Archiv der Kategorie ‘Chemikaliensensitivität, Chemikalienunverträglichkeit‘

Ergebnis der WHO – Anhörung zu MCS und EHS

Ende Mai 2011 fand im Hauptquartier der WHO in Genf eine Anhörung von MCS Organisationen, Wissenschaftlern und Rechtsanwälten durch WHO Repräsentanten statt. In den meisten Ländern weltweit gibt es keinen Verschlüsselungscode für die Umweltkrankheiten MCS – Multiple Chemical Sensitivity und EHS – Elektrohypersensitivität. Das Anliegen der Organisationen bestand darin, eine Petition zu überbringen, die fordert, dass MCS und EHS einen für alle Länder gültigen Verschlüsselungscode als Krankheit erhält. Nachfolgend eine Zusammenfassung der spanischen Organisation ASQUIFYDE über das Treffen mit den WHO Repräsentanten.

RESÜMEE DES TREFFENS IM WHO-HAUPTQUARTIER, Genf 13. Mai 2011

Teilnehmer:

  • Dr. María Neira. Chef der Abteilung für Öffentliche Gesundheit und Umwelt
  • Dr. Annette Prüss-Ustün. Teamleiterin aus Öffentliche Gesundheit und Umwelt
  • Dr. Ivan D. Ivanov. Aus den Abteilungen Arbeitsmedizin und Öffentliche Gesundheit und Umwelt
  • Dr. T. Bedirhan Üstün. Koordinator für Klassifikationen, Terminologie und Standards, Abt. für Gesundheitsstatistik und Information
  • Frau Nada Osseiran. Kommunikationsbeauftragte der Abt. Öffentliche Gesundheit und Umwelt
  • Dr. Anunciación Lafuente. Professor für Toxikologie an der Universität von Vigo und Vizepräsident der Spanischen Toxikologie-Vereinigung AETOX (Asociación Española de Toxicología)
  • Dr. Julián Márquez. Klinischer Neurologe und Neurophysiologe, spezialisiert auf Patienten mit Multiple Chemical Sensitivity und Elektrohypersensitivität
  • Frau Isabel Daniel. Auf Neurophysiologie spezialisierte Krankenpflegerin
  • Herr Jaume Cortés. Mitglied der Anwaltsgruppe Ronda. Ein auf Arbeitsrecht und Umwelterkrankungen (MCS und EHS) spezialisierter Anwalt und Mitglied des (spanischen) Nationalen Komitees für die Anerkennung von Multiple Chemical Sensitivity
  • Frau Sonia Ortiga. Auf Umweltrecht spezialisierte Anwältin
  • Frau Francesca R. Orlando. Vizepräsidentin der italienischen Vereinigung AMICA (Associazione per le Malattie da Intossicazione Cronica e/o Ambientale)
  • Frau Francisca Gutiérrez. Präsidentin der spanischen Vereinigung ASQUIFYDE (Asociación Estatal de Afectados por Síndromes Sensibilidad Química Múltiple y Fatiga Crónica, Fibromialgia y para la Defensa de la Salud Ambiental) und Mitglied des (spanischen) Nationalen Komitees für die Anerkennung des Multiple Chemical Sensitivity

Jaume Cortés eröffnet die Diskussion mit ein paar grundlegenden Feststellungen und Forderungen zum Thema Chemical Sensitivity (MCS) und Elektrohypersensitivität (EHS).

a) MCS und EHS sind reale Gesundheitsprobleme.

b) Diese Feststellung kann belegt werden:

  • Mittels medizinischer Diagnostik
  • Betriebsprüfungsberichte stellen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Belastungen und Erkrankungen her
  • Es gibt wissenschaftliche Studien, die ihre Existenz bestätigen
  • Diese Erkrankungen sind von vom Europäischen Parlament anerkannt, ein Beleg, der im heute überreichten Dossier enthalten ist
  • In Spanien gibt es 200 Urteile zugunsten Erkrankter, was die Evidenz erhärtet
  • In Spanien bekommt man als Kranker (finanzielle) „Entschädigung“

c) Diese Erkrankungen müssen in die internationale Klassifikation von Erkrankungen der WHO (ICD) aufgenommen werden, denn was eine rechtliche Anerkennung besonders schwierig macht, ist genau dieses Fehlen eines Codes für diese Erkrankungen im ICD.

Danach ergriff Dr. Julián Márquez das Wort, indem er erklärte, dass die fehlenden Kenntnisse des medizinischen Personals ein Problem der Patienten darstellen, da diese Erkrankungen wenig oder gar nicht bekannt sind.

Im Falle von MCS sind Organophosphat-Insektizide bei einem hohen Prozentsatz der Fälle die Ursache des Krankheitsausbruches. Bei den meisten Patienten liegt keine [akute] Vergiftung vor, da sie nicht an vergiftungsbedingten Erkrankungen leiden. Die klinischen Manifestationen beginnen bei einer Exposition und verbessern sich, wenn die Kranken den toxischen Auslöser meiden.

MCS ist eine multisystemische Erkrankung und in ungefähr 90 Prozent der Fälle ist das Nervensystem betroffen. Es kommt zu einer gravierenden neurokognitiven Erkrankung mit Symptomen wie Kopfschmerzen, Taubheit, Muskelschwäche, Schwindelgefühl; zu allen gesellen sich multisystemische Störungen, Atemwege, Herz-Kreislauf, hormonales System usw. Bei Frauen gibt es häufig Störungen des Menstruationszyklus und ein großer Prozentsatz an starker Libidoabschwächung.

Dr. Márquez erinnert daran, dass Umweltunverträglichkeit von der WHO selbst anerkannt wird, wenn es heißt, dass eine niedrige Dosis einer Substanz nicht nur lästig sein, sondern klinische Probleme hervorrufen kann: Irritationen, Brennen, Kopfschmerzen usw.

Die gesundheitlichen Reaktionen auf Chemikalien oder elektromagnetische Strahlungen halten bei jedem Betroffenen unterschiedlich lange an, und die Manifestationen unterscheiden sich ebenfalls. Wenn der Kranke wiederholt belastet wird, verschlimmern sich die Symptome gewöhnlich oder haben das Auftreten neuer Symptome zur Folge.

Die Diagnose sowohl von MCS als auch von EHS ist klinisch. Für MCS steht ein Fragebogen zur Verfügung, der dem Kliniker hilft. Es handelt sich um QEESI (Quick Environmental Exposure and Sensitivity Inventory). Mit diesem Fragebogen wird versucht, die Symptome des Patienten zu objektivieren.

Diese Diagnosen setzen jedoch ein Protokoll voraus, das ein Reihe von Untersuchungen erfordert. Eine vollständige neurologische Untersuchung, sowohl zentral als auch peripher, eine neurophysiologische Untersuchung (EEG, optisch evozierte Potentiale, akustisch evozierte Potentiale des Hirnstamms, somesthetische Potentiale (körperempfindungsgebunden) und kognitives Potential P300 [typische Welle, 300 ms nach dem Reiz]), funktionelle Bildgebung (insbesondere MRI(Magnetresonanz/Kernspin) und SPECT(Single Photon Emission Computed Tomography) von Schädel und Hirnanhangdrüse), gezielte analytische Untersuchungen, Hormonuntersuchungen usw. Sehr interessant ist weiterhin die Durchführung einer neuropsychologischen Untersuchung durch Spezialisten, um nach einer frontalen oder frontal-temporalen Dysfunktion zu suchen, als auch den Grad der neurophysiologischen Verletzung festzustellen. Je schwerwiegender das neuropsychologische Problem ist, desto höher ist der Grad der Störung und die Daten aus den neurophysiologischen und neuropsychologischen Untersuchungen sind entsprechend, die der bildgebenden Verfahren sind es weniger. Solche Untersuchungen müssen von Fachleuten der Neurophysiologie durchgeführt werden.

Der Verlauf dieser Erkrankungen (MCS und EHS) ist chronisch und die Situation des Kranken ist noch schlimmer, wenn sie oder er in einer toxischen Umgebung lebt, wie z.B. in der Nähe von Tarragonas petrochemischer Industrie oder inmitten elektromagnetischer Strahlung: Emissionen in der Nachbarschaft, Mobilfunkantennen, etc. Der Kranke muss eine erneute Belastung vermeiden.

Es ist unverzichtbar, dass der Kranke festen Kontakt zu einem klinischen Zentrum hat, wo sie oder er diagnostiziert werden kann, um Zweifel auszuräumen und das Rat, soziale und laboranalytische Hilfe anbietet, und wo sie oder er rechtzeitig ärztliche Berichte erhalten kann.

Aufgrund der begrenzten Zeit gab Dr. Neira das Wort an Dr. Üstün ab, Koordinator für den ICD aus der WHO-Abteilung für Statistik.

Die WHO ist seit 1948 für die internationale Klassifikation von Erkrankungen zuständig und alle zehn Jahre wird diese Klassifikation aktualisiert. Derzeit arbeitet die WHO an der nächsten revidierten Fassung, welche bis zum Jahre 2015 fertig sein soll.

Die WHO ist sich des Zusammenhanges, der zwischen bestimmten Erkrankungen und der Umwelt besteht, bewusst. Im Moment gibt es heftige Diskussionen über die Aufnahme oder Nichtaufnahme bestimmter Erkrankungen und die WHO nimmt die ausgelösten Kontroversen zur Kenntnis.

Die Revisionen der Fassung von 2010 wurden von einer Expertengruppe gemacht. Zwischen 2001 und 2009 gab es jährliche Überprüfungen durch Expertenteams in Beisein der Gesundheitsminister aus den Mitgliedstaaten. Dieses Modell wurde allerorten kritisiert, weil die Teilnahme ausschließlich staatlicher Delegationen vorgegeben war und die Entwürfe nicht den wirklichen Notwendigkeiten entsprachen. Wir haben diese Arbeitsmethode überarbeitet, um den Erfordernissen gerecht zu werden und die Teilnahme der Öffentlichkeit über eine virtuelle Plattform zu ermöglichen.

Der ICD ist ein Instrument, das auf wissenschaftlicher Plausibilität beruht und sich einer Methodik bedient, welche besondere Anforderungen an wissenschaftliche Studien stellt. Es müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein: Kausalität, Ätiologie, diagnostische Prüfung, etc.

Dr. Neira ergreift das Wort, um zu erklären, dass die vom Komitee der Betroffenen (also unsere Delegation) eingereichte Dokumentation dieser Methodik gerecht werden sollte.

Aufgrund seiner Erfahrungen aus der Grundlagenforschung weist Dr. Lafuente darauf hin, dass es wissenschaftliche Literatur gibt, die dafür spricht, dass es angemessen ist, beide Erkrankungen anzuerkennen und in den ICD aufzunehmen.

Dr. Üstün erklärt, dass die Revisionen von wissenschaftlichen Beraterteams gemacht werden. Zuerst müsse man die umweltbedingten Erkrankungen kennen und wissen, ob es Berufserkrankungen sind, und zweitens müsse man die Todesrate statistisch erfassen.

Francisca Gutiérrez fragt Dr. Üstün, wie es dazu kommt, dass ein paar Länder wie Deutschland, Japan, Österreich und Luxemburg MCS in ihrem ICD anerkannt haben, die restlichen Länder aber nicht. Dies erzeugt für Kranke in verschiedenen Ländern eine ungleiche Situation.

Dr. Üstün erklärt, dass der ICD ein weltweiter Standard ist, trotzdem kann aber jedes Land in Ausübung seiner Souveränität notwendige Änderungen vornehmen.

Nach den Worten von Dr. Üstün wird am 16. Mai 2011 ein sehr allgemein gehaltener Entwurf dieser Revision präsentiert und im Mai 2012 könnten sie einen detaillierteren Entwurf vorbereitet haben. 2015 werden sie im Rahmen der Weltgesundheitsversammlung die Ergebnisse bekannt geben.

Im Verlauf dieser Arbeit wird es eine wissenschaftliche Debatte darüber geben, wie man diese Art von Erkrankungen einordnet. Dies ist eine komplexe Angelegenheit, da es häufig kein Einvernehmen über die medizinischen Besonderheiten gibt, nach denen man eine bestimmte Krankheit einer Klasse zuordnet. Das ist gerade bei MCS und EHS der Fall, da es sich um Multisystem-Erkrankungen handelt.

Der Klassifikationsentwurf wird offen und transparent sein und es wird auf der WHO-Homepage Informationen geben.

Dr. Neira glaubt, dass es für Gruppen mit diesen Erkrankungen (MCS und EHS) interessant sein könnte, zu anderen Arbeitsgruppen Kontakt aufzunehmen, solche die z.B. im Zusammenhang mit REACH entwickelt worden sind. (REACH ist das Regelwerk zur „Registrierung, Untersuchung(Evaluation), Genehmigung und Einschränkung (Authorization) von Chemikalien“. Es trat am 1. Juni 2007 in Kraft. Es rationalisiert und verbessert das frühere gesetzliche Rahmenwerk der EU zu Chemikalien.)

Sowohl Francisca Gutiérrez als auch Francesca R. Orlando melden sich zu Wort, um Dr. Neira ihren Standpunkt zu verdeutlichen, dass die organische und erworbene Entstehung dieser Erkrankungen wissenschaftlich nachgewiesen wurde und dass nur aufgrund dieser Evidenz angemessene Lösungen gefunden werden können und dass es auch sinnvoll ist, an der Prävention zu arbeiten, da es sich um verhinderbare Erkrankungen handelt.

Francisca Gutiérrez verweist Dr. Neira auf die Besorgnis von Betroffenen-Vereinigungen über die zunehmende Zahl junger Leute, einschließlich Kinder, die betroffen sind; einige haben auch Probleme in der Schule. Frau Gutiérrez erklärt, dass dies mit der Prävalenz weiblicher Erkrankter zusammen hängt, durch die weibliche Fortpflanzungsfunktion und die Übertragung der toxischen Last, welche die Mutter in ihrem Leben angesammelt hat, und insbesondere durch die Belastung während der Schwangerschaft und der Stillzeit.

Francesca R. Orlando fragte die WHO-Offiziellen, ob es irgend ein Positionspapier zu MCS gäbe. Dr. Neira und Dr. Üstün erwiderten, dass es nach ihrer Kenntnis kein Dokument von ihren jeweiligen Abteilungen gibt.

Dies ist besonders für jene Länder von großer Bedeutung, in denen die Anerkennung von MCS mit Hinweis auf eine „mutmaßliche“ IPCS-WHO Position (International Programme on Chemical Safety) zur Annahme der Definition „Idiopathische Umweltunverträglichkeit“ oder „IEI“ gestoppt wurde, die 1996 Ergebnis eines Workshops in Berlin war.

Dr. Neira schlug vor, dass die betreffenden Vereinigungen zu den verschiedenen internationalen Gruppen der WHO, die am ICD 11 arbeiten, Kontakt aufnehmen.

Dr. Lafuente bekräftige gegenüber den Vertretern der WHO, dass an MCS und EHS Erkrankte Individuen mit hoher Sensitivität sind, da sie auf sehr niedrige Dosen von Xenobiotika reagieren, welche beim Gros der Bevölkerung keine Reaktion hervorrufen. Das heißt, in einer graphischen Darstellung des Dosis-Reaktions-Zusammenhanges befinden sich diese Erkrankten am ganz linken Ende der Gauß-Glocke (statistische Normal-Verteilungskurve).

Francisca Gutiérrez weist Dr. Neira darauf hin, dass das, was Dr. Lafuente erklärte, keine geringe Zahl von erkrankten Menschen bedeutet, sondern ziemlich das Gegenteil. Wir sehen uns einer großen Zahl bereits diagnostizierter Menschen gegenüber und außerdem erleben etwa 12 bis 15 Prozent der Bevölkerung die Gegenwart von chemischen Stoffen auf irgendeine Art als belästigend. Für EHS betragen die Zahlen der betroffenen Menschen etwa 3 bis 6 Prozent der Bevölkerung, doch diese Zahlen nehmen beständig zu.

Dr. María Neira, die immer großes Entgegenkommen gezeigt hatte und mehr Zeit als erwartet aufbrachte, begleitete uns (die Delegation) bis nach draußen, obwohl sie schon auf dem nächsten Termin sein sollte. Sie erklärte, uns weiterhin zu Verfügung zu stehen.

Das Komitee der Betroffenen dankt Dr. Neira und ihrem Team für das Entgegenkommen und die Aufmerksamkeit angesichts der Bedeutung der Thematik.

EINIGE FOLGERUNGEN DES KOMITEES DER BETROFFENEN

  1. Die Regeln zur Neuanpassung des ICD wurden geändert. Früher konnten nur staatliche Gesundheits-Delegationen mitwirken. Heute ist alles offener, insbesondere die Möglichkeit über eine virtuelle Plattform an der Entwicklung des neuen Codes teilzunehmen, was von Vorteil sein könnte. Dank der „WHO Kampagne 2011“ können weltweit Arbeitsgruppen zur Mitarbeit eingerichtet werden, für beide Erkrankungen, koordiniert und mit einvernehmlichen Kriterien.
  2. Wir glauben, dass es genug wissenschaftliche Studien gibt, welche die Existenz von MCS und EHS belegen, so sollte es nicht allzu problematisch sein, einen allgemeingültigen ICD-Code zu bekommen, wie in andere Länder bereits haben. Wir müssen die wissenschaftlichen Informationen in eine der WHO-Methodik entsprechende Form bringen, um positiv evaluiert zu werden.
  3. Der vielleicht heikelste Aspekt ist die Tatsache, dass es sich bei MCS und EHS um multisystemische Erkrankungen handelt, die in unterschiedliche Bereiche der Klassifikation (medizinische Fachgebiete) eingeordnet werden können, obwohl man die große Bedeutung der neurologischen Symptome nicht vergessen sollte. Wir benötigen die Einführung eines neuen medizinischen Paradigmas, das einige Fragen bezüglich dieser um sich greifenden Erkrankungen einschließlich ihrer Einordnung in den ICD beantwortet.
  4. Die WHO weiß, dass diese Erkrankungen existieren.
  5. Das Auftreten dieser Erkrankungen hat innerhalb der WHO zu Kontroversen geführt, doch die Ankündigung von Änderungen in der Arbeitsmethodik, um den ICD für das Jahr 2015 zu entwickeln und die mögliche Mitarbeit in Arbeitsgruppen eröffnen neue Möglichkeiten für eine Anerkennung.
  6. Jedes Land kann diese Erkrankungen unabhängig von der WHO anerkennen in ihren ICD aufnehmen, da die Länder nach der WHO auf diesem Gebiet souverän sind.

Autor: ASQUIFYDE, 6. Juni 2011

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Weitere CSN – Artikel zum Thema:

Tipps für Menschen mit MCS und für Gesundheitsbewusste

Umweltkontrolle, das Erfolgsgeheimnis

Als Eva Caballé immer kränker wurde und ihr Lebensraum bis auf die eigenen vier Wände zusammenschrumpfte, wurde ihr rasch bewusst, dass ohne grundlegende Umstellung aller Lebensgewohnheiten und des persönlichen Umfeldes keine gesundheitliche Stabilisierung zu erzielen ist. Eva leidet unter Chemikaliensensitivität (MCS). Verursacht wurde diese „Allergie auf fast alles“ durch Raumbeduftung, die an ihrem Arbeitsplatz in extremer Form eingesetzt wurde. Die junge Spanierin informierte sich über Internet und begann einige Zeit später damit, auf einer Webseite anderen Erkrankten Informationen zur Verfügung zu stellen. In Spanien ist das Wissen über MCS noch wesentlich geringer verbreitet als in Deutschland und deshalb erklärt sie auf ihrem „No Fun Blog“ Schritt für Schritt, wie man sein Umfeld so gestaltet, damit eine Stabilisierung eintreten kann. Eva’s Blog ist mittlerweile sehr gut frequentiert. Viele der Besucher haben weder MCS, noch sind sie krank, aber sie wollen es auch nicht werden und informieren sich deshalb auf No Fun, wie man sein Leben und sein Umfeld gesünder gestaltet, um gesund zu bleiben.

Umwelt-/Umgebungskontrolle: grundlegende Richtlinien und Ratschläge

Eva Caballé: In letzter Zeit gibt es einen Anstieg von neuen Fällen von Multiple Chemical Sensitivity (MCS). Viele Fälle gehen auf Personen zurück, die bereits vorher auf Fibromyalgie und / oder Chronisches Erschöpfungssyndrom positiv getestet wurden. Es gibt zwei Wege, MCS zu entwickeln: Zum einen durch massive punktuelle Vergiftung oder zum anderen durch Ansammlung der Gifte über Jahre, wie es bei mir der Fall gewesen ist, sowie die Möglichkeit, dass die am Chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS) und/oder Fibromyalgie (FMS) Erkrankten auch letztendlich MCS bekommen.

Daher denke ich, dass es sehr wichtig ist, dass Menschen, die „nur“ an FMS oder CFS leiden, oder mehr noch, die die an einer Hypersensibilität gegen gewisse chemische Produkte leiden, angemessene Maßnahmen der „Umweltkontrolle“ einleiten, um das Erkranken an MCS zu verhindern. MCS ist die zerstörerischste der drei Krankheiten, weil sie dich zu einer brutalen Abgrenzung von der Außenwelt zwingt.

Die Umweltkontrolle basiert darauf, dem sich Aussetzen von Giften und generell chemischen Substanzen aufs Höchste zu vermeiden. Es ist eine Art, auf unsere Gesundheit zu achten, ideal für Personen, die ein gesünderes Leben, das frei von Giftstoffen ist, führen möchten. Darüber hinaus ist die Umweltkontrolle nicht nur für euch alleine gut, sondern auch für die gesamte Familie, und in weiterentwickelten Ländern, wo es „Umweltmedizin“ gibt, wird es besonders für Personen mit Allergien und/oder Asthma, mit exzellenten Ergebnissen, empfohlen.

Im Weiteren biete ich euch einige allgemeine Richtlinien und Ratschläge, mit Informationen, die ich bereits vorher in diesem Blog veröffentlicht habe, an. Dieser Führer ist ebenfalls sehr hilfreich für vor kurzem an MCS erkrankte Menschen, um sich zu orientieren.

NAHRUNG

Biologische Produkte zu sich nehmen. Die Nahrung ist die Basis, und sollte es euch nicht möglich sein, biologisch erzeugte Produkte zu bekommen, müsst ihr die weiterverarbeiteten Nahrungsmittel mit Zusatzstoffen meiden, und die ursprünglichen, natürlichen und saisonalen Produkte erwerben. Sucht ihr nach ökologischer Nahrung mit detaillierter Aufschlüsselung für Allergiker, Unverträglichkeiten oder Zöliakie, dann bietet euch „Pure Nature“ eine weite Auswahl an Nahrungsmitteln sowie eine Spezialabteilung für Produkte u. a. ohne Gluten, Ei, Laktose oder Soja (mit detaillierter Übersicht der Inhaltsstoffe). Ebenso wichtig sind die Küchengeräte, die wir zum Kochen benutzen. Im Blog findet ihr Informationen über ungiftige Küchenutensilien. Schlussendlich kann es wichtig sein, Nahrungsmittelunverträglichkeiten oder auch Allergien zu erkennen, weil viele von uns weder Gluten noch Laktose vertragen. Zusammenfassend rate ich euch, biologisch gekochte Lebensmittel zu euch zu nehmen, mit Küchengegenständen, die frei von Giften sind, zu kochen und solche Nahrungsmittel, die ihr nicht vertragt, komplett auszuschließen.

GEFILTERTES WASSER

Gefiltertes Wasser aus dem Wasserhahn zum Trinken und Kochen verwenden. Niemals direkt Wasser aus dem Wasserhahn oder aus der Plastikflasche trinken. Das Beste aller Wasserfiltersysteme ist die Aktivkohle (im Blog findet ihr eine Analyse zur umgekehrten Osmose und Destillation. „Ein gesundes Haus“.) Ideal wäre es, einen Aktivkohlewasserfilter am Wasserhahn der Küche anzubringen (um zu kochen, zu trinken und Obst und Gemüse abzuwaschen), der übrigens gleichzeitig einen finanziellen Vorteil im Vergleich zum abgepackten Wasser mit sich bringt. Ich empfehle euch ebenfalls, einen Chlorfilter für die Dusche anzubringen, um den Chlorgehalt zu vermeiden, der sehr giftig und der Grund für viele Hautprobleme ist, wie Dermatitis (Ekzeme), darüber hinaus auch Atemprobleme, wie Allergien und Asthma hervorrufen kann. Im Blog „Ein gesundes Haus“ findet ihr ausführliche Informationen über Chlorfilter, Flaschen aus nicht oxidierendem Metall, um Wasser zu transportieren (anstatt Plastikflaschen zu benutzen) und die effektivsten Wasserfilter, da auch hier nicht alle gleich gut sind.

PERSÖNLICHE HYGIENE

Es handelt sich darum, die handelsüblichen Kosmetika, die giftig sind, zu vermeiden und sie durch Naturprodukte zu ersetzen, wo wir von Seifen und Shampoos über Cremes bis zu Makeup alles finden. Im Blog „Natürliche Kosmetik“ findet ihr alle Information zu diesem Thema. Vor allem rate ich euch von Parfüm, Cologne und „Luft-/Raumerfrischer“ ab (man könnte sie durch aromatische Kräuter ersetzen, wenn man wollte). Beachtet, dass in Kanada, wo die meisten Informationen und das größte Bewusstsein für dieses Thema herrschen, es in vielen Schulen und Krankenhäusern verboten ist, Parfüm und parfümierte Produkte zu verwenden. Als Deodorant empfehle ich euch ein Mineraldeodorant des Alaun und möchte die Frauen dazu ermutigen, ökologische Binden und Tampons zu nutzen, z. B. die von „Natracare“, Mooncup, sofern ihr sie vertragt, oder auch waschbare Binden aus organischer Baumwolle ohne Weißmacher oder Seide, die sich über Jahre halten, gut absorbieren und angenehm zur Haut sind. Im Blog findet ihr Information über ökologische Haarentfernung, Handtücher aus organischer Baumwolle, Präservative und ökologische Öle.

ÖKOLOGISCHE REINIGUNG

Im Blog „Ökologische Reinigung des Heimes und der Wäsche“ (Spanisch) findet ihre ausführlichen Informationen rund ums Saubermachen eures Hauses und zum Wäsche machen mit ökologischen Produkten, die nicht nur eure Gesundheit, sondern auch die Umwelt schonen. Ich empfehle euch eindringlich, ökologische Produkte ohne Duftstoffe zu verwenden, da die gewöhnlichen Produkte mit Düften, selbst die ökologischen, chemische Substanzen freisetzen, die in der Inhaltsstoffliste nicht aufgeführt sind, wie ihr in dieser „Studie der Universität Washington“ nachlesen könnt. Im folgenden Abschnitt [spanischer Link beim Kopieren nicht übernommen] könnt ihr alternative Reinigungsprodukte sehen.

KLEIDUNG

Vermeidet synthetische Kleidung. Benutzt Kleidung aus natürlichen Fasern (Baumwolle, Leinen, Wolle), am besten sind solche aus biologischem Anbau. Wenn möglich sollte es farblose Baumwolle oder solche, die ökologisch eingefärbt wurde sein. Benutzt die Kleidung so lange wie möglich. Je älter ein Kleidungsstück ist, desto weniger Giftstoffe enthält es. Es ist wichtig, dass unsere Heimtextilien so wenig Gifte wie möglich hat, insbesondere die Bettwäsche. Mehr Information über ökologische Kleidung, Schuhwerk und Haustextilien findet ihr im Blog.

HEIMAUSSTATTUNG

Solltet ihr die Möbel oder Matratzen austauschen, empfehle ich euch ökologische Materialien, die nicht chemisch behandelt wurden. Müsst ihr Malerarbeiten durchführen, benutzt ökologische Farbe, die nicht VOC (fliegende organische Verbindungen) freisetzen, sie sind auch nicht teurer und das Ergebnis ist das gleiche, im Vergleich zu konventioneller Farbe. Nicht alle ökologischen Farben sind gleich gut und mehr Information findet ihr im Blog „ein gesundes Haus“.

Luftreiniger

Es ist ideal, einen Luftreiniger im Haus zu haben, um die Gifte aus der Luft, die wir einatmen, zu reinigen, besonders wenn wir Allergien oder Asthma haben. Obwohl es sich versteht, dass dies weit komplizierter ist, durch den hohen Anschaffungspreis, gibt es doch Luftreiniger für bis zu 20 m², die effizient und ökonomisch und zudem leise sind (mehr Information über Luftreiniger im Blog). Im Blog findet ihr Information über geruchsneutralisierende Produkte und Luftentfeuchter, um die Luft sauber und mit dem optimalen Grad an Luftfeuchtigkeit zu halten.

ELEKTROMAGNETISCHE VERSCHMUTZUNG

Es ist ebenfalls wichtig, die elektromagnetische Strahlung unseres Umfeld so gering wie möglich zu halten. Dafür gibt es eine weite Angebotspalette auf dem Markt, die ihr im Blog unter „Ratschläge und Produkte, um unsere Strahlenexposition durch elektromagnetische Felder zu verringern“ (Spanisch) findet. Zunächst gilt es jedoch, die einfachen Ratschläge des Blogs diesbezüglich zu beherzigen.

ATEMSCHUTZMASKE

Obwohl es euch nicht als notwendig erscheint, da ihr nicht an MCS erkrankt seid, empfehle ich euch trotzdem eine Maske mit Aktivkohlefilter zu kaufen und diese für hohe chemische Belastungen oder Notfälle aufzubewahren. Die Atemschutzmaske „9926“ der Marke „3M“ oder das wesentlich preiswertere gleichwertige Modell können euch nützlich sein. Eine weitere Möglichkeit, die weniger Widerstandsfähigkeitsprobleme besitzt, ist eine Atemschutzmaske aus Baumwolle mit Aktivkohlefilter, mit Nachfülloption, sobald er aufgebraucht sein sollte (ca. alle 1 – 6 Monate, je nach Gebrauch).

MEDIKAMENTE

Zum Schluss empfehle ich euch, dass ihr zur Behandlung von CSF und FM beobachtet, wie gut ihr die Medikamente vertragt, da uns oft genug Medikamente noch weiter vergiften. Zieht natürlichere Möglichkeiten in Erwägung, immer wenn es machbar scheint. Manche unserer Symptome gehen einher mit den Nebenwirkungen der Medikamente oder mit Vitamin-/Mineralienmangel, die einige Spezialisten übersehen. Mehr Information über Ergänzungsstoffe und wo man sie bekommt finden sich in „Nahrungsergänzungsmittel: Aminosäuren (Proteine), grundlegende Fettsäuren, natürliche Enzyme, Mineralien und Vitamine“.

Ich verstehe, dass nicht die gesamte Welt diese ganzen Veränderungen machen kann, weil einige mit hohen finanziellen Ausgaben verbunden sind. Das Wichtige ist jedoch, dass sich die Mentalität ändert und zu wissen, was uns schädigt, da es uns allen zum Beispiel möglich ist, auf Parfüms und Lufterfrischer zu verzichten, und unsere Häuser mit Wasser, Essig, Zitronen und Natron zu reinigen. Darüber hinaus helfen diese Maßnahmen vielen an CFS und FM Erkrankten ihren Zustand zu verbessern, weil Migräne und die Schmerzen verringert werden, und die Umweltkontrolle sich als effektiver erweist, als so manche traditionelle Medizin. Gleichzeitig ist so eine Lebensweise sehr vorteilhaft für Allergiker und Asthmatiker, da die asthmatischen Anfälle nachlassen.

Ich ermutige euch, dass ihr eure Symptome genau beobachtet und kritisch mit dem umgeht, was euch die Ärzte sagen, weil niemand besser seinen Körper und dessen Reaktionen kennt, als ihr selbst, und wenn ihr merkt, dass euch Parfüms oder Weichspüler für die Wäsche stören, ist dies ein Alarmzeichen, das euch euer Körper gibt, dem ihr Rechnung tragen müsst. Als Betroffene, die unter MCS leiden, denke ich, dass es wichtig ist, diese Nachricht zu verbreiten und eure Umgebung darüber aufzuklären, um weiteren Menschen ein Leben hinter einer Maske zu ersparen.

Im Video (aufgenommen für die Sendung „Terra Verde“ (grüne Erde) des Fernsehkanals „La 2“ vom 27.3.2010 – den Giftstoffen im Heim gewidmet) könnt ihr die Veränderungen, die wir in unserem Haus vorgenommen haben, um uns an die MCS anzupassen und die Gifte in unserem Heim zu vermeiden.

http://www.youtube.com/watch?v=KvJ7AfQA6wg&feature=player_embedded

Autor: Eva Caballé, No Fun Blog, CONTROL AMBIENTAL: PAUTAS BÁSICAS Y CONSEJOS, Nov. 2010

Übersetzung: Anita R. für CSN

Vielen Dank an Clarissa für das Ermöglichen dieser Übersetzung!

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Who schafft virtuelle Plattform für transparente Überarbeitung des ICD

Treffen mit Vertretern der WHO: In ein paar Jahren könnten MCS und EHS einheitlich in die internationale Klassifikation der Krankheiten (ICD) aufgenommen werden

Madrid, 18. Mai 2011. Das nationale Komitee für die Anerkennung von Multipler Chemikalien Sensitivität (MCS) und Elektrohypersensitivität (EHS) hat am 13. Mai 2011 Dr. Maria Neira, Direktorin Öffentliches Gesundheitswesen und Umwelt der WHO, und weitere Vertreter der WHO getroffen. Während des Treffens bestätigten die für den ICD Verantwortlichen, dass es eine kontroverse Anschauungsweise für den Erweiterungsprozess der Klassifikation gibt. Dr. Neira und ihr Team erklärten dies am Beispiel des ICD 10. Die nationale Delegation vom Gesundheitsministerium sei die einzige gewesen, welche sich für die Revision der Klassifikation eingesetzt hätte.

Aber jetzt kann sich auch die Öffentlichkeit dazu äußern und jedermann kann sich aktiv beteiligen und wissenschaftlich belegte Studien einreichen um die neuen Klassifizierungen für die Krankheiten des ICD11 voranzubringen, welche im 2015 erscheinen werden. Die Verantwortlichen der WHO kündigten ebenfalls an, dass der erste Entwurf des ICD 11 am Montag, 17. Mai erscheinen wird.

Die WHO erstellte eine virtuelle Plattform um Wissenschaftler und NGOs (nichtstaatliche Organisationen) in die Revision des ICD11 mit einzubeziehen und man geht davon aus, dass dies eine durchweg transparente Überarbeitung des Prozesses garantieren wird.

Dieses neue Entgegenkommen der WHO wurde durch das nationale Komitee für die Anerkennung von MCS und EHS begrüsst.

Um diese beiden Umweltkrankheiten in die neue Klassifikation aufzunehmen, haben die Verantwortlichen der WHO darauf hingewiesen, dass es wichtig ist, klare Beweise über diese Krankheiten vorzulegen: Krankheitsursache, Pathophysiologie, Diagnosetests, etc.

Jaume Cortés, Jurist der Organisation Colectivo Ronda, legte dem Komitee Beweise von über 200 MCS und EHS Patienten vor, welche durch ein gerichtliches Urteil eine Entschädigung erhalten haben.

Dr. Julian Marquez, Neurophysiologe mit umfangreicher Erfahrung auf diesem Gebiet, präsentierte wissenschaftliche Studien über MCS und EHS, welche in den letzten Jahren veröffentlicht wurden.

Das Komitee bestätigte zum Schluss, dass es aktiv auf dieser von der WHO erstellten Plattform teilnehmen will, um die Aufnahme von EHS und MCS in den ICD Code durchzubringen, und sie wiesen darauf hin, dass MCS in Deutschland, Österreich, Luxemburg und Japan bereits unter dem ICD 10 anerkannt ist.

Kontakt für weitere Informationen:

Sonia Ortiga,  e-mail: environmentalhealthcampaign @ gmail.com und Telefon 0034 645803417.

Englischer Text von Sonia Ortiga

Übersetzung: Heidi Streminger für MCS-SOS, www.mcs-sos.ch

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Integration mit MCS an der Schule möglich

„Es läuft alles rund“ (Ausspruch einer Mutter)

Im Juni 2010 berichtete Tohwanga über ihren erfolgreichen Versuch, für ihren an MCS und CFS-erkrankten Sohn eine Integration an der Grundschule zu ermöglichen. Nach fast einem Jahr kann sie sagen, es ist tatsächlich geglückt, und Tohwanga möchte anderen Eltern mit chemikaliensensiblen Kindern Mut machen, bei der Schule und den Eltern der Mitschüler um Unterstützung zur Integration ihres eigenen Kindes zu bitten.

Integration eines Schülers mit MCS und CFS

Tohwanga berichtet:

Im Mai 2010 hatte ich dazu einen Elternabend initiiert und um eine schadstoffarme 1. Klasse gebeten. Ich erhielt 100%tige Unterstützung von der Schulleitung und möchte an dieser Stelle nochmals meinen Dank dem Schulleiter aussprechen. Lehrer, Eltern, Klassenkameraden, ja sogar Großeltern haben sich zur Aufnahme meines Kindes entschlossen und wirken tatkräftig mit, die Klasse schadstoffarm, Weichspüler- und Parfümfrei zu gestalten.

Mein Sohn besucht nun seit August 2010 diese Schule mit großem Erfolg. Er hat Schulfreunde gefunden und kann am Unterrichtsgeschehen teilnehmen. Natürlich ist der neue Lebensabschnitt Schulpflicht für uns sehr, sehr anstrengend, trotz häufiger Fehlzeiten und Zuspätkommen, extremer Müdigkeit und eigentlich nur Leben für die Schule ist mein Sohn ein guter Schüler und das Lernen fällt ihm leicht. Schwierig und sehr Kräfte zehrend ist die tägliche Präsenz, das morgendliche Aufstehen, trotz schmerzender Glieder, trotz nächtlichem Asthmaanfall und/oder heftigste Nasenbluten und das Kräfteeinteilen für den ganzen Tag. Es muss ja noch Motivation für die Hausaufgaben und für die wenigen sozialen Kontakte am Nachmittag verbleiben. Mein kleiner Sohn meistert diese Aufgabe schon recht gut. Während ich, schon sehr beeinträchtigt durch meine Umwelterkrankungen, oft nicht weiß, woher ich noch die Kraft für den nächsten Schultag nehme.

So leben wir von Tag zu Tag, Wochenende zu Wochenende und von Ferien zu Ferien. Ganz besonders freuen wir uns auf die Sommerferien, denn die kurzen 2-Wochen-Ferien reichten nicht aus, um aus der tiefen Erschöpfung heraus zu kommen.

Es ist ein Geschenk, welches uns Eltern und Lehrer geben. Noch ein seltenes, aber ich bin mir sicher, dass auch andere Schulen in Zukunft eine Integration von MCS-erkrankten Kindern ermöglichen werden. Schadstoffarme Schulen sind für alle Kinder wichtig. Dies kann die Politik nicht mehr verdrängen.

Bei dem allgemeinen Elternabend im laufenden Schuljahr, im September 2010, habe ich etwas Redezeit bekommen, um mich für die einmalige Integration und Toleranz der Eltern und Angehörigen bedanken zu können.

Liebe Eltern,

ich möchte Ihnen auf diesem Wege meinen Dank aussprechen. Sie ermöglichen meinem Kind Integration und die Chance möglichst unbeschadet eine Schule aufsuchen zu können.

Für Ihr Verständnis, Ihr Entgegenkommen und Ihre gewonnene Besonnenheit im Umgang mit den gesundheitsschädigenden Duftstoffen, danke ich Ihnen sehr.

Zwei Fragen interessierten mich. Und so hatte ich einen kleinen Zettel vorbereitet, den ich verteilen durfte. Die Resonanz war positiv und postwendend haben sich alle 11 anwesenden Elternteile zum sofortigen Ausfüllen bereit erklärt. Insgesamt sind es 14 Kinder in der Klasse.

Wie war für Sie die Umstellung auf einen duftstofffreien Schulalltag?

Schwer: 2

  • mein Kind reagiert auf Polycarboxylate, wir können kein „Dalli med“ nehmen und mussten wieder auf „Weißer Riese“ zurückgreifen

Kein Problem, wir lebten schon duftstofffrei: 8

  • wir lebten schon weitestgehend duftstofffrei
  • wir lebten schon duftstoffarm
  • wir lebten schon ohne Weichspüler
  • kein Problem
  • wir lebten schon zum Teil duftstofffrei

Wollten wir schon immer und hatten jetzt Anlass dazu: 1

Wir machen da nicht mit: 0

Und als zweite Frage würde mich sehr interessieren, ob Sie einen intensiveren Geruchssinn zurück gewinnen konnten. Im Allgemeinen werden Gerüche nach einiger Zeit schwächer, weil die Rezeptoren, die sie aufgenommen haben, vorübergehend unempfindlich werden. Gerade Parfüms legen ganze Riechzellareale lahm.

Stellen Sie und Ihre Familie fest, dass Sie Umgebungsgerüche und auch Parfüms (wieder) besser wahrnehmen?

Ja: 2

Nein: 9

  • ich war schon vorher sehr sensibel
  • ich habe schon immer gut gerochen

99% der Eltern machen mit, wobei für 81% die Umstellung auf eine Weichspüler- und Parfümfreie Schulform kein Problem darstellte.

Der Wille und die Bereitschaft zum umweltbewussten Handeln sind da, die Menschen müssen nur das richtige Werkzeug in die Hand bekommen um Handeln zu können. Der Markt an duftstofffreien Produkten existiert und wird täglich größer. Die Werbung für den duftstofffreien Markt bringt Erfolg.

Mein Fazit kann ich mit dem wundervollen Ausspruch einer Mutter beschließen: „Es läuft alles rund“

Mit Aufklärung kommen wir weiter – Schweigen ist kontraproduktiv

Die Bevölkerung ist sensibilisiert, Dank der vielen Umweltkatastrophen, Nahrungs- mittelskandale, Impfschäden, etc. und dem schrecklichen Atomkraftunfall in Japan. Der Aufklärungsmonat Mai ist für uns ein ganz wichtiges Instrument. Macht alle mit. Die Erfolge sind da.

Autor:

Tohwanga für CSN – Chemical Sensitivity Network, MCS Aufklärungsmonat Mai 2011

Weitere CSN Artikel zum Thema Duftstoffe und Integration von Chemikaliensensiblen in der Schule:

Umweltkrankheiten: MANIFEST DER VERLETZBAREN

Ein Jahr später. Ein weiteres Jahr ist vergangen und nichts hat sich geändert. Am 12. Mai, wache ich auf, immer noch am selben Ort eingesperrt und immer noch muss ich dasselbe beobachten:

Die Gesellschaft vergiftet mich weiterhin mit ihren Toxinen, diese grausame, ungerechte Gesellschaft, die sich in ihrer Habgier so sehr gefällt, während sie mich abweist, weil ich nicht so wie gesunde Körper arbeite und konsumiere, während die Eigentümer der Giftindustrie mich auslachen und reicher werden.

Sie lassen mich in Stich und behaupten, es läge an mir, dass ich mit dieser Krankheit lebe, als ob es eine Laune wäre, als ob ich mir keine Mühe geben wollte, als ob es ein Vorwand wäre, um nicht zur Arbeit gehen zu müssen.

Mein Körper, mein Bett und meine Wände sind zu einem Gefängnis geworden, in welchem mir nur mein Fenster und meine Gedanken Gesellschaft leisten, ohne dass Aussicht auf Hafturlaub besteht.

Ich bin dazu verdammt, im Verborgenen zu leben, da ich etwas bin, was die Gesellschaft verbergen möchte. Ich gehöre zu jenem Teil der Geschichte, der niemals in den Geschichtsbüchern auftauchen wird.

Nach Jahren, in denen ich viel gearbeitet und Steuern gezahlt habe, steht mir rechtlich nichts zu und ich bin vom Sozialstaat ausgeschlossen. Sie betrachten mich als unnütz, dabei bin ich in Wirklichkeit behindert.

Mein Exil wurde von Verwaltungen, Politikern und Ärzten über mich verhängt, dieselben die versprochen haben, da zu sein, wenn ich Hilfe brauche. Sie haben mich betrogen, als ich sie am dringendsten benötigte. Nun behaupten sie, mich gäbe es nicht. Sie tun so, als ob alles nur Spaß und künstliche Aufregung wäre, während sie die Tatsache, dass es täglich mehr von uns gibt, nicht an die Öffentlichkeit kommen lassen.

Obwohl ich hier so gut wie gar nicht weg komme, habe ich einmal mehr beschlossen, zielstrebig und tapfer zu sein. Ich bin öffentlich sichtbar, obwohl ich nicht aus dem Haus kann. Ich bin schwach und verletzbar, doch niemals ein Feigling.

Ich habe beschlossen, trotz meiner Verletzbarkeit weiter zu leben und zu kämpfen. Ich werde nicht verstummen, obwohl sie mich zum Schweigen bringen wollen.

Genau das habe ich für dieses Jahr erneut beschlossen. Erneut, weil sich nichts geändert hat.

Ich hoffe, Sie werden das gleiche tun. Ja Sie, einer der Verletzbaren, obwohl Sie sich dessen nicht bewusst sind. Wir müssen weiter kämpfen ohne aufzugeben, wir müssen das bequeme Denken der Gesellschaft, zu allem ja zu sagen, erschüttern und die Art, wie wir als Gesellschaft leben, überdenken. Wir müssen diese „Entwicklung“, die uns langsam umbringt, in Frage stellen. Bis die Verletzbaren unter uns nicht mehr wehrlos sind. Bis es Gerechtigkeit, Respekt und menschliches Mitgefühl für alle gibt.

Autoren: No Fun und Liga SFC (CFS/ME Liga), Spanien, 12. Mai 2011

* 12. Mai, Internationaler Tag der häufigsten Umweltkrankheiten (Chronic Fatigue Syndrom/ Myalgische Enzephalomyelitis, Fibromyalgie und Multiple Chemical Sensitivity)

Weitere Artikel zum weltweiten Aufklärungsmonat über Umweltkrankheiten:

Parfüms und Duftöle, ein Gesundheitsproblem für Allergiker und Asthmatiker

Unsichtbare Barrieren für Behinderte im Drogeriemarkt

Bei uns in der Nähe gibt es Drogeriemärkte, die glutenfreie Nahrungsmittel und Nahrungsergänzungsmittel führen, worüber ich sehr froh bin. Bis kürzlich jedenfalls, denn ein neuer Trend bereitet mir im Laden, in dem ich für gewöhnlich einkaufe, erhebliche Probleme.

Was ist passiert? Wenn ich in den letzten Monaten zur Kasse ging, wurde ich regelmäßig gefragt, ob ich das neueste Parfüm des Tages ausprobieren wolle und das Personal hatte die Parfümflasche schon in der Hand, um mich damit zu besprühen. Für jemanden mit MCS ist eine solche Situation total alarmierend. Ich erklärte dann jedes Mal ganz ruhig: „ Ich habe schwere Reaktionen auf die Chemikalien, die sich in solchen Parfüms befinden.“ Daraufhin entschuldigt man sich dann bei mir und ist jedoch mit der Parfümflasche in Anschlag, bereits bereit für den nächsten Kunden. Bislang machen sie weiter damit, die Menschen mit Lungenproblemen und Atemwegsbeschwerden den geöffneten Flaschen mit Raumduftölen aus nächster Nähe auszusetzen.

Mittlerweile stehen die offenen Flaschen auch rings um die Kassentheke, so dass dort nur noch so wenig Platz übrig bleibt, dass es einem schwerfällt, seine Sachen dort zum Bezahlen abzustellen. Ich habe Probleme, Luft zu bekommen, wenn ich dort stehe und bete jedes Mal innerlich, dass ich bitte nicht noch länger warten muss, weil die Kassiererin ausgerechnet dann ein Telefongespräch beantworten muss. Warum muss ich leiden, während sie von meinem Einkauf profitieren?

Ehrlich gesagt, passt für mich das Führen eines Drogeriemarkts mit Nahrungsmitteln und hochwertigen Nahrungsergänzungsmitteln und Parfüms nicht zusammen. Es ist tatsächlich auch so, dass einige der natürlichen Heilmittel in Pappschachteln verpackt sind und manchmal, wenn ich eine Tablette entnehme, haben sie einen chemischen, nach Parfüm schmeckenden Geschmack. Wahrscheinlich rührt er vom Parfüm her, das regelmäßig im Laden an die Kunden zum Testen versprüht wird und vielleicht breiten sich die Parfümöle mit ihren chemischen Bestandteilen im Laden aus.

Ich kann dort gesundheitsmäßig wirklich nicht mehr einkaufen, bis man meiner Behinderung gebührend Beachtung geschenkt und eine Regelung gefunden hat, wegen dieser Duftstoffe, die der Laden gleichzeitig verkauft. Ich habe deshalb einen Brief an den Laden geschickt und ich hoffe, er wird vom Management ernstgenommen. Ich bin sicher, dass wir für Menschen mit Chemikalien-Sensitivität (MCS) und wegen der vielen Asthmatiker dringend eine Änderung der Regelungen in solchen Läden benötigen, weil diese tagtäglich damit fortfahren, die Kunden Parfüms und Produkte mit Duftölen auszusetzen und damit deren Gesundheit nachhaltig schädigen.

Brief  an den Drogeriemarkt. Jeder, der in einer ähnlichen Situation ist, darf ihn gerne verwenden.

Duftstoffe im Kassenbereich

Sehr geehrte Damen und Herren,

seit fast zwei Jahren bin ich eine Ihrer treuesten Kundinnen. Ich liebe das vielfältige Angebot Ihrer glutenfreien Nahrungssmittel für meine Familie. Allerdings waren die letzten Einkaufsbesuche in Ihrem Laden problematisch für mich, weil es schwierig war, meine Nahrungsmittel an der Kasse zu bezahlen, weil rings um die Kasse Parfüms aufgebaut waren.

Meine Familie gehört zu den 15-30% der Allgemeinbevölkerung, die unter Chemikalien-Sensitivität (Multiple Chemical Sensitivity, MCS) oder wie manche es auch nennen, unter reaktiver Atemwegerkrankung leiden. Damit wir, genauso wie andere Behinderte, Zutritt zu öffentlichen Gebäuden zu haben können, müssen für uns chemische Produkte, bspw. Parfüms aus den Bereichen entfernt werden, die wir zwangsläufig nicht meiden können – wie beispielsweise den Kassenbereich in einem Geschäft.

Für die Lungen sind Duftstoffe ebenfalls sehr problematisch, deshalb befürchte ich, dass es auch für Asthmatiker in der Bevölkerung sehr schwierig ist, wenn sie in Ihrem Laden mit Raumdüften/offenen Aromaölen während des Einkaufs in Kontakt geraten.

In Anbetracht unserer Behinderung möchten wir Sie freundlichst bitten, Ihre Parfums in einen anderen Bereich Ihres Ladens zu verlagern und davon Abstand zu nehmen, Raumduftöle offen im Laden aufzustellen, damit unsere Familie und andere Mitmenschen mit Lungen- und Atemwegproblemen weiterhin mit Freude bei Ihnen einkaufen und Ihre nährstoffreichen Spezialprodukte und ihre Nahrungsergänzungsmittel erwerben können.

Mit freundlichen Grüßen,

Ihre Kundin

Autor: Christi Howarth für CSN – Chemical Sensitivty Network, 4. Mai 2011

Weitere Informationen zum Thema:

WHO empfängt Delegation von Vertretern für Umweltkranke

MCS Interessenvertreter unterzeichneten Petition an die Weltgesundheitsorganisation

Am 13. Mai wird die WHO eine Delegation von Interessenvertretern von MCS und EMS Erkrankten, Mediziner, Wissenschaftler, Anwälte und Journalisten in Genf empfangen. Der Termin wurde von Dr. Maria Neira, Generaldirektor für Öffentliche Gesundheit und Umwelt der WHO, bestätigt.

WHO bestätigt Anhörung von Organisationen für MCS Kranke

Dr. Neira wird an diesem Tag die Delegation empfangen und erhält zuvor eine Bibliographie zu den beiden Umweltkrankheiten, eine Aufstellung von Ländern, die bereits über einen ICD-10 Code für MCS und/oder EMS verfügen, sowie einige weitere Dokumente, die für das Treffen von Relevanz sind. Alle eingereichten Dokumente untermauern die wissenschaftlich begründeten Argumente, endlich eine verbindliche Basis für alle Umweltkranken weltweit zu schaffen, damit die medizinische Versorgung der Erkrankten sichergestellt werden kann.

MCS und EMS Organisationen unterzeichneten Petition an die WHO

Die Petition, die dafür sorgen soll, dass sich die Situation für Menschen, die chemikaliensensibel oder elektrosensibel sind, verbessert, ging von der spanischen Organisation „Asquifyde“ aus. Unterzeichnet wurde die Petition von sehr vielen Organisationen, Wissenschaftlern und Medizinern aus aller Welt. Gesetzt der Fall, dass die WHO diese Petition umsetzt, würde in allen Ländern weltweit für Multiple Chemical Sensitivity (MCS) und Elektrosensibilität (EMS) ein einheitlicher internationaler Krankheitscode (ICD) gelten. Ein solcher ICD ist wichtig, denn damit kodieren Ärzte ihre Diagnose und rechnen ggf. ihre Leistungen bei den Krankenkassen ab. Die Existenz einer Krankheit wird dadurch belegt.

In allen Ländern verbindlicher ICD-10 Code für MCS und EMS

Derzeit verfügt Japan (T65.9) und Deutschland (T78.4) über einen ICD-10 Code für MCS. Ebenfalls deutschsprachige Länder wie die Schweiz, Luxemburg und Österreich ließen durch ihr Ministerium für Gesundheit gegenüber CSN mitteilen, dass in ihrem Land der in Deutschland gültige ICD-10 Code für MCS, T78.4, ebenfalls verwendet werden kann.

Fakten zur Vorlage bei der WHO

Es ist möglich, weitere wichtige Dokumente, die wissenschaftliche Aspekte hinsichtlich MCS und EMS darlegen, für die Vorlage bei der WHO beizutragen. Man kann sie in den nächsten Tagen als PDF per E-Mail an die koordinierende spanische Organisation info@asquifyde.es senden. Alle eingegangenen Dokumente werden von medizinischen Experten und einem Anwalt für Umweltrecht hinsichtlich ihrer Relevanz gesichtet und dann für die Vorlage bei der WHO ausgewählt.

Teilnahme bei der WHO Anhörung bestätigen

Bis zum 3. Mai 2011 ist es für Organisationen, Wissenschaftler, Anwälte und Mediziner möglich, sich für die Anhörung bei der WHO in Genf anzumelden. Hierzu muss eine verbindliche Bestätigung bei Asquifyde erfolgen. Die Organisation meldet die endgültige Teilnehmerzahl am 3. Mai bei Dr. Neira an, worauf dann die Reservierung eines entsprechenden Raumes erfolgt.

Pressekonferenz im Anschluss an WHO Anhörung

Nach der WHO Anhörung wird eine Pressekonferenz stattfinden. Sie wird von Sonia Miguel Jara und Journalisten geleitet. Um die wichtige Pressekonferenz nach der WHO Anhörung finanzieren zu können, bittet Asquifyde MCS und EMS Organisationen und jeden, dem das Anliegen der umweltkranken Menschen am Herzen liegt, um finanzielle Unterstützung.

Hilfe für Umweltkranke

Wissenschaftler gehen davon aus, dass rund 15-30% der Allgemeinbevölkerung in Industrieländern unter MCS leidet. Die Zahl der von EMS Betroffenen steigt durch den voranschreitenden Ausbau der Mobilfunknetze ebenfalls an. Diese Menschen werden nahezu ausnahmslos ohne Hilfe und Unterstützung ihrem Schicksal zu überlassen, was der internationalen Behindertenkonvention und geltenden Gesetzen widerspricht. Das Ignorieren und Negieren von Umweltkrankheiten in den vergangenen Jahren hat zu unbeschreiblichem Leid und auch zu erheblichen finanziellen Verlusten für die Wirtschaft geführt. Es bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen bei der WHO die internationale Petition zum Anlass nehmen und ihrer eigentlichen Mission entsprechend handeln, um eine Basis zu schaffen, damit Erkrankten mit MCS und EMS die Hilfe zuteilwerden kann, die ihnen als Kranke und behinderte Menschen in den jeweiligen Ländern zusteht.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Mai 2011

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Kranke machen Diskriminierung nicht mehr länger mit

Weltweiter MCS Aktionsmonat – Mai 2011

Seit Monaten laufen die Vorbereitungen für den „MCS Aktions- und Aufklärungsmonat 2011“. Die drei Buchstaben „M C S“ sind die Abkürzung für eine Umweltkrankheit, von der ca. 15% der Allgemeinbevölkerung mehr oder weniger stark betroffen sind. Oft sogar wissen die Erkrankten nicht, dass die Gesundheitsbeschwerden, unter denen sie leiden, den Namen „Multiple Chemical Sensitivity“ oder kurz „MCS“ tragen. Sie reagieren bspw. auf das Aftershave des Kollegen oder das Haarspray der Kollegin mit Kopfschmerzen, Schwindel oder anderen Symptomen und können sich kaum auf ihre Arbeit konzentrieren. Oder es geht ihnen schlecht, wenn sie am Morgen auf dem Weg zur Arbeit in der U-Bahn, im Bus, dem Zug oder der Straßenbahn sitzen und viele Mitreisende dort ihre stark Lösungsmittel ausdünstende Tageszeitung lesen.

Ausgrenzung beenden

Manche der Betroffenen mussten aufgrund ihrer MCS ihre sozialen Kontakte abbrechen und ihren Job aufgeben. Viele der Erkrankten suchten immer wieder Ärzte auf, die ihnen jedoch mangels Wissen über die Erkrankung MCS keine Diagnose geben konnten, geschweige denn angemessene medizinische Hilfe offerierten.

Weltweit Aktionen für MCS Erkrankte

Weltweit arbeiteten Organisationen und Aktivisten auf den Mai 2011 zu. Ihnen ist es wichtig, dass die Erkrankung und Behinderung MCS in der Öffentlichkeit besser zur Kenntnis genommen wird und dass die Erkrankten die Hilfe und Unterstützung erhalten, die andere Behinderte und Kranke ohne sonderliche Erschwernisse erhalten.

Dank Internet und Social Networks können viele der Aktionen in diesem Jahr gezielter durchgeführt werden als in den Jahren zuvor. Es werden also nicht nur vereinzelt hier und da kleine Events stattfinden, sondern auch eine ganze Reihe koordinierter Aktionen, die das Ziel haben, die Situation der MCS Kranken weltweit zu verbessern.

Seid gespannt auf die Aktionen im „MCS Aktions- und Aufklärungsmonat Mai 2011“ und tragt im Rahmen Eurer Möglichkeiten zum Gelingen bei!

Dokumente, die Euch bei Eurer Aufklärung über die Krankheit MCS unterstützen können:

Zur freien Nutzung:

Medizin-News: Was ist Multiple Chemical Sensitivity?

Umweltkrankheit MCS

Wenn man MCS hat und bestimmten chemischen Stoffen ausgesetzt ist, werden postwendend eine Reihe von Symptomen ausgelöst, zu denen Irritationen der Atemwege, Herzrasen, Kopfschmerzen, geistige Verwirrung, Schwindel, Brechreiz, extreme Müdigkeit oder Schmerzen gehören. Diese Symptome verbessern sich erst, wenn man sich dem Kontakt mit jenen chemischen Stoffen entzieht, welche sie ausgelöst haben. Die Symptome können Tage oder sogar Wochen dauern.

Was ist Multiple Chemical Sensitivity?

Multiple Chemical Sensitivity (MCS) ist eine erworbene chronische Erkrankung, keine psychische, die sich in multisystemischen Symptomen als Reaktion auf eine sehr niedrige Belastung durch chemische Stoffe manifestiert, z.B. normale aber überflüssige Alltagschemikalien wie Parfüm, Luftverbesserer oder Weichspüler für die Wäsche.

Zu den chronischen Symptomen, die in der Krisis akut werden, gehören Müdigkeit, Probleme mit der Atmung, der Verdauung, des Blutkreislaufs, der Haut und Probleme neurologischer Art.

MCS ist eine Erkrankung mit vier Schweregraden, deshalb erleiden nicht alle von uns die erkrankt sind das selbe Niveau an Behinderung und Isolation.

Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass es sich bei MCS um keine Allergie handelt.

Es ist eine Erkrankung, die seit den 50’er Jahren des letzten Jahrhunderts bekannt ist, aber sie muß für Spanien noch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) anerkannt werden, obwohl es über 100 wissenschaftliche Abhandlungen gibt, welche die organische Natur von MCS unterstützen, obwohl die Zahl der Betroffenen Menschen schnell wächst und immer jüngere erkranken, und obwohl das Europäische Parlament MCS zu den immer zahlreicher werdenden umweltbedingten Krankheiten zählt. MCS ist in Deutschland (PDF-Link), Österreich und Japan bereits als körperliche Erkrankung anerkannt.

Wie viel Prozent der Bevölkerung sind an MCS erkrankt?

Hier in Spanien gibt es dazu keine Studien, aber man vermutet, dass je nach Schweregrad zwischen 0,5 und zwölf Prozent der Bevölkerung davon betroffen sind.

In Ländern wo es zu dieser Erkrankung Statistiken gibt sehen wir, dass die Gesamtzahl der Menschen mit MCS nicht gering ist. Nach Angaben der Environmental Health Association in Quebec haben 2,4 Prozent der Kanadier MCS. Nach Professor Dr. Martin L. Pall beträgt die Prävalenz schwerer MCS in den Vereinigten Staaten etwa 3,5 Prozent der Bevölkerung.

Darum ist MCS keine „seltene Erkrankung“, bei denen es sich um solche handelt, die weniger als 0,05 Prozent der Bevölkerung betreffen. MCS ist eine rasch zunehmende und versteckte Erkrankung.

Chemische Produkte sind giftig und das gilt für uns alle. Chemische Produkte werden mit Krankheiten wie Krebs, Asthma, Allergien, Autoimmun-Erkrankungen und mit jedwelcher umweltbedingter Erkrankung in Zusammenhang gebracht.

Woran erkennt man, ob sich eine MCS-Erkrankung anbahnt?

Das häufigste Symptom ist, dass einem Chemikalien als unerträglich auffallen, die man früher nicht bemerkt hat. Plötzlich verträgt man zahlreiche Chemikalien nicht mehr, etwa Reinigungsmittel, Parfüme, Tabakrauch, Autoabgase, Luftverbesserer usw.

Auch verträgt man keinen Alkohol mehr, Molkereiprodukte oder Gluten (Klebereiweiß in div. Getreide). Eventuell entwickelt man zahlreiche Unverträglichkeiten von Nahrungsmitteln und Medikamenten.

Oft hat man noch andere Umgebung-Unverträglichkeiten: Hitze, Kälte, Lärm, Erschütterungen, Sonnenlicht und elektromagnetische Felder (Computer, Hochspannungsleitungen, Telefone, Mobilfunkantennen, Mikrowellen etc.).

MCS hat bei dafür anfälligen Personen einen Toleranzverlust chemischer Produkte zur Folge und man kann auf zwei Arten MCS bekommen: durch einmalige hochdosige Belastung mit giftigen Substanzen (z.B. Schädlingsbekämpfung) oder durch niedrige jahrelange Dauerbelastungen. In der zweiter Gruppe gibt es viele Menschen mit CFS/ME (Chronic Fatigue Syndrom/Myalgische Enzephalomyelitis) und FMS (Fibromyalgie Syndrom), die über die Jahre auch MCS entwickeln.

Wie wird MCS diagnostiziert?

Es gibt eine objektive auf Symptomen beruhende Diagnose. Es gibt keine Tests um MCS zu diagnostizieren und zuerst müssen andere Erkrankungszustände ausgeschlossen werden.

Zur Diagnose benutzen Ärzte den QEESI-Fragebogen (Quick Environmental Exposure and Sensitivity Inventory) etwa Schnellbestandsaufnahme für Umweltbelastung und Sensitivität, das ist ein differenzierendes und schnelles Befragungswerkzeug, um den persönlichen Grad an Sensitivität oder Unverträglichkeit einer Person auf einer fünfstufigen Skala festzustellen.

Die sechs Konsenskriterien für die Definition von MCS:

  • Chronische Erkrankung
  • Reproduzierbare Symptome
  • Die Symptome sind Reaktion auf eine niedrige chemische Belastung
  • Die Symptome treten bei Belastung mit einer Vielzahl nicht verwandten Chemikalien auf
  • Die Symptome bessern sich, wenn die auslösenden Chemikalien entfernt werden
  • Es sind mehrere Organsysteme betroffen

Wenn man MCS hat und bestimmten giftigen chemischen Stoffen ausgesetzt ist, werden unweigerlich eine Reihe von Symptomen ausgelöst, z.B. Atemnot, Irritation der Atemwege, Herzrasen, Kopfschmerzen, geistige Verwirrung, Schwindel, Brechreiz, Durchfall, extreme Müdigkeit und/oder Schmerzen. Diese Symptome verbessern sich solange nicht, bis man sich außer Reichweite jener Chemikalie begibt, durch welche sie ausgelöst wurden. Die Symptome können Tage oder Wochen anhalten.

Wie behandelt man MCS?

Da die pathophysiologischen Grundlagen dieses Syndroms noch unbekannt sind, kann man MCS nicht wirklich heilen. Es gibt aber sehr viele Behandlungsmethoden die helfen, MCS in den Griff zu bekommen und die Gesundheit zu verbessern (Sauna, Nahrungsergänzung, Homöopathie usw.) und es ist sehr wichtig einen Arzt zu finden, der sich auf MCS spezialisiert hat und jeden Fall genauestens untersucht, da jeder Patient anders ist, abhängig von Genetik, anderen mit einher gehenden Erkrankungen und dem Grad seiner MCS.

Neben der Behandlung ist es sehr wichtig, eine Kontrolle des Umfeldes durchzuführen. Eine Kontrolle der nahen Umwelt bedeutet, jegliche Belastung durch Giftstoffe oder chemische Substanzen maximal und prinzipiell zu vermeiden. Trotzdem ist MCS chronisch und unveränderlich und kann die Lebensqualität des Erkrankten reduzieren.

Umweltkontrolle heißt, Chemikalien und Lebensmittel die Reaktionen auslösen können aus dem Weg zu gehen, feuchte Umgebungen und Umgebungen die Irritationen auslösen können (Rauch und Gase) zu meiden. Dies erfordert, alle Kosmetika und Reinigungsmittel durch ökologische ohne Duftstoffe ersetzen; uns von Naturkost und nicht verarbeiteten Lebensmitteln (ohne die uns unverträglichen) ernähren, die mit ungiftigem Kochgeschirr zubereitet wurden; das Trinkwasser und auch das Wasser zur Nahrungszubereitung und zum Duschen filtern, in Situationen mit hoher Konzentration von Giftstoffen eine Kohlefilter-Atemmaske aufsetzen; einen Luftfilter anschaffen; ökologische Kleidung aus mit Pflanzenfarben gefärbten Naturtextilien tragen; elektromagnetische Felder meiden oder verringern und grundsätzlich alles entfernen, was wir nicht vertragen (Möbel, Kleidung, Kosmetik etc.). Manchmal ist es sogar notwendig, den Wohnort zu wechseln. Umweltkontrolle kommt nicht nur dem MCS-Kranken zugute, sondern seiner ganzen Familie und wird in anderen Ländern für Menschen mit Allergien oder Asthma empfohlen. Sie empfiehlt sich auch für Menschen mit einem Chronic Fatigue Syndrom und mit Fibromyalgie.

Umweltkontrolle: Elementare Hinweise und Empfehlungen

Wissenschaftliche Belege

Im September 2008 wurde die Studie „Ist Multiple Chemical Sensitivity eine erlernte Reaktion? Eine kritische Evaluierung von Provokationsstudien“ von Goudsmit und Howes im „Journal of Nutritional & Environmental Medicine“ veröffentlicht, die zu dem Ergebnis kam, dass MCS mit Chemikalien zusammen hängt und keine psychische Erkrankung ist.

Im Mai 2009 veröffentlichten Professor Anne C. Steinemann und Amy L. Davis von der University of Washington eine Zusammenstellung von MCS-Forschungsarbeiten mit mehr als 100 peer-reviewed’ten Artikeln, welche eine physiologische Grundlage von MCS unterstützen.

Nach dieser Zusammenstellung wurden zwei bedeutende Studien veröffentlicht:

Im Oktober 2009 veröffentlichte das „Journal of the Neurological Sciences“ die Studie „Brain dysfunction in multiple chemical sensitivity“ (Hirndysfunktion bei MCS), welche vom der Pulmonologischen Abteilung der Vall Hebron Klinik in Barcelona (Spanien) durchgeführt wurde.

Und Ende April 2010 wurde die Studie „Biological definition of multiple chemical sensitivity from redox state and cytokine profiling and not from polymorphisms of xenobiotic-metabolizing enzymes“ (Biologische MCS-Definition durch Ermittlung von Redoxzustand und Zytokin-Profilen anstelle von Polymorphismen fremdstoff-verstoffwechelnder Enzyme) des „IDI Institute of Rome (Italien)“ an der Abt. für Toxikologie und angewandten Pharmazie von Elsevier (großer Niederländischer Wissenschaftsverlag) veröffentlicht.

Ebenfalls 2010 war in dem Standardwerk „General and Applied Toxicology, 3rd Edition“ ein von dem Forscher Prof. Dr. Martin Pall verfasstes Kapitel über MCS enthalten, der Titel: „Multiple Chemical Sensitivity: Toxikologische Fragen und Mechanismen“.

Autor: Eva Caballé, No Fun Blog, für Canary Report, April 2011

Übersetzung: Sleepless B. für CSN-International

Eva Caballé ist eine Ökonomin aus Barcelona, Autorin des Buches Desaparecida: Una vida rota por la Sensibilidad Química Múltiple (Vermißt: Ein durch MCS zerstörtes Leben), das 2009 bei El Viejo Topo, in Barcelona auf Spanisch erschien. Sie betreibt den spanischsprachigen Blog NO FUN, auf dem es eine Abteilung in Englisch über Multiple Chemical Sensitivity, Chronic Fatigue Syndrom und Fibromyalgie gibt, welche Informationen und Ratschläge für Menschen bietet, die krank sind oder ein gesünderes giftfreies Leben führen wollen. Für den Canary Report und das Kunstmagazin „Delirio“ (Delirium), sowie für den CSN und EMM Blog liefert sie regelmäßig Beiträge.

Weitere Artikel von Eva Caballé:

Umweltmediziner schließt Vergleich mit Kassenärztlicher Vereinigung

Dr. Peter Binz erwägt Klage auf Schadenersatz und Schmerzensgeld in siebenstelliger Höhe

Seit 2005 lief ein Verfahren gegen den Trierer Umweltmediziner Dr. Peter Binz. Die Kassenärztliche Vereinigung Trier bezichtigte ihn in einer Strafanzeige des Abrech- nungsbetrugs. Eine Praxis- und Hausdurchsuchung, Ermittlungen ohne Ende, Vernehmungen von Hunderten von Patienten aus ganz Deutschland, sowie zermürbende Schriftwechsel über sechs Jahre hinweg folgten. Im Mai 2010 wurde Anklage gegen den Arzt erhoben.

Die Kollegen aus der Umweltmedizin und vor allem die Patienten von Dr. Binz erklärten sich solidarisch mit dem über die Grenzen von Deutschland hinaus bekannten Arzt. In der Erstausgabe der CSN Zeitung Perspektiven wurde im Herbst 2006 detailliert berichtet. Die Zeitung enthielt Statements der Ehefrau von Dr. Binz, des Steuerberaters der Praxis und Solidaritätsbekundungen von Umweltorganisationen, Kollegen und Patienten. Zur Erinnerung und nochmaligem Nachlesen:

PERSPEKTIVEN – CSN Zeitung für Chemikaliengeschädigte und Umweltmedizin, Ausgabe 1, Herbst 2006 (pdf)

Anfang April 2011 wurde die Angelegenheit vor Gericht verhandelt und mit einem Vergleich beendet. Vorerst zumindest, denn Dr. Binz erwägt die Geltendmachung von Schadenersatz und Schmerzensgeld im siebenstelligen Bereich gegen die Kassenärztliche Vereinigung.

Näheres in einer Pressemitteilung der Anwaltskanzlei Dr. Hülsmann, Trier:

TRIER, den 11.04.2011

Betreffend die Verfahren gegen Herrn Dr. med. Peter Binz (70) , Liebfrauenstr. 4 a, 54290 Trier

  1. Strafverfahren vor dem Landgericht Trier wegen angeblichen Betruges (Az.: 8002 Js 31385/05; Anklageschrift vom 17.05.2010)
  2. Verfahren vor dem Sozialgericht Mainz (Az.: S 2 KA 33/07) Kläger: Dr. Peter Binz ./. Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz; Streitwert: 183.966,19 €
  3. Widerspruchsverfahren des Dr. Binz gegen den „Regress“ der Kassenärztlichen Vereinigung Trier über ca. 67.129,90 €

Aufgrund einer Strafanzeige der Kassenärztlichen Vereinigung Trier, die im Jahre 2005 seitens des Vorstandsvorsitzenden Dr. Karl-Heinz Müller, in die Wege geleitet wurde, erfolgte ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft Trier, das in eine Anklage vom 17.05.2010 einmündete wegen Verdachts des Betruges. In dieser Anklageschrift wird ausgeführt, Dr. Peter Binz habe gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung in einer Vielzahl von Fällen zu Unrecht abgerechnet, obwohl er den Leistungsinhalt von Abrechnungsziffern nicht erfüllt habe.

Die Anklageerhebung der Staatsanwaltschaft erfolgte vor 11 Monaten; über die Eröffnung es Hauptverfahrens beim Landgericht -Große Strafkammer- ist trotz Ablauf dieses ungewöhnlich langen Zeitraums immer noch nicht entschieden worden.

Parallel zu diesem Strafverfahren hat Herr Dr. Peter Binz unter dem Datum des 14.02.2007 Klage gegen einen „Regress“ der Kassenärztlichen Vereinigung erhoben, mit dem Antrag, den Regressbeschluss der Kassenärztlichen Vereinigung vom 17.07.2006 aufzuheben.

Innerhalb dieses Verfahrens erfolgte am 06. April 2001 vor dem Sozialgericht Mainz eine mündliche Verhandlung, die 2 ¼ Stunden andauerte.

Das Gericht, vertreten durch den Vorsitzenden, Vizepräsidenten des Sozialgericht Mainz, Herrn Höllein, hat innerhalb dieser mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht, es müsse Herrn Dr. Binz Vorsatz oder zumindest grobe Fahrlässigkeit nachgewiesen werden. Dazu habe jedoch das Gericht in den erteilten Bescheiden der Kassenärztlichen Vereinigung kein Wort gefunden (Telefon-Nr. des Vorsitzenden Höllein: 06131-1 41 52 80).

Es werde zwar innerhalb der Schriftsätze der Kassenärztlichen Vereinigung „irgendwo zum Ausdruck gebracht“, dass Dr. Binz ein „grobes Verschulden“ anzulasten sei. Aber begründet sei dies an keiner Stelle. Und dies wäre die wichtigste Aufgabe der Kassenärztlichen Vereinigung gewesen.

Auch die anderen Gesichtspunkte, die bei einer Honorarberichtigung eine zentrale Rolle spielen, hätten von der Kassenärztlichen Vereinigung dargelegt werden müssen. Dies sei jedoch nicht geschehen.

Das Sozialgericht hätte also voraussichtlich dem Klageantrag des Dr. Binz entsprochen; nur zur Abkürzung der beiden anhängigen Verfahren (eines davon ist noch im Verwaltungsverfahren anhängig) und angesichts des hohen Alters von 70 Jahren des Dr. Binz, seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung, der schwersten Belastungen durch die obig benannten 3 Verfahren und der jahrzehntelangen Verfolgung seitens der Kassenärztlichen Vereinigung wurde ein Vergleich dahingehend geschlossen, dass die Kassenärztliche Vereinigung den überwiegenden Teil der von Dr. Binz bereits erbrachten Zahlungen zurückerstattet.

Es handelt sich dabei um einen Betrag von mehr als 100.000 Euro.

Damit ist auch ein weiteres Regressverfahren der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz gegen Dr. Binz in einer Höhe von 67.129,90 € mit erledigt.

Dr. Binz braucht also diesen Betrag nicht an die Kassenärztliche Vereinigung zu zahlen (Telefon-Nr. der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz, Hauptverwaltung Mainz: 06131-32 60, Herr Burkhard Lamby).

Der vorbenannte Herr Lamby von der Kassenärztlichen Vereinigung hat in einem beigefügten Schreiben vom 08.04.2011 dazu festgestellt:

„Sobald mir der Vergleich vorliegt, werde ich unmittelbar die entsprechende Auszahlung an Ihren Mandanten veranlassen.

Mit Blick auf die zuletzt geschlossene Ratenzahlung kann ich Ihnen mitteilen, dass wir die geplanten Verrechnungen ab der zweiten Rate bereits gestoppt haben.“

– –

Anhängig ist allerdings immer noch das Strafverfahren vor der Großen Strafkammer 802 Js 31385/05 mit einer Anklageschrift über 234 Seiten.

Nachdem das Sozialgericht Mainz die obig dargelegten Feststellung getroffen hat, haben wir uns daher mit Schriftsatz vom 08.04.2011 an die Große Strafkammer gewandt und in diesem Schriftsatz zentral ausgeführt, dass es bereits an einer vorsätzlichen Vermögensschädigung des Dr. Binz gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung fehle, also an der subjektiven Tatseite.

Mit der gerichtlich erklärten Bereitschaft der Kassenärztlichen Vereinigung, den überwiegenden Teil des von ihr bereits verein- nahmten Betrages an Dr. Binz zurückzuzahlen, hat sie selbst eingeräumt, dass der von ihr seinerzeit behauptete Schaden nicht gegeben ist.

Darüber hinaus steht durch die mündlich erfolgten Feststellungen des Sozialgerichts Mainz fest, dass weder ein Vorsatz noch eine grobe Fahrlässigkeit des angeschuldigten Dr. Binz hinsichtlich seiner Vorgehensweise festzustellen ist.

Sobald das Landgericht über die Zulassung oder Nichtzulassung der Anklageschrift vom 17.05.2010 entschieden haben wird, werden wir Ihnen weitere Mitteilung machen.

Dr. Binz erwägt die Geltendmachung von Schadenersatz und Schmerzensgeld im 7-stelligen Bereich gegen die Kassenärztliche Vereinigung.

Dr. Hülsmann, RA

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. April 2011

Literatur:

Dr. Hülsmann, Rechtsanwälte, Pressemitteilung betreffend die Verfahren gegen Herrn Dr. med. Peter Binz, 11.04.2011

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