Forschung für Biomarker toxisch bedingter Gesundheitsschäden kurz vor dem Durchbruch

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In den letzen Jahren wurde häufiger darüber berichtet, dass Piloten und Flugpersonal gesundheitlich durch toxische Kabinenluft in den Flugzeugen krank wurden. Jetzt ist ein amerikanischer Wissenschaftler kurz davor, mittels Blutmarker den Nachweis erbringen zu können, dass die neurologische Schädigung des Flugpersonals auf die neurotoxischen Organophosphatdämpfe aus dem Maschinenöl zurückzuführen ist. Der letztendliche Durchbruch wird für Anfang 2010 erwartet. Weitere Wissenschaftler stehen ebenfalls vor dem finalen Nachweis. Letztendlich wird es nach deren Dafürhalten möglich sein, sogar die Zeitspanne und das Datum einer Exposition abzuschätzen.

Chemikalien-Sensitivität durch Organophosphate

Professor Clement Furlong, University of Washington Abteilung Genetik und Medizin, forscht bereits seit Jahren über die individuelle Sensitivität gegenüber Organophosphaten. Das als Flammschutzmittel eingesetzte Organophosphat TCP wird u. a. dem Maschinenöl von Flugzeugen beigefügt und dampft in das Kabineninnere aus, wenn Motoren und Instrumente durch den Betrieb warm werden. Je nach Sensitivität erleiden Flugpersonal und Passagiere hierdurch neurologische Schäden.

Wissenschaftlicher Nachweis in Sicht

Einer der herkömmlichen Wege, um den Nachweis einer Exposition zu erbringen, ist es, die Metaboliten im Urin messen. Bei Organophosphaten wird dies durch das Vorhandensein von Diethyl- oder Dimethyl Phosphat nachgewiesen. Diese Analytik liefert jedoch keine Information über das spezifische Pestizid, dem eine Person ausgesetzt war. In der Praxis sehr erschwerend ist auch die Tatsache, dass Metaboliten generell nur wenige Tage nach der Exposition nachweisbar sind. Seit ein paar Jahren sind Wissenschaftler jedoch dabei, einen retrospektiven Nachweis zu erbringen.

Polhuijs et al berichtete hierzu 1997 über eine Möglichkeit, die er und seine Kollegen gefunden hatten, um im Nachhinein bestimmte Zielproteine selbst noch Monate nach der Exposition im Plasma entdecken zu können. Peeples et al identifizierten Albumin und die ES1 Carboxylesterase als Hauptziel für Organophosphate bei Mäusen. Bei Menschen ist die Carboxylesterase jedoch kein nützlicher Biomarker, weil sie im menschlichen Blut fehlt. Es gibt laut Furlong jedoch andere Esterasen, die bei neuerer Forschung darlegten, dass sie als Marker geeignet sind. Das Plasmaprotein Albumin, das durch eine Substanz bei Exposition verändert wird, erscheint für Professor Furlong und einige andere Wissenschaftler hingegen noch passender und sensitiver. Es könnte sogar möglich sein, durch Analyse modifizierter Plasmaproteine die Zeitspanne und das Datum der Exposition abzuschätzen.

Auch das polymorphe Protein PON1 ist wichtig bei der Modulierung einer Exposition gegenüber Organophosphaten, wie Forschungsergebnisse bereits belegten, denn es liefert Erkenntnisse über eine differenzierte Sensitivität gegenüber TCP.

Piloten und Flugpersonal hoffen

In der vergangenen Woche fand ein Meeting der Global Cabin Air Quality Executive (GCAQE) statt, einer Organisation, die sich für bessere Luftqualität in Flugzeugen einsetzt. Die Veranstaltungsleitung hatte von Furlongs Forschung und dem kurz bevorstehenden Durchbruch für einen Biomarker gehört. Der Vorstand von GCAQE schlussfolgerte, dass die Flugtransportindustrie radikale Veränderungen wird einbringen müsse, um mit den Fällen von Gesundheitsschäden, die durch kontaminierte Luft in den Flugzeugkabinen eingetreten sind, klarzukommen.

Die Biomarker, die Professor Furlong im Blut von Flugzeugcrews und bei Passagieren studiert, werden letztendlich den wissenschaftlichen Zusammenhang erbringen, dass die neurologischen Gesundheitsschäden dieser Menschen nach einem Flug von der mit Chemikalien kontaminierten Kabinenluft herrühren.

Raffinesse wird nicht ewig vor Regress schützen

Bisher hat die Flugindustrie nicht bestritten, dass Organophoshate neurologische Schädigungen auslösen können, allerdings war es dem Industriezweig bisher erfolgreich gelungen abzustreiten, dass die jeweiligen Symptome, über die Passagiere und Flugpersonal klagten, durch die Kabinenluft eingetreten sind. Um dem ein Ende zu bereiten, hatte das norwegische Institut für Gesundheit Flugzeugcrews mit mobilen Prüfgeräten ausgerüstet. Diese Prüfgeräte können von Flugpersonal zur Beweisführung für eine Zeitspanne von 30 Minuten aktiviert wenn, wenn sie eine Kontaminierung bemerken.

Wissenschafter erfassen Zusammenhänge

Die Biomarker, die Professor Furlong erforscht und die noch mit einer weiteren Studie bestätigt werden müssen, werden auch für MCS Kranke von Relevanz sein, sofern sie durch Organophosphate erkrankten. Weitere Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Thematik. Unter anderem Professor Mohamed Abou-Donia von der renommierten Duke University. Er forscht seit vielen Jahren über das Golfkriegs-Syndrom. Abou-Donia erläuterte gegenüber Flightglobal, dass Flugpersonal immer wieder mit MS – Multipler Sklerose fehldiagonstiziert würde, weil die Symptomatik sich ähnelt.

Professor Malcolm Hooper von der Sunderland University in England legte aktuell gegenüber Flightglobal dar, dass MCS – Multiple Chemical Sensitivity das menschliche Nervensystem beeinträchtige, was vom Golfkriegs-Syndrom her sehr gut bekannt sei. MCS sei jedoch noch weitaus komplexer, als die Summe der Auswirkungen einzelner Chemikalien.

Prof. Robert Haley, Leiter des Bereiches Epidemiologie an der UT Southwestern Dallas, veröffentlichte in der Märzausgabe des medizinischen Fachjournals „Psychiatry Research“ eine Forschungsarbeit, bei der Tests vorgestellt wurden, die Areale im Gehirn dokumentieren, die Verletzungen aufzeigen, die durch Pestizide verursacht wurden. Die kürzlich veröffentlichten aktuellen Resultate des Golfkriegs-Syndrom Forschers waren positiv.

Durchbruch in greifbarer Nähe

Lange wird der wissenschaftliche Durchbruch hinsichtlich relevanter Biomarker nicht mehr auf sich warten lassen. Forschung verschiedener Wissenschaftler steht kurz vor dem wissenschaftlichen Durchbruch und wird die Beweisführung liefern, auf die Erkrankte schon lange warten. Die Australische Behörde für zivile Flugsicherung rechnet für Anfang 2010 damit, dass ein Expertengremium die endgültigen wissenschaftlichen Zusammenhänge liefert.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Mai 2009

Literatur:

  1. David Learmount, US researcher nears cabin contamination blood marker breakthrough, Flight International, 01.05. 2009
  2. Furlong, CE, Cole, TB, Richter, RJ, Yee, NK, Costa, LG, MacCoss, MJ, BIOMARKERS FOR EXPOSURE AND OF SENSITIVITY TO ORGANOPHOSPHORUS(OP)COMPOUNDS,Proceedings of the Contaminated Air Protection Conference : Proceedings of a Conference, held at Imperial College,London, 20-21 April 2005, Winder, C., editor, University of New South Wales, Sydney, 2005.
  3. Degenhardt, C.E.A.M., Pleijsier, K., van der Schans. M.J., Landenberg, J.P., Preston, K.E., Solano, M.I., Maggio, V.L., Barr, J.R. Improvements of the fluoride reactivation method for the verification of nerve agent exposure. Journal of Analytical Toxicology 2004, 28: 364-371.
  4. Polhuijs, M., Landenberg, J.P, Benschop, H.P. New method for retrospective detection of exposure to organophosphorus anticholinesterases: application to alleged sarin victims of Japanese terrorists. Toxicology and Applied Pharmacology 1997, 146: 156-161.
  5. Peeples, E.S., Schopfer, L.M., Duysen, E.G., Spaulding, R., Voelker, T., Thompson,C.M., Lockridge, O. Albumin, a new biomarker of organophosphorus toxicant exposure, identified by mass spectrometry. Toxicological Sciences 2005, 83: 303-312.
  6. Abou-Donia, M.B. Organophosphorus ester-induced chronic neurotoxicity. Archives of Environmental Health 2003, 58: 484-497.
  7. Robert Haley, Gulf War veterans display abnormal brain response to specific chemicals, Press Release UT Southwestern, March 20, 2009
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4 Kommentare zu “Forschung für Biomarker toxisch bedingter Gesundheitsschäden kurz vor dem Durchbruch”

  1. Henriette 4. Mai 2009 um 23:43

    Ich freue mich sehr, dass die forschenden Wissenschaftler aller Voraussicht nach bis 2010, kontaminierte Kabinenluft als Krankheitsursache dingfest machen können. Auch dass nicht nur das Flugpersonal davon profitiert, sondern ebenfalls, dass die im Blog erwähnten Biomarker auch für Chemikaliensensible relevant sein werden.

    Es ist schön zu lesen, dass ausländische Forscher weiter am Thema Umweltkrankheiten dranbleiben. Für mich als MCS-Kranke ist dies ein sehr beruhigendes Gefühl, denn die MCS-Lügen sind meiner Meinung nach bald alle Schnee von gestern.

  2. Domiseda 5. Mai 2009 um 08:34

    Danke für die Aussicht auf neue Nachweismethoden- die dann auch in Deutschland angewendet werden?Hoffentlich gehen sie nicht an denjenigen MCS-Kranken vorbei, die seit vielen Jahren äusserste Karenz von allgemein verbreiteten und belastenden Substanzen üben müssen und die sich keine neue freiwillige Exposition zu gefährlichen Nachweisen auf neuestem Stand leisten können.

  3. K. Fux 6. Mai 2009 um 14:19

    Solche Nachrichten lese ich immer wieder gerne, wenn neue Diagnosemöglichkeiten vor dem Durchbruch stehen und dass diese hier erwähnte Methode, sogar für uns Chemikaliensensible relevant sein kann. Das Flugpersonal wie auch die Passagiere sind beim Fliegen Gesundheitsgefahren ausgesetzt, die Spätfolgen nach sich ziehen können, wie hier berichtet. Endlich kann eine durch schadstoffhaltige Kabinenluft entstandene Erkrankung, im Nachhinein bewiesen und somit hoffentlich das Leid der Betroffenen verringert werden. Denn durch den erwähnten Biomarker haben die Geschädigten wenigstens die Gewissheit, dass sie krank sind und durch was, damit ihnen das Schicksal vieler MCS Kranken erspart bleibt, denen man psychische Erkrankungen andichten will.

  4. Wanderfalke 8. Mai 2009 um 17:20

    Chemikalien-Sensitivität durch in die Flugkabine gelangte Organophosphate zu erleiden, ist schon heftig. Aber dann noch im Dunkeln tappen zu müssen, ohne zu wissen, an was man erkrankt ist, setzt allem die Krone auf. Umso begrüssenswerter ist es, dass es den amerikanischen Wissenschaftlern gelungen ist, Diagnoseverfahren zu entwickeln, die die wahren Übeltäter auch im Nachhinein dingfest machen können.

    Dass neue Biomarker zur Feststellung toxisch bedingter Gesundheitsschäden vor dem Durchbruch steht, erfreut mich sehr, denn dies kommt sicherlich auch uns MCS Patienten zugute.

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