
Patientin mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity berichtet:
Nach monatelangen Schriftwechseln und Telefonaten habe ich endlich einen Kieferchirurgen gefunden, der sich bereit erklärt hat, sich meine schmerzenden Zähne (müssen gezogen werden) anzusehen.
Morgens für 7 Uhr ein Taxi bestellt, Nichtraucher und ohne Duft, ich komme raus und sehe, wie der Taxifahrer sich im Auto eine Zigarette anzündet, er selber hatte jede Menge Duft an sich, aber ich musst ja zu dem Termin hin. Also Sauerstoffflasche aufgedreht und das Fenster aufgemacht, nach einer dreiviertel Stunde endlich am Ziel.
In der Praxis echt nette Menschen und viel Verständnis. Nach einer Röntgenaufnahme und Beratung mit Kollegen wurde entschieden, dass das Risiko selbst einer Lokalbetäubung zu hoch ist.
Ich wurde an die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Charité überwiesen.
Wieder ein Taxi bestellt, Glück gehabt, das roch nach nichts, außer nach einem Becher frischem Kaffee. Danke, lieber Taxifahrer, du warst mein erster Lichtblick an diesem Tag.
In der Charité in Haus 2 zur Anmeldung, Nummer ziehen und warten, Aufruf, Termin zu einer Vorbesprechung frühestens am 31.10. 2011 heute war ja schon der 13.10.2011. Sind ja nur 18 Tage.
Also wurde ich an die Rettungsstelle im Nachbarhaus verwiesen. Mit Sauerstoff, Handtasche, Jacke, Fußmarsch zur Rettungsstelle. Dort anmelden, 10€ zahlen und warten,
endlich kommt ein Zahnarzt, der liest sich erst einmal den MCS-Ausweis durch und die MCS Arztinfo, danach werde ich herein gebeten, er will mehr über meine Probleme (Zähne) und MCS erfahren. Kein Problem, er versteht sehr schnell, wie problematisch alles ist, und obwohl es in erster Linie um die Zähne geht, darf man auf keinen Fall die MCS außen vor lassen. Alles dreht sich erst einmal um die Multiple Chemical Sensitivity und dann um die eigentliche Diagnose.
Er ruft noch einen Kollegen an, er hätte einen sehr interessanten Fall, der Kollege wollte zuerst nicht, aber er kam dann doch. Er hat Augen gemacht, eine Patientin mit MCS (WHO ICD-10 T78.4) hatte er noch nie, aber auch er verstand sehr schnell, dass MCS vorhanden ist und fast alles einschränkt.
Man macht gleich noch EKG und Blutabnahme, danach interne Überweisung in die MKG-Klinik, wieder zur Anmeldung, Nummer ziehen, Papiere abgeben. Nach viel Murren und Maulen, (oh nein, die Sprechstunde ist brechend voll und dann auch noch so etwas). Ich soll mich ab 13.00 Uhr vor Sprechzimmer 4 einfinden.
Wieder einmal eine Wartezone, ca. 40 Minuten und man ruft mich herein, der Zahnarzt spricht mit mir und verweist mich an die Anästhesisten weiter. Dicke Akte greifen und wieder in ein anderes Haus traben, Nummer ziehen, nach Aufruf in die Anmeldung, Fragebogen und Datenerfassung, mit der Bitte den Fragebogen auszufüllen wieder in die Wartezone entlassen. Ca. 20 Minuten später kommt der Anästhesist und holt mich zum Gespräch ab. Bestimmt eine halbe Stunde redet er mit mir, dann kommt er aufgrund meiner Allergien und der MCS zu dem Entschluss, dass er mich so nicht behandeln kann. Er will erst mit den Allergologen abklären, was geht, was evtl. noch geht und was gar nicht geht. Er verweist mich zurück an die MKG Klinik.
Wieder zur Anmeldung, Akte abgeben und darum bitten, dass ich noch einmal beim Zahnarzt vorgestellt werde.
Ich bin mittlerweile trotz MCS Maske und guten 500L Sauerstoff völlig am Ende, ich kann mir nichts mehr merken, bin völlig Matsch im Kopf.
Der Zahnarzt versteht nicht, dass ich als schwerkranker Mensch nicht permanent in ärztlicher Betreuung bin, er versteht es einfach nicht, dass jeder Arztbesuch ein gesundheitliches Risiko darstellt und man mir da auch nicht helfen kann.
Er ist auch der Meinung, dass es ja wohl Fachärzte dafür geben müsste. Als ich ihn bat, mir nur einen einzigen zu benennen, das übliche ratlose Gesicht.
Er erzählte mir, dass ich Allergietests machen soll. Ich kann mir nichts mehr merken und bitte ihn, mir alles aufzuschreiben und mir innerhalb der Charité etwas zu benennen.
Das war es für heute, nach ca. 6 Stunden in der Charité bin ich fix und fertig und stehe wieder ganz am Anfang. Jetzt noch ein Taxi (Nichtraucher und ohne Duft besorgen) es ist innerhalb von 2 Minuten da.
Toll, es ist ein alter Daimler, der ist schon so alt, da riecht nichts mehr, der Fahrer selber auch ohne, toll, der 2. Lichtblick an diesem Tag.
Es ist ca. 16.00 Uhr, ich bin endlich wieder zuhause. Ich habe Durst und Hunger. 2 Stunden später gegen 18.00 Uhr setzen Krämpfe ein, die Beine, die Brust, der Rücken, das Herz tut weh, EKG ist aber okay, der Kopf dröhnt, alles stinkt nach den ganzen Duftstoffen aus der Klinik.
Ich nehme 3 gr Magnesium, die Krämpfe werden immer stärker, jetzt kommt Chinin ran, es reicht immer noch nicht! Jetzt kommen 5 gr Magnesiumcitrat in einem Glas Wasser aufgelöst und in kleinen Schlucken über 2 Stunden getrunken, mittlerweile waren einige so heftige Kämpfe, das wieder einmal einige Muskelfasern gerissen sind, um 1.00 Uhr lassen endlich die Krämpfe nach und ich kann versuchen zu schlafen.
Um 3.30 Uhr werde ich wieder unsanft geweckt, ich laufe aus, die Schließmuskel spielen nicht mit, das recht Bein tut weh, die Bandscheiben der LWS haben keinen Halt mehr.
Jetzt gegen 13.00 Uhr am14.10.2011 tut zwar noch alles weh, aber das Gehirn funktioniert wieder halbwegs, die Krämpfe sind weg, nur noch Schmerzen in den Beinen und im gesamten Rücken.
Einen Termin bei meinen Hausarzt erst am 27.10. die Allergologen sind permanent besetzt, muss ich am Montag wieder probieren.
Wenn ich dann alle Untersuchungen zusammen habe, geht das ganze Theater wieder von vorne los.
So, das war ein Tag im Leben und Leiden einer MCS Kranken, der Zähne gezogen werden müssen.
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Update: 15.10.2011. Es geht noch immer schlecht. Ich habe Krämpfe in den Beinen und kann kaum laufen.
Autor: Clarissa von Maus, Berlin, 14.10.2011
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