – MCS und Angst – zu haben. Genauso kann es aber auch Personen geben, die sich von MCS erholen (oder teilweise erholen), aber weiterhin Angst haben.
Autor: Catherine McIver, Gupta, Hopper, MCS and anxiety, 12. Januar, 2012
Vielen Dank an Catherine McIver / Multiple Chemical Sensitivity, dass wir den Artikel übersetzen und veröffentlichen duften.
Antext und Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network
Literatur:
- Schreiben des Schweizer Bundesamt für Gesundheit an CSN, 27.03.2012
- Gupta Programme, Explain MCS, Gupta Webseite
- Planet Thrive, Rewiring the chemically sensitive Brain, 10, 2009
- DNR system, MCS, Webseite Hopper
- Hopper, Emotional Rescue, Multiple Sensitivity Cure, Webseite Hopper
- EI Ressource, Phoenix rising, Ashok Gupta – Amygdala Retraining Techniques
- Caress SM, Steinemann AC 2003. A Review of a Two-Phase Population Study of Multiple Chemical Sensitivities. Environ Health Perspect 111:1490-1497
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