Archiv der Kategorie ‘Krank durch Chemikalien‘

Durchsichtige Strategie in der deutschen Umweltmedizin

Chemikaliensensitivität, ein Problem, das der Industrie unbequem ist

Im Jahr 1962 erschien in den USA das erste medizinische Fachbuch über Chemikaliensensitivität. Der amerikanische Allergologe Theron Randolph hatte seit 1945 Artikel und Fallbeispiele in Fachzeitschriften veröffentlicht. Der Mediziner stellte durch Beobachtungen bei seinen Patienten und durch kontrollierte Provokationstests an ihnen fest, dass sie auf geringste Konzentrationen bestimmter Chemikalien Symptome entwickelten. Ausführliche Anamnese enthüllte bei nahezu allen seinen Patienten, dass die initiale Ursache oder Ursachen Chemikalien waren. Bis heute, fünfzig Jahre später, wird versucht, das für die Industrie unangenehme Problem „Chemikaliensensitivität“ oder Multiple Chemikaliensensitivität (MCS) als nicht existent abzutun.

In Deutschland negieren universitäre Einrichtungen und die Mehrzahl der niedergelassenen Mediziner immer noch, dass es Menschen gibt, die hypersensibel auf bestimmte Chemikalien reagieren. Wissenschaftliche Studien über die Folgen sensibilisierender Chemikalien und Belege für die Existenz von MCS und Chemikaliensensitivität werden für Deutschland als irrelevant und nicht gültig abgetan.

Die in der internationalen Wissenschaft für MCS verwendete Falldefinition, der „American Consensus“, die Chemikaliensensitivität bei Erkrankten identifiziert, wird ignoriert. Wenn eine Falldefinition überhaupt zum Einsatz kommt, ist es die in Zwischenzeit als unzuverlässig und fehlerhaft erkannte Definition des Industrieberaters Marc Cullen, die „Cullen Criterias“. Einfache Hilfsmittel, wie das QEESI Diagnosetool, die neben der Diagnosedefinition im Stande wären, Ärzten flächendeckend zu helfen, Chemikaliensensitivität schnell, einfach und ohne Kosten zu diagnostizieren, werden nicht kommuniziert.

Der in Deutschland für MCS anzuwendende Diagnosecode im ICD-10 lautet T78.4 und ist im Register für Verletzungen und Vergiftungen eingetragen. Er kann kinderleicht bereits mittels Smartphone und kostenlosem App von jedem gefunden werden. Trotzdem wird die Existenz des korrekten Codes und dessen Eingliederung in das Kapitel für Vergiftungen sogar von Medizinern und medizinischen Fachverbänden bestritten, obwohl der ICD-10 für jeden Mediziner verbindlich ist (Sozialgesetzbuch V). Der Code für MCS sei nicht auffindbar, heißt es notorisch.

Objektive, wissenschaftlich basierte Aufklärung in medizinischen Fachzeitungen, im Sinne dessen, was MCS tatsächlich ist, was die Erkrankung an Auswirkungen für den Erkrankten mit sich bringt und wie man jemandem mit MCS medizinisch helfen kann, findet nicht statt.

Die Situation, die man mit dieser durchsichtigen Vorgehensweise schafft, stellt sich wie folgt dar:

  • medizinische Versorgung für Chemikaliensensible ist, außer durch wenige Privatärzte, nicht existent. Seit einem Jahr gibt es ein einziges Krankenhaus in Hamburg, das über zwei Krankenzimmer verfügt, die für Chemikaliensensible bis zum mittleren Schweregrad bedingt geeignet sind.
  • Die soziale Versorgung der Chemikaliensensiblen obliegt dem Erkrankten und seiner Familie.
  • Anerkennungsverfahren zur Erlangung eines Behindertenstatus werden verschleppt, oder man deklariert Chemikaliensensitivität als psychische Störung und negiert damit den Stand der Wissenschaft und den internationalen medizinischen Sachstand.

Das wichtigste Ziel, das Verursacher für die bei ca. 15% der Bevölkerung auftretende Erkrankung erreicht sehen wollen, ist erfüllt:

Chemikaliensensible sind ohne Lobby, ohne adäquate medizinische Hilfe, und die Erkrankung bleibt im Wesentlichen undiagnostiziert.

Die Basis, damit Gerichtsverfahren gegen Verursacher gewonnen werden könnten, bleibt somit unerfüllt. Damit es so bleibt, werden von Zeit zu Zeit Publikationen veröffentlicht, die Chemikaliensensitivität als „neue Erkrankung, die erst erforscht werden muss“ oder als psychische Störung abtun.

Neuere Bestrebungen, die dazu dienen sollen, dass die Situation längerfristig kontrollierbar bleibt und um den Erkrankten psychisch bedingte Probleme unterzuschieben, sind „Leitlinien“, die man allgemeingültig installieren will, um Möglichkeiten zur Durchsetzung eines „bio-psycho-sozialen Konzepts“ zu schaffen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1, September 2012

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Die besten Tipps für Allergiker für die heißeste Woche des Jahres

Gesundheit und Kühle

  • Ausreichend Wasser trinken. 3 – 4 Liter sollten es am heißesten Tag des Jahres sein. Etwas Zitronensaft ins Wasser erfrischt und das Saure wirkt wohltuend. Essen sollte man ganz leichte Speise, nichts, was zu fett ist oder zu mächtig.
  • Lüften sollte man an den heißesten Tagen des Jahres nur morgens früh und nachts. Tagsüber lassen geöffnete Fenster warme Luft einströmen, wodurch es in der Wohnung sofort unangenehm heiß wird.
  • Ein sehr gutes Hilfsmittel, um für Luftzirkulation zu sorgen, ist ein Ventilator. Ist die Wohnung extrem heiß, sollte man sich zwei oder drei Ventilatoren im Baumarkt besorgen und einen „Windkanal“ damit bilden. Große Standventilatoren gibt es bereits unter 15€.
  • Weil bei Hitze Schadstoffe vermehrt ausgasen, ist es wichtig, die Luft in der Wohnung dennoch erträglich zu halten, sofern der Wohnraum nicht clean ist. Falls Wohngifte die gesundheitliche Situation verschlimmern und sie durch Lüften nicht lösbar ist, sollte man einen Luftreiniger aufstellen.
  • Kühle Plätze sind bei über 30°C eine Seltenheit. Der beste Ort ist an einem (sauberen) Bachlauf mit Baumbestand oder im Wald. Manche Parks mit altem Baumbestand und Teich sind eine Oase, wenn man in der Stadt lebt.
  • Abstand nehmen sollte man von überfüllten Freibädern. Die Gefahr, einen Sonnenbrand zu bekommen, ist sehr groß und Schattenplätze bereits am frühen Morgen belegt. Menschen mit Allergien und MCS sollten zusätzlich bedenken, dass Schwimmbäder bei Hitze stärker gechlort werden und die anderen Schwimmbadbesucher mit Sonnencreme eingecremt sind, die Duftstoffe und Chemikalien enthält. Das kann schnell zu Problemen führen.
  • Bei heißem Wetter sollte jeder, in Rücksicht auf die eigene Gesundheit und die der Mitmenschen, auf Duftstoffe und Parfüms verzichten.
  • In allerletzter Not, wenn man aus seinem Wohnraum nicht raus kann, bleibt zum Abkühlen noch eine kurze kalte Dusche oder die Unterarme unter kaltes Wasser halten. Wer ein Wassertretbecken kennt, das schattig gelegen ist, kann sich glücklich schätzen.

Habt Ihr noch Tipps? Lasst Sie uns wissen!

Edeka und Kaiser’s verwenden noch immer giftige Kassenbons

Bei vielen Discountern hat Profit Vorrang vor Gesundheit der Verbraucher und vor dem Umweltschutz

Während Umweltschutz und die Gesundheit der Konsumenten vielen Konzernen am Herzen liegt, scheinen sich die Discounter Edeka und Kaiser’s auf Greenwashing zu beschränken. Sie verwenden noch immer hochgiftiges, BPA-haltiges Thermopapier für ihre Kassenbons. Der französische Discounter Carrefour, REWE, ALDI Nord und Lidl sind sensibler, sie suchten nach Bekanntwerden der Problematik Hersteller für Kassenbons, die weniger giftige Ersatzstoffe verwenden.

Andererseits kommt die Reue spät, denn seit 120 Jahren ist man sich bewusst, dass die Chemikalie Bisphenol A, meist kurz BPA genannt, sich im Körper wie das Hormon Östrogen verhält. In den vergangenen drei Jahren handelten Regierungen und Konzerne und eliminierten die bedenkliche Chemikalie aus einigen Produkten. Babyfläschchen aus Polycarbonat, die BPA enthalten, wurden in vielen Ländern und in der EU verboten. An Unkenntnis hinsichtlich der Toxizität und Umweltbedenklichkeit von BPA kann es bei Edeka und Kaiser’s nicht liegen.

Greenpeace gab eine Pressemitteilung heraus, um auf das sorglose Verhalten der beiden Discounter hinzuweisen:

Andere Firmen haben nach Kritik auf Ersatzstoffe umgestellt

Hamburg (ots) – Vor einem Jahr hatte eine Untersuchung des Greenpeace Magazins ergeben, dass sieben von acht getesteten Unternehmen im Thermopapier für Kassenbons giftige Bisphenole verwendeten.

Jetzt zeigt der Folgetest:

Kassenbons von Edeka enthalten noch immer das höchst umstrittene Bisphenol A (BPA), Kaiser’s setzt das kaum weniger kritische Bisphenol S (BPS) ein. Aldi Nord, die Deutsche Bahn und Lidl sind auf den Ersatzstoff Pergafast 201 umgestiegen. Rewe verwendet nun die Chemikalie D-8, Galeria Kaufhof und die Deutsche Post höchstwahrscheinlich ebenfalls.

BPA, das auch in Kunststoffen enthalten ist, steht seit Jahren in der Kritik. Es wirkt ähnlich wie das weibliche Sexualhormon Östrogen. Studien deuten darauf hin, dass es unter anderem die Reifung des Gehirns von Kleinkindern schädigen und die männliche Fruchtbarkeit beeinträchtigen kann. Problematisch ist auch der Ersatzstoff BPS: Studien zufolge wirkt er ähnlich stark hormonell wie BPA.

CSN Artikel über die Gefährlichkeit der Chemikalien Bisphenol A (BPA):

Die Substanzen befinden sich als Farbentwickler an der Oberfläche von Thermopapier und machen ein bis zwei Prozent von dessen Gewicht aus. Beim Anfassen können sie über die Haut ins Blut gelangen. Die schwedische Chemikalienbehörde KEMI hat kürzlich die Bisphenol-A-Exposition durch Thermopapiere berechnet und nennt die Gefahr einer Schädigung Ungeborener „nicht angemessen beherrschbar“. Die Behörde plädiert für ein vorsorgliches BPA-Verbot in Quittungen, da sich die hormonelle Wirkung schon „bei sehr geringen Dosen“ zeige. Die europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat inzwischen eine neue Risikobewertung angekündigt. Auch das Umweltbundesamt will prüfen, „ob das Risiko für Mensch und Umwelt möglicherweise unterschätzt wird.“

Sechs der acht geprüften Unternehmen sind auf die Ersatzstoffe Pergafast 201 oder D-8 umgestiegen. Beide Chemikalien wurden jetzt neben 15 anderen möglichen BPA-Alternativen von der US-Umweltbehörde EPA untersucht. Sie sind demnach für den Menschen weniger bedenklich als BPA, aber auch nicht risikofrei. D-8 ist BPS strukturell ähnlich, laut kalifornischer Umweltbehörde hat es eine „eindeutig hormonell aktive Wirkung“. Für Pergafast 201 gilt das nach heutigem Forschungsstand nicht. Beide Substanzen gefährden aber laut EPA die Umwelt. Gelangen sie in Gewässer, kann vor allem Pergafast Fische und andere Wassertiere schädigen. Wie schon vor einem Jahr empfehlen Experten deshalb: Kassenbons nur kurz anfassen, nicht in Kinderhände geben und im Restmüll entsorgen, damit die Chemikalien nicht in den Recyclingkreislauf gelangen.

Autor:

Antext: Silvia K. Müller, Chemical Sensitivty Network, 16. August, 2012

Pressemitteilung: Greenpeace, Weiterhin Gift in Kassenbons, 14.08.2012

Klinikum berichtet über 250 MCS Patienten

Kein Bedarf für spezielle Krankenzimmer für Behinderte?

Seit Sommer 2011 gibt es in Deutschland endlich ein Krankenhaus, das Umweltkranke mit MCS aufnehmen kann. Die Klinik in Hamburg ist die Einzige in ganz Deutschland. Weil sie hoch im Norden des Landes liegt und damit für Umweltkranke aus Süd- und Mitteldeutschland im Ernstfall fast unerreichbar, sind die eigens eingerichteten Umweltzimmer bislang unterbelegt. Umwelterkrankte aus dem Raum Stuttgart setzten sich dafür ein, dass auch in dieser Großstadt ein Krankenhaus Umweltzimmer einrichtet, um auch MCS-Kranken im süddeutschen Raum einen Klinikaufenthalt zu ermöglichen. Politiker der CDU wollten die an MCS Erkrankten unterstützen und fragten bei der Stuttgarter Stadtverwaltung nach. Der Leiter des Klinikums vor Ort führte eine Erhebung durch und stellte fest, dass man über 250 Patienten mit MCS versorgt hatte. Bedarf für spezielle Umweltzimmer wie in Hamburg sieht er trotzdem nicht. Obwohl MCS eine im ICD-10 unter Verletzungen und Vergiftungen, mit dem Code T 78.4 klassifizierte Krankheit ist.

Da Chemikaliensensitivität ab einem gewissen Schwergrad eine Behinderung darstellt, weil die Krankheit im Alltag stark einschränkt oder ihn völlig unmöglich macht und Aufenthalte in einer herkömmlichen Klinik nur mit weiterer gesundheitlicher Verschlechterung zu bewerkstelligen sind, sehen MCS-Erkrankte sich als benachteiligt gegenüber anderen Kranken und Behinderten an.

Krankenhausaufenthalt nötig, Krankenhaus unerreichbar

Für MCS-Kranke ist es schwer, Hunderte von Kilometern zurückzulegen, um behandelt zu werden. Der Transport in einem Krankenwagen ist wegen der teils schweren bis lebensbedrohlichen Reaktionen auf geringste Konzentrationen von Chemikalien nahezu unmöglich. Speziell ausgestattete Krankenwagen, wie es sie in den USA schon gibt, sind in Deutschland nicht verfügbar. Viele der Umweltkranken mit MCS sind nicht in der Lage, alleine zu reisen, es wäre schlichtweg unverantwortlich. Sie sind auf die Hilfe und ein Transportangebot eines Familienmitglieds oder Freundes angewiesen. Die Zumutbarkeit einer Wegstrecke von Süddeutschland nach Hamburg im Schmerzfall sei dahingestellt. Mit einer solchen mangelhaften Versorgungssituation ist kaum eine andere Patientengruppe in Deutschland konfrontiert.

MCS zu selten um angemessene Krankenzimmer bereitzustellen?

In der Südwestpresse wurde über die Anfrage der CDU und Stadtverwaltung beim Klinikum Stuttgart berichtet. Klinikleiter Claude Klier sagte gegenüber der Zeitung, es gäbe Zimmer im Klinikum, die einzelne Merkmale erfüllten, man habe bei einigen Klinikneubauten entsprechende Umweltstandards berücksichtigt und schadstoffarme Materialien verwendet. Umweltzimmer, wie es sie in Hamburg gibt, hält der Leiter des Stuttgarter Klinikums nicht für erforderlich und führt gegenüber der Zeitung interne Klinikstatistik an:

„Vom 1. Januar 2011 bis 30. Juni 2012 wurden 27 Patienten mit der Hauptdiagnose MCS im Klinikum Stuttgart aufgenommen – verteilt auf neun unterschiedliche Klinken, inklusive Notaufnahme. Weitere 227 Patienten hatten diese MCS als Nebendiagnose“.

Ein konkreter medizinischer Bedarf bestünde nicht, sagte der Leiter des Klinikums im Interview.

Mike, User im CSN Forum, wollte das nicht ungeprüft lassen. Er recherchierte und fand Folgendes heraus:

„Wenn man von einer durchschnittlichen Aufenthaltsdauer von 8,5 Tagen ausgeht, dann wären das 254 x 8,5= 2159 Belegungstage in 1,5 Jahren. Ein Bett würde da gar nicht ausreichen.“

Als seltene Erkrankung sieht auch die EU-Kommissarin für Gesundheit MCS nicht an. In einer Stellungnahme verdeutlichte sie Ende 2009 das MCS im internationalen ICD-10 klassifiziert sei und die Definition einer seltenen Erkrankung nicht erfülle, dafür sei sie zu häufig. Die Bereitstellung einer angemessenen Gesundheitsversorgung obliege den einzelnen EU-Mitgliedsländern ließ EU-Kommissarin Androulla Vassiliou damals wissen.

Kaum Ärzte informiert über die Existenz der Hamburger Umweltzimmer

Die zwei Umweltzimmer der Hamburger Klinik sind bislang zwar noch unterbelegt, aber die MCS-Patienten, die bereits dort zur Behandlung waren oder um sich operieren zu lassen, waren durch die Bank großen Lobes. Man habe wirklich das Möglichste getan, um den Aufenthalt für MCS-Patienten verträglich zu machen und ihnen sei medizinisch hervorragend geholfen worden. Bislang gab es nur wenig mediale Berichterstattung über die beiden Umweltzimmer, das mag ein Grund sein, weshalb die beiden mit viel Mühe errichteten Spezialzimmer unterbelegt sind.

Wenn man mit Klinikärzten aus dem Bundesgebiet spricht, trifft man auf Wissbegier bezüglich der Thematik, und es ist davon auszugehen, dass ein informativer Artikel über das Hamburger Pilotprojekt im Deutschen Ärzteblatt mit Interesse gelesen würde. Ärzte, die in ihrem Praxisalltag mit MCS-Patienten in Not konfrontiert werden, hätten gerne eine Anlaufstelle, selbst wenn sie entfernt ist. Erst kürzlich verstarb eine MCS-Patientin, weil es kein Klinikangebot für diese Patientengruppe gibt und der Hinweis von CSN auf die Hamburger Klinik genau einen Tag zu spät kam. Die Patientin war in der Nacht zuvor verstorben.

Andere Länder ermöglichen MCS-Patienten Klinikaufenthalte

In den USA, Kanada und Australien bemüht man sich seit Jahren, die Bedingungen in Krankenhäusern zu optimieren, um auch Chemikaliensensible behandeln oder im Notfall versorgen zu können. Standardisierte Notfallinformationen für Rettungssanitäter und Ärzte, Leitlinien, die Krankenhäusern helfen sollen, MCS-Patienten im normalen Klinikalltag versorgen zu können, spezielle Klinikabteilungen mit Arbeitsanweisungen, wie man diesen hypersensiblen Patienten den Aufenthalt ermöglicht, all das gibt es in den USA, in Kanada und Australien. Dass solche Maßnahmen mit hohen Kosten verbunden sind trifft nicht zwangsläufig zu. Arbeitsanweisungen, Duftstoffverbote und einfache Regelungen sind beispielsweise mit keinen nennenswerten Kosten verbunden.

MCS-Patienten, Behinderte die kaum medizinische Hilfe erhalten

Umweltzimmer nach Hamburger Standard kosten zwischen 30.000 und 40.000€, führte der Leiter des Stuttgarter Klinikums gegenüber der Südwestpresse an. Für eine Privatperson mag diese Summe hoch anmuten, für ein Spezialzimmer in einer Klinik ist sie kein Kostenfaktor, der nicht zu realisieren wäre. Über EU-Subventionen ist es möglich, Kliniken umweltverträglicher und schadstofffreier zu konzipieren. Bei entsprechender Planung dürfte es durchaus im Rahmen des Machbaren stehen, dass weitere Umweltzimmer, wie die in Hamburg, in verschiedenen Regionen in Deutschland geschaffen werden. Mit entsprechender „Vermarktung“ im Sinne von Kommunikation über die medizinische Fachpresse und Eintrag in entsprechende Klinikregister dürften diese Spezialzimmer für Allergiker und Umweltkranke sicherlich über ausreichende Belegung nicht klagen müssen. Fast jeder Zweite in unserem Land ist Duftstoffallergiker. Unter Chemikaliensensitivität (MCS) in beachtenswertem Ausmaß leiden rund 10-15% der Bevölkerung, wenn man Prävalenzstudien aus anderen Ländern für eine Bedarfserhebung zugrunde legt, weil es keine verlässlichen deutschen Studien gibt.

Werden MCS-Kranke gegenüber anderen Kranken und Behinderten benachteiligt?

MCS kann in Deutschland im Einzelfall schon seit Jahren als Behinderung anerkannt werden. Es gibt Chemikaliensensible, die ihre Krankheit als Behinderung eingestuft bekamen. Doch auch ohne eine solche behördliche Anerkennung gilt eine durch Behinderung beeinträchtigte Person, laut UN Behindertenkonvention, als Behinderter, dem Hilfe zusteht. Deutschland hat die UN -Behindertenkonvention unterzeichnet. Die deutschen Patienten mit Chemikaliensensitivität oder MCS können jedoch, auch Jahre nach der Ratifizierung des Behindertenschutzgesetzes, immer noch an keinem normalen Alltag teilnehmen und erhalten kaum medizinische Versorgung zugestanden. Die Kernaussage des Gesetzes besagt, dass kein Behinderter vor einem anderen Behinderten bevorteilt oder benachteiligt werden darf und adäquate Hilfe erhalten muss, da er sonst gegenüber anderen Behinderten und Mitmenschen als diskriminiert gilt.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. August 2012

Literatur:

 

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Renommierte Universität über Chemikalien-Sensitivität

MCS ist keine Allergie

Chemikalien-Sensitivität, in Deutschland häufig als „MCS“ bezeichnet, nimmt in seiner Häufigkeit zu. Obwohl wissenschaftliche Erhebungen ermittelten, dass rund 10-15% der Allgemeinbevölkerung unter Chemikalien-Sensitivität leiden, ist im medizinischen Bereich kaum Hilfe für die Erkrankten oder Fachwissen über die Umweltkrankheit anzutreffen. Das renommierte Johns Hopkins Hospital möchte mit einer informativen Beschreibung der Erkrankung dazu beitragen, die falsche These, „Chemikalien-Sensitivität“ sei eine Allergie, aus dem Weg zu räumen.

Führende Universität räumt Missverständnisse über Umweltkrankheit aus dem Weg

Die amerikanische Johns Hopkins University gehört zu den renommiertesten und bekanntesten Universitäten weltweit. Das zugehörige Johns Hopkins Hospital ist in der Wissenschaft und Medizin eine führende Institution. Auf der Webseite des JH Hospitals wird kurz und prägnant erläutert, was Chemikalien-Sensitivität ist und in welcher Relation Allergien dazu stehen:

„Chemikalien-Sensitivität wird nicht als allergische Reaktion betrachtet, weil es sich bei dieser Hypersensitivität nicht um Freisetzung von IgE (Immunglobulin E)-Antikörpern, Histamin oder anderen Chemikalien durch das Immunsystem handelt. Reaktionen auf bestimmte Chemikalien können jedoch ähnliche Reaktionen hervorrufen, wie sie bei Allergien erfahren werden.“

Chemikalien, die Chemikalien-Sensitivität auslösen

Weiterhin erfährt der Leser auf der Johns Hopkins Webseite, welche Chemikalien eine Hypersensitivität hervorrufen und dass es synthetische, wie auch natürliche Substanzen sind, die in folgenden Alltagsprodukten zu finden sind:

  • Teppichboden
  • Kunststoffe
  • Parfüms
  • Pflanzen
  • Farben
  • Zigarettenrauch
  • Schlecht belüftete Kaminöfen
  • Inhalativ aufgenommenes Ozon und Stickoxyd
  • Natürlich bedingte Umweltverschmutzung, wie bspw.: Staubstürme, Waldbrände oder ausgebrochene Vulkane
  • Von Menschen verursachte Umweltverschmutzung: Autoabgase, Ölraffinerien, Verbrennung fossiler Brennstoffe
  • Reinigungsflüssigkeiten
  • Pestizide

Fachinformationen erweitern medizinischen Kenntnisstand über Umweltkrankheit

Konstruktive Informationen, wie die der Johns Hopkins University, tragen dazu bei, dass Mediziner, Personal in Kliniken und Erkrankte ihren Kenntnisstand über Chemikalien-Sensitivität erweitern können. Fachinformationen wie diese, auch wenn sie noch um Vieles ergänzt werden könnte, sucht man auf Webseiten deutscher Universitätskliniken vergeblich.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. August, 2012

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Arbeitsschutz für Allergiker

Behörden setzen Rücksichtnahme auf Duftstoffallergiker durch

Das Benutzen von Parfüms, Bodylotions, Deo’s und anderen Duftstoffen an Arbeitsplätzen hat Dimensionen angenommen, die Behörden tätig werden lässt. Etwas Duft kann eine angenehme Bereicherung sein, wenn zu viel des Guten verwendet wird, werden Duftstoffe zur quälenden Last. Insbesondere in Büros, wo man auf engem Raum zusammen sitzt, kann das Parfüm oder Aftershave des Kollegen sogar zum handfesten Gesundheitsproblem werden. Für Allergiker, Asthmatiker und Chemikaliensensible (MCS) reicht ein wenig Parfüm, um die Arbeitsfähigkeit einzuschränken oder aufs Spiel setzen. Selbst ein kurzer Aufenthalt einer Person, die ein Parfüm oder Pflegeprodukt benutzt hat, das allergieauslösende natürliche Duftstoffe oder Chemikalien enthält, kann die Luft in einem Innenraum für viele Stunden belasten.

Die kanadische Bezirksregierung von Kootenay Boundary hat einer Arbeitsanweisung zur Minimierung von Duftstoffen und Parfüms am Arbeitsplatz höchste Priorität eingeräumt. Am 11. Juli 2012 trat die Leitlinie in Kraft. Seit einiger Zeit kann man nahezu wöchentlich über die Einführung solcher Regulierungen oder über Verbote von Parfüm und Duftstoffen bei Behörden, in Konzernen, auf Veranstaltungen, als auch in Schulen und Universitäten lesen.

Gründe für ein Duftstoffverbot

Die kanadische Bezirksregierung von Kootenay Boundary beschreibt in ihrer Leitlinie mit dem Titel „Scent-Sensitive Environment“ die Gründe für die nun in Kraft tretende Arbeitsanweisung. Man möchte die Gesundheit und das Wohlbefinden aller Mitarbeiter und Besucher durch Minimierung von parfümierten Produkten die Umwelt- und Chemikaliensensitivität auslösen können, sicherstellen. Das Ziel der Leitlinie ist die Reduzierung der Verwendung stark gedufteter Produkte. Die Behörde hat insbesondere folgende problematische Produkte im Visier und bittet darauf zu verzichten, wenn sie parfümiert sind, bzw. auf duftfreie Alternativen auszuweichen:

  • Shampoo, Conditioner
  • Haarsprays
  • Deos
  • Parfüms, Aftershaves
  • Bodylotions, Cremes
  • Potpourri
  • Handseifen
  • Kosmetika
  • Lufterfrischer, Raumsprays
  • Aromatherapie Produkte
  • Duftöle
  • Beduftete Kerzen

Die Behörde ist bestrebt, Reinigungs- und Desinfektionsmittel zu finden, die verträglich sind und verspricht die Verwendung zu beobachten und im Falle von Unverträglichkeiten durch Ersatzprodukte Abhilfe zu schaffen.

Duftfreie Arbeitsplätze werden zur Norm

In USA und Kanada sind Arbeitsplätze, an denen ein „Duftstoff- oder Parfümverbot“ herrscht, keine Seltenheit mehr. Arbeitsplätze, an denen Duftstoffe und Parfüms reglementiert sind, stellen in diesen Ländern laut Dokument der Bezirksregierung von Kootenay Boundary zwischenzeitlich eine gewisse Norm dar. Ähnliche der Gesundheit von Angestellten an Arbeitsplätzen zuträgliche Bestrebungen sind in europäischen Ländern erst selten anzutreffen. Die Leitlinie wurde von der kanadischen Bezirksregierung als Teil eines umfassenden Programms für Arbeitssicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz eingeführt. Mitarbeiter, Leiter von Behörden wie auch Besucher sollen sich daran halten, um die Gesundheit ihrer Mitmenschen zu schützen.

Ist Verzicht auf Duftstoffe wirklich nötig?

Duftstoffe bestehen aus Chemikalien oder aus natürlichen Ölen, die allergene Wirkung haben können. Zusätzlich oxidieren solche ätherische Öle durch Licht-, Luft- und Ozoneinwirkung wodurch Schadstoffe freigesetzt werden. Es ist also keineswegs unbedenklich, wenn nur natürliche Duftöle / Aromaöle verwendet werden, oder bspw. Reinigungsmittel mit Zitrusöl. Beides, chemische und natürliche Duftstoffe belasten die Raumluft und können die Gesundheit einer Person erheblich beeinträchtigen. Folgende Gesundheitsbeschwerden durch beduftete Produkte, Parfüms, etc. werden häufig berichtet und auch in der Leitlinie für Arbeitssicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz angeführt:

  • Kopfschmerzen
  • Schwindel
  • Benebeltes Gefühl im Kopf
  • Übelkeit
  • Erschöpfung
  • Schwäche
  • Müdigkeit
  • Konzentrationsstörungen
  • Depressionen
  • Angst
  • Taubheitsgefühle
  • Atemwegbeschwerden
  • Kurzatmigkeit
  • Hautirritationen
  • Tränende, gereizte Augen
  • Anaphylaxie

Kosten für die Umsetzung eines Duftstoffverbots am Arbeitsplatz

Duftfreie Seife für Seifenspender und Reinigungsmittel ohne Duft kosten nicht mehr als herkömmliche Produkte, wenn man etwas Preisvergleich betreibt. Die Kosten für die Umsetzung eines Duftstoffverbots sind abhängig von der Größe eines Unternehmens oder einer Behörde. Hinweisschilder, Schulungsmaterial und Aufklärungsbroschüren sind die Hauptposten. Wenn nicht viele Mitarbeiter über ein Duftstoffverbot informiert werden müssen, reicht oft eine einfache Dienstanweisung, die außer Mühe und Zeit, sie zu erstellen, keine oder kaum Kosten verursacht.

Rigoroses Verbot oder freiwilliges Verzichten auf Duftstoffe?

Ob an einem Arbeitsplatz ein rigoroses Duftstoffverbot eingeführt werden muss oder ob Aufklärung und die Bitte an Mitarbeiter und Besucher auf duftende Kosmetika zu verzichten, ausreicht, hängt von einigen Faktoren ab:

  • Kooperationswille der Mitarbeiter und Gebäudebesucher
  • Mitarbeiter, die schwere gesundheitliche Reaktionen durch Parfüms und Duftstoffe erleiden
  • Gesundheitsbewusstsein, Einsicht
  • Schrittweises Vorgehen aus Umsetzbarkeitsgründen
  • Zeitlicher Aufwand, Mitarbeiter über das Duftverbot zu informieren (Schulungen)
  • Duftstoffe vom Arbeitsplatz verbannen

Parfüms und Duftstoffe gehören zwar für viele Menschen zum Leben dazu, sie sind jedoch in keinster Weise notwendig. Jeder, der besorgt ist um das Wohlergehen und die Gesundheit seiner Mitmenschen, kann dazu beitragen, dass eine Firma, ein Betrieb oder eine Behörde barrierefreier und ein gesünderer Arbeitsplatz wird.

Unterstützen kann man die Einführung einer solchen Duftstoff-Reglementierung durch:

  • Hinweisschilder an Eingängen, auf Toiletten und in den verschiedenen Arbeitsbereichen
  • Eliminierung von Duftspendern auf Toiletten, statt dessen Einbau einer besseren Lüftung
  • Besonders eingeschränkten Mitarbeitern gestatten, einen Raumluftfilter in ihrem Arbeitsbereich einzusetzen, ihre Pausenzeiten frei wählen zu können, bei Erfordernis eine Aktivkohle-Schutzmaske verwenden zu dürfen
  • Telefon, Intranet, iMessage, Messenger, SMS und andere Möglichkeiten elektronischer Kommunikation nutzen, um Mitarbeiter mit schweren Gesundheitsproblemen vor massiver Duftstoffexposition zu warnen

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Juli 2012

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„Funktionelle Leiden“ – Eine vorsätzlich gelegte falsche Spur?

Einspruch gegen das dänische liaisonpsychiatrische „TERM-Modell“

in einem neuen Buch von Bente-Ingrid Bruun

Die dänische Gesellschaft für Allgemeinmedizin [Dansk Selskab for Almen Medicin, DSAM] hat geplant, ein kleines, klinisches Handbuch zu funktionellen Leiden und Psychosomatik [Klinisk Vejledning om Funktionelle Lidelser og Psykosomatik] für Hausärzte herauszugeben, das im Oktober 2011 als Hearing-Entwurf verschickt wurde. Wie erwartet, kamen viele Hearing-Einsprüche von medizinischen Fachgesellschaften und Selbsthilfegruppen. Eine Anzahl dieser Einwände werden nun im Appendix des neuen Buchs von Bente-Ingrid Bruun veröffentlicht.

Mehr und mehr Kinder und Erwachsene klagen über Kopfschmerzen, Ruhelosigkeit, Unwohlsein, Gelenkschmerzen, Herzprobleme, Schlafstörungen, Müdigkeit, fehlende Konzentration und Missmut. Die Mehrheit hat aber keine funktionellen liaisonpsychiatrischen Leiden, wie es von Professor Per Fink behauptet wird. Fink ist für die Forschungseinheit für funktionelle Leiden und Psychosomatik, Aarhus, zuständig. Per Fink hat einen veralteten, neurologischen Brauch ausgebaut, mittels dessen Neurologen schon früh die Angewohnheit annahmen, in ihrem Gutachten subjektive Einschätzungen zu funktionellen Leiden abzugeben, wenn sie ausserstande waren, die Leiden ihrer Patienten zu diagnostizieren. Sie gaben psychosoziale Faktoren an, obwohl diese nicht nachgewiesen waren, und die Angewohnheit, funktionelle Einschätzungen zu verwenden, hat sich inzwischen bei Schwierigkeiten beim Diagnostizieren auch auf andere medizinische Fachgebiete ausgebreitet. Etliche Ärzte etwa haben Probleme damit, Schleudertraumen und Hypersensitivitäten wie MCS und EHS zu diagnostizieren, obwohl es schon nachgewiesen ist, dass die Umweltkrankheiten mit steigender Exposition zu chemischen Schadstoffen und drahtlosen Signalen wie WiFi und 3G zusammenhängen. Karenztherapie und Expositionsstop haben einen positiven Effekt auf die Erkrankten. MCS hat in Dänemark gerade eine selbständige Diagnose, DR688A1, im Klassifikationssystem des Gesundheitssystems bekommen.

Das angestrebte Ziel ist, subjektive Einschätzungen über funktionelle Leiden als liaisonpsychiatrische Diagnosen anzuerkennen. Menschen mit WHO klassizifizierten ICD-10 Diagnosen wie Fibromyalgie, werden damit ins dänische Patientenregister aufgenommen, als ob sie ein psychiatrisches Leiden hätten. Auf diese Weise vermehrt sich statistisch gesehen das Ausmass funktioneller Leiden, und die oben angeführte Behauptung lässt sich irrigerweise bestätigen.

Wie viele wissen, dass Menschen mit Umweltkrankheiten, chronischen medizinischen Krankheiten und Hypersensitivitäten wie MCS und EHS in der Zukunft bei ihren Hausärzten ihre Krankheiten in funktionelle Leiden konvertiert bekommen aufgrund eines veralteten ”TERM-Modells” ( The Extended Reattribution and Management Model), woraus belastende Umweltfaktoren aussortiert wurden? Symptombehandlung mit Medikamenten und kognitive Gruppentherapie werden die künftigen Haupttherapien darstellen, und die Beschwerden sollen nicht länger bei einem Facharzt untersucht und diagsnostiziert werden.

Es geht um eine kostensparende, individuelle, gesundheitspolitische Lösung eines steigenden Krankheitsproblems in der hochtechnologischen drahtlosen Gesellschaft, in der die Verantwortung für die Auswirkungen politisch-finanzieller Entscheidungen über u.a. drahtlose Gesellschaften auf die Schultern des einzelnen Kranken gelegt werden soll.

Haben Ärzte und Psychologen Überlegungen über Begrenzungen des liaisonpsychiatrischen Fachgebiets angestrebt?

Autor: Bente-Ingrid Bruun. Übersetzung: Dorte Pugliese für CSN – Chemical Sensitivity Network, 25. Juli 2012

Das Buch ”LIAISONPSYKIATRI og TERM-modellen – Fra forebyggelse til fejlbehandling?”

[Liaisonpsychiatrie und das ”TERM-Modell” – zur Vorbeugung zur Fehlbehandlung?] ist gerade beim dänischen BoD Verlag erschienen. Die Autorin ist Diplom-Psychologin Bente-Ingrid Bruun.

ISBN: 978-87-7114-734-6 – Preis: 125 DKK [? 17 EUR] im Buchhandel. Wird auch online verkauft.

Bente-Ingrid Bruun ist erreichbar per Email: bibruun@viljens-kraft.dk oder per Telefon: +45 2070-4432.

 

Weitere CSN Artikel über die Situation von Umwelterkrankten in Dänemark:

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“:

Chemikalien in Kosmetika können Diabetes-Risiko bei Frauen erhöhen

Weichmacher in Körperpflegemitteln, Medikamenten und Medizinprodukten gefährden die Gesundheit

Kosmetika enthalten häufig eine ganze Anzahl von unterschiedlichen Chemikalien. Zum Teil haben diese Substanzen, die in vielen Bodylotions, Nagellacken, Seifen, Haarsprays, Parfüms, Aftershaves, etc. nachzuweisen sind, weitreichende Auswirkungen auf unseren Hormonhaushalt. Wissenschaftler aus Dallas fanden jüngst einen Zusammenhang zwischen erhöhten Konzentrationen bestimmter Phthalate im Körper und einem erhöhten Risiko für Diabetes bei Frauen. Diese als Weichmacher für Kunststoffe eingesetzte Chemikaliengruppe ist in den Kosmetika oft anzutreffen. Phthalate werden auch in Klebstoffen, Elektronik, Spielzeug und einer Vielzahl von anderen Produkten verwendet.

Phthalate verstärken Risiko, an Diabetes zu erkranken

Wissenschaftler des renommierten Brigham and Women‘s Hospital (BWH) in Dallas untersuchten die gesundheitlichen Auswirkungen von Phthalaten. In der groß angelegten Studie analysierten Forscher unter der Leitung von James Tamarra-Todd, Ph.D. die Urin-Konzentrationen von Phthalaten bei 2.350 Frauen. Die Probanden der in der medizinischen Fachzeitschrift „Environmental Health Perspectives“ veröffentlichten Studie hatten zuvor an einer Befragung zur nationalen Gesundheit der US Bundesbehörde „National Institute of Environmental Health Sciences“ teilgenommen. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass Frauen mit höherer Phthalat-Konzentration im Urin häufiger unter Diabetes leiden als solche mit geringerer Weichmacherbelastung.

Diabetes-Risiko bis zu 70% erhöht durch Weichmacher in Kosmetik

Die Wissenschaftler spezifizierten ihre Erkenntnisse, um deutlich zu machen, welche weitreichenden Auswirkungen die unterschiedlichen Phthalate in Kosmetika auf die Gesundheit haben können:

  • Bei den Frauen in der Studie, bei denen die höchsten Werte von Mono-Benzyl Phthalate und Mono-Isobutyl Phthalate nachgewiesen wurden, stellte man ein fast doppelt so hohes Risiko, an Diabetes zu erkranken, fest, als vergleichsweise bei den Frauen mit den niedrigsten Werten dieser Chemikalien im Urin.
  • Frauen mit einer etwas höher als dem Mittelwert liegenden Belastung von Mono-(3-Carboxypropyl) Phthalat im Urin hatten ein um etwa 60 Prozent erhöhtes Risiko für Diabetes.
  • Studienteilnehmerinnen mit mäßig hohen Belastungswerten der Chemikalienkombination Mono-n-Butyl-Phthalat-und Di-2-ethylhexylphthalat hatten etwa ein 70 Prozent erhöhtes Risiko für Diabetes.

Weitere Ursachenforschung notwendig

Einen Unsicherheitsfaktor gibt es jedoch in der Studie. Es steht zwar außer Frage, dass Phthalate mit Diabetes in Zusammenhang stehen und dass die Stichprobe einen repräsentativen Querschnitt für die Bewertung eines Risikofaktors für Diabetes in der weiblichen amerikanischen Bevölkerung darstellt. Doch obwohl die vorliegenden Forschungsergebnisse Rückschlüsse auf das Vorhandensein einer Phthalat-Belastung bei amerikanischen Frauen zulassen, bedarf es weiterer Absicherung der Kausalitätskette. Warum dies so ist, erläutert Studienleiter James Tamarra-Todd, Ph.D. von der Abteilung für Frauenheilkunde am BWH:

„Dies ist ein erster wichtiger Schritt in der Erforschung des Zusammenhangs zwischen Phthalaten und Diabetes“, sagte Dr. James-Todd. „Wir wissen, dass zusätzlich zu den in Körperpflegemittel verwendeten Phthalate in bestimmten Arten von medizinischen Geräten und in Medikamenten zur Behandlung von Diabetes vorhanden sind, das könnte ebenfalls erklären, warum Phthalate bei Frauen mit Diabetes in so hohen Konzentrationen nachweisbar sind. Also insgesamt wird mehr Forschung benötigt.“

Verbraucherschutz

Welche Konsequenzen seitens der Entscheidungsträger in Behörden und bei den Herstellern aus der aktuellen Studie gezogen werden, bleibt abzuwarten und kann dauern. Verbraucher können sich nur bedingt schützen, bis die Weichmacher in Kosmetika, Medizinprodukten und Medikamenten verboten werden.

Zwei der gängig in Kosmetika verwendete Phthalate müssen auf der Verpackung von Kosmetika angegeben werden und können unter den Kürzel DMP und DEP identifiziert werden. Einige andere Phthalate sind in Deutschland durch die Kosmetikverordnung verboten. Welche Chemikalien in nachgemachten Parfüms und anderen Kosmetika aus unsicheren Quellen zu erwarten sind, kann niemand einschätzen, und man ist gut beraten, auf solche unsicheren Produkte zu verzichten.

Bei Medizinprodukten und Medikamenten ist die Situation noch schwieriger. In diesen Bereichen hat man gerade erst begonnen, mögliche Ersatzchemikalien für die gesundheitsschädlichen Phthalate zu finden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 15. Juli 2012

Literatur:

Brigham and Women’s Hospital, Chemicals in personal care products may increase risk of diabetes in women, Environmental Health Perspectives, 13. Juli 2012.

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Grobe Missstände bei Antibiotika-Einsatz in Massentierhaltungen von NRW aufgedeckt

Bundesregierung muss endlich handeln

Berlin/Düsseldorf: „Die Geflügelindustrie hat den Einsatz von Antibiotika überhaupt nicht im Griff und gefährdet damit die Gesundheit der Bevölkerung“, kommentierte Hubert Weiger, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), die heute veröffentlichten Studienergebnisse über Antibiotika im Tränkewasser nordrhein-westfälischer Geflügelmastanlagen. Dem unkontrollierten Antibiotikaeinsatz in der Massentierhaltung müsse endlich ein Riegel vorgeschoben werden, forderte Weiger.

Das Verbraucherschutzministerium in NRW habe in 62 Prozent der untersuchten Puten- und Masthühneranlagen grobe Missstände beim Einsatz von Antibiotika festgestellt. So wurden mehrere Antibiotika im Trinkwasser nachgewiesen, die teilweise schon seit Jahren nicht mehr zur Behandlungen eingesetzt wurden. Die Medikamente seien im Tränkesystem der Massentierhaltungen verschleppt worden. Darüber hinaus seien auch nicht speziell zugelassene Antibiotika zum Einsatz gekommen.

Weiger: „Hauptursache für den Antibiotikamissbrauch sind die miserablen Haltungsbedingungen in den Anlagen und die fehlende Kontrolle des Medikamenteneinsatzes. Doch Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner versagt bislang bei der Aufgabe, hier gegenzusteuern. Beim geplanten neuen Tierschutzgesetz sucht man vergeblich nach besseren Tierschutzstandards. Und das Arzneimittelgesetzt lässt der Geflügelindustrie Hintertüren offen, so groß wie Scheunentore.“ Um die Verbraucher wirkungsvoll vor Antibiotikaresistenzen zu schützen, müsse Ministerin Aigner dringend nachbessern und sofort strengere Tierschutz- und Arzneimittelgesetze vorlegen. Geschehe dies nicht, müsse der Bundesrat alle Widerspruchsmöglichkeiten ausschöpfen.

Die Studienergebnisse zeigten, dass industrielle Mastanlagen mit ihren typischen Tränkesystemen beim verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika versagten, so der BUND-Vorsitzende. Antibiotikareste, die in den Tränkerohren von Riesenmastanlagen hängen blieben, würden offenbar von den Betreibern ignoriert. Dabei könnten schon Kleinstmengen an verschleppten Antibiotika Resistenzen bewirken.

„Die Untersuchung in NRW offenbart eine neue Dimension der Risiken der Agrarindustrie. Da der Einsatz der Antibiotika noch immer nicht zentral erfasst, geschweige denn flächig kontrolliert wird, haben Betreiber von Massentierhaltungen keinen Anlass, sorgfältig mit den Medikamenten umzugehen. Je schlampiger der Einsatz jedoch ist, desto eher bilden Keime Resistenzen gegen die Wirkstoffe“, sagte Weiger: Die Kontrollen müssten deshalb deutlich erhöht und im Missbrauchsfall wirksame Sanktionen erteilt werden können.

Der BUND forderte Ministerin Aigner auf, unverzüglich eine arzneigesetzliche Grundlage zu schaffen, nach der jeder Einsatz und jede Verschreibung vom Tierhalter und Tierarzt digital dokumentiert werden müssten. Ein Ampelsystem müsse Behörden automatisch und in Echtzeit ermöglichen, nachzuvollziehen, welche Betriebe zu hohe Mengen einsetzten und welche Tierärzte auffällige Mengen verschrieben. Untersuchungen wie in NRW müssten zudem auch in allen anderen Bundesländern vorgenommen werden, um die repräsentative Datenlage zu verbessern.

Autor: BUND, Reinhild Benning, BUND-Agrarexpertin, Presseerklärung vom 3. Juli 2012

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Rentenversicherung setzt sich für Duftstoffallergiker ein

Schutz für Allergiker und Chemikaliensensible

Einige Angestellte, die bei der amerikanischen Rentenversicherung „Multi Sector Pension Plan“ (MSPP) arbeiten, berichteten ihrem Arbeitgeber, dass sie auf verschiedene chemische oder parfümierte Produkte mit gesundheitlichen Beschwerden reagieren. Die Duftstoffallergiker und Chemikaliensensible unter den Mitarbeitern litten zunehmend unter der allgemein üblichen Verwendung von Parfüms, Bodylotions, Haarspray, Deos durch Kollegen und Publikumsverkehr. Das bewog die Rentenversicherung dazu, ein Duftstoffverbot am Arbeitsplatz einzuführen. MSPP bittet alle Mitarbeiter auf der Internetseite und durch Dienstanweisungen um Kooperation, um der besonderen gesundheitlichen Problematik von Mitarbeitern, die auf Chemikalien und Duftstoffe reagieren, gerecht zu werden und dazu beizutragen diese zu schützen.

Büroräume wurden zur duftstofffreien Zone deklariert

Haarspray, Parfüm, Deo kann bei Duftstoffallergikern oder bei Personen, die chemikaliensensibel sind, Kopfschmerzen, Atemwegbeschwerden und andere Symptome hervorrufen. Deshalb werden alle Angestellten und Besucher aufgefordert, völlig auf Parfüm und parfümierte Pflegeprodukte zu verzichten, wenn sie in die MSPP Büros kommen.

Kanadische Gewerkschaften schützen Geringverdiener

Nicht nur die Solidarität gegenüber Chemikaliensensiblen und Arbeitnehmern mit Duftstoffallergien ist alles andere als alltäglich, MSPP selbst ist eine bemerkenswerte Einrichtung. MSPP wurde von zwei kanadischen Gewerkschaften gegründet. Ihnen war aufgefallen, dass in manchen Berufsbereichen Geringverdiener nur freiwillig ganz gering versichert waren oder gar nicht abgesichert und somit keine Rente erhielten. MSPP sorgt dafür, dass diese Geringverdiener, die meistens Frauen aus einkommensschwachen Schichten sind, über die Arbeitgeber abgesichert werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 4. Juni 2012

Literatur: MSSP, Scent free Policy, 2012

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