Archiv der Kategorie ‘Behörden reagieren‘

Behindertengerechte Übergangsregelung für Umwelterkrankte

UN-Behindertenrechtskonvention für ein Leben mit MCS?

Soziale Inklusion, Barrierefreiheit, Gesundheitsversorgung und die Unterstützung von örtlichen Behörden sind für Umwelterkrankte ein Thema zum Überleben mit MCS, CFS, EMS, TE, SBS, FMS sowie diversen Allergien (z.B. Duftstoffallergie)

Seit zig Jahren leiden Menschen mit Umwelterkrankungen an den Folgen fehlender gesundheitsgerechter Wohnungen, sowie mangelnder behördlicher und angemessener ärztlicher Unterstützung.

Tagtäglich kämpfen Betroffene mit den Tücken ihrer Umwelt und schaffen es nicht, sich den bestehenden Bedingungen anzupassen. Es gehen Berichte umher von Notfall-Dokumentation wegen fehlendem MCS-gerechtem Wohnraum.

Es liegt nicht an dem Willen und der Bewältigungshingabe der Umwelterkrankten, dass sie immer wieder aus der Bahn geworfen werden, sondern an den Tücken neuer Wohnungen, der finanziellen Armut und wohl auch an der fehlenden Aufklärung der Bevölkerung, was nicht sein müsste, wenn man zu den USA hinüberblickt.

Umweltgifte ziehen ihren Bann mittlerweile durchs ganze Leben. Es gibt für einen erkrankten Betroffenen derzeit kaum eine Alternative dem zu Entkommen.

In den USA wurde der Gefahr von belastetem Wohnraum deshalb entgegengewirkt und entsprechende Gesetze erarbeitet, um den Betroffenen zu helfen.

Doch hier in Europa bzw. Deutschland, lässt eine adäquate Hilfe auf sich warten. Selbst einfachste Übergangsregelungen werden derzeit für Umwelterkrankte nicht eingeführt.

Vielleicht liegt ist es selbst nur an der Hilflosigkeit der politischen, behördlichen und medizinischen Kräfte, wenn sie von dem Leben mit Chemikalien-Sensitivität – ein Alltag mit vielen Einschränkungen hören.

Umwelterkrankungen führen im fortgeschrittenen Stadium zu einer unwiderruflichen Behinderung bis hin zur Schwerbehinderung.

Deshalb ist ein Handlungsbedarf notwendig und wird sogar International seit 2006 für alle Behinderte gefordert.

Die Vereinten Nationen haben die Rechte von Behinderten mit einem Übereinkommen, der sogenannten UN-Behindertenrechtskonvention, gestärkt. Derzeit wurde diese von 148 Staaten unterzeichnet und 100 davon ratifizierten diese – Deutschland schon 2009 und bekundete damit seine völkerrechtliche Verbindlichkeit zur Umsetzung derselben.

Ziel der Konvention ist es, für Menschen mit Behinderung die Barrieren des Alltages schrittweise abzubauen, um ihnen somit die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auf allen Ebenen zu sichern.

Somit gilt nicht nur die Inklusion sowie Integration von Menschen mit Behinderung ins Berufsleben anzustreben, sondern bei jedem Betroffenen selbstredend erst einmal existenzielle Belange zu erfüllen; für Umwelterkrankte mit und ohne derzeitig zuerkannten Behinderung sind einige davon z.B.:

  • das Wohnen in einer gesundheitlich angemessenen Umgebung,
  • die Wahrung eines menschenwürdigen Lebens, medizinischer Versorgung, Verhinderung bzw. Vorbeugung von Diskriminierungen,
  • die Wahrnehmung aller Staatsrechte, wie barrierefreies Einkaufen, das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel,
  • das Besuchen von öffentlichen Gebäuden und Dienststellen sowie das in Kontakt treten mit Sachbearbeitern,
  • und vielem mehr.

Bei obigen Sachbereichen zeigen heutzutage schwerwiegend Umwelterkrankte ihr Nachsehen, ihre Gesundheit und ihr Leben sind deshalb bedroht. Die umfassenden Maßnahmen zur Umsetzung der Behindertenrechtskonvention des deutschen Bundestages haben die Notleidenden bisher nicht erreicht.

Um diesem Mißstand mit Abhilfe zu verschaffen, wünschen sich Umwelterkrankte keine perfekte Lösung, die meist unmöglich zu verwirklichen wäre, sondern eine „Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte“ (pdf) (BÜfU), welche in einigen Punkten sogar in Kürze umgesetzt werden könnte.

Dieses angesprochene Regelwerk BÜfU enthält Vorschläge bzw. Lösungsansätze für viele der oben angesprochenen Problematiken und könnte zur Hilfestellung bzw. Findung für eine stufenweise oder entgültige Regelung für Umwelterkrankte mit Behinderung beitragen.

Autor:

Twei für CSN – Chemical Sensitivity Network, 29. Mai 2012

Weiterführendes Dokument:

Behindertengerechte ÜBERGANGSREGELUNG für Umwelterkrankte (BÜfU)

Weitere CSN Artikel zum Thema „MCS & Wohnen“:

Widersinnige MCS-Therapie oder „Rauch dich gesund“?

„Amygdala-Retraining – Rauch dich gesund!“

Rauchen ist schädlich. Rauchen gefährdet unsere Gesundheit. Eine Zigarette enthält neben dem Tabak aus der Tabakpflanze, unzählige schädliche Inhaltsstoffe, die jeder einzelnen Zigarettenmarke den individuellen Geschmack verleihen. Das macht das Rauchen eigentlich erst so richtig zum Schädigungsturbo, weil man keinen Tabak mehr raucht, sondern einen Krebs fördernden Chemiecocktail.

Um die Menschen auf die Problematik und Gesundheitsgefährdung des Rauchens aufmerksam zu machen, wurden seitens des Bundes für entsprechende Kampagnen in der Schweiz Millionen aufgewendet. Ist ein Körper aber einmal durch jahrelangen Zigarettenkonsum geschädigt, so dass er dauerhaft krank ist, kann diese körperliche Schädigung mit keiner Therapie rückgängig gemacht werden. Natürlich kann man darüber diskutieren, ob die Angst vor einer körperlichen Schädigung durch Zigarettenrauch bei einer Krebserkrankung eine wesentliche Rolle spielt. Tatsache ist aber, dass der Genuss von Zigaretten ein stark erhöhtes Krebsrisiko beinhaltet. Das jedenfalls teilen uns Mediziner und Wissenschaftler seit Jahren mit.

MCS-Kranke sind Chemikaliengeschädigte. Sie sind erkrankt, weil ihr Körper durch irgendeinen chemischen Auslöser, z.b. sehr häufig Formaldehyd, Pestizide, Fungizide, PAK‘s, Benzol oder Kohlenmonoxyd Schaden genommen hat. Schaden durch Schadstoffe, die sich auch im individuellen Zigarettenrauch befinden. Einige der MCS auslösenden Chemikalien sind auch in Parfüms, Waschmitteln, Weichspülern, Reinigungsmitteln, Lebensmitteln, Getränken, Medikamenten usw. enthalten (Aroma-, Farb-, Konservierungsstoffe und Lösungsmittel) und gelangen über Einatmen, Auftragen auf die Haut oder durch Einnahme, z.B. beim Essen oder Trinken in unseren Körper.

Um uns vor diesen Auslösern und folglich einer Krankheit zu schützen, gibt der Bund keine Millionen aus. Neuerdings aber unterstützt der Schweizer Staat (BAG – Bundesamt für Gesundheit) eine Therapie, die MCS-Betroffene heilen soll, obwohl dieser die Krankheit nicht einmal anerkennt! (2)

Bei dieser Therapie geht es darum, die Amygdala (1) umzutrainieren: Amygdala Retraining. Das heisst laienhaft ausgedrückt, der MCS-Kranke wird darauf trainiert, vor den Auslösern keine Angst mehr zu haben und somit das aus der Kontrolle geratene Frühwarnsystem wieder auf einen „normalen Level“ runter zu fahren.

Jeder seriöse Umweltmediziner und körperlich erkrankte MCS-Patient weiss, dass eine solche Amygdala Retraining Therapie bei einem chemikaliengeschädigten Körper nicht helfen kann, genauso wenig, wie ein Lungenkrebspatient einfach nur durch Wegdenken seiner Krankheit, die Schädigung rückgängig machen kann. Einzig im Umgang mit der Krankheit, kann eine solche Therapie als Unterstützung hilfreich sein. Aber die entzündlichen Prozesse, die beim Kontakt mit einer Chemikalie auftreten, können schlicht und einfach nicht wegtherapiert werden, denn die Amygdala ist für unsere Emotionen zuständig und nicht für die biochemischen Abläufe in unserem Körper.

Es löst bei mir als MCS-Betroffene einfach nur Unverständnis aus, dass eine solche Heil verkündende Therapie, so schnell und so unvoreingenommen die Unterstützung des Ministerium für Gesundheit findet. Wie kann es sein, dass MCS-Kranke jahrelang um Anerkennung der Krankheit kämpfen, kein Gehör finden und dann mit einer solchen Haltung gegenüber einer solch fragwürdigen Therapie, das Thema MCS einmal mehr ad absurdum geführt wird?

Es gilt abzuwarten was passiert. Wenn das BAG erst mal von der Wirksamkeit dieser Therapie überzeugt ist, dann erleben wir vielleicht in einiger Zeit das blaue Dunstwunder, denn dann ist es naheliegend, diese Therapie auch für Raucher anzubieten, ganz nach dem Motto:

„Amygdala-Retraining – Rauch dich gesund!“

Autor: Purple Brain für CSN – Chemical Sensitivity Network, Schweiz, 8. Mai 2012

Anhang:

1. Die Amygdala ist wesentlich an der Entstehung der Angst beteiligt und spielt allgemein eine wichtige Rolle bei der emotionalen Bewertung und Wiedererkennung von Situationen sowie der Analyse möglicher Gefahren: sie verarbeitet externe Impulse und leitet die vegetativen Reaktionen dazu ein. Eine Zerstörung bei der Amygdala führt zum Verlust von Furcht- und Aggressionsempfinden und so zum Zusammenbruch der mitunter lebenswichtigen Warn- und Abwehrreaktionen. Forschungsergebnisse aus dem Jahr 2004 belegen, dass die Amygdala bei der Wahrnehmung jeglicher Form von Erregung, also affekt- oder lustbetonter Empfindungen, unabdingbar ist, und vielleicht am Sexualtrieb beteiligt ist. (3)

2. Email Bundesamt für Gesundheit an CSN, 27.03.2012

Sehr geehrte Frau Müller

Das Bundesamt für Gesundheit (hier vertreten durch Fachstelle Wohngifte, Direktionsbereich Verbraucherschutz) hat dem Verein MCS-Liga Schweiz eine Unterstützung zugesagt für die Organisation eines Kurses, von dem dieser Verein überzeugt ist, dass es eine gute Sache für seine Mitglieder ist.
Generell sind wir der Ansicht, dass Ansätze, die auf Theorien erlernter Reaktionsmuster basieren, interessant und vielversprechend sein könnten für MCS-Patienten. Bis anhin wurden Dritte, welche Vorschläge in dieser Richtung vorgebracht hatten, von Seiten der Betroffenen scharf kritisiert, zuweilen wurde Ihnen sogar vorgeworfen, sie wollten MCS-Patienten „psychiatrisieren“. Wir begrüssen es daher ausdrücklich, dass eine entsprechende Initiative nun von Seite der Betroffenen bzw einer ihrer Organisationen kommt und möchten dies daher mit einem kleinen Beitrag an die organisatorischen Kosten unterstützen. Wir erhoffen uns, dass es dazu beitragen kann, die Lebensqualität zumindest einiger Betroffenen zu verbessern. Vor allem aber haben wir die Hoffnung dass solche Initiativen helfen können, die zuweilen extrem verhärteten Fronten im Streit  um „physische“ und „psychische“ Ursachen/Einflüsse beim MCS Phänomen aufzubrechen, um letztlich den Betroffenen auch neue Lösungswege erschliessen zu können.
Weder empfehlen wir eine bestimmte Therapie noch bestimmte Therapeuten. Wir beurteilen auch nicht die Qualität dieses Kurses.

Dass die Schweizerische Regierung Frau Hoppers DNRS Ansatz seit einiger Zeit beobachtet/verfolgt hat ist falsch. Eine vertiefte Evaluation und Beurteilung wurde keinesfalls durchgeführt; und schon gar nicht sprechen wir irgendwelche Empfehlungen für bestimmte Produkte oder Dienstleistungen aus.

Selbstverständlich darf diese Antwort nun aber auch nicht als das Gegenteil interpretiert werden à la „Schweizer Regierung empfiehlt DNRS nicht!“  – etwa von Vertretern von „Konkurrenz-Produkten“ oder Kritikern von DNRS.
Das wäre dasselbe falsche Spiel!

Mit bestem Dank und freundlichen Grüssen

Roger Waeber

Eidgenössisches Departement des Innern EDI
Bundesamt für Gesundheit BAG
Direktionsbereich Verbraucherschutz
Fachstelle Wohngifte

Weitere CSN Artikel zum Thema zweifelhafte MCS- und CFS-Therapien:

Checklisten:

Umweltkranke informieren über MCS, Umweltkrankheiten und Auswirkungen von Chemikalien im Alltag

MCS – Aufklärungsmonat Mai 2012

Einen Monat lang klären Umweltkranke, Selbsthilfegruppen, Behörden und Politiker weltweit über eine Umweltkrankheit auf, die ca. 15-30% der Bevölkerung betrifft. MCS – Multiple Chemikaliensensitivität lässt Erkrankte auf winzige Spuren bestimmter Chemikalien reagieren, die man im Alltag antrifft. Weichspüler, Parfüms, Lufterfrischer, Zigarettenrauch, Farbgeruch, Pestizide, Verkehrsabgase, um nur einige Auslöser zu nennen, die bei MCS-Kranken Gesundheitsbeschwerden auslösen. Die Symptome können Minuten, Stunden, Tage bis zu Wochen oder Monaten anhalten, ganz abhängig davon, in welchem Schweregrad der Erkrankung sich der Chemikaliensensible befindet. Als häufigste Ursache für die Umwelterkrankung werden von Wissenschaftlern u.a. Pestizide und Lösungsmittel genannt. Wie Chemikaliensensible leben müssen, durch was sie krank wurden, welche Akzeptanz sie bei Behörden erfahren – oder auch nicht, werden MCS.Kranke im Monat Mai berichten.

Weltweit setzen sich Organisationen, Behörden und Politiker dafür ein, dass über die Auslöser von multipler Chemikaliensensitivität aufgeklärt wird, um mit dazu beizutragen, dass an MCS Erkrankte mehr Verständnis und Hilfe im Alltag erhalten. Ein weiteres Augenmerk ist die Verbreitung von Informationen über MCS und Gefahren durch Alltagschemikalien, um dazu beizutragen, dass die Anzahl der Neuerkrankungen durch dieses Wissen verringert wird. Manchmal reichen kleine Tipps in der Handhabung von bestimmten Chemikalien oder ein Hinweis, dass es besser ist, im Wohnbereich wegen der zu erwartenden gesundheitlichen Folgen darauf zu verzichten. Umweltkranke haben Informationsschriften, Blogs, Plakate, Flyer, Veranstaltungen und viele kreative Aktionen vorbereitet, um nicht nur auf ihre Krankheit aufmerksam zu machen, sondern auch um ihren Mitmenschen zu helfen, ihre Gesundheit zu bewahren.

Im CSN Blog wird es im Monat Mai spannende Berichte geben und Aufklärungsmaterial, das jeder in seinem Umfeld verbreiten kann.

Das Motto lautet dieses Jahr:

MCS-Aufklärungsmonat 2012 – Jeder, der auch nur ein Bisschen kann, packt mit an!

Ministerium informiert über MCS – Multiple Chemikalien Sensitivität

Informationen über MCS für Ärzte, Familie und soziales Umfeld

Durch den zunehmenden Einsatz von Chemikalien in unserem Alltag, steigt auch die Anzahl der Menschen in der Allgemeinbevölkerung an, die Chemikaliensensitivität (MCS) entwickeln. Das Negieren der Existenz der Menschen, die an MCS leiden, hatte bislang nur weiteres Elend zur Folge. Das Ministerium für Gesundheit in Massachusetts beschreitet einen konstruktiveren Weg und hat zur Aufklärung über Multiple Chemikalien Sensitivität eine Broschüre verfasst. Auf sachliche Weise erhalten Interessierte und Mediziner Basisinformationen über MCS.

Übersetzung der Broschüre: What you should know about Multiple Chemical Sensitivity

Was Sie über Multiple Chemikalien Sensitivität wissen sollten

Büro für Umwelt und Gesundheit

des Ministeriums für öffentliche Gesundheit Massachusetts

Was ist Multiple Chemical Sensitivity?

Multiple Chemical Sensitivity (MCS) wird als Begriff verwendet, um eine Gruppe von Erkrankungen zu beschreiben, die manche Menschen entwickeln, nachdem sie bestimmten Chemikalien ausgesetzt waren. Die Vielzahl der Symptome, die ein Erkrankter erfährt, hängt von der Art und Intensität der Exposition gegenüber Chemikalien ab.

Die Symptome können von leichten Beschwerden, wie z. B. Kopfschmerzen, bis zu schwerwiegenderen Reaktionen wie eine Asthmaattacke reichen.

Obwohl einige Lebensmittel, Schimmelpilz und natürliche Allergene mit der Entwicklung von MCS in der Verbindung gebracht werden, steht Chemikalienexposition in Verdacht, die häufigste Ursache für die Erkrankung zu sein.

Eine der bemerkenswerten Eigenschaften von MCS ist, dass die Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien sogar bei einer Chemikalienkonzentration eintritt, die im Allgemeinen für die Durchschnittsperson als sicher befunden wird.

Woher weiß ich, ob ich MCS habe?

Kontakt gegenüber einer Vielzahl von Substanzen kann bei einer Anzahl von Menschen in der Allgemeinbevölkerung Symptome auslösen. Solche Reaktionen bedeuten jedoch nicht zwangsläufig, dass man MCS hat. Menschen, die an MCS leiden, erfahren eine Vielzahl von schweren, gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Häufig auftretende Symptome umfassen, sind aber nicht beschränkt auf:

  • Kopfschmerzen
  • Müdigkeit oder allgemeines Unwohlsein
  • Benebelt oder desorientiert
  • Konzentrationsprobleme
  • Störungen des Kurzzeitgedächtnisses
  • Schwindel
  • Ohnmachtsanfälle
  • Grippe-ähnliche Symptome
  • Asthma oder andere Probleme mit der Atmung
  • Muskel-und Gelenkschmerzen, Körperschwäche
  • Herzrhythmusstörungen oder zu schneller Herzschlag
  • erhöhte Geruchsempfindlichkeit
  • Hautausschläge
  • Magen-Darm- Probleme
  • Depression / Gereiztheit
  • Atembeschwerden

Es ist nicht normal, diese Art Symptome regelmäßig zu erleben. Wenn Sie regelmäßig unter diesen gesundheitlichen Problemen leiden, sollten Sie mit Ihrem Arzt sprechen; vielleicht möchten Sie um eine Überweisung an einen Arzt bitten, der spezialisiert ist auf Arbeits- und / oder Umweltmedizin.

Wer bekommt MCS?

Obwohl Menschen aus allen Altersgruppen, Rassen und ökonomischen Hintergrund MCS entwickeln können, gehören Personengruppen in nachfolgenden Situationen zu denen, die als am stärksten gefährdet sind, MCS zu entwickeln:

  • Arbeit in Berufen, in denen man Industriechemikalien ausgesetzt sind
  • Arbeit in Gebäuden mit schwerwiegenden Raumluftproblemen
  • Kontakt mit gefährlichen Abfällen, Pestiziden und anderen Umweltgiften
  • Kontakt mit Chemikalien bei einem Umbau, Zuhause oder im Büro

Was sind die Ursachen für MCS?

Obwohl die Beteiligung vieler Chemikalien, sowie bestimmte Nahrungsmittel, Schimmelpilze und natürliche Allergene mit der Entstehung von MCS in Verbindung gebracht wurden, konnte bislang kein allgemein anerkannter Mechanismus gefunden werden, der die Ursache für das Entstehen erklärt. Eine Person kann MCS nach einer erheblichen Chemikalienexposition entwickeln oder nach mehreren Expositionen im Niedrigdosisbereich gegenüber Stoffen wie Pestizide, Lösungsmittel oder Reinigungslösungen. Als Erklärung wurde vorgeschlagen, dass dieses Initialisierungs- oder „Induktionsstadium“ von einer Triggerung von Symptomen gefolgt wird, die durch im Alltag vorkommende Konzentrationen von Chemikalien und bestimmten Nahrungsmittel ausgelöst wird, die vorher toleriert wurden.

Es gibt viele Diagnosemöglichkeiten, die ein Arzt verwenden kann, um festzustellen, ob eine Person an MCS leidet.

Wie wird MCS diagnostiziert?

Ärzte diagnostizieren MCS normalerweise, indem sie eine Anamnese erstellen, eine körperliche Untersuchung durchführen und nachforschen, ob Symptome einer Person in Reaktion auf Chemikalienexposition kommen und gehen. Um festzustellen, ob die Symptome einer betroffenen Person das Resultat von Chemikalieneinwirkung auf der Arbeit oder zu Hause sind, wird ein Spezialist für Umwelt- oder Arbeitsmedizin gezielte Fragen stellen, um festzustellen, ob die Symptome auf der Arbeit häufiger als Zuhause auftreten.

Kann jeder Arzt MCS diagnostizieren und behandeln?

Während viele Gesundheitsdienstleister Patienten mit dieser Art von MCS Symptomen zu Gesicht bekommen, sind im Allgemeinen Ärzte aus dem Bereich Arbeitsschutz / Umweltmedizin, am Besten in der Lage Personen, mit MCS zu erkennen und zu behandeln.

Wenn Sie vermuten, dass Sie an MCS leiden, Sie können diese Broschüre oder andere damit in Zusammenhang stehende Informationen mitnehmen, wenn Sie Ihren Arzt aufsuchen.

Was kann jemand mit MCS tun, um symptomatische Reaktionen zu verringern?

Menschen mit MCS berichten, dass die Vermeidung von Expositionen gegenüber Chemikalien, Lebensmitteln und Medikamenten, die Symptome auslösen, ein wichtiger erster Schritt ist. Weil von Schadstoffen in geschlossenen Räumen (z.B. Haus) angenommen wird, dass sie eine Hauptursachenquelle sind für die Initiierung und das Auslösen von Expositionen, ist es wichtig, eine optimale Raumluftqualität aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus wird über eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten einschließlich Nahrungsergänzung und andere Therapien berichtet, dass sie hilfreich sein können. Behandlungsoptionen sollten mit einem Arzt besprochen werden, der über MCS gut informiert ist, um zu entscheiden, welche geeignet ist.

Vielleicht möchten Sie diese Broschüre mitnehmen, wenn Sie einen Dienstleister aus dem Gesundheitswesen konsultieren.

Für weitere Informationen über MCS kontaktieren Sie bitte:

Massachusetts Department of Public Health

Bureau of Environmental Health

Environmental Health Education Program

250 Washington Street

Boston, MA 02108

oder die

Massachusetts Association for the Chemically Injured

Post Office Box 754

Andover, MA 01810

Autor/Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. April 2012

Literatur:

Massachusetts Department of Public Health, Bureau of Environmental Health, MCS brochure – What is Multiple Chemical Sensitivity? April, 2012

Weitere Informationen zum Thema:

Busunternehmen muss wegen laufender Motoren hohe Strafe zahlen

Im Stand laufende Busse verschmutzen die Umwelt und gefährden die Gesundheit

Das Laufenlassen von Schulbussen vor den Schulen ist eine gängige Praxis. Die Dieselabgase die dabei freigesetzt werden, belasten die Umwelt in erheblichem Maße. Schüler atmen die Dieselabgase an den Haltestellen ein. Ein großes Schulbusunternehmen muss 90 000$ Strafe zahlen und 348 000$ in Umweltprojekte.

Durham School Services stellt Schulbusse in 30 US Bundesstaaten bereit. Das Busunternehmen gehört zu den Größten in den USA. Inspektoren der Umweltschutzbehörde EPA stellten fest, dass Durham Schulbusse teils mehr als zwei Stunden mit laufendem Motor auf Schüler warteten. Die EPA gab in einer Pressemitteilung bekannt, dass man die Dieselabgase, die Schüler im ganzen Land zwangsläufig auf Schulgrundstücken einatmen, reduzieren wolle. Das Schulbusunternehmen soll nun verpflichtet werden, dafür Sorge zu tragen die Emissionen von rund 14.000 Schulbussen in 30 US Bundesstaaten zu reduzieren.

Das Busunternehmen ist einsichtig und will umgehend damit beginnen, Trainingsprogramme für die Busfahrer durchzuführen. Ältere Busse sollen komplett ausgetauscht werden und an den Schulgrundstücken werden Hinweisschilder für die Busfahrer angebracht, mit denen sie gebeten werden, den Motor der Busse beim Warten abzustellen.

Laufende Dieselmotoren setzen erhebliche Schadstoffe frei, die für zahlreiche Gesundheitsprobleme verantwortlich sein können, teilt die EPA in einer Pressemitteilung mit. Dazu zählen u.a. Asthma, Atemwegbeschwerden, Benebeltsein, Übelkeit, rauher, entzündeter Hals, Husten und viele weitere Symptome. Besonders beeinträchtig sind Schulkinder, die auf ihren Bus warten oder sich im Bus befinden, Busfahrer, Anwohner, Passanten und Angestellte in Verkehrshöfen.

Ein führender EPA Mitarbeiter wies darauf hin, dass die angestrebten Maßnahmen speziell für Kinder mit Asthma und Atemwegerkrankungen wichtig sind, weil sie besonders empfindlich auf die Bestandteile der Dieselabgase reagieren. Außerdem ist bekannt, dass Dieselabgase und die freigesetzten Feinstaubpartikel krebserregend sind.

Ebenfalls relevant ist der Umweltaspekt. Wenn die Praxis, Busse im Stand laufen zu lassen, gestoppt wird, produziert dieses eine Busunternehmen dadurch nicht nur weniger Lärm und Kohlendioxid, sondern spart jährlich fast 3 Millionen Liter Diesel ein.

In Deutschland ist das Laufenlassen der Motoren bei wartenden Schulbussen ebenfalls üblich und gefährdet die Gesundheit von Kindern, Busfahrern und Anwohnern von Schulen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 16. April 2012.

Literatur:

EPA, School Bus Company to Implement Anti-Idling Program and Pay Penalties under the Clean Air Act, 04/10/2012

Weitere CSN Artikel zum Thema Schulen:

Luftreiniger, Luftfilter helfen bei Schadstoffen

Schadstoffbelastung reduzieren ist für MCS Kranke die Therapie Nr.1

Spezielle Wohnprojekte, in denen chemikaliensensible Menschen beschwerdefreier leben könnten, gibt es bislang in Deutschland nicht. MCS-Kranke sind auf schadstofffreien Wohnraum angewiesen, um sich zu stabilisieren und Reaktionen zu verhindern. Umweltmediziner empfehlen Luftreiniger als Hilfsmittel, um im Wohnraum für möglichst schadstofffreie Luft zu sorgen. Studien berichten über hohen Nutzwert. Experten, bspw. Prof. Rapp, sprechen von 90% Stabilisierung durch einen adäquate Luftreiniger bei einigen MCS-Patienten.

In Einzelfällen bekamen MCS-Kranke Luftreiniger von Krankenkassen oder Behörden erstattet. Diese Chemikaliensensiblen können sich glücklich schätzen, denn meistens überlässt man die Erkrankten sich selbst und stellt ihnen keinerlei Hilfsmittel zur Verfügung, um wenigstens damit ihre Wohnsituation zu verbessern.

Thommy‘s MCS-Blogfrage der Woche:

  1. Würde Euch ein Luftreiniger helfen in Eurer derzeitigen Wohnsituation?
  2. Oder, kommt Ihr ohne Luftfilterung aus?
  3. Versprecht Ihr Euch Verbesserung Eures Gesundheitszustandes durch einen Luftreiniger?
  4. Könnt Ihr Euch einen Luftfilter leisten oder müsste Euch eine Behörde oder Versicherung bei der Anschaffung und dem Unterhalt unterstützen?
  5. Habt ihr Erfahrungen mit einem Luftreiniger gesammelt?
  6. Sind gesundheitlich Verbesserungen aufgetreten?
  7. Könnt Ihr dank eines Luftreinigers zeitweise arbeiten (z.B. Büroarbeit)?
  8. Habt Ihr eine behördliche Unterstützung erhalten, um einen Luftreiniger anzuschaffen?

Dioxin in Bio-Eiern ist nicht unbedenklich

Mediziner zur Gefährlichkeit von Dioxin und wie es in Eier gelangen kann

Die Meldung „Dioxin in Eiern“ ging bereits vor etwas mehr als einem Jahr durch die Medien und besorgte die Verbraucher. Damals waren Bio-Eier frei von Dioxinen gewesen. Aktuell ist es ausgerechnet ein Biohof in Nordrhein-Westfalen, dessen Eier mit PCB’s belastet sind. PCB’s sind Dioxinen sehr ähnlich und ebenfalls hochtoxisch. Kaum war die Nachricht über die Dioxine in Bio-Eiern in den Medien, wurde bereits bagatellisiert. Etwas Dioxin sei nicht schlimm, man würde schließlich nicht viele Eier auf einmal essen. Mancher isst aber jeden Tag ein oder zwei Frühstückseier. Die Verharmlosung, etwas Dioxin sei nicht schlimm, ist ohnehin nicht angemessen, das verdeutlicht der nachfolgende Artikel, den der HNO-und Umweltmediziner Dr. Michael Jaumann im vergangenen Jahr an die Zeitung „Stuttgarter Nachrichten“ schrieb, um den Sachverhalt für die Leser aufzuklären. Der Umweltmediziner beschäftigt sich seit über zwei Jahrzehnten intensiv mit Umweltmedizin und ist u.a. Mitglied des Ausschusses „Umwelt und Prävention“ in der Ärztekammer Baden-Württemberg.

Dr. Jaumann schrieb zum Artikel in den Stuttgarter Nachrichten:

Sehr geehrte Frau Volz,

vielen Dank für Ihren Artikel zum Thema der möglichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen durch Dioxine und verwandte Stoffe. Als Arzt und Umweltmediziner – der sich seit über zwanzig Jahren mit dem Thema Dioxin aus umweltmedizinischer Sicht befasst – kann ich dieser, die Situation “verharmlosenden” Stellungnahme seitens des Herrn Jürgen Thier-Kundke vom Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) nicht zustimmen. Richtig und wichtig ist nur, dass wir unnötige und vermeidbare zusätzliche Belastungen vermeiden sollten (dies besonders deshalb, da wir in Deutschland weltweit die mit am höchsten belastete Bevölkerung haben). Diese äußerst wichtige Zusatzinformation seitens des BfR fehlt, warum auch immer.

Heutzutage werden von unseren Bauern die meisten Pflanzen mit Düngern und auch Pflanzenschutzmitteln (chlororganische Verbindungen) während dem Wachstum behandelt. Diese sind eine mögliche Quelle die in der weiteren Verarbeitung zu Dioxin etc. führen könnte. Ein weiterer Aspekt ist, dass unser gesamtes Ackerland in Deutschland mit Dioxinen belastet ist und diese Stoffe aus dem Boden aufsteigen und sich auf den dort wachsenden Pflanzen niederschlagen. Dies in einer Höhe von zehn bis fünfzehn Zentimetern über dem Boden. Dies wäre die zweite mögliche Quelle für entsprechende Vorläufermoleküle die dann zu Dioxinen führen. Diese Pflanzen werden von den Tieren gefressen und diese Stoffe reichern sich im Fettgewebe der Tiere (und später der Menschen) an und werden quasi nie mehr abgebaut. Eine sich lebenslang anhäufende Belastung im körpereigenen Fett ist die Folge. Aus diesen Gründen sind Vegetarier, die sich aus konventionell angebauten Pflanzen ernähren oftmals sogar höher belastet.

In Göppingen hatten wir vor Jahren heftige Diskussionen über die Auswirkungen der Müllverbrennungsanlage (MVA). Deren Abgase haben in der Umgebung zu einer erhöhten Belastung der Böden mit Dioxinen und verwandten Stoffen geführt. Es drohte eine Einschränkung für die Bauern seitens des Umweltministeriums. Untersuchungen bei dort aufgewachsenen Lämmern ergaben eine Belastung des Muskelfleisches mit 24,7 pg/gramm Gesamt-TEQ an Dioxinen und Verwandten. Eine einmalige Fleischportion von 200 Gramm würde fast der Gesamtjahresdosis für diese Stoffe entsprechen die man seitens der Behörden für “ungefährlich” hält.

Für mich als Arzt, der für die Menschen in seinem Umfeld Verantwortung trägt, ist dies nicht akzeptabel. Niemand kennt die langfristigen Auswirkungen (z.B. rasant steigende Allergiker-Raten in Deutschland u.ä.?).

Deshalb halte ich die nachfolgende Einschätzung für enorm wichtig:

Zum Thema gesundheitlicher Auswirkungen und Risiken durch Dioxine wurde im Jahr 1994 eine Neu-Bewertung der Dioxine seitens der US-amerikanischen Umweltbehörde (US-EPA) veröffentlicht die auch heute noch im vollen Umfang gültig ist: der Bericht kommt zu dem Schluss, dass die vorhandene Evidenz ausreicht, Dioxine und verwandte Verbindungen als höchstwahrscheinlich krebserregend für den Menschen einzustufen, und dass auch andere negative Auswirkungen schon bei sehr niedrigen Konzentrationen eine womöglich nach wichtigere Rolle spielen.

Von größerer Bedeutung könnten Entwicklungsstörungen, Effekte auf das Immunsystem und auf die Reproduktion sein. Speziell aufgeführt sind eine reduzierte Fähigkeit des Immunsystems auf Infektionen zu reagieren, eine Verminderung der Fortpflanzungsfähigkeit und ein Anstieg an Endometriose, einer zunehmenden Ursache für Unfruchtbarkeit junger Frauen.

Wichtig ist, dass die US-EPA in der Zusammenfassung darauf hinweist, dass solche Effekte im Tierversuch bei außerordentlich niedriger Belastung festgestellt wurden und zwar bei Konzentrationen die der durchschnittlichen Belastung der Bevölkerung entsprächen (hier ist auch zu bedenken, dass die Belastung der deutschen Bevölkerung mit Dioxinen und verwandten Stoffen deutlich höher liegt wie die der USA-Bevölkerung).

Sehr geehrte Frau Volz,

es würde mich freuen, wenn Sie Ihren Lesern diese ergänzenden Informationen zukommen lassen könnten.

Gerne stehe ich Ihnen für weitere Informationen zur Verfügung

mit freundlichen Grüssen und bestem Dank

Dr.med. Michael P. Jaumann

Marktstr.16

73033 GOEPPINGEN

Arzt für HNO, Stimm- und Sprachstörungen und Umweltmedizin

Mitglied im Ausschuss Umwelt und Prävention der Ärztekammer Baden-Württemberg

Landesvorsitzender Württemberg Berufsverband deutscher HNO-Ärzte

p.s.

TEQ sind Toxizitäts-Äquivalente. Mit diesen wird die Giftigkeit der einzelnen Stoffe (Dioxine, Furane und polychlorierte Biphenyle (PCBs) bewertet und es kann dann die Belastung von z.B. Muskelfleisch in einem zusammenfassenden Wert gemessen werden.

Einen weiteren Artikel zur Dioxin Belastung in Eiern schrieb der Toxikologe Dr. Hans-Ulrich Hill:

Toxikologe zu Dioxin Belastung in Eiern

Hill legt dar, wie oft wir in Deutschland bereits Dioxin-Skandale bei Eiern hatten und woher die Dioxine stammen.

Umweltschäden zu vermeiden kostet weniger, als sie zu beseitigen

Umweltpolitik: Weniger Kosten und mehr Umweltschutz durch bessere Rechtsanwendung

Die Nichtanwendung des Umweltrechts kostet die Wirtschaft in der EU jedes Jahr vermutlich etwa 50 Mrd. EUR in Form von Gesundheits- und direkten Umweltkosten. Die Kommission hat heute eine Mitteilung über die bessere Anwendung des EU-Umweltrechts veröffentlicht; Ziel ist es, diesen Betrag zu verringern und für Menschen und Unternehmen bessere Umweltbedingungen zu schaffen.

Umweltkommissar Janez Potocnik erklärte:

„Das EU-Recht wurde nicht einfach in Brüssel ersonnen; es wird vielmehr von allen Mitgliedstaaten und Parlamenten zum Nutzen der Bürger auf demokratische Weise verabschiedet. Unsere Umwelt wird durch rund 200 Rechtsakte geschützt, die bereits seit längerem gelten, aber viel zu häufig nicht richtig angewendet werden. Dies schadet nicht nur der Umwelt, sondern schädigt auch die Gesundheit des Menschen, schafft Unsicherheit für die Industrie und untergräbt den Binnenmarkt. In Krisenzeiten wie heute sind dies Kosten, die wir uns nicht leisten können.“

In der am 7. März 2012 veröffentlichten Mitteilung werden die positiven Auswirkungen des Umweltrechts hervorgehoben und dargelegt, dass es deutlich weniger kostet, Umweltschäden zu vermeiden, als langfristige Abhilfemaßnahmen zu treffen. Das Umweltrecht kann der Industrie Vorteile bringen: Mit der vollständigen Anwendung des EU-Abfallrechts dürften 400 000 Arbeitsplätze geschaffen werden, und die Nettokosten werden um 72 Mrd. EUR niedriger sein als beim alternativen Szenarium einer Nichtanwendung.

Diese Mitteilung soll zu einem intensiveren Dialog mit den Regierungen und anderen Entscheidungsträgern darüber führen, wie die Zusammenarbeit verbessert werden kann, um Wissen gezielter zu bündeln und gemeinsam zu nutzen und dafür zu sorgen, dass jeder einzelne mehr Eigenverantwortung für Umweltziele übernimmt. Konkret enthält die Mitteilung Maßnahmen, die den Mitgliedstaaten helfen sollen, ein systematisches Vorgehen bei der Sammlung und Verbreitung von Informationen zu erreichen und besser auf Umweltprobleme zu reagieren.

Die Anwendung und Durchsetzung des EU-Umweltrechts ist eine Aufgabe, die die nationalen, regionalen und kommunalen Behörden gemeinsam wahrnehmen. Die schlechte Anwendung wird häufig durch einen Mangel an genauen Informationen über Umweltfragen verstärkt. Die Überwachung erfolgt in Europa nicht überall in gleicher Weise, und die generierten Informationen sind lückenhaft und häufig veraltet. Außerdem sind nicht genügend hilfreiche Informationen online abrufbar. Dank besserer und besser zugänglicher Informationen auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene könnten die größten Umweltprobleme früher ermittelt und so langfristig Kosten gespart werden.

Eine ordnungsgemäße Anwendung bedeutet auch, wirksam auf tatsächliche oder potenzielle Umweltprobleme zu reagieren. Vorschläge für Verbesserungen umfassen bessere Kontrollen und Überwachung, Kriterien dafür, wie die Mitgliedstaaten Bürgerbeschwerden behandeln sollten, besseren Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten und die Unterstützung von europäischen Netzwerken für Umweltspezialisten. Die für die Rechtsanwendung Verantwortlichen sollten sich eindeutiger verpflichten, im Falle von Problemen Abhilfe zu schaffen, und hierfür konkrete Fristen und Eckwerte vorgeben, die öffentlich bewertet werden können.

Nächste Schritte

Die Mitteilung richtet sich an das Europäische Parlament, die Mitgliedstaaten und deren Bürger sowie alle Akteure in den Bereichen Rechtsanwendung und -durchsetzung. Die Ergebnisse der Erörterungen zwischen den drei EU-Organen werden die Grundlage für das siebte Umweltaktionsprogramm schaffen.

Hintergrund

Es ist Aufgabe der Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass das EU-Umweltrecht auf ihrem Hoheitsgebiet angewendet wird. Die Kommission prüft, ob die Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen nachkommen, und trifft Maßnahmen, wenn dies nicht der Fall ist.

Die Rechtsanwendung ist multidimensional. Die Mitgliedstaaten müssen einzelstaatliche Gesetze erlassen, mit denen die auf EU-Ebene vereinbarten Rechtsvorschriften detailliert umgesetzt werden. Sie müssen ihre Verwaltungen in einer Weise organisieren, die gewährleistet, dass diese Gesetze in der Praxis beachtet werden. Sie müssen für die erforderlichen Investitionen beispielsweise in die ordnungsgemäße Abfallbehandlung sorgen. Außerdem sollten sie die Möglichkeit haben zu reagieren, wenn verlangte Aufgaben nicht wahrgenommen werden oder sich andere Probleme ergeben, wie die illegale Abfallentsorgung oder die illegale Jagd auf geschützte Wildtiere.

Autor:

Europäische Kommission, Umweltpolitik: Weniger Kosten und mehr Umweltschutz durch bessere Rechtsanwendung, Brüssel, 7. März 2012

Weitere Informationen:

Mitteilung über die Anwendung des Umweltrechts

Weitere Artikel zum Thema:

Verantwortliche aus Politik und Wissenschaft erfüllen längst überfällige Forderung

Chemikaliensensitivität soll besser erforscht werden

Wissenschaftler, Fachleute aus dem Gesundheitswesens und vor allem Menschen mit Chemikalien-Sensitivität haben einen Sieg erzielt, der Jahre brauchte, um ihn zu gewinnen.

In wenigen Worten: hochrangige Politiker sagen jetzt, dass Chemikalienintoleranz / Chemikalien-Sensitivität ernsthafte Untersuchung braucht.

Die kürzlich abgeschlossene „National Conversation (Nationales Gespräch) über öffentliche Gesundheit und Chemikalienbelastung“, das von mehreren Regierungs- behörden gesponsert wurde, gab im Oktober 2011 ein detailliertes Statement ab, das die zweijährige Beratung unter Hunderten von Experten zusammenfasste. Das Statement, in Kürze gesagt, fordert intensivierte Arbeit, um Chemikalien und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit zu verstehen.

Ich denke, dieses Statement wird die Gesundheitspolitik beeinflussen, neue Forschungen und klinische Untersuchungen voranzutreiben. Fortschritte in der Wissenschaft, Diagnostik und Behandlung von chemikalieninduzierten Krankheiten waren quälend langsam. Ich freue mich deshalb, diese neue Entwicklung zu sehen.

Die „National Conversation“, in ihrer abschließenden Erklärung, forderte verstärkte Untersuchung von:

  • Gesundheitlichen Auswirkungen von Chemikalien, einschließlich Niedrigdosis-, Mehrfach-und kumulierten Expositionen
  • Individuelle Suszeptibilität (Empfindlichkeit), darunter das Zusammenspiel zwischen Genen und Umwelt
  • Vulnerabilität der Gesellschaft und unverhältnismäßige Auswirkungen vergangener Expositionen
  • Effektivität von Interventionen zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung

Für mich war eine der wichtigsten Empfehlungen in diesem Statement diejenige, die sich für Humanstudien in Forschungseinheiten aussprach, die kontrollierte Umwelt- bedingungen aufweisen. Sie besagte: „Studien zu Variationen der Suszeptibilität, wie sie sich durch Chemikalien-Sensitivität / Intoleranz äußert, einschließlich klinischer Studien in für diesen Zweck geeigneten Einrichtungen werden benötigt.“

Diese Empfehlung für Forschungseinrichtungen tauchte erstmalig in einem Bericht des Bundesstaates New Jersey auf, für den ich im Jahr 1989 als Co-Autorin zusammen mit Nicholas A. Ashford, Ph.D., JD, Professor am Massachusetts Institute of Technology, beauftragt worden war, sowie in den nachfolgenden Auflagen unseres Buches Chemical Exposures: Low Levels und High Stakes.

Hier ist ein Auszug aus den Empfehlungen des Statements der „National Conversation“, Kapitel 3: Erreichen eines umfassenderes wissenschaftliches Verständnis über Chemikalien und deren Auswirkungen auf die Gesundheit“:

„Empfehlung 3.5: Verbesserung des Verständnisses individueller Suszeptibilität gegenüber Chemikalienexpositionen.“

„Diejenigen, die anstreben, die Öffentlichkeit vor schädlichen Auswirkungen von Chemikalien zu schützen, brauchen ein besseres Verständnis hinsichtlich der Unterschiede in der individuellen Empfindlichkeit, um in der Prävention und bei Bemühungen um medizinische Behandlung helfen zu können, Prioritäten zu setzen. Einige Personen in bestimmten Bevölkerungsgruppen (z.B. sich entwickelnde Föten, Kinder, Schwangere, ältere Menschen, Behinderte, Personen mit chronischen Krankheiten, Personen mit früherer, erhöhter Empfindlichkeit gegenüber Chemikalien) weisen eine einzigartige Suszeptibilität gegenüber Chemikalienexpositionen auf. Ein Teil dieser Variabilität in der Empfindlichkeit kann im Zusammenhang mit genetischen Abweichungen stehen, erworbenen epigenetischen Veränderungen, Auswirkungen auf die Gesundheit aus früheren Expositionen oder durch Stressoren, die nicht mit Chemikalien in Zusammenhang stehen. Um das Verständnis hinsichtlich dieser Abweichungen zu verbessern, sollten fördernde Behörden weiterhin die Erforschung hinsichtlich der Mechanismen von Abweichungen und der jeweiligen individuellen Empfindlichkeit unterstützen und sich mit der Rolle solcher Schwankungen bei der beobachteten Belastung bei umweltbedingten Krankheiten beschäftigen. Studien von Suszeptibilitätsvarianten, wie sie durch Chemikalien-Sensitivität / Chemikalienintoleranz manifestiert sind, einschließlich klinischer Studien, die in für diesen Zweck geeigneten Einrichtungen durchgeführt werden, sind erforderlich. Bevölkerungsbasierte Studien von exponierten Gruppen können zusätzliche Erkenntnisse liefern.“

„Ferner sollte die Bundesregierung eine bestehende Arbeitsgruppe unterstützen oder eine interdisziplinäre Gruppe berufen, die aus Wissenschaftlern und Klinikern aus Bundesbehörden, NGOs / öffentliche Interessengruppen, Industrie, akademischen Institutionen und Vertretern betroffener Patientengruppen besteht, um eine Forschungsagenda zu Chemical Sensitivity / Chemikalienintoleranz zu erstellen.“

Das „Nationale Gespräch“ war ein zwei Jahre lang dauernder gemeinschaftlicher Prozess, der im Juni 2011 eine Aktionsagenda mit neuen Wegen hervorbrachte, um die Öffentlichkeit vor schädlichen Chemikalienexpositionen zu schützen. Im Oktober 2011 gab die Leitung ihre abschließenden Empfehlungen bei einer Sitzung zur Umsetzungsstrategie in Washington DC, die von der American Public Health Association (APHA) veranstaltet wurde.

Ich hatte den Vorsitz in der Untergruppe für individuelle Suszeptibilität bei dieser „National Conversation“ und arbeitete als Mitglied in der größeren Arbeitsgruppe für wissenschaftliches Verständnis, eine von sechs Arbeitsgruppen, die gebildet worden waren, um die verschiedenen Aspekte der Exposition gegenüber den zahlreichen chemischen Stoffen zu erfassen. Die Arbeitsgruppe gab einen Volltext des Aktionsprogramms heraus.

Die Centers for Disease Control and Prevention und die Agentur für Toxic Substances and Disease Registry unterstützen die „National Conversation“ als Teil ihrer Aufgabe, die öffentliche Gesundheit zu fördern. Dutzende von staatlichen Behörden, Non-Profit- und Industrie-Experten und Tausende von Mitgliedern aus der Öffentlichkeit wurden an der Erarbeitung der Empfehlungen beteiligt.

Autor:

Prof. Dr. Claudia S. Miller, M.D., of the University of Texas School of Medicine

Der Artikel wurde im Original erstmalig am 17. Februar 2012 auf der Webseite von Prof. C.S. Miller publiziert: Leaders Issue a Long Overdue Call for Research into Chemical Intolerance

Herzlichen Dank an Prof. Miller für die freundliche Genehmigung diesen Artikel übersetzen und auf CSN veröffentlichen zu dürfen.

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivty Network

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16 Jahre Knast für Chefs von Asbest-Firma

Italien: Historischer Schuldspruch im Eternit Asbest Prozess

In Italien wurde im Eternit-Prozess um die tödlichen Folgen von Asbest ein historisches Urteil gefällt.

Die Chefs des multinationalen Konzernes Eternit haben das Leben ihrer Arbeiter in Gefahr gebracht und Umweltverbrechen begangen. Dennoch bezweifelten viele Menschen, dass sie für ihre Verbrechen verurteilt würden. Doch genau das geschah am 13. Februar 2012 in Turin, in Norditalien. Die beiden Top-Führungskräfte von Eternit wurden zu 16 Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem das Verfahren 2009 eröffnet worden war. Die Richter sprachen Stephan Schmidheiny, den früheren Eigentümer von Eternit und Louis de Cartier de Marchienne, früherer Chef des italienischen Firmenzweiges schuldig [fr], für ungefähr 3.000 asbestbedingte Todesfälle verantwortlich zu sein, insbesondere in Casale Monferrato und Umgebung. Sie wurden außerdem dazu verurteilt die Opfer, deren Familien und Verbände mit mehreren Zehn-Millionen Euro zu entschädigen, welche an etwa 6.000 Kläger gehen. Das Urteil wurde von vielen hundert Angehörigen und Asbestopfern und auch von Vertretern ausländischer Opferverbände begrüßt.

Das Online-Portal Swissinfo liefert ein paar zusätzliche Details [fr] zum Urteil:

Ils devront notamment verser 25 millions d’euros à la commune de Casale Monferrato, 20 millions à la région Piémont et 15 millions à l’Inail, la caisse nationale italienne d’assurance en cas d’accidents. M. de Cartier devra également verser 4 millions d’euros à la commune de Cavagnolo.

Messieurs Schmidheiny et de Cartier devront en outre verser entre 70.000 et 100.000 euros à huit associations, dont des syndicats et l’association écologiste, WWF. Les victimes de l’amiante et leurs familles recevront quant à elles des indemnités s’élevant pour la plupart entre 30.000 et 35.000 euros, selon la liste lue par le président du tribunal.

Sie müssen 25 Millionen Euro an die Gemeinde von Casale Monferrato zahlen, 20 Millionen Euro an die Region Piedmont und 15 Millionen Euro an INAIL, der staatlichen italienischen Unfallversicherung. Herr de Cartier wird außerdem 4 Millionen Euro an die Stadtverwaltung von Cavagnolo zahlen müssen.

Herr Schmidheiny und Herr de Cartier müssen des Weiteren zwischen 70.000 und 100.000 Euro an acht Verbände zahlen, dazu gehören Handels-Gewerkschaften, Umweltorganisationen und der WWF. Die Asbestopfer und ihre Familien erhalten Entschädigungen, die für die meisten zwischen 30.000 und 35.000 Euro betragen werden, wie aus der vom Präsident des Gerichtshofes vorgelesenen Liste hervorgeht.

Die Webseite Sanità in Cifre erklärt [it], warum dieses Verfahren als „Prozess des Jahrhunderts“ angesehen wurde:

La sentenza di Torino su Eternit interviene su quello che qualcuno ha definito „il processo del secolo”, per l’impressionante quantità di vittime coinvolte: oltre 2.200 decessi dovuti all’amianto, 700 malati di asbestosi, oltre 6.000 costituzioni di parte civile e una platea di legali composta da 150 avvocati.

Bei dem Urteil gegen das Unternehmen Eternit handelt es sich aufgrund der erschreckend großen Zahl der Opfer tatsächlich um etwas, das manche den „Prozess des Jahrhunderts“ genannt haben: mehr als 2.200 asbestbedingte Tote, 700 Patienten mit Asbestose, mehr als 6.000 Kläger und eine juristische Armada von 150 Rechtsanwälten.

Die Familien der Asbestopfer haben einen Blog Asbestos in the Dock (Asbest auf der Anklagebank) und eine Facebook-Seite eingerichtet. Nach ihrer Ansicht beschränken sich Bedeutung und internationale Folgen dieses Gerichtsverfahrens nicht auf Italien:

Auch Staatsanwälte anderer Länder könnten das turiner Verfahren als Präzedenzfall studieren, um eigene Strafverfahren gegen die Chefs von nationalen Eternit-Tochterunternehmen einzuleiten.

Nach Ansicht von Fachleuten wird dieses Produkt noch für lange Zeit Todesopfer kosten. Die Webseite Sanità in Cifre zeigt, wie groß dieses Risiko [it] in Europe aber auch in der übrigen Welt ist.

La triste contabilità delle vittime in Italia raggiungerà un picco tra il 2015 e il 2018, mentre in Europa occidentale le proiezioni si attestano su 500.000 morti nei primi 30 anni del 2000. E, secondo l’Organizzazione mondiale della Sanità, nel mondo muiono ogni anno 107.000 persone per cancro al polmone, mesotelioma o asbetosi dovuti a esposizione ad amianto, mentre sono oltre 125 milioni gli esposti ai rischi sui luoghi di lavoro.

Die traurigen Opferzahlen werden in Italien zwischen 2015 und 2018 ihren Höhepunkt erreichen, während in Westeuropa die voraussichtliche Todesrate in den ersten 30 Jahren nach 2000 eine halbe Million erreichen wird. Und, nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben weltweit jedes Jahr 107.000 Menschen wegen Asbest an Lungenkrebs, Mesotheliom oder Asbestose, während über 125 Millionen weitere Menschen an ihrem Arbeitsplatz gefährdet sind.

In einem Interview [it] mit Christian Elia, beschreiben Niccolò Bruna und Andrea Prandstraller, Mitautoren der Dokumentation „Polvere – Il grande processo all’amianto“ (Staub: Der große Asbestprozeß) für das vom italienischen Kriegsarzt Gino Strada gegründete monatliche Online-Magazin der NGO Emergency das Ausmaß der Asbestbelastung, die Wut und Not der Bewohner von Casale Monferrato [it]:

L’amianto, bandito in Europa, è estratto e lavorato in molti grandissimi paesi del mondo: Russia, Cina, Brasile, India, Thailandia…Mentre i Paesi Europei sono alle prese con costosissimi e quasi impossibili sforzi di decontaminazione il 75 percento della popolazione mondiale usa l’amianto-cemento ed è esposta ai suoi rischi. Perciò il problema amianto è oggi più attuale che mai.

Obwohl Asbest in ganz Europa verboten ist, wird es in vielen großen Ländern abgebaut und verarbeitet: Russland, China, Brasilien, Indien, Thailand… Während sich die Europäer mit teureren und nahezu unmöglichen Dekontaminations-Bemühungen herumschlagen, benutzt 75 Prozent der Weltbevölkerung immer noch Asbest-Zement und ist dessen Risiken ausgesetzt. Deshalb ist das Asbest-Problem jetzt wichtiger als je zuvor.

Dies erklärt die Anwesenheit zahlreicher Delegationen von ausländischen Opferverbänden bei der Urteilsverkündung in Turin. In einer am selben Tag herausgegebenen Stellungsnahme [fr] von ANDEVA [fr] (nationaler Schutzverband für Asbestopfer) heißt es:

Ce jugement était très attendu. Par les victimes italiennes d’abord qui n’ont pu toutes pénétrer dans la salle d’audience dont beaucoup ont suivi la lecture intégrale du jugement à la télévision et à la radio. Mais aussi pour les victimes et les veuves venues apporter leur solidarité du Brésil, des Etats Unis, de Belgique, d’Angleterre, de Suisse, de France, qui ont pu l’entendre en direct en traduction simultanée. Avec l’Andeva, une délégation de 160 victimes et veuves était venue à Turin de toutes les régions de France (Bourgogne, Rhône Alpes, Martigues, Dunkerque, Paris). Parmi eux des anciens d’usines françaises d’Eternit.

Das Urteil stieß auf großes Interesse. Zu aller erst bei den italienischen Opfern, die nicht im Gerichtssaal sein konnten und von denen viele die komplette Urteilsverkündung in Radio und Fernsehen verfolgt hatten. Aber auch bei den Opfern und Witwen, die aus Brasilien, den USA, Belgien, England, der Schweiz und Frankreich gekommen waren, um ihre Solidarität zu Ausdruck zu bringen und die es als Simultanübersetzung selber hören konnten. Zur ANDEVA-Delegation gehörten 160 Opfer und Witwen, die aus allen Regionen Frankreichs (Burgund, Rhône-Alpes, Martigues, Dunkirk und Paris) nach Turin gereist waren. Ebenfalls anwesend waren ein paar ehemalige französische Eternit-Arbeiter.

Unglücklicherweise kann es selbst bei den schlimmsten Tragödien den Opfern sehr unterschiedlich ergehen. Im Falle dieser tödlichen Stäube werden die Opfer [it] in den Städten Rubiera [it] (Reggio Emilia) und Bagnoli [YouTube] (Neapel) überhaupt keine Entschädigung erhalten, weil die Verbrechen verjährt waren. Obwohl genauso kontaminiert wie andere die Geld bekommen, sind die noch lebenden Opfer auf sich selber angewiesen, um ihre Familien zu ernähren und die Natur für zukünftige Generationen zu erhalten.

Um einen Eindruck zu vermitteln, wie viele Menschen nicht berücksichtigt wurden, schrieb Valerie Wilson im Blog Suite 101:

Der Präsident der Provinz Neapel, Luigi Cesaro, zählte die Todesbilanz der Fabrik in Bagnoli auf:

  • 134 Tote durch Lungenkrebs
  • 9 Tote durch Kehlkopfkrebs
  • 258 Tote durch Asbestose
  • 65 Tote durch Mesotheliom

außerdem leiden immer noch 100 Arbeiter an den obigen Erkrankungen.

Antonio Iaccarino, der Sohn von zwei in Bagnoli kontaminierten Patienten schrieb auf der Facebook-Seite Sentenza Processo Eternit [it]:

I miei genitori sono entrambi malati, sono stati lavoratori di Bagnoli e hanno lavorato dal 1960 al 1984…i loro amici del lavoro con i quali condividevano 3 turni si contano sulle dita di una solo mano, io forse sono un pò più fortunato di altri che hanno avuto i propri cari all’Eternit ma la vita dei miei genitori di sicuro non è stata, per motivi di salute, tutta rosa e fiori…

Meine Eltern sind beide krank, sie arbeiteten von 1960 bis 1984 in Bagnoli… die [noch lebenden] Arbeitskollegen aus ihrer Schicht kann man an einer Hand abzählen, vielleicht war ich besser dran als andere, deren nächste Angehörige bei Eternit arbeiteten, doch das Leben meiner Eltern war in gesundheitlicher Hinsicht sicher alles andere als ein Honigschlecken…

Autor: Abdoulaye Bah
Englische Übersetzung: Jenny Sin
Deutsche Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Der französische Original-Artikel „Italie : condamnation historique dans le procès Eternit sur l’amiante“ wurde am 17. Februar 2012 von GlobalVoices veröffentlicht, die englische Übersetzung „Italy: Historic ‘Guilty‘ Verdict in the Eternit Asbestos Trial“ am 25. Februar 2012 und steht unter der Creative Commons Lizenz: By (Namensnennung). Für diese Übersetzung gilt Creative Commons: By-NC-SA (Namensnennung, nicht kommerzielle Verwendung, Weitergabe unter gleichen Bedingungen).

Copyright Artikelfoto: LHOON, Creative Commons: By-SA (Namensnennung und Weitergabe unter gleichen Bedingungen)

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