Archiv der Kategorie ‘Behörden reagieren‘

Behördenkrieg gegen einen Jugendlichen mit Chemikalien-Sensitivität

Umweltkranke werden zur Zielscheibe

Patrick ging aufs Gymnasium. Die Schule fiel ihm leicht. In seiner Freizeit machte er Musik und spielte American Football. Die Rock Band, die er und seine Freunde gegründet hatten, fing an Fuß zu fassen und bekam Auftritte. Patrick fühlte sich mittendrin im Leben, jeder neue Tag war genial. Er schrieb Texte, die ins Mark trafen. Nicht das übliche Schülerband- gedudel. Zudem war er glücklich verliebt und schmiedete Pläne für die Zukunft. Dann pas- sierte es, Patricks’s Gesundheit kippte ab. Migräne bis auf Anschlag, Schwäche, Erschöpfung, er war zu nichts mehr fähig. Die Tage bestanden nur noch aus Schmerzen.

Der Alltag wurde zum geballten Schmerz

Die Schule wurde zur Qual. Patrick kämpfte. Er wollte nicht aufgeben, die Schule nicht, das American Football nicht, die Band nicht und schon gar nicht seine große Liebe. Was wäre das Leben ohne Alles? Schrott! Seine Eltern standen hinter ihm, sie ließen nichts unversucht. Ein Arzt fand die Ursache: Toxische Schäden durch Chemikalien und Schimmelpilze. Patrick war durch Chemikalien und Schimmel so krank geworden, dass kein Alltag möglich war. Er begann auf Haargel seiner Mitschüler zu reagieren. Axe Deo, das viele in der Schule benutzten, ein Alptraum, der Schmerzen auslöste, die mit nichts zu beschreiben waren.

Irgendwo hingehen mit den Kumpels, Auftritte mit seiner Band? No way. Dann ging es rasch, Patrick konnte nicht mehr zur Schule. Konnte nicht mehr lernen. Ende des American Football. Ende der Band. Ender der großen Liebe. Die Tage bestanden aus Schmerzen und den eigenen vier Wänden. Das ist so geblieben, bis jetzt. Isolation, Einsamkeit, jeder Tag ein Überlebenskampf – Das sind seine ständigen Begleiter. Medizinische Hilfe? Fehlanzeige. In Deutschland existiert keine Umweltklinik.

Ein Rachefeldzug gegen einen jungen Menschen?

Die Eltern von Patrick sind besorgt. Nicht zu vergessen, dass auch der Vater von Patrick schwer toxisch geschädigt ist und um seine Rechte kämpft. Was soll werden? Ohne Schulabschluss, ohne finanzielle, ohne medizinische Versorgung? Kein Kindergeld, keine Grundversorgung – Nichts. Was ist wenn sie nicht mehr da sind? Jeden Tag sehen sie ihren Sohn mit Chemikalien-Sensitivität, Schmerzen, die eigentlich nicht auszuhalten sind. Trotzdem gibt er nicht auf, das macht sie stolz auf ihn und gibt ihnen selbst Kraft, für ihn zu kämpfen. Patricks’s Eltern wollen, dass die Erkrankung ihres Sohnes als Schwerbehinderung anerkannt wird, schließlich ist er auf Hilfe von Dritten angewiesen und zwar rund um die Uhr. Die Eltern von Patrick sollten die Bürokratie kennenlernen. Medizinischer Dienst der Krankenkasse und Versorgungsamt lassen seit zwei Jahren ihre Muskeln spielen und verwehren dem jungen Mann jegliches Entgegenkommen.

Ende des Schweigens

Patrick’s Mutter hat niedergeschrieben, was ihrem Jungen seit zwei Jahren widerfährt: Keine Hilfe, nichts als Schikanen. Sie hat beschlossen, dass sie nicht länger schweigt:

MCS und die Anerkennung als Schwerbehinderung – eine Odyssee ohne Gleichen

März 2009 Erstantrag auf Feststellung einer Behinderung beim Amt für soziale Angelegenheiten

Schwere immuntoxische Schäden, Stoffwechselstörung, chronisch starke Schmerzen (Rücken, Kopf) u.a. durch Nervenentzündungen, Muskelschwäche, schul-/arbeitsunfähig seit 2004

August 2009 Bescheid

Grad der Behinderung beträgt 20

“..Zur Klärung, welche Beeinträchtigungen bei Ihnen vorliegt, wurden ärztliche Unterlagen beigezogen (z. B. von behandelten Ärzten).

Die Auswertung dieser Unterlagen unter Einschaltung unseres ärztlichen Sachverständigen hat ergeben, dass bei Ihnen folgende Beeinträchtigung(en) vorliegt (vorliegen) – in Klammern steht der jeweilige Einzel-GdB-:

1. Psychovegetative Mindestbelastbarkeit

Von dieser (diesen) Beeinträchtigung(en) bin ich bei der Entscheidung ausgegangen.”

August 2009 Widerspruch

Begründung

Laut ihrer eigenen Aussage „sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Leben typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist“ (§2 Abs.1 SGBIX vom 19/06/2001).

Ihr Bescheid stützt sich lediglich auf die Behauptung „…Psychovegetative Minderbelastbarkeit (20)“ – hier stellt sich mir die Frage, ob ihr wissenschaftlicher Erkenntnisgewinn grundsätzlich „wertfrei“ zu beurteilen ist und ob sie ihrer Sorgfaltspflicht nachgekommen sind.

Obwohl sie genügend begründete Unterlagen seitens Dr. Binz und Dr. Lucas erhielten, haben sie diese meines Erachtens bewusst nicht zur Kenntnis genommen bzw. einfach ignoriert. Es ist hinreichend bekannt, dass Gutachter die Wirkung von Chemikalien, Schimmelpilzen, Schadstoffen udgl. mehr bei der Auslösung chronischer Krankheiten gerne leugnen.

Weitere dauerhafte schwer körperliche Beeinträchtigungen bleiben unberücksichtigt oder werden „psychiatrisiert“.

Weiteren Sachvortrag behalte ich mir vor, notfalls auf dem Klageweg.

Mit freundlichen Grüßen

September 2009

die Zweigstelle des Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung beabsichtigt eine ärztliche Begutachtung durch Dr. X als tätigen medizinischen Sachverständigen der Versorgungsverwaltung Rheinland- Pfalz durchführen zu lassen.

Dr. X lehnte die Begutachtung wegen Befangenheit ab, da Patrick schon Patient bei ihm war (wurde telefonisch seitens des Amtes eher hinten herum erfragt, ob das wirklich so stimmt, und dadurch erfuhren wir dann den Stand der Dinge, außerdem auch dass sie sich ärztliche Auskünfte wo anders auch eingeholt hatten)

November 2009

unsererseits um Mitteilung des aktuellen Sachstandes gebeten und folgende Unterlagen noch nachgereicht: Ärztliches Zeugnis von Dr. Binz, Ärzteinfo von Dr. Merz, Datenschutzerklärung und Erklärung zum Gutachterauftrag. Ende des Monats nochmals erinnert.

Dezember 2009

unsererseits Aufforderung zur Offenlegung (Datenschutz), kurz darauf kam die Stellungnahme und Mitteilung “…Wie bereits telefonisch besprochen, beabsichtige ich, die Akte nach Abschluss der Sachverhaltaufklärung mit den ärztlichen Unterlagen und ihren Aufführungen zu der Art und dem Ausmaß der Erkrankung der Abteilung “Ärztlicher Dienst” zur Prüfung Ihres Widerspruchsbegehrens vorzulegen.

Im Anschluss daran wird Ihnen ein rechtsmittelfähiger Bescheid erteilt…”

Dezember 2009 Widerspruchsbescheid

Grad der Behinderung beträgt 30

“ Ihrem Widerspruch gegen den Bescheid des Amtes für soziale Angelegenheiten in …… wird insoweit stattgegeben, als es sich im Hinblick auf die nachstehende neue Entscheidung ergibt.

  1. In Abänderung der Entscheidung des Amtes für soziale Angelegenheiten in… wird der Grad der Behinderung (GdB) nach… mit insgesamt 30 bewertet.
  2. Im Übrigen wird Ihr Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen.
  3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auf- wendungen im Vorverfahren sind auf Antrag zu 1/3 zu erstatten…

Gründe:

Nach Auswertung aller aktenkundigen ärztlichen Befundunterlagen im Benehmen mit einem/einer medizinischen Sachverständigen ist der Grad der Behinderung (GdB) mit nunmehr 30 zu bewerten.

Die bei Ihnen vorliegende und einen GdB von 30 begründende Beeinträchtigung nach dem § 69 SGB IX wird wie folgt neu bezeichnet bzw. Ergänzt -…

Psychisches Leiden, Chronic-Fatigue-Syndrom (30)

Soweit Ihr Widerspruch über die nunmehr getroffene Entscheidung hinausgeht und auf die Feststellung eines höheren GdB gerichtet ist, wird er als nicht begründet zurückgewiesen.

Bei Ihnen wurden keine Befunde erhoben, die es rechtfertigen würden, den Grad der Behinderung höher zu bewerten.

Die Bewertung richtet sich alleine nach den “Versorgungsmedizinischen Grundsätzen” (Anlage 1 zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV)) bzw. den darin enthaltenen GdB-Werten, wie sie für bestimmte Veränderungen vorgeschlagen sind. Dem wurde auch in Ihrem Falle Rechnung getragen.

Die von Ihnen gewünschte Untersuchung war nicht erforderlich, weil der angefochtenen Entscheidung ausreichend ärztliche Befundberichte zugrunde lagen…”

FORTSETZUNG FOLGT

Autoren: Sivia K. Müller und Kira, CSN – Chemical Sensitivity Network, Februar 2011

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EU-Reglementierung folgt dem weltweiten freiwilligen Verbot der Parfümindustrie

Brüssel (ots/PRNewswire) – Die Europäische Kommission hat gerade ihre Entscheidung zur Sperre des Parfümstoffes Musk Xylene unter der neuen Europäischen Chemieverordnung REACH bekannt gegeben, die EU-Reglemen- tierungen mit den weltweiten IFRA Standards harmonisiert.

Die International Fragrance Association (IFRA) hat Musk Xylene freiwillig mit Hilfe der IFRA Standards gesperrt, welche ein Teil des selbstregulierenden weltweiten Programmes der Parfümbranche –dem IFRA Code of Practice (Verhaltenskodex) – sind.

Der Stoff wurde auf Grund seiner potentiellen Auswirkungen auf die Umwelt verbannt.

Die IFRA Standards bilden die Basis für das weltweit akzeptierte und anerkannte Risiko- managementsystem zur sicheren Nutzung von Parfüminhaltsstoffen und sind Teil des Produktrisikomanagementverfahrens, dem IFRA Code of Practice. Dieser ist das selbstregulierende System der Branche, basierend auf Risikobewertungen eines unabhängigen Expertenpanels.

Das Expertenpanel* besteht aus angesehenen, unabhängigen Experten der Disziplinen Dermatologie, Toxikologie, Pathologie und Umweltwissenschaften. Ihre Rolle ist die Beurteilung von Daten eines Parfümstoffes um festzustellen, ob es dem aktuellen Gebrauchswert standhält und um zu gewährleisten, dass es Konsumenten oder Umwelt keinem Risiko aussetzt. In Fällen, in denen die Sicherheitsermessung den aktuellen Gebrauch nicht unterstützt, rät das Expertenpanel der IFRA, den Inhaltsstoff durch einen Standard entweder zu sperren oder einzuschränken. Dies war das Verfahren, das zur Erstellung eines IFRA Standards geführt hat, welcher den Gebrauch von Musk Xylene als Teil der 44. Ergänzung zum IFRA Verhaltenskodex vom Juni 2009 verbietet.

Der Verhaltenskodex ist für alle IFRA Mitglieder Pflicht, wobei die Mitgliedschaft ca. 90% des weltweiten Volumens an Parfümstoffen ausmacht.

„Ich freue mich darüber, dass das weltweit umfassendste Regelwerk mit unserem globalen Sicherheitsprogramm übereinstimmt,“ sagte Pierre Sivac, IFRA Präsident. „Wir haben schon immer unsere Sicherheitsver- antwortung sehr ernst genommen und unser selbstregulierender Ansatz hat einmal mehr bewiesen, auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, schneller einsetzbar und rentabler für Industrie und Konsumenten zu sein. Wir werden durch die weltweite Implementierung unserer Standards weiter daran arbeiten, ein sicheres Dufterlebnis zuzusichern.“

Literatur: IFRA, EU Regulation follows fragrance industry’s voluntary global ban, 18.02.2011

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Krebs bei Lehrerin wurde nicht als Berufskrankheit anerkannt

Mit am 17. Februar 2011 in öffentlicher Sitzung verkündeten Urteilen hat die 23. Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf durch Einzelrichter die Klagen einer 25 Jahre am Berufsbildungszentrum Grevenbroich beschäftigten 52-jährigen Berufsschullehrerin und ihres 17-jährigen Sohnes (23 K 7945/08) sowie eines 59-jährigen Witwers einer über 30 Jahre am selben BBZ beschäftigten weiteren Berufsschullehrerin, die ebenfalls an Brustkrebs erkrankt und an auftretenden Metastasen im Jahr 2009 im Alter von 55 Jahren verstorben ist (23 K 2989/09), abgewiesen.

Zur Begründung führte der Richter im Wesentlichen aus: Bauschadstoffe, wie eine etwaige Belastung aus dem PVC-Fußboden, kämen als Ursachen einer Berufskrankheit im Sinne von § 31 Abs. 3 Beamtenversorgungsgesetz nicht in Betracht, weil Beamte solchen Gefahren nicht „nach der Art ihrer dienstlichen Verrichtung besonders ausgesetzt“ seien. Die Beschaffenheit der Diensträume sowie des Dienstgebäudes sei insoweit unbeachtlich.

In Bezug auf den von der Klägerseite angeführten Schadstoff Benzol, der aus den aus Weich-PVC bestehenden Lebensmittelattrappen ausgegast sei, die von beiden Berufsschullehrerinnen bei der Ausbildung von Bäckereifachverkäuferinnen verwendet worden seien, reiche die Erkenntnislage auf der Grundlage des vom Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens eines Krebs-Spezialisten nicht aus, um einen hinreichenden Ursachenzusammenhang zwischen der Einwirkung von Benzol und der Erkrankung an Brustkrebs festzustellen.

Die Klage des 17-jährigen Sohnes wegen einer geltend gemachten Vorschädigung während der Schwangerschaft wies das Gericht schon im Hinblick darauf ab, dass der Antrag auf Anerkennung als Berufsunfall nicht innerhalb der Gesetzesfrist von 10 Jahren ab der Geburt gestellt worden sei.

Gegen die Urteile können die Kläger Antrag auf Zulassung der Berufung beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster beantragen.

Literatur:

Verwaltungsgericht Düsseldorf, Brustkrebs von Berufsschullehrerinnen nicht als Berufserkrankung anerkannt, 17. Januar 2011

CSN-Artikel zum Thema Schadstoffe in Schulen:

CSN Forum:

Ein umfangreicher Thread zum Thema Schadstoffe in Schulen

Politiker unterstützen Umweltkranke, die auf Chemikalien reagieren

Aufklärungskampagnen für Chemikaliensensible

Die Gouverneurin des US Bundesstaates Washington ist in diesem Jahr die erste Unterzeichnerin einer Proklamation, die Menschen unterstützen soll, die unter MCS – Multiple Chemical Sensitivity leiden. Alljährlich steht der Monat Mai für Aufklärung über diese Umwelterkrankung, die Erkrankte auf winzige Spuren von Alltagschemikalien reagieren lässt und dadurch ihr Leben völlig eingrenzt.

Zum 13. Mal finden in den USA in verschiedenen Bundesstaaten Veranstaltungen statt und werden Kampagnen durchgeführt, um den Bürgern nähere Informationen über MCS zu vermitteln. Die Akzeptanz in der Bevölkerung für die Umwelterkrankung konnte durch diese Maßnahmen erheblich verbessert werden. In den letzten Jahren klinkten sich MCS Organisationen aus verschiedenen Teilen der Welt mit ein, und so wurde aus der amerikanischen Aktion zur Verbesserung der Situation Chemikaliensensibler eine internationale Angelegenheit.

Verkündung von Gouverneurin Christine O. Gregoire, Washington State:


WEIL: Menschen aller Altersgruppen als Resultat einer massiven Chemikalienexposition oder wiederholten Expositionen gegenüber Chemikalien im Niedrigdosisbereich und gegenüber anderen Reizstoffen in ihrer Umwelt in Washington eine Erkrankung entwickelten, die als Multiple Chemical Sensitivity (MCS) bekannt ist; und

WEIL, MCS von zahlreichen Organisationen dahingehend anerkannt ist, so dass diese die Gesundheit und das Wohlergehen von Chemikaliengeschädigten unterstützen, einschließlich der WHO – Weltgesundheitsorganisation, dem Americans with Disabilities Act, der Social Security Administration, dem US Department of Housing and Urban Development und der Umweltschutzbehörde EPA; und

WEIL, MCS eine chronische Erkrankung ist, für die keine Heilung bekannt ist; zu den Symptomen chronische Erschöpfung, Muskel- und Gelenkschmerzen, Hautausschläge, Asthma, Kopfschmerzen und andere Atemwegs- und neurologische Probleme gehören; und

WEIL, MCS zu erheblichen Konsequenzen führen kann im finanziellen Bereich, bei der Arbeit, beim Wohnen, für die Gesundheit und soziale Folgen für die Menschen haben kann, die unter dieser Behinderung leiden; und

WEIL, angemessene Unterkünfte und das Wecken von Aufmerksamkeit für MCS, Chancen für Menschen mit dieser Behinderung schaffen kann, damit diese Zugang zu Arbeit, Schulen, öffentlichen und anderen Einrichtungen erhalten, wo sie weiterhin dazu beitragen können, ihre beruflichen Fähigkeiten, Ideen, Kreativität, Fähigkeiten einzubringen; und

WEIL, Menschen mit MCS Unterstützung brauchen und Kooperation durch Familie, Freunde, Mitarbeiter und der Gesellschaft, um ihre Krankheit zu bewältigen und sich an neue Lebensweisen anzupassen;

DESWEGEN und JETZT, verkünde ich, O. Gregoire, Gouverneurin des Bundesstaates Washington, hiermit den Mai 2011 als

Multiple Chemical Sensitivity Aufklärungsmonat

im Staat Washington, und fordere alle Bürger auf, diesen speziellen Monat mit mir einzuhalten.

Unterzeichnet am 24. Januar, 2011

Gouverneur Christine Gregoire O.

Autor: Silvia K. Müller, Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. Feb. 2011

Literatur: Gouverneur Christine Gregoire O., Proclamation 2011 MCS Awareness Month

Photo: Canary Report

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Wird aus nuklearem Sperrgebiet ein Vergnügungspark?

Das nukleare Sperrgebiet der Hanford-Anlagen ein Vergnügungspark mit Donald Duck und Co?

Derartiges gibt es längst anderswo auf der Welt, etwas das umweltbewusste Leute veranlasst, sich irritiert am Kopf zu kratzen – Chernobyl, der Ort an dem sich der weltweit schlimmste Atomunfall ereignete, ist zu einer Touristenattraktion geworden. Für 100 bis 185 Dollar kann man eine private Tour buchen oder unter dem Vorwand ökologischer Wissbegier an Gruppentouren zur Chernobyl Unglücksstelle teilnehmen. Schulklassen sind willkommen!

25 Jahre nach dem Unglück ist das Gebiet unbewohnbar, die Oberflächengewässer sind hoch radioaktiv und die umliegenden Wälder haben aufgrund der Strahlenschädigung immer noch eine rote Farbe. Die verheerenden, außer Kontrolle geratenen Brände des letzten Sommers in Russland haben Moskau mit dickem, aufblähendem Qualm nahezu erstickt und es wurden Befürchtungen laut, daß die Brände radioaktive Partikel aus der Chernobylgegend verbreiten könnten. Irgendwie zieht dies alles Touristen an, welche die Verwüstung aus erster Hand mitbekommen wollen. Der Atomunfall in Chernobyl hat Zehntausende getötet, die Stadt Pripyat, wo die Chernobyl-Arbeiter lebten, ausgelöscht und weitere hundert Tausende vertrieben. Selbst die Kühe der lokalen Milchwirtschaft geben radioaktive Milch.

Kurz vor dem Chernobyl-Unglück hat die Stadt Pripyat einen nagelneuen Vergnügungspark errichtet, der nun in desolatem Zustand von einem Friedhof aus zerdeppertem Glas und kaputten Gebäuden umgeben ist, den verkrüp- pelte Bäume in Beschlag genommenen haben. Reiseleiter bringen Besucher zu diesem Vergnügungspark, wo kleine Grasflecken die Geigerzähler fast zum Explodieren bringen und die Touristen weg gescheucht werden, weil das Gelände plötzlich von simplen Reiseleitern für kontaminiert und für menschliche Besiedlung unsicher erklärt wird.

Am Ende der Chernobyl-Tour muss jeder Besucher auf Strahlung abgescannt werden, dabei steht er zwischen zwei Metallteilen [Bügel] und hält seine Hände seitlich an die Sensor-Apparatur. Vergessen wir nicht, diese Gegend war mal eine aufblühende Stadt mit einem benachbarten Atomkraftwerk.

Dieses Szenario aus dem wirklichen Leben in Chernobyl führt uns vor Augen, was sich im nuklearen Sperrgebiet und in der nahe gelegenen Stadt Richland in Washington abspielen könnte.

Wie bitte – wenn es in der Verglasungsanlage für hoch aktiven Atommüll zu einer Explosion kommt oder wenn aus den Tanks mit hoch aktivem Atommüll eine größere Menge entweicht?

Unvorstellbar? Keineswegs. Unser Bundesenergieministerium (USDOE/United States Department of Energy) ist gerade dabei, diese Anlage für „kleine“ Explosionen auszulegen, anstatt Techniken und Sicherheitstests zu entwickeln, die sicher stellen, dass es zu keinen Explosionen kommt. Ein Artikel auf der ersten Seite der Seattle Times vom 23. Januar 2011 liefert Details, was das Ministerium trotz der von zahlreichen externen Experten und von Whistleblowern geäußerten Bedenken vor hat.

Man stelle sich Disneyland vor, mit seinen bunt angemalten Fassaden, Bonbonpapieren und Blumenkörben und der unaufhörlich aus den Lautsprechern klingenden Hintergrundmusik „It’s a Small World„. Es ist ein Fantasieland, mit kostümiertem Personal, das fleißig alles was irgendwie nach Abfall aussieht von unberührt sauberen Gehwegen fegt, mit Warteschlangen begeisterter Kinder, die von Mickey Mouse in den Arm genommen werden wollen. Disneyland ist das Amerikanische Idealbild von Erlebnisspaß. Nichts gegen Walt [Disney/Mickey Mouse Erfinder und Mogul], aber anscheinend hat sich das Amerikanische Energieministerium seiner Fantasien bemächtigt und diese zurecht gebogen. Wir wollen kein Salz in die Wunde streuen, doch die Verbraucherschutzgruppe Center for Environmental Health [Umweltgesundheits-Center] untersuchte Einkaufstaschen mit Disney-Motiven, die von der Safeway-Ladenkette verkauft wurden und fand heraus, dass der Bleigehalt einiger Taschen um das 17-fache über dem Grenzwert der Bundesbehörde für Kinderprodukte lag. Tampa Tribune, vom 12. Januar 2011. Insofern kann selbst die vertrauenswürdige Marke Disney Kinder vergiften.

Auf verschiedenen öffentlichen Versammlungen haben die Beamten der Energiebehörde (DOE) vorgeschlagen, dass aus Hanford ein Nationalpark wird, der die Möglichkeit bietet, direkt auf der Fundamentsohle von nuklearen Reaktorkernen zu picknicken und zu zelten. Die Energiebehörde führt weiter aus, dass das Gelände natürlich nicht mehr belastet ist und in einen sicheren Zustand versetzt wurde. Es wird einmal ein öffentliches Wahrzeichen an den unberührten Ufern des Columbia Rivers sein, obwohl längst eine große Menge radioaktives Material in den Fluss sickert, so dass die Fische im Flussabschnitt um Hanford von Geschlechtsumwandlung betroffen sind und möglicherweise ihre Reproduktionsfähigkeit verlieren. Die DOE-Beamten erklären, dass die stillgelegten Anlagen zu Touren und zur Nutzung als Museen zur Verfügung stehen sollten. Auf den umliegenden Flächen sollte die Neuansiedlung von Industrie oder vielleicht auch Landwirtschaft ermöglicht werden. Die 70 Kilometer nicht abgedichteter Gräben, aus denen die entsorgten giftigen Abfalle Hanfords in Boden und Grundwasser auslaufen, spielen dabei keine Rolle. Und die berühmte, unausgegorene Verglasungsanlage (die dafür geplant wurde, auf magische Art und Weise Millionen Gallonen (3,785 l) nuklearen Schlamm, der aus morschen Aufbewahrungstanks sickert, in lagerfähige Glasklumpen zu verwandeln), ist nicht nur um Jahre in Verzug und hat die immer noch wachsenden Ausgaben auf mehr als 12 Milliarden Dollar verdreifacht, sondern sie arbeitet auch physikalisch nicht stabil und ist möglicherweise dafür anfällig, dass radioaktives Gas explodiert.

Welch‘ großartige und entzückende Umstände für die Grundstückseigentümer und Bewohner von Richland! Die DOE könnte doch am Eingang von Hanford den Bau eines Märchenschlosses vorsehen, jede Nacht mit Feuerwerksvorführungen, die vor jubilierenden Massen abgebrannt werden, während gierige Bälge an pink gefärbter Zuckerwatte rumschmatzen. Jawohl Amerika, die Bundesregierung beabsichtigt, Hanford in nettes Geschenkpapier zu wickeln, um es uns als ein Vergnügungspark zurück zu geben, in welchem man uns Hirsch und Antilope vorführt.

Am 23. Dezember 2010 berichtete das Wall Street Journal, dass auf dem 1.518 Quadratkilometer großen Hanford Gelände ein Kaninchen kleine radioaktive Kügelchen verteilte, nachdem es radioaktives Wasser konsumiert hatte, das aus irgend einer unbekannten radioaktiven Abfallhalde sicherte – denken wir aber auch an radioaktive Mäuse, Steppenläufer, Beutelratten, Tauben, Wüstentermiten, Blattschneiderameisen, Kröten, Schwalben, Schlangen, Dachse, Fruchtfliegen und Grabwespen [Sceliphron caementarium].

Für die Betreiber bestand die Lösung darin, dass Kaninchen mit einer Schrotflinte abzuschießen und es dabei zu belassen (als ob es dort nur dieses eine Kaninchen gäbe). Vielleicht werden sie den Kadaver ausstopfen, eine Schleife um den Hals binden, ihm eine Karotte in die Tasche stecken und eine Neon-Leuchtschrift mit „Das echte Bugs Bunny Häschen“ darüber montieren, nichts gegen Warner Brothers.

Konzentrieren wir uns wieder auf die Verglasungsanlage

Auf unzähligen öffentlichen Versammlungen haben Bürger wiederholt Zweifel geäußert, ob die Verglasungsanlage wirklich funktionieren wird. Der Bau begann viele Jahre bevor die Planungen überhaupt fertig waren, und die Ausrüstung der Anfangsphase und der Betrieb wurden nie getestet. Mittlerweile lässt es die Bundesregierung zu, dass die undichten Lagertanks weiterhin auslaufen, ohne dass es einen Notfallplan gibt, falls die Verglasungsanlage versagt. Der Atommüll ist in die Böden und das Grundwasser vorgedrungen, welches in den Fluss gelangt. Bundesbeamte haben öffentlich ausgesagt, dass es nicht möglich wäre, alle giftigen Abfälle aus Boden und Grundwasser zu entfernen, da ein Dekontaminierungsvorhaben dieser Größe noch nie versucht wurde. Die im Schneckentempo stattfindenden Aufräumarbeiten dienen dem Schutz der Arbeiter und der Kostenkontrolle.

Während die lokale Flora und Fauna in Hanford bereits radioaktive Neutronen verteilt, fragt sich, wann Richlands Kläranlagen aufgrund der Belastung durch Hanford größere Mengen radioaktiven Abfall in die Umwelt abgeben. Immerhin ist der Columbia River flussabwärts von der Hanford-Anlage die Trinkwasserquelle der Stadt Richland und Radioisotope sind in dem, was am Ufer in den Fluss sickert, in Größenordnungen messbar, die weit über den für Trinkwasser zugelassenen Werten liegen. Die Umweltfolgenanalyse der DOE sagt eine großflächige radioaktive Verseuchung der gesamten geographischen Region für tausende von Jahren voraus und trotzdem gibt es immer noch diese undichten Tanks, eine der Hauptursachen für die Verseuchung des Geländes. Wie lange noch? Das Amerikanische Energieministerium brachte den Bundesstaat Washington dazu, eine Verzögerung von 22 Jahre bis zum Jahre 2040 zu akzeptieren, um die undichten einwandigen Tanks zu leeren. Vor der Leerung kann die Kontamination unter den Tanks nicht beseitigt werden… aber natürlich plant das Ministerium nicht, sie zu beseitigen. Es wird unsere Aufgabe sein, sie als aktive Bürger zu zwingen, die Behälter schneller zu leeren, das was ausgelaufen ist und die Abfälle in jenen 70 Kilometer nicht isolierter Gräben zu beseitigen.

Am 22. Januar 2011 brachte die Seattle Times ein Artikel-Duett zum Thema Verglasungsanlage in Hanford heraus:

Die Seattle Times berichtet: „Doch Teile der [Verglasungs-] Anlage sind immer noch mit dem Risiko verbunden, sich zu entzünden, zu explodieren oder unkontrollierte nukleare Kettenreaktionen auszulösen, was aus Projektunterlagen, Interviews und offiziellen Beurteilungen von Wissenschaftler und anderen Bundesbehörden hervor geht… Die eigenen Untersuchungen der Regierung zeigen, dass die Geräte versagen und Leitungen in Bereichen der Anlage verstopfen könnten, die wegen dem Atommüll so sehr strahlen, dass sich weder Menschen noch Maschinen jemals dorthin begeben können, um etwas zu reparieren… Die überstürzte Durchführung dieses Projektes hat zu derart vielen nachträglichen Planungsänderungen geführt, dass DOE-Beamte kürzlich behaupteten, die Anlage wäre zu komplex. Darum fingen sie an, das Anlagendesign zu vereinfachen, indem sie die Sicherheitsanforderungen herunter schraubten… Da der Atommüll z.B. gefährliche Gase produzieren kann, versuchten die Konstrukteure zuerst, das Leitungssystem so auszulegen, dass Feuer und kleine Explosionen verhindert werden. Doch nun werden die Leitungen so konstruiert, dass man Explosionen zulässt; die Betreiber der Anlage müssen sie nur beherrschbar halten.

Jawohl Leute, unsere Weltklasse-Verglasungsanlage in Hanford wird nun so geplant, dass man Explosionen von außer Kontrolle geratenem radioaktivem Gas zulässt. Wenn nicht alles täuscht, ist dies genau das, was zur Chernobyl-Explosion geführt hat, deshalb ist der Vergleich gar nicht so weit her geholt und Richland im Bundesstaat Washington ist vielleicht bald die Amerikanische Version von Pripyat. Wie werden wohl die nordwestlichen Wälder am Pazifik mit einem Hauch von radioaktivem Rot aussehen?

Um alles noch zu verschlimmern, wurde ein Beamter, der auf die Gefahr einer Explosionskatastrophe in Hanford hinwies gefeuert und sah sich gezwungen, einen Whistleblower-Prozess gegen die DOE anzustrengen. Wissenschaftler haben erklärt, dass die DOE grob unterschätzt, wie weit sich die Strahlung bei einem Unfall in Hanford ausbreiten könnte, doch sie behauptet weiterhin, die Öffentlichkeit wäre unter ihrer Verwaltung sicher.

Der [erste oben aufgeführten] Artikel der Seattle Times bemerkt, dass in offiziellen Stellungnahmen die Ansicht vertreten wird, es gäbe keine andere Wahl als die Verglasungsanlage mit der Zuversicht zu bauen, dass sie funktionieren wird. Nukleare Sicherheit und radioaktive Explosionen nur mit Zuversicht zu managen ist jedoch so ähnlich, wie mit den Händen zu klatschen, damit Tinkerbell wieder ins Leben zurückkommt. [Tinkerbell, eine in der Not helfende Fee aus einem Stück von M. Barrie, ist leider gestorben.] Dies ist ein Holzweg und Captain Hook wird bald von Krokodil gefressen, so dass nur noch seine tickende Uhr aus dessen Maul schaut. [Captain Hook ist eine weitere Figur von Barrie, die wie Tinkerbell zu einer Walt Disney Ikone wurde. Was könnte er für die DOE tun und welcher Kasper hat nun auch noch das Krokodil hereingelassen?]

Die DOE erwartet von uns, dass wir bedingungslos und absolut darauf vertrauen, dass diese nie erprobte, nicht fertige, [doch] beschlossene, um Jahre verzögerte, über dem Budget liegende Verglasungsanlage vielleicht ganz wunderbar funktionieren und nie ausfallen oder kaputt gehen wird, denn wenn das passiert, werden weder Mensch noch Maschine jemals in der Lage sein, sie aufgrund der extrem hohen Radioaktivität des verarbeiteten Atommülls, reparieren zu können. WAHRLICH! Diese Anlage ist die himmlische Lösung des schlimmsten Atommüllproblems in der westlichen Hemisphäre? ABER JA DOCH! Wenn wir darauf herein fallen, hat sich die Wirklichkeit vollends zum Disneyland gewandelt. Und wenn wir die Ethik der DOE bezweifeln, werden wir als Nörgler abgetan und in die Klapsmühle komplimentiert, unsere Bedenken werden ignoriert.

Aktionsvorschläge

Anstatt auf blindes Vertrauen zu setzen, regt „Heart of America Northwest“ folgende Aktionen an, um die beschriebenen Probleme zu lösen. Wenden Sie sich bitte mit diesen Forderungen an Ihren Gouverneur, an Senatoren und Repräsentanten:

  • Keine Verzögerung um 22 Jahre, um die undichten einwandigen Tanks mit hoch aktivem Atommüll zu leeren. Stattdessen ist der Bau neuer Lagertanks erforderlich, da wir nicht bis 2040 warten können, um die Tanks zu leeren oder damit anzufangen, die Leckagen und absichtlichen Entleerungen unter den Tanks zu beseitigen. Vor über einem Jahr waren mehrere hundert Menschen bei den Anhörungen gegen die Zustimmung des Staates Washington, das Leeren der Tanks um Jahrzehnte zu verschieben. Der Staat Washington muss seine Zustimmung zur Verzögerung zurück nehmen und mit dem Bau neuer Lagertanks unmittelbar beginnen.
  • Mit dem Versuch aufhören, die Anlage zu bauen, ohne die Sicherheit und die chemischen Verfahren zu überprüfen und die Entscheidung zurück nehmen, dass „kleine“ radioaktive Explosionen toleriert werden können. Der Kongress sollte die USDOE daran hindern, die technische Ausrüstung einzubauen, bis der Ausschuss für Verteidigung und Sicherheit nuklearer Anlagen bescheinigt, dass die Sicherheitsvorkehrungen ohne die Inkaufnahme der Möglichkeit „kleiner“ Explosionen auskommt.
  • Mittel für die Verglasungsanlage für den Bau neuer Lagertanks abzweigen. Dies verschafft Zeit, die Technik für Chemie und Sicherheit der Verglasungsanlage angemessen zu testen um zu sehen, ob sie tatsächlich funktioniert. Warum für etwas Milliarden ausgeben, das nicht den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen entspricht?
  • Fordern Sie, daß die USDOE mit dem Versuch aufhört, Hanford als Lager für weiteren Atommüll einzuplanen, wenn die Behörde heute und auch in der Zukunft nicht in der Lage ist, die bestehende Verseuchung zu entfernen. (Jawohl, während das Leeren der einwandigen Tanks mit hoch aktivem Atommüll bis 2040 hinausgeschoben wird und die Beseitigung der Leckagen nicht vorgesehen sind, besteht die USDOE weiterhin darauf, Hanford nach 2020 als Lager für den amerikanischen Atommüll zu benutzen.)

Unterstützen Sie die Klage von „Heart of America Northwest“ gegen die Entscheidung der USDOE, Hanford als nationales Atommüll-Lager zu benutzen, indem Sie auf unserer Homepage www.hoanw.org online spenden. Dort finden Sie weitere Information, um Behörden und Politiker zu kontaktieren und sich ehrenamtlich zu engagieren.

Autor: Dvija Michael Bertish für Heart of America Northwest, 23.01.2011

Übersetzung: BrunO für CSN-Deutschland

Originalartikel: The Hanford Nuclear Reservation becomes an American Pop-Icon Amusement Park?

Heart of America Northwest (das Herz des Amerikanischen Nordwestens) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich mit der Dekontamination des Atommüll-Lagers in Hanford befaßt. Es ist das am stärksten verseuchte Gelände in der westlichen Hemisphäre.

Nachbemerkung:

Hanford ist zwar noch kein Vergnügungspark, kann aber schon heute besucht werden. Näheres verrät eine Behördenseite. In Chernobyl war dies unter ähnlichen Bedingungen, d.h. mit etwas bürokratischem Aufwand, bereits seit 2002 möglich und soll weiter erleichtert werden.

Wir haben dieses Thema aufgegriffen, da manche Symptome einer Strahlenkrankheit MCS- oder CFS-Betroffenen nicht ganz unbekannt vorkommen dürften. Ionenstrahlung kann CFS auslösen. Die hier von Dvija Michael Bertish mit stellenweise unübersetzbarem schwarzem Humor beschriebene Horrorgeschichte besitzt leider noch weitere über Hanford hinausgehende Dimensionen.

Fragt man z.B. nach der Herkunft des radioaktiven Materials, das in Hanford zu Atomsprengstoff verarbeitet wurde, öffnet sich ein weiteres Kapitel einer großen Horrorgeschichte. Living on Earth brachte dazu 2010 ein erschreckendes Feature: „Yellow Dirt„. Vielleicht sollten wir dieses irgendwann ebenfalls übersetzen.

Kurz zusammengefasst:

Auf dem Reservat der Navajo Indianer im Westen der USA, zwischen den Staaten Utah und New Mexico wurde Uran abgebaut. Die Minen wurden nach der Einstellung des Betriebes ungesichert hinterlassen. So gab es Seen mit radioaktivem Wasser und die Menschen die dieses Wasser unwissend tranken, wurden krank. Kinder kamen mit der sogenannten Navajo Neuropathy zur Welt und wurden kaum älter als zehn Jahre. Auch Tiere erkrankten. Aus dem Abraum wurden Häuser gebaut, die ihre Bewohner verstrahlten. – Dazu gibt es eine Posse. Bei einem Congressional Hearing wurden Bodenproben von der Polizei aus Sicherheitsgründen entfernt, als jemand einen Geigerzähler daran hielt.

Ein weiteres Kapitel sind die Atombombentests in Nevada. Die Downwinders (Bewohner in Windrichtung) kämpfen um Entschädigungen für die ungefragte Belastung mit dem radioaktiven Fallout dieser Versuche. Die ursprüngliche Homepage dieser Bewegung ist leider nicht mehr auffindbar. Ihre Geschichte kann hier nachgelesen werden. – Dafür gibt es eine Downwinders-Seite zu Hanford, die ein weiteres Beispiel einer opportunen Studie liefert. Nach dieser gibt es um Hanford herum kein erhöhtes Risiko für strahlungsbedingte Schilddrüsenerkrankungen.

Aus dieser großen Horrorgeschichte kann man nur einen Schluss ziehen: Die Herstellung der Atombomben hat einen ähnlichen Schaden wie deren Abwurf angerichtet und es ist noch weiteres Schadenspotential vorhanden.

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Handel hat Probleme mit Auskunftspflichten

Stuttgart / Nürnberg – In Spielwaren finden sich immer weniger verbotene Weichmacher. Diesen Schluss ziehen Experten von DEKRA nach einer Testreihe im Vorfeld der Spielwarenmesse in Nürnberg. Von 18 Spielfiguren aus Kunststoff fanden sich lediglich in vier Proben noch Spuren von Phthalat-Weichmachern, die jedoch als besonders gefährlich gelten.

Bereits 2005 wurde erstmalig die Verwendung von sechs Phtalaten – darunter DEHP, DBP und BBP – in Spielzeug und Babyartikeln verboten (Anhang I EG-Richtlinie 76/769/EWG). Im Juni 2009 wurden diese Beschränkungen in die REACH Verordnung übernommen. Trotz bestehender Beschränkungen fanden die DEKRA Chemiker bei früheren Test noch regelmäßig unter anderem Weichmacher wie DEHP, DBP oder BBP in Kunststoffspielzeug. Nach neuesten Untersuchungen geht die Belastung mit den genannten Weichmachern insgesamt zurück.

„Natürlich kann man keine generelle Entwarnung geben“, sagt Dr. Peter Spengler, Laborleiter bei DEKRA Industrial in Stuttgart. „Aber die Ergebnisse lassen vermuten, dass die Industrie auf gesundheitsschädliche Phthalat-Weichmacher zunehmend verzichtet oder mit Stoffen ersetzt, die nicht in Anhang XVII der EU-Chemikalien- verordnung REACH aufgeführt sind.“

Der Spielwaren-Handel hat jedoch noch Nachholbedarf, wenn es um die Auskunftspflichten nach REACH Artikel 33 geht. Nur 12 von 18 Handelsunternehmen konnten bei Testkäufen durch einen Marktforscher innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen 45-Tage-Frist korrekt Auskunft darüber geben, ob und welche auskunftspflichtigen Inhaltsstoffe nach REACH, die besonders besorgniserregenden Stoffe (SVHC) der Kandidatenliste, in dem Produkt enthalten sind. Immerhin: Alle Auskünfte waren wahrheitsgemäß, wie sich bei der chemischen Analyse im DEKRA Labor herausstellte.

DEKRA ließ für den Test 18 Kunststoff-Spielfiguren im Wert zwischen 1,49 Euro und 9,99 Euro in Discountern, Kaufhäusern, Supermärkten und Fachgeschäften beschaffen.

Die DEKRA Experten raten dazu, beim Spielwarenkauf auf Qualität zu achten, um schadstoffbelastetem Spielzeug aus dem Weg zu gehen: hochwertige Anmutung, Markenprodukte sowie eine Verpackung mit kompletten Herstellerangaben verringern das Risiko.

Literatur:

DEKRA, DEKRA testet Spielwaren-Stichproben auf Schadstoffe, 1. Februar 2011

Bild: DEKRA

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Verbot von vier gefährlichen Chemikalien in Konsumgütern

Das norwegische Ministerium für Umwelt reichte bei der Überwachungsbehörde EFTA Anträge ein, um vier gefährliche Chemikalien in Konsumgütern zu verbieten. Die Substanzen sind in einer Reihe von Produkten zu finden, u.a. in Buntstiften, Spielzeug, Farben, Teppichböden, Kunststoffen und Textilien.

Die vorgeschlagenen Verbote betreffen Blei, mittelkettige Chlorparaffine (MCCP), Pentachlorphenol (PCP) und Perfluoroctansäure (PFOA), die zu den am stärksten gefährlichen Substanzen gehören, die wir kennen.

Konsumgüter sind eine wichtige Quelle von Emissionen gefährlicher Stoffe für die Umwelt und für die Belastung bei Menschen. Gefährliche Stoffe reichern sich in der Natur an und sind eine Bedrohung für die Umwelt und die menschliche Gesundheit.

Es ist wichtig, die Ausbreitung gefährlicher Substanzen zu reduzieren. Gefährliche Stoffe wurden in solchen Produkten nachgewiesen, mit denen wir uns täglich umgeben, aber genau das macht es für den Verbraucher schwierig, sich dessen bewusst zu sein. Der Ausstieg von der Verwendung gefährlicher Stoffe bei Konsumgütern ist wichtig, um Produkte sicherer zu machen und um die Ausbreitung gefährlicher Stoffe zu verringern. Die vier vorgeschlagenen Verbote sind ein wichtiger Beitrag zur Reduzierung negativer gesundheitlicher und ökologischer Auswirkungen, die Konsumgüter verursachen können, sagte der Minister für Umwelt- und internationale Entwicklung Erik Solheim.

Norwegen als Vorreiter

Die Anträge zum Verbot der vier Chemikalien in Konsumgütern sind strenger als die derzeitigen Regelungen in der EU.

Ich will Norwegen international zu einer treibenden Kraft für strengere Umweltauflagen machen. Die beantragten Verbote haben eine wichtige Signalwirkung dafür, dass Norwegen die Herausforderung durch gefährliche Stoffe in Konsumgütern ernst nimmt. Ich hoffe, dass die umfangreiche Arbeit, auf der diese Verbote basieren, zu gemeinsamen internationalen Regelungen in diesem Bereich beitragen kann, sagte Solheim.

Die Überwachungsbehörde EFTA sendet nun die Vorschläge zur öffentlichen Anhörung im EEA-Gebiet. Das Umweltministerium wird zur gleichen Zeit die Behörde für Klima-und Umweltschutz auffordern die vorgeschlagenen Verbote zur öffentlichen, nationalen Beratung zu stellen.

Die Behörde für Klima-und Umweltschutz ist der Auffassung, dass es gute und sichere Alternativen gibt, und dass die Industrie nicht von der Verwendung dieser Substanzen abhängig ist um ihre Produkte zu produzieren.

Referenz:

Ministry of the Environment Norway, Norway proposes to prohibit four hazardous substances in consumer products, Dec. 20, 2010

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivty Network

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Umweltmedizin: Sieg für Prof. Dr. Rea

Epochaler Sieg: Angriff der Ärztekammer von Texas auf führenden Arzt der Integrativen Medizin abgewehrt

Wenn, wie wir neulich berichtet haben, integrative Mediziner Patienten ganzheitlich behandeln, stellt das oft die traditionellen Vorstellungen der Medizin in Frage. Die US- Ärztekammern orientieren sich an der Ameri- can Medical Association und deren Auffass- ung von Homöopathischer Medizin. Deshalb waren sie schon immer gegen komplement- äre und alternative Medizin – das gipfelt darin, dass sie nicht selten Ärzte angreifen, insbe- sondere wenn sich diese mehr um ihre Patienten kümmern.

Doch die Verhältnisse ändern sich, wie RA Jacques Simon erzählt. Simon vertrat Dr. Bill J. Rea, bei einem erstaunlichen Sieg in einem Prozess gegen die Ärztekammer von Texas. Dieses Verfahren hat geholfen, die üble Praxis der Kammer in Texas zu kippen.

Jacques Simon weist eine herausragende Erfolgsrate auf, integrative Mediziner bei solchen Verhandlungen zu verteidigen. Er ist einer von vier US-Anwälten, die auf diesem Gebiet zusammen arbeiten und sich darauf spezialisiert haben. (Die anderen sind Alan Dumoff, Algis Augustine und Richard Jaffe.)

Dr. Rea ist ein führender Wissenschaftler und Kliniker auf dem Gebiet der Umwelt- medizin und der Chemikaliensensitivität. Während den letzten dreißig Jahren hat er durch Lebensmittel und vielfältige Umweltfaktoren, wie Luft- und Wasserver- schmutzung verursachte Erkrankungen, behandelt. 2005 erhob die Ärztekammer von Texas eine Reihe von Klagen gegen Dr. Rea, in denen sie seine Untersuchungen, Diagnosen und Behandlungen – alles was er so macht – angriffen. Sie behaupteten sogar, Dr. Rea würde seinen Patienten Diesel und schädliche Chemikalien injizieren, ein Vorwurf, der eindeutig falsch war.

Nach drei langen Jahren vor Gericht konnte Simon nachweisen, dass die Vorwürfe der Kammer unbegründet waren. Anstatt ihm die Lizenz zu entziehen, verlangte die Kammer von Dr. Rea nur noch schwächlich, seinen Patienten eine geänderte Einverständniserklärung vorzulegen, nach der seine Behandlung von der amerikanischen Aufsichtsbehörde für Lebensmittel und Medikamente (FDA) nicht zugelassen wäre.

Wenn man ein Arzt ist, gegen denen ermittelt wird, ist es wichtig, gegenüber den Ermittlern oder den Behörden keine Äußerung oder was auch immer ohne Anwesenheit und Zustimmung eines Anwaltes zu machen. Wie Simon uns erläuterte, ist es für den Arzt wichtig, wenn eine Untersuchung eingeleitet wird, nicht den Fehler macht zu denken, die Ermittler würden von dem Fachgebiet etwas verstehen. „Nehmen Sie das Telefon und rufen Sie einen Anwalt an, der sich auf solche Verfahren spezialisiert hat.“ (Sie können sich an ANH-USA wenden wenn Sie Empfehl- ungen benötigen.)

Simon wies darauf hin, dass die Ärztekammer von Texas in der Vergangenheit integrative Mediziner angegriffen hat, aber in den letzten drei Jahren hat sich dies geändert und anscheinend ermitteln sie nun gegen genau so viele traditionelle Ärzte. Das ist zum Teil auf das zurück zu führen, was Dr. Rea im Verlauf seines Martyriums juristisch unternommen hat, dazu gehörte, gegen die Ärztekammer selbst zu klagen.

In Texas gibt es einen starken fairen Rechtsschutz für Ärzte, doch diese Regeln werden nicht immer befolgt. ANH-USA setzt sich dafür ein, einen Entwurf in die Gesetzgebung von Texas einzubringen, der Ärzten Wiedergutmachung gewährt, wenn die Kammer den eigenen Regeln nicht folgt. Jacques Simon weist darauf hin, dass je mehr Ärzte sich wehren (und je mehr die Kammern dadurch lernen), desto besser wird es in Ärztekammer-Verfahren für alle werden. Mittlerweile sind Gesetze und Vorschriften einem ständigen Wandel unterworfen und es ist wichtig, auf der Hut zu bleiben.

ANH-USA hat kürzlich einen 80-seitigen Bericht veröffentlicht, „Über die eigene Ärztekammer Bescheid wissen: Ein Handbuch für Ärzte der integrativen Medizin zum Verständnis der rechtlichen und juristischen Gegebenheiten in 50 Bundesstaaten“. Ärzte werden aufgrund der rechtlichen Vorschriften für Disziplinarverfahren vor Ärztekammern nicht überall in Amerika durch die staatlichen Gesetze und Vorschriften adäquat geschützt, deshalb haben wir ein Handbuch und eine Checkliste gemacht, um Ihnen einen Überblick zum Rechtsschutz oder über dessen Mängel in jedem Staat unseres Landes zu verschaffen. Der Bericht ist als PDF-Dokument erhältlich und kann hier (PDF) herunter geladen werden.

Autor: ANH-USA, 21. Dezember 2010

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Der Originalartikel „Milestone Victory: Texas State Medical Board’s Attack on Leading Integrative Doctor Beaten Back“ steht unter einer Creative Commons Lizenz. Für diese Übersetzung, ausschließlich der Bildrechte, gilt CC:by-nc-sa.

Zur weiteren Lektüre:

Artikel (engl.) von Mike Adams zur Einschätzung der American Medical Association

Weitere Artikel über Rechtsstreit von Prof.Dr.William Rea:

Schadstoffe in Textilien: Am besten der Nase vertrauen

Siegel TOXPROOF von TÜV Rheinland garantiert, dass Schadstoffbelastung unter gesetzlichen Mindestanforderungen liegt

Etwa 75.000 Tonnen chemische Hilfsmittel setzt die Textilindustrie allein in Deutschland jährlich ein – besonders für Allergiker und Menschen mit empfindlicher Haut ein Gesundheitsrisiko. Kommen chemische Farb- stoffe oder Konservierungsmittel mit der Haut in Kontakt, drohen gesundheitliche Schäden wie heftige Hautausschläge. Wer auf Nummer Sicher gehen will, sollte zunächst seiner Nase vertrauen: Verströmen die Textilien einen eigenartigen Geruch, ist das ein erster Hin- weis auf bedenkliche Zusatzstoffe. Achten Verbraucher auf Prüfsiegel von unabhängigen Test-Instituten wie TÜV Rheinland, sichern sie sich zusätzlich ab. „Das Siegel TOXPROOF von TÜV Rheinland garantiert, dass die Schadstoffbelastung unter den gesetzlichen Mindestanforderungen liegt“, erklärt Andreas Metzger, Schadstoff-Experte bei TÜV Rhein- land.

Die Spezialisten testen auch metallisches Zubehör an Textilien auf ihre Verträglichkeit, zum Beispiel Jeansknöpfe, die oft Nickel enthalten. Hersteller überziehen die nickelhaltigen Knöpfe zwar häufig mit Lack, doch löst sich der beim Tragen schnell ab. Die Folge: so genannte Jeansknopfallergien, typische Kontaktallergien mit juckendem Hautausschlag. Außerdem können auch Konservierungsmittel gegen Schimmel wie Dimethylfurmarat (DMF) heftigste Hautreaktionen auslösen. Zusätzlich können Schwermetalle in Lederprodukten, allen voran sechswertiges Chrom, die Gesundheit schädigen. „Lederwaren mit dem SG-Zeichen, das für Schadstoff geprüft steht, sind dagegen unbedenklich“, sagt Andreas Metzger.

Verbraucher sollten grundsätzlich auf das Textiletikett in der Kleidung achten. Es gibt nicht nur Auskunft über Material und Pflegehinweise, sondern auch über Herkunft der Ware und deren Hersteller. Käufer müssen wissen, an wen sie sich bei Rückfragen und Reklamationen wenden. Textilien ohne Etikett, wie sie gelegentlich zu finden sind, verstoßen gegen das Gesetz. Verbraucher sollten diese keinesfalls kaufen. Hinweise wie „blutet aus“ oder „separat waschen“ weisen zudem auf ungesunde, nicht farbechte Stoffe hin. Daher nach Möglichkeit alle waschbaren Kleidungstücke vor dem ersten Tragen waschen – bei mindestens 40 Grad Waschtemperatur, auch wenn das Etikett nur 30 Grad empfiehlt. Bei den Pflegehinweisen der Hersteller handelt es sich oft um „Underlabeling“, also bewusst zu niedrig angesetzte Temperaturangaben, um sich vor Reklamationen aufgrund von Verformung oder Verfärbung abzusichern.

Literatur:

TÜV Rheinland , Schadstoffe in Textilien: Am besten der Nase vertrauen, 14.01.2011

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Umweltmediziner zur gesundheitlichen Beeinträchtigung durch Dioxine

Die Belastung der deutschen Bevölkerung mit Dioxinen und verwandten Stoffen ist hoch

Am 8. Januar 2011 erschien in der Stuttgarter Zeitung ein Artikel mit dem Titel: „Dioxin – Gesundheit nicht beeinträchtigt“. Der Beitrag, beginnt mit folgender Aussage von Jürgen Thier-Kundke vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in Berlin:

„Selbst wenn jemand mehrere mit Dioxin belastete Eier gegessen haben sollte, muss er nun nicht mit gesundheitlichen Folgen rechnen…“

Der Artikel veranlasste den erfahrenen HNO-und Umweltmediziner Dr. Michael Jaumann zu nachfolgendem Statement an den Herausgeber. Dr. Jaumann beschäftigt sich seit über zwei Jahrzehnten intensiv mit Umweltmedizin und ist u.a. Mitglied des Ausschusses „Umwelt und Prävention“ in der Ärztekammer Baden-Württemberg.

Sehr geehrte Frau Volz,

vielen Dank für Ihren Artikel zum Thema der möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Dioxine und verwandte Stoffe. Als Arzt und Umweltmediziner – der sich seit über zwanzig Jahren mit dem Thema Dioxin aus umweltmedizinischer Sicht befasst – kann ich dieser, die Situation „verharmlosenden“ Stellungnahme seitens des Herrn Jürgen Thier-Kundke vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht zustimmen. Richtig und wichtig ist nur, dass wir unnötige und vermeidbare zusätzliche Belastungen vermeiden sollten (dies besonders deshalb, da wir in Deutschland weltweit die mit am höchsten belastete Bevölkerung haben). Diese äußerst wichtige Zusatzinformation seitens des BfR fehlt, warum auch immer.

Heutzutage werden von unseren Bauern die meisten Pflanzen mit Düngern und auch Pflanzenschutzmitteln (chlororganische Verbindungen) während dem Wachstum behandelt. Diese sind eine mögliche Quelle die in der weiteren Verarbeitung zu Dioxin etc. führen könnte. Ein weiterer Aspekt ist, dass unser gesamtes Ackerland in Deutschland mit Dioxinen belastet ist und diese Stoffe aus dem Boden aufsteigen und sich auf den dort wachsenden Pflanzen niederschlagen. Dies in einer Höhe von zehn bis fünfzehn Zentimetern über dem Boden. Dies wäre die zweite mögliche Quelle für entsprechende Vorläufermoleküle die dann zu Dioxinen führen. Diese Pflanzen werden von den Tieren gefressen und diese Stoffe reichern sich im Fettgewebe der Tiere (und später der Menschen) an und werden quasi nie mehr abgebaut. Eine sich lebenslang anhäufende Belastung im körpereigenen Fett ist die Folge. Aus diesen Gründen sind Vegetarier, die sich aus konventionell angebauten Pflanzen ernähren oftmals sogar höher belastet.

In Göppingen hatten wir vor Jahren heftige Diskussionen über die Auswirk- ungen der Müllverbrennungsanlage (MVA). Deren Abgase haben in der Umgebung zu einer erhöhten Belastung der Böden mit Dioxinen und verwandten Stoffen geführt. Es drohte eine Einschränkung für die Bauern seitens des Umweltministeriums. Untersuchungen bei dort aufgewachsenen Lämmern ergaben eine Belastung des Muskelfleisches mit 24,7 pg/gramm Gesamt-TEQ an Dioxinen und Verwandten. Eine einmalige Fleischportion von 200 Gramm würde fast der Gesamtjahresdosis für diese Stoffe entsprechen die man seitens der Behörden für „ungefährlich“ hält.

Für mich als Arzt, der für die Menschen in seinem Umfeld Verantwortung trägt, ist dies nicht akzeptabel. Niemand kennt die langfristigen Auswirkungen (z.B. rasant steigende Allergiker-Raten in Deutschland u.ä.?).

Deshalb halte ich die nachfolgende Einschätzung für enorm wichtig:

Zum Thema gesundheitlicher Auswirkungen und Risiken durch Dioxine wurde im Jahr 1994 eine Neu-Bewertung der Dioxine seitens der US-amerikan- ischen Umweltbehörde (US-EPA) veröffentlicht die auch heute noch im vollen Umfang gültig ist: der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die vorhandene Evidenz ausreicht, Dioxine und verwandte Verbindungen als höchstwahrscheinlich krebserregend für den Menschen einzustufen, und dass auch andere negative Auswirkungen schon bei sehr niedrigen Konzentrationen eine womöglich nach wichtigere Rolle spielen.

Von größerer Bedeutung könnten Entwicklungsstörungen, Effekte auf das Immunsystem und auf die Reproduktion sein. Speziell aufgeführt sind eine reduzierte Fähigkeit des Immunsystems auf Infektionen zu reagieren, eine Verminderung der Fortpflanzungsfähigkeit und ein Anstieg an Endometriose, einer zunehmenden Ursache für Unfruchtbarkeit junger Frauen.

Wichtig ist, dass die US-EPA in der Zusammenfassung darauf hinweist, dass solche Effekte im Tierversuch bei außerordentlich niedriger Belastung festgestellt wurden und zwar bei Konzentrationen die der durchschnittlichen Belastung der Bevölkerung entsprächen (hier ist auch zu bedenken, dass die Belastung der deutschen Bevölkerung mit Dioxinen und verwandten Stoffen deutlich höher liegt wie die der USA-Bevölkerung).

Sehr geehrte Frau Volz,

es würde mich freuen, wenn Sie Ihren Lesern diese ergänzenden Informationen zukommen lassen könnten.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung

mit freundlichen Grüssen und bestem Dank

Dr.med. Michael P. Jaumann

Marktstr.16

73033 GOEPPINGEN

Arzt für HNO, Stimm- und Sprachstörungen und Umweltmedizin

Mitglied im Ausschuss Umwelt und Prävention der Ärztekammer Baden-Württemberg

Landesvorsitzender Württemberg Berufsverband deutscher HNO-Ärzte

p.s.

TEQ sind Toxizitäts-Äquivalente. Mit diesen wird die Giftigkeit der einzelnen Stoffe (Dioxine, Furane und polychlorierte Biphenyle (PCBs) bewertet und es kann dann die Belastung von z.B Muskelfleisch in einem zusammenfas- senden Wert gemessen werden.

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