Monatsarchiv für Februar 2011

Stadtrat verbietet Parfum und Duftstoffe am Arbeitsplatz

Gesundheit hat Vorrang

Der Stadtrat von Portland hat am 23. Februar 2011 in einer Sitzung beschlossen, dass Parfüm und Duftstoffe an Arbeitsplätzen in der Stadt, die sich im US Bundesstaat Oregon befindet, unerwünscht sind. Zukünftig soll auf Parfum, Aftershave, Deo, Haarspray und ähnliche parfümierte Produkte auf der Arbeit verzichtet werden. Der Stadtrat möchte, dass jeder frei atmen kann und sich am Arbeitsplatz gut und nicht krank fühlt. Es sei eine Sache des gesunden Menschenverstandes, sagten die Stadtoberhäupter gegenüber der Presse. Noch will der Stadtrat kein rigoroses Verbot aussprechen, sondern appelliert, dass jeder Mitbürger die neue Regelung von sich aus befolgt. Rund zwei Millionen Menschen leben im Großraum Portland und sind von der neuen Regelung direkt oder indirekt betroffen. Wenn Angestellte gesundheitliche Beschwerden erleiden, weil ein Kollege die Regelung nicht befolgt, soll er beim Vorgesetzten um Hilfe bitten. Die Gesundheit aller habe Vorrang, ließen die Stadtväter verlauten. (1)

Folgt dem Rauchverbot ein Duftstoffverbot?

Experten erwarten dem Vernehmen nach, dass es in absehbarer Zeit zunehmend Städte, Regionen, Ministerien und Behörden geben wird, die Duftstoffverbote verhängen und Arbeitsanweisungen mit der Bitte um Einschränkung von Duftstoffen herausgeben. Es geht dabei nicht um die Geruchsbelästigung durch eine Vielzahl verschiedener Parfüms in einem Raum, wenn gleich diese störend wirken kann. Sie halten Parfums und parfümierte Produkte wegen der darin enthaltenen Chemikalien und Allergenen für genauso gesundheitsbedenklich wie Passivrauch. Gerichtsprozesse, bei denen Arbeitnehmer bei Gericht Recht erhielten, weil ihre Gesundheit durch Duftstoffe am Arbeitsplätz in Mitleidenschaft gezogen wurde, deuten darauf hin, dass die Einschätzung der Experten realistisch ist.

Duftstoff- und Parfumverbot, notfalls per Gericht

In den USA und in Kanada gibt es bereits Städte, Behörden, Schulen und Universitäten, die Angestellte und Besucher darum bitten, in Gebäuden und bei Veranstaltungen auf Parfums und parfümierte Produkte zu verzichten. Auch Ministerien gehen dazu über, Duftstoffverbote zum Wohle der Gesundheit zu verhängen, bspw. Die Centers of Disease Control and Prevention (2) und das Ministerium für Gesundheit in Gergoria (3) und das Zentralbüro für Volkszählung in den USA. (4)

Duftstoffverbote – In Europa noch nicht angekommen

In Mitteleuropa folgt man den neuen Tendenzen zum Wohle der Gesundheit erst zögerlich, hier ist eher ein Anstieg der Verwendung von Duftstoffen im öffentlichen, wie auch privaten Bereich zu verzeichnen und die Duftstoffindustrie ist dabei, mit Nachdruck neue Märkte zu forcieren.

In Skandinavien scheint stärkeres Bewusstsein zum Schutze der Gesundheit zu herrschen. Schweden führte 2008 ein Duftstoffverbot im Gesundheitsbereich ein, der alle Kliniken, Arztpraxen und Gesundheitsbehörden betrifft. (5)

In Norwegen ist man aktuell sehr bestrebt, Duftstoffverbote und Arbeitsanweisungen einzuführen, um Allergiker, Asthmatiker und Chemikaliensensible zu schützen. Der norwegische Allergie- und Asthmaverband NAAF arbeitet intensiv daran, die Bevölkerung und Entscheidungsträger für die Problematik zu sensibilisieren. (6) Insbesondere aus öffentlichen Gebäuden, aus dem Gesundheitsbereich, Schulen und aus Schulbusen möchte der NAAF Duftstoffe völlig verbannen.

In Deutschland haben Duftstoffverbote bislang kaum Fuß gefasst. Lediglich ein paar wenige Praxen von Ärzten und Umweltmedizinern, als auch einige wenige kleinere Firmen gehen diesen Weg, um Allergikern, Asthmatikern und Chemikaliensensiblen den Zutritt in ihre Räumlichkeiten und bei Veranstaltungen zu ermöglichen.

Sind Parfum- und Duftstoffverbote sinnvoll oder Panikmache?

Hersteller von Parfüms und parfümierten Produkten geben dem Konsumenten nahezu keinerlei Auskunft, mit welchen Inhaltsstoffen er konfrontiert wird, wenn er sie verwendet oder ihnen in Innenräumen ausgesetzt ist.

Die amerikanische Wissenschaftlerin Ann Steinemann untersuchte 2010 an der University of Washington eine Auswahl von 25 parfümierten Produkten. Sie wählte solche aus, die in jedem Supermarkt in den Regalen stehen und am Häufigsten verkauft werden. “Die Produkte gaben zusammen über 420 Chemikalien ab, aber nahezu keine wurde irgendwo dem Verbraucher offen gelegt”, teilte die Wissenschaftlerin in einer Pressemitteilung mit. (7,8)

Dass Parfüms und Duftstoffe u.a. Kopfschmerzen, Asthmaanfälle, Allergien und Ekzeme hervorrufen können, ist in der Medizin hinreichend bekannt. Über die tatsächlichen Auslöser, die verantwortlich sind, ist der Verbraucher jedoch immer noch wenig informiert. Insbesondere die Tatsache, dass „Düfte“ durch Verwendung verschiedenster Chemikalien komponiert werden, wurde bislang nicht zur Kenntnis genommen.

Der Mehrheit der Konsumenten ist unbekannt, dass durch eine nicht unerhebliche Anzahl der chemischen Inhaltsstoffe in Parfüms und parfümierten Produkten, Krankheiten, u.a. Krebs, Nervenschäden, Allergien, Asthma, Kontaktallergien, Fortpflanzungsstörungen verursacht werden können. Von Panikmache zu sprechen ist also unangemessen. Ganz im Gegenteil, die bereits bekannten Fakten drängen zu besserer Information über die Risiken und zu genauer Deklaration, inklusive Warnhinweisen auf den Produktverpackungen.

Mein Parfum brauche ich (doch nicht)

„Das ist eine Einschränkung meiner persönlichen Freiheit!“ oder „wo kommen wir da hin, wenn ich nicht einmal mein Parfum benutzen darf, wo und wann ich will?“, sind Ausrufe empörter Duftliebhaber. Sind sie gerechtfertigt?

Intensive, sachliche Aufklärung der Konsumenten über die Gesundheitsgefahren, die Chemikalien und Allergene bergen, die sich in Parfums und Duftstoffen befinden, sollte in der Lage sein, heftige Diskussionen zu erübrigen.

Kampagnen, durchgeführt von verantwortlichen Behörden in Zusammenarbeit mit der Medizin, sollten im Stande sein zu überzeugen, dass Argumente „ein Parfüm- und Duftstoffverbot beeinträchtige die persönliche Entfaltungsmöglichkeit von Mitmenschen die „Düfte lieben“ unangebracht sind, weil sie sich über die Gesundheit anderer hinwegsetzen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 25. Februar 2011

Literatur:

  1. Koin6, Portland City Council adopts rule discouraging of fragrances on workplace, 23. 02.2011
  2. Department of Health and Human Services, Indoor Environmental Quality Policy, 22.06.2009
  3. Silvia K. Müller, Ministerium für Gesundheit ordnet an, CSN, 26. Okt. 2010
  4. Silvia K. Müller, Zentralbüro für Volkszählung untersagt Duftstoffe am Arbeitsplatz, CSN, 21. April 2009
  5. Silvia K. Müller, Duftstoffe verboten in Krankenhäusern und Arztpraxen in Schweden, CSN, 6. Okt. 2008
  6. Alena J., Norwegischer Allergie- und Asthmaverband bittet darum, keine Parfums zu benutzen, CSN, 9.12.2010
  7. University of Washington, Hannah Hickey, Release: Scented consumer products shown to emit many unlisted chemicals, Oct. 26, 2010
  8. Steinemann AC, et al., Fragranced consumer products: Chemicals emitted, ingredients unlisted, Environ Impact Asses Rev (2010), doi:10.1016/j.eiar.2010.08.002

Barrierefreiheit bei der Begutachtung von Behinderten

Umwelterkrankte mit MCS, auch beim Gutachter benachteiligt

Im Alltag, im Berufsleben und im sozialen Bereich sind Umwelterkrankte, die unter Chemikalien-Sensitivität (MCS) leiden, weitgehend ausgegrenzt. Barrierefreiheit, wie sie anderen Behinderte ermöglicht wird, existiert nicht. Selbst auf dem Papier nicht, obwohl MCS eine anerkannte körperlich bedingte Behinderung darstellt und die Anzahl der Erkrankten nicht unbeträchtlich ist.

Um Unterstützung zu erhalten und Behindertenschutz geltend machen zu können, beantragen Umwelterkrankte mit MCS eine Einstufung ihrer Behinderung. In den meisten Fällen wird eine medizinische Begutachtung anberaumt. Die Gutachter, die benannt werden, sind in der Regel jedoch weder fachlich für die Begutachtung von Umwelterkrankten mit MCS qualifiziert, noch verfügen sie über eine Praxis, die schadstoffkontrolliert ist. Das sind Erfahrungswerte, die durch zahlreiche Berichte Umwelterkrankter belegt und über Jahre gleich geblieben sind.

Begutachtungen im persönlichen Wohnumfeld der Umwelterkrankten mit MCS werden von Behörden und Institutionen zumeist kategorisch abgelehnt. Obwohl gerade eine Begutachtung im Wohnumfeld des Umwelterkrankten dem Gutachter besonderen Aufschluss über dessen Situation und Einschränkungen geben könnte. Gleichzeitig könnte die Benachteiligung Umwelterkrankter mit MCS, weil adäquate schadstoffkontrollierte Gutachterpraxen fehlen, ohne viel Aufwand ausgeglichen werden.

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  • Wie erging es Euch beim Gutachter, kamt Ihr mit den Räumlichkeiten klar?
  • Waren der Gutachter und seine Praxisangestellten auf MCS eingestellt?
  • Waren die Praxisräume, Toilette beduftet oder mit chemischen Mitteln gereinigt?
  • Verzichtete man auf Parfüm, Aftershave, parfümierte Handcremes, etc.?
  • Habt Ihr Reaktionen in den Räumlichkeiten erlitten, in denen die Begutachtung stattfand?
  • Oder seid Ihr während der Begutachtung oder danach sogar kollabiert?
  • Hat man Euch aufgrund fehlender schadstoffkontrollierter Praxisräume eine häusliche Begutachtung zugebilligt?
  • Oder lehnte man Euren Vorschlag, zuhause zu begutachten, ab? Mit welcher Begründung?

Macht oder Ohnmacht des Gerichts?

Medizinische Begutachtung eines Jugendlichen mit MCS auf Biegen und Brechen

Der Gesundheitszustand von Patrick verschlechterte sich rasch. An eine Rückkehr in die Schule war nicht zu denken. Er nahm an einer Beschulung per Internet teil und erhoffte sich, wenigstens auf diesem Wege einen Abschluss zu schaffen. Das Angebot, seine Behinderung mit 30 GdB zu bewerten, erschien wie ein Hohn. Das sah auch der Anwalt so und erhob im Januar 2010 Klage beim Sozialgericht um einen Gesamt- GdB von mindestens 50 festzustellen. Die Gegenseite beharrte auf ihrer Einschätzung und beantragte im Februar 2010, die Klage abzuweisen.

Teil I: Behördenkrieg gegen einen Jugendlichen mit Chemikalien-Sensitivität

Teil II:

Im Mai 2010 reichte der Anwalt von Patrick einen Schriftsatz zur Begründung der Klage ein und beschreibt den Gesundheitszustand des jungen Mandanten:

„Beim Kläger liegt eine schnelle Ermüdung und Erschöpfung bei schon geringen körperlichen Tätigkeiten, chronische Kopf- und Rücken- schmerzen, völlige Konzentrationsunfähigkeit und fehlender Antrieb, schwere bis schwerste Schwächeanfälle beim Gehen und Stehen, Tremor, Kontrollverlust beider Beine mit häufigem Einknicken und dann auch Sturz, sowie Koordinationsverluste besonders bei der Feinmotorik vor, ferner Blockaden im BWS/LWS-Bereich mit starken Schmerzen, starke Gelenk- und Gliederschmerzen, Muskel- und Nervenschmerzen am ganzen Körper, fehlende Muskelkraft, heftiger Schwindel, Benommenheit, Gleichgewichts- störungen, Taubheitsgefühle im Nasen-Stirnbereich, Magenkrämpfe, Übelkeit bis hin zur Atemnot bei der geringsten Exposition mit Duftstoffen und Chemikalien, Überempfindlichkeit und sensorische Missempfind- ungen auf Geräusche, Licht, Temperatur, Anschwellen der Nasenschleim- häute bis zur völligen Verstopfung, Reizungen und ständige Entzündungen der Atemwege bis hin zur Atemnot, zunehmende Nahrungsmittel- unverträglichkeiten, starkes Unruhe- und Bewegungsgefühl, Stimmungs- schwankungen, Chlorakne an Gesicht und Oberkörper, verschobener und gestörter Schlaf-Wachrhythmus vor. Der Kläger kann seine Wohnung nicht ohne fremde Hilfe verlassen. Trotz Behandlung mit Morphin bestehen beim Kläger unerträgliche Schmerzen.

Die angefochtenen Bescheide stützen sich demgegenüber hauptsächlich auf ältere medizinische Unterlagen, die den Gesundheitszustand des Klägers nur ungenügend erfassen und jedenfalls die gegenwärtig vorliegenden dauernden Gesundheitsbeeinträchtigungen des Klägers nicht zutreffend wiedergeben.

Es geht nicht an, wenn deshalb keine adäquate Berücksichtigung der beim Kläger vorliegenden Gesundheitsstörungen erfolgt, weil, wie es in der gutachterlichen Stellungnahme vom 01.07.2009 (Blatt 12 der Beklagtenakte) heißt, die aufgeführte Symptomatologie ließe sich auf keine gesicherte klinische toxikologische Befunderhebung zurückzuführen und es würden nicht widerlegbare Hypothesen aufgestellt. Die Einstufung hinsichtlich des Grades der Behinderung muss sich an den tatsächlich vorliegenden Leistungseinschränkungen orientieren und ist keine Frage der ätiologischen Einordnung von Krankheitserscheinungen.

Ungeachtet dessen ist die Einstufung des Krankheitsbildes des Klägers und der daraus folgenden Gesundheitsbeeinträchtigung lediglich als psychovegetative Minderbelastbarkeit gleichfalls nicht adäquat.”

Mai 2010 Beschluss der Sozialgerichts X vom 17.05.2010

“…hat die 6. Kammer des Sozialgerichts X am 17.Mai 2010 durch die Richterin am Sozialgericht Dr. XY beschlossen:

  1. Es soll Beweis erhoben werden durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens über die als Anlage beigefügten Beweisfragen (§ 103, 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG).
  2. Zum Sachverständigen wird ernannt ( § 118 Abs. 1 SGG, §§ 404 ff. ZPO): Dr. med. R (Schlafmedizin, Neurologie, Psychiatrie – Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin, Verkehrsmedizinische Qualifikation, Suchtmed- izinische Grundversorgung, Botulinumtoxinbehandlung.
  3. Das Gutachten soll aufgrund der übersandten Akten und einer ambulanten Untersuchung erstattet werden. Zu den bereits vorliegenden ärztlichen Gutachten, Befundberichten und anderen medizinischen Äußerungen soll ausdrücklich Stellung genommen werden.”

Sind 300 km für einen Schwerkranken an einem Tag zu schaffen?

Tage und Nächte waren für Patrick gleichermaßen. Sie bestanden aus Schmerzen und Reaktionen. Einen Gang in den eigenen Garten schaffte er nicht. Eigentlich ging überhaupt nichts mehr. Zeitgleich mit dem richterlichen Beschluss erhielt Patrick eine schriftliche Mitteilung des Sozialgerichts X, das durch Einholung eines ärztlichen Gutachtens Beweis erhoben werden solle. Er erhielt außerdem eine schriftliche Einladung zur gutachterlichen Untersuchung vom bestellten Gutachter Dr. med. R – 150km (eine Strecke) vom Wohnort entfernt. Wie sollte das zu schaffen sein? Wenn es ihm ganz schlecht ging, was oft vorkam, half ihm sein Vater oder seine Mutter zur Toilette. Nicht einmal das schaffte er dann er allein. Hilfsmittel wie Sauerstoff und eine Aktivkohlemaske hatte man abgelehnt. Wie sollte er eine derart weite Fahrt packen?

Ärztlicher Beistand rund um die Uhr, sieben Tage die Woche

Der Arzt vor Ort kannte Patricks Zustand genau. Er hat den jungen Mann mehrfach gesehen und stand insbesondere mit der Mutter in ständigem Kontakt. Telefonisch half er weiter, wenn Patrick eine schwere Reaktion hatte und gab Rat, was zu tun sei. Selbst an Wochenenden war er für den jungen Mann da. Im Juni 2010 schrieb er eine Ärztliche Stellungnahme, um den Gesundheitszustand von Patrick darzulegen:

“Herr R. möchte gerne eine Begutachtung durch den vom Gericht bestellten Sachverständigen wahrnehmen.

Er ist sich seiner Pflichten durchaus bewusst und möchte diesen auch in jedem Falle nachkommen.

Aufgrund seiner schweren Vergiftung und der ausgeprägten Chemikalien- überempfindlichkeit, vor allem durch Schimmel und der dadurch massiven Schmerzsymtomatik, leidet Herr R. unter sehr starken körperlichen Beeinträchtigungen und ist zudem auf medizinische Hilfsmittel angewiesen, die ihm derzeit jedoch nicht zur Verfügung stehen (MCS-Schutzmaske, O2 Gerät).

Ohne diese Hilfsmittel ist Herr R. kaum in der Lag,e seine Wohnung zu verlassen und ist nicht transportfähig.

Um dennoch eine Begutachtung zu ermöglichen, empfehle ich die ambulante Untersuchung notfalls durch den Sachverständigen bei Her R. zu Hause durchzuführen.”

Kein Wille, nur Willkür

Mit etwas Willen von Seiten der Behörde wäre eine Begutachtung von Patrick in seiner Wohnumgebung kein Problem. Der junge Mann lebt nahe einer Stadt, nicht weitab von medizinischer Infrastruktur. Eine Hausbegutachtung hätte den Doppeleffekt, dass sich der Gutachter ein Bild von der Situation hätte verschaffen können. Diese Auffassung vertrat auch der Anwalt von Patrick in einem Schreiben im Juni 2010 an das Sozialgericht und legte die Stellungnahme des behandelnden Arztes bei:

“…weisen wir daraufhin, dass der Kläger aufgrund seines Gesundheits- zustandes nicht in der Lage sein wird, den Sachverständigen in dessen Räumlichkeiten aufzusuchen. Eine Begutachtung durch den Sachver- ständigen muss daher beim Kläger zu Hause stattfinden.

Eine entsprechende ärztliche Stellungnahme vom …… fügen wir bei.”

Das Gericht war nicht gewillt, dem zu entsprechen. Ende Juni 2010 erhielt Patrick eine erneute Einladung zur gutachterlichen Untersuchung von Dr. med. R., in der stand:

“….wir haben vom Sozialgericht X den Auftrag erhalten, über Sie ein neurologisches Gutachten zu erstellen.

Den 1. Termin am … haben sie unentschuldigt nicht wahrgenommen. Wir bitten sie nun, sich zum o.g. Neuen Termin zur Untersuchung einzufinden. Bringen sie….”

Ein Verlassen des Hauses ist möglich?

Im Juli folgte ein Schriftwechsel zwischen Anwalt und Gutachter. Patricks Zustand war unterdessen noch schlechter geworden. Der Anwalt erhielt gegen Ende des Monats eine Verfügung des Sozialgerichts:

“Sehr geehrte Damen und Herren,

in dem oben genannten Rechtsstreit wird mitgeteilt, dass weder den ärztlichen Berichten und Stellungnahmen aus der Verwaltungsakte noch den im Klageverfahren vorgelegten Unterlagen entnommen werden kann, dass eine Begutachtung allein in den Räumlichkeiten des Klägers möglich sein soll. Dem Kläger war es bislang möglich, verschiedene Kliniken, auch in anderen Städten aufzusuchen. Auch die von Dr. B. ausgeführten medizinischen Hilfsmittel lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Es ist nicht ersichtlich, dass dem Kläger ein Verlassen des Hauses mit MCS-Schutzmaske, O2-Gerät nicht möglich ist.

An der Bestellung des Sachverständigen wird daher festgehalten. Auf die Regeln der Darlegungs- und Beweislast wird verwiesen.

Frist zur Stellungnahme: 30.08.2010.”

Nächstes Attest

Die vom Gericht angeführten Hilfsmittel besaß Patrick nicht. Auch das war bereits zuvor erörtert worden. Der Anwalt von Patrick legte im August 2010 ein weiteres ärztliches Attest und eine Stellungnahme vor.

Dr. med. N.:

“Der Patient R. ist aufgrund der genannten Diagnosen und die damit verbundenen körperlichen Reaktionen nicht transportfähig.

Diagnosen: schweres MCS, chron. Fatigue Syndrom, Toxische Wirkung sonstiger näher bezeichneter Substanzen, Polyneuropathien, Gleichgewi- chtsstörung”

Patricks Arzt an das Gericht:

“Es wird gesagt, dass dem Kläger bislang möglich war, verschiedene Kliniken auch in anderen Städten aufzusuchen: das war 2007, inzwischen hat sich der Zustand erheblich verschlechtert, das ist häufig bei schweren toxischen und immunologischen Schäden. Man sieht die extremen Schmerzen, er muss schon große Mengen Morphin nehmen, insgesamt 250 mg/Tag (leichter Geschädigte brauchen nur 60 mg/Tag).

Die Muskeln sind ebenfalls schwächer geworden, er kann nicht alleine aufstehen aus dem Bett, er kann keine Treppen mehr steigen, kann seine Körperpflege nicht mehr durchführen.

Zur Dokumentation der schweren körperlichen Veränderungen vor allem durch Stoffwechselstörungen: die Familie hat auf mein Anraten eine Reihe von Fotos aus den letzten Jahren zur Verfügung gestellt.

Es treten immer häufiger und schneller allergische Reaktionen auf bis zum Schock: Atemnot mit Erstickungsanfällen. Somit ist der Transportweg bis …… zu gefährlich und nicht zu verantworten. Zudem hatte er bisher auch noch keine MCS-Maske und kein O2-Gerät (das bisherige kann er nicht verwenden weil er auf Silikon, Weichmacher und Restmonomere am gebrauchten Gerät reagiert).

Er hat also 2007 zuletzt eine “andere Klinik” besucht.

Überdies habe ich die ärztliche Pflicht, mich zu Gutachtern zu äußern, die ich seit Jahrzehnten kenne, zu denen gehört

Dr. R.. Ich muss daher dem Patienten abraten, sich dort ein Gutachten über die Folgen vor allem durch Schimmel anzufordern.

Selbstverständlich sind Familie R. und ich mit allen neutralen und sachkundigen Gutachten einverstanden, das kann ja nur für alle die Erkenntnisse über den Krankheitsverlauf und die Vorbeugung bei Schimmelschäden verbessern.”

Jugendliche mit MCS

Abstellgleis statt Schule – ausranggiert?

Bei allem was bis zum August 2010 passierte, ist zu ergänzen, dass es in ganz Deutschland keine Umweltklinik gibt, die sich auf die Behandlung von Patienten wie Patrick spezialisiert hat. Selbst niedergelassene Umweltmediziner verfügen nicht über die Räumlichkeiten, die es einer Person mit schwerer MCS möglich macht, sich darin auch nur für wenige Minuten aufzuhalten, ohne Reaktionen zu erleiden. Die Forderung nach einer Begutachtung in einer normalen Praxis bedeutet Kontakt mit einer Flut von Chemikalien: Desinfektionsmittel, scharfe chemische Reinigungsmittel, Duftstoffe und Parfums von Mitpatienten und Praxispersonal, gereinigte Praxiskleidung, Ausdünstungen von Kopierer und Druckern, ausdünstende Praxismöbel aus Pressspan, etc.

Fragen, die Beantwortung verlangen:

  • Wer hilft einem Patienten wie Patrick, wenn er durch eine Begutachtung in ungeeigneten Räumlichkeiten weiteren Schaden erleidet?
  • Wer stabilisiert den Gesundheitszustand solcher Patienten und wie?
  • Was spricht gegen eine Begutachtung in häuslicher Umgebung, dort wo sich der Gutachter auch einen Überblick hinsichtlich des Umfeldes und möglicherweise sogar bezüglich der krankheitsauslösenden Schadstoffbelastung machen kann?

Fortsetzung folgt…

Autoren: SilviaK. Müller und Kira, CSN – Chemical Sensitivity Network, Februar 2011

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Umweltkranke werden zur Zielscheibe

Patrick ging aufs Gymnasium. Die Schule fiel ihm leicht. In seiner Freizeit machte er Musik und spielte American Football. Die Rock Band, die er und seine Freunde gegründet hatten, fing an Fuß zu fassen und bekam Auftritte. Patrick fühlte sich mittendrin im Leben, jeder neue Tag war genial. Er schrieb Texte, die ins Mark trafen. Nicht das übliche Schülerband- gedudel. Zudem war er glücklich verliebt und schmiedete Pläne für die Zukunft. Dann pas- sierte es, Patricks’s Gesundheit kippte ab. Migräne bis auf Anschlag, Schwäche, Erschöpfung, er war zu nichts mehr fähig. Die Tage bestanden nur noch aus Schmerzen.

Der Alltag wurde zum geballten Schmerz

Die Schule wurde zur Qual. Patrick kämpfte. Er wollte nicht aufgeben, die Schule nicht, das American Football nicht, die Band nicht und schon gar nicht seine große Liebe. Was wäre das Leben ohne Alles? Schrott! Seine Eltern standen hinter ihm, sie ließen nichts unversucht. Ein Arzt fand die Ursache: Toxische Schäden durch Chemikalien und Schimmelpilze. Patrick war durch Chemikalien und Schimmel so krank geworden, dass kein Alltag möglich war. Er begann auf Haargel seiner Mitschüler zu reagieren. Axe Deo, das viele in der Schule benutzten, ein Alptraum, der Schmerzen auslöste, die mit nichts zu beschreiben waren.

Irgendwo hingehen mit den Kumpels, Auftritte mit seiner Band? No way. Dann ging es rasch, Patrick konnte nicht mehr zur Schule. Konnte nicht mehr lernen. Ende des American Football. Ende der Band. Ender der großen Liebe. Die Tage bestanden aus Schmerzen und den eigenen vier Wänden. Das ist so geblieben, bis jetzt. Isolation, Einsamkeit, jeder Tag ein Überlebenskampf – Das sind seine ständigen Begleiter. Medizinische Hilfe? Fehlanzeige. In Deutschland existiert keine Umweltklinik.

Ein Rachefeldzug gegen einen jungen Menschen?

Die Eltern von Patrick sind besorgt. Nicht zu vergessen, dass auch der Vater von Patrick schwer toxisch geschädigt ist und um seine Rechte kämpft. Was soll werden? Ohne Schulabschluss, ohne finanzielle, ohne medizinische Versorgung? Kein Kindergeld, keine Grundversorgung – Nichts. Was ist wenn sie nicht mehr da sind? Jeden Tag sehen sie ihren Sohn mit Chemikalien-Sensitivität, Schmerzen, die eigentlich nicht auszuhalten sind. Trotzdem gibt er nicht auf, das macht sie stolz auf ihn und gibt ihnen selbst Kraft, für ihn zu kämpfen. Patricks’s Eltern wollen, dass die Erkrankung ihres Sohnes als Schwerbehinderung anerkannt wird, schließlich ist er auf Hilfe von Dritten angewiesen und zwar rund um die Uhr. Die Eltern von Patrick sollten die Bürokratie kennenlernen. Medizinischer Dienst der Krankenkasse und Versorgungsamt lassen seit zwei Jahren ihre Muskeln spielen und verwehren dem jungen Mann jegliches Entgegenkommen.

Ende des Schweigens

Patrick’s Mutter hat niedergeschrieben, was ihrem Jungen seit zwei Jahren widerfährt: Keine Hilfe, nichts als Schikanen. Sie hat beschlossen, dass sie nicht länger schweigt:

MCS und die Anerkennung als Schwerbehinderung – eine Odyssee ohne Gleichen

März 2009 Erstantrag auf Feststellung einer Behinderung beim Amt für soziale Angelegenheiten

Schwere immuntoxische Schäden, Stoffwechselstörung, chronisch starke Schmerzen (Rücken, Kopf) u.a. durch Nervenentzündungen, Muskelschwäche, schul-/arbeitsunfähig seit 2004

August 2009 Bescheid

Grad der Behinderung beträgt 20

“..Zur Klärung, welche Beeinträchtigungen bei Ihnen vorliegt, wurden ärztliche Unterlagen beigezogen (z. B. von behandelten Ärzten).

Die Auswertung dieser Unterlagen unter Einschaltung unseres ärztlichen Sachverständigen hat ergeben, dass bei Ihnen folgende Beeinträchtigung(en) vorliegt (vorliegen) – in Klammern steht der jeweilige Einzel-GdB-:

1. Psychovegetative Mindestbelastbarkeit

Von dieser (diesen) Beeinträchtigung(en) bin ich bei der Entscheidung ausgegangen.”

August 2009 Widerspruch

Begründung

Laut ihrer eigenen Aussage „sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Leben typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (§2 Abs.1 SGBIX vom 19/06/2001).

Ihr Bescheid stützt sich lediglich auf die Behauptung „…Psychovegetative Minderbelastbarkeit (20)“ – hier stellt sich mir die Frage, ob ihr wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn grundsätzlich „wertfrei“ zu beurteilen ist und ob sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind.

Obwohl sie genügend begründete Unterlagen seitens Dr. Binz und Dr. Lucas erhielten, haben sie diese meines Erachtens bewusst nicht zur Kenntnis genommen bzw. einfach ignoriert. Es ist hinreichend bekannt, dass Gutachter die Wirkung von Chemikalien, Schimmelpilzen, Schadstoffen udgl. mehr bei der Auslösung chronischer Krankheiten gerne leugnen.

Weitere dauerhafte schwer körperliche Beeinträchtigungen bleiben unberücksichtigt oder werden „psychiatrisiert“.

Weiteren Sachvortrag behalte ich mir vor, notfalls auf dem Klageweg.

Mit freundlichen Grüßen

September 2009

die Zweigstelle des Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung beabsichtigt eine ärztliche Begutachtung durch Dr. X als tätigen medizinischen Sachverständigen der Versorgungsverwaltung Rheinland- Pfalz durchführen zu lassen.

Dr. X lehnte die Begutachtung wegen Befangenheit ab, da Patrick schon Patient bei ihm war (wurde telefonisch seitens des Amtes eher hinten herum erfragt, ob das wirklich so stimmt, und dadurch erfuhren wir dann den Stand der Dinge, außerdem auch dass sie sich ärztliche Auskünfte wo anders auch eingeholt hatten)

November 2009

unsererseits um Mitteilung des aktuellen Sachstandes gebeten und folgende Unterlagen noch nachgereicht: Ärztliches Zeugnis von Dr. Binz, Ärzteinfo von Dr. Merz, Datenschutzerklärung und Erklärung zum Gutachterauftrag. Ende des Monats nochmals erinnert.

Dezember 2009

unsererseits Aufforderung zur Offenlegung (Datenschutz), kurz darauf kam die Stellungnahme und Mitteilung “…Wie bereits telefonisch besprochen, beabsichtige ich, die Akte nach Abschluss der Sachverhaltaufklärung mit den ärztlichen Unterlagen und ihren Aufführungen zu der Art und dem Ausmaß der Erkrankung der Abteilung “Ärztlicher Dienst” zur Prüfung Ihres Widerspruchsbegehrens vorzulegen.

Im Anschluss daran wird Ihnen ein rechtsmittelfähiger Bescheid erteilt…”

Dezember 2009 Widerspruchsbescheid

Grad der Behinderung beträgt 30

“ Ihrem Widerspruch gegen den Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten in …… wird insoweit stattgegeben, als es sich im Hinblick auf die nachstehende neue Entscheidung ergibt.

  1. In Abänderung der Entscheidung des Amtes für soziale Angelegenheiten in… wird der Grad der Behinderung (GdB) nach… mit insgesamt 30 bewertet.
  2. Im Übrigen wird Ihr Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
  3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auf- wendungen im Vorverfahren sind auf Antrag zu 1/3 zu erstatten…

Gründe:

Nach Auswertung aller aktenkundigen ärztlichen Befundunterlagen im Benehmen mit einem/einer medizinischen Sachverständigen ist der Grad der Behinderung (GdB) mit nunmehr 30 zu bewerten.

Die bei Ihnen vorliegende und einen GdB von 30 begründende Beeinträchtigung nach dem § 69 SGB IX wird wie folgt neu bezeichnet bzw. Ergänzt -…

Psychisches Leiden, Chronic-Fatigue-Syndrom (30)

Soweit Ihr Widerspruch über die nunmehr getroffene Entscheidung hinausgeht und auf die Feststellung eines höheren GdB gerichtet ist, wird er als nicht begründet zurückgewiesen.

Bei Ihnen wurden keine Befunde erhoben, die es rechtfertigen würden, den Grad der Behinderung höher zu bewerten.

Die Bewertung richtet sich alleine nach den “Versorgungsmedizinischen Grundsätzen” (Anlage 1 zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)) bzw. den darin enthaltenen GdB-Werten, wie sie für bestimmte Veränderungen vorgeschlagen sind. Dem wurde auch in Ihrem Falle Rechnung getragen.

Die von Ihnen gewünschte Untersuchung war nicht erforderlich, weil der angefochtenen Entscheidung ausreichend ärztliche Befundberichte zugrunde lagen…”

FORTSETZUNG FOLGT

Autoren: Sivia K. Müller und Kira, CSN – Chemical Sensitivity Network, Februar 2011

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EU-Reglementierung folgt dem weltweiten freiwilligen Verbot der Parfümindustrie

Brüssel (ots/PRNewswire) – Die Europäische Kommission hat gerade ihre Entscheidung zur Sperre des Parfümstoffes Musk Xylene unter der neuen Europäischen Chemieverordnung REACH bekannt gegeben, die EU-Reglemen- tierungen mit den weltweiten IFRA Standards harmonisiert.

Die International Fragrance Association (IFRA) hat Musk Xylene freiwillig mit Hilfe der IFRA Standards gesperrt, welche ein Teil des selbstregulierenden weltweiten Programmes der Parfümbranche –dem IFRA Code of Practice (Verhaltenskodex) – sind.

Der Stoff wurde auf Grund seiner potentiellen Auswirkungen auf die Umwelt verbannt.

Die IFRA Standards bilden die Basis für das weltweit akzeptierte und anerkannte Risiko- managementsystem zur sicheren Nutzung von Parfüminhaltsstoffen und sind Teil des Produktrisikomanagementverfahrens, dem IFRA Code of Practice. Dieser ist das selbstregulierende System der Branche, basierend auf Risikobewertungen eines unabhängigen Expertenpanels.

Das Expertenpanel* besteht aus angesehenen, unabhängigen Experten der Disziplinen Dermatologie, Toxikologie, Pathologie und Umweltwissenschaften. Ihre Rolle ist die Beurteilung von Daten eines Parfümstoffes um festzustellen, ob es dem aktuellen Gebrauchswert standhält und um zu gewährleisten, dass es Konsumenten oder Umwelt keinem Risiko aussetzt. In Fällen, in denen die Sicherheitsermessung den aktuellen Gebrauch nicht unterstützt, rät das Expertenpanel der IFRA, den Inhaltsstoff durch einen Standard entweder zu sperren oder einzuschränken. Dies war das Verfahren, das zur Erstellung eines IFRA Standards geführt hat, welcher den Gebrauch von Musk Xylene als Teil der 44. Ergänzung zum IFRA Verhaltenskodex vom Juni 2009 verbietet.

Der Verhaltenskodex ist für alle IFRA Mitglieder Pflicht, wobei die Mitgliedschaft ca. 90% des weltweiten Volumens an Parfümstoffen ausmacht.

„Ich freue mich darüber, dass das weltweit umfassendste Regelwerk mit unserem globalen Sicherheitsprogramm übereinstimmt,“ sagte Pierre Sivac, IFRA Präsident. „Wir haben schon immer unsere Sicherheitsver- antwortung sehr ernst genommen und unser selbstregulierender Ansatz hat einmal mehr bewiesen, auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, schneller einsetzbar und rentabler für Industrie und Konsumenten zu sein. Wir werden durch die weltweite Implementierung unserer Standards weiter daran arbeiten, ein sicheres Dufterlebnis zuzusichern.“

Literatur: IFRA, EU Regulation follows fragrance industry’s voluntary global ban, 18.02.2011

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Krebs bei Lehrerin wurde nicht als Berufskrankheit anerkannt

Mit am 17. Februar 2011 in öffentlicher Sitzung verkündeten Urteilen hat die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf durch Einzelrichter die Klagen einer 25 Jahre am Berufsbildungszentrum Grevenbroich beschäftigten 52-jährigen Berufsschullehrerin und ihres 17-jährigen Sohnes (23 K 7945/08) sowie eines 59-jährigen Witwers einer über 30 Jahre am selben BBZ beschäftigten weiteren Berufsschullehrerin, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankt und an auftretenden Metastasen im Jahr 2009 im Alter von 55 Jahren verstorben ist (23 K 2989/09), abgewiesen.

Zur Begründung führte der Richter im Wesentlichen aus: Bauschadstoffe, wie eine etwaige Belastung aus dem PVC-Fußboden, kämen als Ursachen einer Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz nicht in Betracht, weil Beamte solchen Gefahren nicht „nach der Art ihrer dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt“ seien. Die Beschaffenheit der Diensträume sowie des Dienstgebäudes sei insoweit unbeachtlich.

In Bezug auf den von der Klägerseite angeführten Schadstoff Benzol, der aus den aus Weich-PVC bestehenden Lebensmittelattrappen ausgegast sei, die von beiden Berufsschullehrerinnen bei der Ausbildung von Bäckereifachverkäuferinnen verwendet worden seien, reiche die Erkenntnislage auf der Grundlage des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens eines Krebs-Spezialisten nicht aus, um einen hinreichenden Ursachenzusammenhang zwischen der Einwirkung von Benzol und der Erkrankung an Brustkrebs festzustellen.

Die Klage des 17-jährigen Sohnes wegen einer geltend gemachten Vorschädigung während der Schwangerschaft wies das Gericht schon im Hinblick darauf ab, dass der Antrag auf Anerkennung als Berufsunfall nicht innerhalb der Gesetzesfrist von 10 Jahren ab der Geburt gestellt worden sei.

Gegen die Urteile können die Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster beantragen.

Literatur:

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Brustkrebs von Berufsschullehrerinnen nicht als Berufserkrankung anerkannt, 17. Januar 2011

CSN-Artikel zum Thema Schadstoffe in Schulen:

CSN Forum:

Ein umfangreicher Thread zum Thema Schadstoffe in Schulen

Politiker unterstützen Umweltkranke, die auf Chemikalien reagieren

Aufklärungskampagnen für Chemikaliensensible

Die Gouverneurin des US Bundesstaates Washington ist in diesem Jahr die erste Unterzeichnerin einer Proklamation, die Menschen unterstützen soll, die unter MCS – Multiple Chemical Sensitivity leiden. Alljährlich steht der Monat Mai für Aufklärung über diese Umwelterkrankung, die Erkrankte auf winzige Spuren von Alltagschemikalien reagieren lässt und dadurch ihr Leben völlig eingrenzt.

Zum 13. Mal finden in den USA in verschiedenen Bundesstaaten Veranstaltungen statt und werden Kampagnen durchgeführt, um den Bürgern nähere Informationen über MCS zu vermitteln. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Umwelterkrankung konnte durch diese Maßnahmen erheblich verbessert werden. In den letzten Jahren klinkten sich MCS Organisationen aus verschiedenen Teilen der Welt mit ein, und so wurde aus der amerikanischen Aktion zur Verbesserung der Situation Chemikaliensensibler eine internationale Angelegenheit.

Verkündung von Gouverneurin Christine O. Gregoire, Washington State:


WEIL: Menschen aller Altersgruppen als Resultat einer massiven Chemikalienexposition oder wiederholten Expositionen gegenüber Chemikalien im Niedrigdosisbereich und gegenüber anderen Reizstoffen in ihrer Umwelt in Washington eine Erkrankung entwickelten, die als Multiple Chemical Sensitivity (MCS) bekannt ist; und

WEIL, MCS von zahlreichen Organisationen dahingehend anerkannt ist, so dass diese die Gesundheit und das Wohlergehen von Chemikaliengeschädigten unterstützen, einschließlich der WHO – Weltgesundheitsorganisation, dem Americans with Disabilities Act, der Social Security Administration, dem US Department of Housing and Urban Development und der Umweltschutzbehörde EPA; und

WEIL, MCS eine chronische Erkrankung ist, für die keine Heilung bekannt ist; zu den Symptomen chronische Erschöpfung, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautausschläge, Asthma, Kopfschmerzen und andere Atemwegs- und neurologische Probleme gehören; und

WEIL, MCS zu erheblichen Konsequenzen führen kann im finanziellen Bereich, bei der Arbeit, beim Wohnen, für die Gesundheit und soziale Folgen für die Menschen haben kann, die unter dieser Behinderung leiden; und

WEIL, angemessene Unterkünfte und das Wecken von Aufmerksamkeit für MCS, Chancen für Menschen mit dieser Behinderung schaffen kann, damit diese Zugang zu Arbeit, Schulen, öffentlichen und anderen Einrichtungen erhalten, wo sie weiterhin dazu beitragen können, ihre beruflichen Fähigkeiten, Ideen, Kreativität, Fähigkeiten einzubringen; und

WEIL, Menschen mit MCS Unterstützung brauchen und Kooperation durch Familie, Freunde, Mitarbeiter und der Gesellschaft, um ihre Krankheit zu bewältigen und sich an neue Lebensweisen anzupassen;

DESWEGEN und JETZT, verkünde ich, O. Gregoire, Gouverneurin des Bundesstaates Washington, hiermit den Mai 2011 als

Multiple Chemical Sensitivity Aufklärungsmonat

im Staat Washington, und fordere alle Bürger auf, diesen speziellen Monat mit mir einzuhalten.

Unterzeichnet am 24. Januar, 2011

Gouverneur Christine Gregoire O.

Autor: Silvia K. Müller, Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. Feb. 2011

Literatur: Gouverneur Christine Gregoire O., Proclamation 2011 MCS Awareness Month

Photo: Canary Report

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Umweltklinik bestätigt starken Anstieg von Umweltkrankheiten

Die Umweltklinik in Fall River gilt als einzigartig. Umweltkontrollierte Räumlichkeiten und spezielle Behandlungen für Umweltkranke, Menschen, die auf Spuren von Chemikalien reagieren. Seit 15 Jahren existiert die Umweltklinik und beteiligt sich auch an der Erforschung von Umweltkrankheiten. Das Besondere an dieser Umweltklinik ist, dass sie die erste Klinik für Umweltkranke weltweit war, die durch staatliche Gelder finanziert wurde. Das Nova Scotia Environmental Health Center, unter Leitung des bekannten Umweltmediziners und Wissenschaftlers Roy Fox, konnte sich von Beginn an nicht über Patientenmangel beklagen. Die Zahl der Patienten, die die Umweltklinik konsultieren möchten, wächst stetig, war aus einem Interview in der Halifax News zu erfahren.(1) Die meisten der Patienten leiden unter Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Fibromyalgie (FMS) oder Chronic Fatigue Syndrome (CFS)

Andrang sorgt für Wartezeiten in der Umweltklinik

Die Wartezeiten der kanadischen Umweltklinik sind lang. Rund 2000 Patienten jährlich hat man zu verzeichnen. Viele kommen ambulant, um schneller Hilfe zu erhalten. Stationär werden zwischen 400 und 450 Patienten im Jahr aufgenommen. Anfragen aus anderen Ländern können kaum angenommen werden, weil der Bedarf aus den verschiedenen kanadischen Regionen zu groß ist und stetig wächst.

Verschiedene Umweltkrankheiten auf dem Vormarsch

Patienten mit Multiple Chemical Sensitivity (MCS), Fibromyalgie (FMS) und Chronic Fatigue Syndrome (CFS) bilden das Hauptpatientenklientel.

Als die Umweltklinik 1996 eröffnete, seien fast ausschließlich Patienten zur Klinik gekom- men, die auf Stoffe in ihrer Umwelt reagierten und durch Expositionen extrem krank wurden, berichtete die Kliniksprecherin gegenüber der Zeitung. Diese Art Patienten käme noch immer, aber mittlerweile seien Patienten mit Fibromyalgie in der Überzahl.

Erfahrung, Know how, Wissenstransfer

Als die Umweltklinik in den neunziger Jahren eröffnete, waren es vornehmlich chemikaliensensible Patienten gewesen, die sie aufsuchten. Der Sohn des Klinikleiters hatte eine längere Zeit an der bekanntesten Umweltklinik, dem EHC-Dallas, assistiert. Dort war es ihm möglich gewesen, hautnah zu erleben, wie viel Aufwand notwendig ist, um Umweltbedingungen bereitzustellen, die hypersensibilisierten Menschen gerecht werden.

Dänisches MCS Forschungscenter besucht Umweltklinik in Kanada

Nova Scotia Environmental Health Center ist auch unter Wissenschaftlern bekannt. Ärzte und Umweltmediziner aus verschiedenen Ländern sind immer wieder zu Gast. Gerade seien Wissenschaftler aus Dänemark dagewesen, berichtete die Halifax News Anfang Januar 2011. Das Behandlungsmodell sei für die dänische Delegation von großem Interesse gewesen.

Von Arzt zu Arzt, keiner findet die Ursache

Viele Patienten kämen ohne konkrete Diagnose, berichtete die kanadische Kliniksprecherin. Ähnlich wie in Deutschland, existiert auch in Kanada umweltmedizinische Ausbildung an Universitäten noch nicht lange und ist nicht sehr umfassend. In der Umweltklinik in Nova Scotia vergeht in der Regel nicht viel Zeit bis eine Diagnose gestellt ist. Gezielte Untersuchungen, ausgiebige Anamnese und die Ursache ist gefunden. Erhebliche Summen könnten eingespart werden, wenn es genügend Umweltkliniken gäbe, die in der Lage sind, zeitnah qualifizierte Diagnosen zu stellen.

Strenge Umweltkontrolle in der Umweltklinik

Die Klinik ist der Dalhousie University angeschlossen. Kein Besucher darf die Klinik einfach so betreten. Große Plakate klären auf. Niemand darf Parfums, After Shaves oder andere parfümierte Produkte verwenden. Die Schuhe müssen ausgezogen und gegen Einwegüberzieher ausgetauscht werden. All das trägt zum Erfolg der Umweltklinik bei und dazu, dass Patienten in dieser schadstofffrei eingerichteten Umgebung ihre Symptome abbauen können.

Umfassende individuelle Behandlung, der Schlüssel zum Erfolg

Der Behandlungsansatz der Umweltklinik ist ganzheitlich. Verschiedene medizinische Fachrichtungen arbeiten zusammen und bieten für jeden Patienten ein ganz individuelles Therapieprogramm. Sauna, Infusionen, Allergiekontrolle gehören u.a. zu den Bausteinen. Ein großes Augenmerk liegt darauf, dass der Umweltkranke nach dem Klinikaufenthalt in seinem persönlichen Umfeld zurechtkommt. Dafür wird ein individuelles Konzept entwickelt, das dem jeweiligen Patienten ermöglicht, seine Wohnsituation schadstofffrei herzurichten. Steht die Familie und das soziale Umfeld der Umweltkrankheit konträr gegenüber, erhalten Patienten Anleitung, damit besser zurechtzukommen und die Gesamtsituation dergestalt positiv zu verändern, dass sie der weiteren Genesung nicht im Wege steht.

Umweltkrankheiten nehmen weltweit zu

Die Aussage der kanadischen Umweltklinik, dass Umweltkrankheiten zunehmend sind, entspricht Berichten aus den USA, Spanien, Italien, Frankreich, Norwegen, Dänemark, Schweiz, Australien, Neuseeland, Deutschland und einer Reihe weiterer Industrieländer. Die verhaltene Einstellung der Mainstream Medizin und ihr Mauern gegen die Umweltmedizin wird zwangläufig aufweichen (müssen).

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 16. Februar 2011

Literatur:

  • Halifax News, Fall River health clinic seeing more patients than ever, 18. Feb. 2011
  • Environmental Health Centre (NSEHC)

Weitere CSN Artikel zum Thema Umweltkrankheiten:

Kirsten verträgt kein Parfüm

Sie muss der Schule fernbleiben, denn sie wird von Parfüm krank.

Die 14-jährige Kirsten Hegge Hansen kann nicht zur Schule gehen, sie muss zu Hause alleine lernen. Sie wird von Parfüm krank.

„Das macht nicht so viel Spaß, denn wenn ich Hilfe brauche, hilft mir kein Lehrer und das Zusammensein mit anderen ist mir auch verwehrt.“

[Ihr Wohl ist] von den Konsumgewohnheiten anderer abhängig

Schon wenn andere parfümierte Produkte verwenden, wird sie krank, deshalb reicht es nicht, dass sie selbst solche Produkte vermeidet.

Sie ist darauf angewiesen, dass auch andere den Gebrauch von Parfüm und parfümierten Produkten einschränken.

Solche Produkte können zum Beispiel Weichspüler, Waschmittel, Shampoo, Deodorants, Haarspray, Seife und Feuchtigkeitscreme sein. Produkte, bei denen die meisten nicht daran denken, dass sie bei anderen Unbehagen verursachen können.

Das kann [in Norwegen] gesetzwidrig sein

Ihre Schule sagt, sie schaffen es nicht, die Schule ganz von Parfüm frei zu halten.

Das kann ein Verstoß gegen das Diskriminierungs- und Barrierefreiheitsgesetz sein.

Voriges Jahr wurde dazu ein neues Gesetz erlassen, nach welchem öffentliche Räume für alle zugänglich sein sollen, und der Gleichbehandlungs- und Diskrim- inierungs-Ombudsmann muss möglicherweise prüfen, ob der Fall in Vadsø eine gesetzwidrige Ungleichbehandlung ist.

„Es geht um Vorsorge. Denn worauf es uns ankommt ist, dass es nicht die Aufgabe dieser Schülerin und dieser Familie ist, Lösungen zu finden. Dafür sind die Schule und das Gemeinwesens verantwortlich“, sagt Sunnivy Ørstavik, Gleichstellungs- und Diskriminierungs-Ombudsfrau.

Das kann eine „Raucherangelegenheit“ werden

Der Norwegische Asthma- und Allergieverband NAAF setzt sich für einen parfümfreien Alltag ein. Dort erlebt man, dass immer mehr Menschen auf übertriebenen Parfümgebrauch mit Krankheit reagieren.

„Das ist so Besorgnis erregend, dass wir glauben, die Behörden müssen sich an die Aussicht gewöhnen, dass dies zu einem ähnlichen Thema wie der Nichtraucher- schutz wird. Deshalb werden wir Parfüm schlechterdings aus dem öffentlichen Raum entfernen müssen,“ sagt NAAF-Generalsekretär Geir Endregard.

Autoren: Trine Hamran und Fredrik Norum für NRK, 20.01.2010

Übersetzung: Bernhard Höpfner für CSN-Deutschland

Originalartikel: Kirsten (14) tåler ikke parfyme mit Video

Wir danken den Norwegischen Rundfunk und Bernhard, diesen Artikel übernehmen zu dürfen. – Die Grundlage dieser Gesetze, die UN-Konvention für Menschen mit Behinderungen, gilt seit März 2009 übrigens auch in Deutschland.

Weitere CSN Artikel zum Thema Einschränkungen durch Duftstoffe und Parfüm:

Negative Auswirkungen auf den IQ von Kleinkindern

Studie untersuchte Auswirkungen des Pestizids Permethrin und des Wirkungsverstärkers Piperonylbutoxid

Bei der Verwendung von Pestiziden im Wohnbereich gab es in den vergangenen Jahren eine Verschiebung. Wo früher zumeist Organophosphat-Pestizide zum Einsatz kamen, ist heute die Verwendung von Pyrethroiden weiter verbreitet. Dies wurde durch aktuelle Ergebnisse beim Pestizid-Monitoring belegt. Pyrethroide sind potentiell dafür bekannt, dass Entwicklungsstörungen verursachen können, wurden jedoch bislang noch nicht hinsichtlich ihrer Entwicklungstoxizität ausgewertet. Das Ziel einer amerikanischen Multicenter-Studie war es, die Assoziation zwischen pränataler Exposition gegenüber Permethrin und Piperonylbutoxid, im Hinblick auf die 36-monatige Entwicklung des Nervensystems, zu erforschen. Permethrin ist ein häufig verwendetes Pestizid der Pyrethroid-Klasse und gilt als neurotoxisch. Bei der Chemikalie Piperonylbutoxid handelt es sich um einen Synergist, der die Wirkung von Pyrethroiden verstärkt und stabilisiert, ohne selbst eine insektizide Wirkung zu besitzen

Pestizide im Umfeld von werdenden Müttern

Teilnehmer dieser im Februar 2011 in der medizinischen Fachzeitschrift „Pediatrics“ veröffentlichten Studie waren Teil einer prospektiven Kohortenstudie, an der afroamerikanische und dominikanische Mütter, sowie deren Neugeborene, die in New York City in Gegenden mit niedrigem Einkommen wohnen. Das Wissenschaftlerteam untersuchte die 36-monatige kognitive und motorische Entwicklung mittels Bayley Scales, Second Edition, als weiterer Arbeitsschritt wurden Permethrinkonzentrationen im mütterlichen Plasma und der Nabelschnur bei der Geburt und Permethrin und Piperonylbutoxid Konzentrationen in der Luft des persönlichen Umfeldes während der Schwangerschaft gemessen.

Alle Bewertungsmodelle wurden hinsichtlich Geschlecht, Gestationsalter (Alter des ungeborenen Kindes bzw. Neugeborenen ab dem Zeitpunkt der Befruchtung), Ethnizität, Schulabschluss der Mutter, mütterliche Intelligenz, die Qualität der häuslichen Umgebung, pränataler Exposition gegenüber Tabakrauch in der Umwelt und in Bezug auf das Organophosphat-Pestizid Chlorpyrifos kontrolliert.

Piperonylbutoxid reduziert IQ von Kindern

Als Ergebnis ihrer Studie stellte das Wissenschaftlerteam fest, dass pränatale Exposition gegenüber Permethrin in der Luft des persönlichen Umfeldes und/oder im Plasma mit den Leistungsprofilen des Bayley Mental Developmental Index oder dem Index für psychomotorische Entwicklungsstörungen nicht in Zusammenhang standen. Nach Anpassung der Daten ermittelten sie jedoch, dass Kinder, die gemäß der Ergebnisse von Luftproben aus ihrer Umgebungsluft Piperonylbutoxid stärker ausgesetzt waren (Piperonyl (> 4,34 ng/m3)), beim Index für mentale Entwicklungs- störungen in der Bewertung 3,9 Punkte unter den Ergebnissen von Kindern mit niedrigeren Expositionen lagen (95% Konfidenzintervall: -0,25 bis -7,49).

Die Wissenschaftler schlussfolgerten, dass pränataler Kontakt mit Piperonylbutoxid sich negativ auf die 36-monatige Entwicklung des Nervensystems auswirkt. Der Synergist Piperonylbutoxid galt lange als unbedenklich und sollte im Hintergrund dieser Studie in seiner Bewertung neu überarbeitet werden.

Schädlingen ohne Gift zu Leibe rücken

Abschließend sollte angemerkt werden, dass insbesondere werdende Mütter die Verwendung und den Kontakt mit Pestiziden generell vermeiden sollten. Für den Fall, dass Schädlinge im Umfeld auftreten, sollten Experten konsultiert werden, die sich mit konsequent giftfreier Schädlingsbekämpfung auskennen. Produkte, die mit „naturidentisch“, „Bio-Insektizid“, etc. werben, müssen nicht gleichbedeutend mit harmlos sein, vielmehr verbergen sich bei solchen Produkten häufig Pyrethroide und Piperonylbutoxid als gesundheitsschädliche Inhaltsstoffe.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 13.02.2011

Literatur:

Megan K. Horton, PhD, Andrew Rundle, DrPH, David E. Camann, MS, Dana Boyd Barr, PhD, Virginia A. Rauh, ScD, Robin M. Whyatt, DrPH, Impact of Prenatal Exposure to Piperonyl Butoxide and Permethrin on 36-Month Neurodevelopment, 7. Februar 2011, Pediatrics (doi: 10.1542/peds.2010-0133)

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