Sauerstoffversorgung für MCS Patienten
bei akuten Reaktionen und in der Therapie - neu überarbeitete Fassung!
 
 

Silvia K. Müller / CSN

In der klinischen Praxis hat es sich bei MCS Patienten bewährt, Sauerstoff zur Überwindung von Reaktionen, bzw. bei akuter Exposition zu verabreichen. Sauerstoff ist eine exzellente nebenwirkungsfreie Möglichkeit, Reaktionen bei Chemikaliensensiblen zu vermindern, bzw. beseitigen (1,2,3,4,5,6,7,8,9,10).

Die meisten Entgiftungsvorgänge im Körper erfordern Sauerstoff, um optimal abzulaufen. Gerade bei Chemikaliensensiblen ist dies besonders wichtig, da sie zu vasospasmotischen Erscheinungen (Raynaud Syndrom) aufgrund ihres Zustandes tendieren.
In reaktiven und bei entzündlichen Prozessen setzt Hämoglobin vermehrt Sauerstoff ein, um eindringende Fremdkörper zu eliminieren. Dies erfordert einen erhöhten Bedarf an Sauerstoff. Indem Sauerstoff für die durch das Allergen aktivierten Zellen zur Verfügung gestellt wird, steigt der Energielevel in Form von Adenosin Triphosphat (ATP) an, was eine normale Zellfunktion gewährleistet und den Entgiftungsmetabolismus beschleunigt (2,3).
Verabreichung von Sauerstoff ermöglicht die korrekte Funktion nährstoffgesteuerter Enzymreaktionen (1). Diese sind wiederum für eine adäquate Entgiftung erforderlich.
Da die meisten chemikaliensensiblen Patienten bei Reaktionen zu Übersäuerung, oftmals zu chronischer Azidose tendieren und in diesem Moment Hämoglobin geringere Affinität für Sauerstoff aufweist, empfehlen Mediziner gleichzeitig alkalische Salze in Form von Tri Salts, Bi Salts oder gepuffertem Vitamin C zu sich zu nehmen (3,10).

Sauerstoff bei Reaktionen
Einige der Patienten überwinden ihre Symptome nach akuter toxischer Exposition sehr rasch, wenn sie Sauerstoff inhalieren. Der Sauerstoff wird mit 40-100% in einer Dosis von 6 l/min bis zum Verschwinden der Symptome verabreicht. Im EHC Dallas wurden auf diese Weise über 5.000 Patienten zur Linderung ihrer Beschwerden nach toxischer Exposition, mit gutem Erfolg behandelt.

Hypersensible Patienten benötigen eine zusätzliche transportable Sauerstoffversorgung für Notfälle oder um überhaupt einkaufen, oder zu einem Arzt gehen zu können. (2,6,7,8). Bei einem Krankenhausaufenthalt kann der behandelnde Arzt bei entsprechender Indikation um Verschreibung von Sauerstoff zur Symptombewältigung gebeten werden (3). Auch bei schweren Reaktionen nach einer Saunaentgiftungstherapie wird Sauerstoffgabe erfolgreich zur Beseitigung von Symptomen eingesetzt.
Bei hypersensiblen Chemikaliensensiblen hat sich bei längeren Autofahrten Sauerstoffverabreichung als äußerst hilfreich erwiesen. Der MCS Betroffene kann so seine Symptome gering halten und Luft frei von zirkulierenden Allergenen zu sich nehmen. Besonders beim Durchfahren von Gebieten mit hoher Luftverschmutzung, bei einem Unfall oder in Staus, kann es vorkommen, dass ein Autoluftfilter alleine nicht ausreicht.

Sauerstoff und Therapie
Wichtig bei der Sauerstofftherapie ist das
kunststofffreie Reservoir, hier aus
Cellophan und nicht ausdünstendem Holz
in Kombination mit einem Tygonschlauch

Sauerstofftherapie
Sauerstoff erzielt auch therapeutisch gute Erfolge bei einer Vielzahl Chemikaliensensibler.
Eine 5jährige Studie zu Sauerstoffversorgung des Gewebes anhand von PaO2 und PvO2 (Messung des Sauerstoffgehaltes in den Arterien und Venen), am EHC Dallas zeigte, dass eine Subgruppe von chemikaliensensiblen Patienten einen hohen PvO2 hat, der zwischen 25-45mmHG liegt. Bei der Mehrzahl dieser Patienten konnte durch eine gezielte Sauerstofftherapie eine signifikante Verbesserung erzielt werden.
Die Sauerstoffbehandlung wird mit Porzellanmaske und einem kunststofffreien Reservoir (spezielle Konstruktion mit Cellophan) durchgeführt, um Reaktionen der Patienten auf herkömmliche ausgasende Materialien zu verhindern. Man verabreicht 100% Sauerstoff in einer Dosierung von 6 L/min über einen Zeitraum von 2 Stunden pro Tag, über 18 Tage verteilt. Die Verbesserung korreliert meist mit einem Abfall des PvO2. Die Mehrzahl der Patienten verfügen nach der Sauerstofftherapie über eine drastische Verbesserung der Mikrozirkulation. Dies resultierte in einer Verminderung der Schwellung endothelialer Zellen, anschließendem Anstieg des Blutflusses und der Sauerstoffanreicherung des Gewebe und Normalisierung des PH. Ein aerober Metabolismus des lokalen Gewebes tritt ein.
Zusätzlich haben die Patienten mehr Energie, ein besseres Kurzzeitgedächtnis, Anstieg der Konzentrationsfähigkeit und verbessern ihre Fähigkeit toxische Chemikalien zu entgiften. Dieser Effekt hält oft bis zu einem Jahr an. Bei unstabilen Patienten kann der Zustand jedoch kippen und die Sauerstoffgabe sollte wiederholt oder über einen längeren Zeitraum angewendet werden.

Schadstofffreies Zubehör zur Sauerstoffversorgung
Wichtig bei jeglicher Art von Sauerstoffzufuhr ist zu wissen, dass bei chemikaliensensiblen Patienten herkömmliches Zubehör, wie Silikonschläuche, Silikonmasken und Luftbefeuchter aus Kunststoff starke Symptome hervorrufen können (2,3,6,7,9,10). Herkömmliche Masken sollten daher gemieden werden. Aus diesem Grund wurde im EHC Dallas eine Keramikmaske zur Sauerstoffversorgung entwickelt. Die Glasur ist frei von Schwermetallen und andern Auslösern. Für Hypersensible wird ein Schlauch aus Edelstahl empfohlen (2), der geruchsneutral und leicht zu reinigen ist. Für weniger Sensible bietet sich ein Tygonschlauch (Lebensmittelkunststoff) an (2,3,6,7,9,10), der unterwegs durch seine hohe Flexibilität leichter mit der Sauerstoffmaske zu handhaben ist.

Zubehör
Für Hypersensible ist der Edelstahl-
schlauch sicherer als Tygon. Der
Luftbefeuchter muss aus Glas sein.

Bei länger andauernden Reaktionen und hypersensiblen Patienten, die auf längere Sauerstoffzufuhr angewiesen sind, wird Befeuchtung des Sauerstoff mittels eines Glasluftbefeuchtungsgefäßes zur Schonung der Lungen und Bronchien empfohlen. Herkömmliche Luftbefeuchtungsgefäße sind aus Kunststoff und dünsten Chemikalien aus, die von MCS Patienten nicht toleriert werden (6,7,9,10). Glasluftbefeuchtungsgefäße wurden bislang in den USA von einer kleinen Manufaktur hergestellt. Nachdem diese den Betrieb einstellte, entwickelte die Pure Nature Entwicklungsabteilung ein für den deutschen Markt optimiertes Modell.
Sauerstoff-Flaschen aus Metall sind in jedem Falle für MCS Patienten erfahrungsgemäss die beste Wahl, da ebenfalls angebotene Sauerstoffgeräte (Konzentratoren) aus Kunststoff durch ihre Ausdünstungen große Probleme bereiten (2,10).


Dosierung
Zur Überwindung einer Chemikalienexposition mit Symptomen wie Kopfschmerzen, vaskulärer oder Bronchospasmus, Benommenheit, Schwindel und Hypoxie des Gewebes hilft häufig schon eine zehnminütige Sauerstoffinhalation bei 3 l/min. Je nach Anweisung des behandelnden Arztes kann dies stündlich oder für längere Perioden wiederholt werden. Die Dosierung des Sauerstoffs sollte zwischen 2 und 6 Litern pro Minute liegen. (2,6,7) - die Dauer der Verabreichung sollte 8 Stunden täglich möglichst nicht übersteigen.
Sauerstoff darf in keinem Fall länger als 24 bis 48 Stunden an einem Stück verabreicht werden, um potentielle Schädigung der Lunge zu vermeiden. Bei Chemikaliensensiblen die noch aktiv sind, ist dieser Zeitraum keine Gefahr, da diese Menschen ihren normalen Tagesablauf ohne Sauerstoff bewältigen.

Landläufig wird häufig aus Unkenntnis vor Verabreichung von Sauerstoff zurückgeschreckt, da Lungenschäden befürchtet werden. Sauerstoff unter kontrollierten Bedingungen verabreicht, hat ausschließlich positive therapeutische Effekte (13). Am EHC Dallas bekamen über 8.000 Patienten Sauerstoff, ohne irgendwelche Schädigung der Lunge (1).


Sauerstoff stationär für zu Hause

Erforderliche Ausstattung:
  • Eine 10 Liter Flasche mit Druckminderer (frei einstellbar)
  • Edelstahl- oder Tygonschlauch
  • Eine Keramikmaske
  • Ein Glasluftbefeuchter

Sauerstoff für unterwegs

Erforderliche Ausstattung für unterwegs, z.B. Arztbesuch, Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln, etc.:
  • Eine 2 Liter Sauerstofflasche mit Druckminderer (3 Liter pro Minute), sowie eine Ersatzflasche
  • Ein Tygonschlauch, 2 m Länge
  • Eine Keramikmaske
Bei längeren Reisen ist eine rechtzeitige Absprache mit dem Reiseveranstalter, der Schifffahrtslinie, dem Busunternehmen und Hotel erforderlich, um eine weitere Versorgung sicherzustellen.
Sauerstoff auf Flugreisen

Sauerstoff für unterwegs
2 Liter Sauerstoffflasche
mit Tygonschlauch und
Keramikmaske für unterwegs


Der Sauerstoff wird von der Airline kostenpflichtig gestellt und muss mindestens 48 Std. vorher geordert werden. Ein ärztliches Attest ist erforderlich. Oft wird ein Fragebogen zum Gesundheitszustand, der vom behandelnden Arzt auszufüllen ist, gefordert. Eigene Flaschen sind nur bei ganz wenigen Airlines in Europa zugelassen. Da die angebotene Nasenkanülen oder Masken aus Silikon sind und stark ausdünsten, ist zu empfehlen, die eigene Keramikmaske mit Tygonschlauch mitzunehmen. Der Edelstahlschlauch ist bei Flugreisen nicht zu benutzen, da er nicht auf die Adapter der Sauerstoffflaschen passt.

Erforderliche Ausstattung:
  • Keramikmaske
  • 2 m Tygonschlauch

Anmerkung:
Diese Abhandlung wurde geschrieben, um Interessierten einen Überblick zu verschaffen und ist nicht als Therapieempfehlung oder Aufforderung zur Eigentherapie zu verstehen. Substituierung von Sauerstoff, wie auch andere Therapiemaßnahmen sollten Sie immer mit Ihrem Umweltmediziner besprechen.


Literatur:
  1. Rea, Chemical Sensitivity Volume IV, Lewis Publisher, 1995
  2. Rogers, EI Syndrome, Prestige Publishing, 1986
  3. Krohn, Allergy Relief and Prevention, Hartley and Marks, 1996
  4. Environmental Health Center - Dallas, Outpatient Manual
  5. Natalie Golos, William J.Rea, Success in the clean bedroom, Pinnacle Publisher, 1992
  6. Doris J.Rapp, Dorothy Bamberg, The impossible child. A guide for caring teachers and parents, PARF, 1986
  7. Doris J.Rapp, Is this your child's world, Bantam, 1996
  8. Theron G. Randolph, Ralph W. Moss, An alternative approach to allergies, Harper Perennial, 1979
  9. Toni Temple, Healthier Hospitals, ONFCI, 1996
  10. Theron G. Randoph, Human Ecology and suseptibility to the chemical Environment, Thomas Publisher, 1962
  11. American Association for Respiratory Care, Requirements for Traveling with Oxygen
  12. M. von Ardennen, Oxygen Multistep Therapy: Physiological and Technical Foundations, Thieme Verlag, 1990
  13. Deepak Chopra; Alternative Medicine, The Definitive Guide, The Burton Goldberg Group, 1993

Begleitinformation:

Behandlung Tygonschlauch
Für manche MCS Patienten ist auch der Geruch von Tygon, einem Kunststoff, der in der Lebensmittelindustrie zugelassen ist, nicht tolerabel. Folgende Behandlung hilft zur Geruchseliminierung: 1 / 2 Tasse Baking Soda (Kaiser's Natron) auf einen halben Liter Wasser in eine große Schüssel geben. Lassen Sie den Schlauch für 1 bis 2 Wochen in dieser Lösung liegen, spülen Sie ihn jedoch täglich mit klarem Wasser durch. Danach füllen sie ihn wieder mit der Baking Soda Lösung. Wenn der Kunststoffgeruch nicht mehr wahrnehmbar ist, ist der Schlauch bereit zur Verwendung. Falls die Prozedur nach drei Wochen noch nicht erfolgreich für Sie ist, empfiehlt es sich aufgrund der Intensität Ihrer Sensibilität, einen Edelstahlschlauch zu wählen. (2)

Auf die gleiche Weise sollten Sie versuchen, einen herkömmlichen Silikonschlauch mit Nasenkanüle zu behandeln, bis er geruchsfrei ist. Dieser könnte hilfreich sein, wenn ein Zahnarztbesuch, oder eine Operation ansteht. Leider gibt es keine bessere Alternative mit Nasenkanüle. Diese Version sollte wegen der Bedenklichkeit des Silikons jedoch nur für den Notfall genutzt werden.


Kostenübernahme durch Krankenkassen
Die meisten Krankenkassen übernehmen bei entsprechender Indikation die Kostenübernahme für die häusliche und mobile Sauerstoffversorgung. Hierfür die Sauerstoffflasche nebst Druckminderer und Spezialzubehör (Tygon- oder Edelstahlschlauch, Keramikmaske, ev. Glasluftbefeuchter) vom Arzt verordnen lassen und nebst einem Kostenvoranschlag für alle Hilfsmittel an die Krankenkasse zur Genehmigung senden.

Wo bekomme ich das Zubehör?
Die Sauerstoffflasche und die Druckminderer erhält man entweder direkt von der Krankenkasse oder von einem Sanitätshaus. In der Rubrik Ressourcen finden Sie Anbieter für Glasluftbefeuchtungsgefäße, Tygonschlauch, Edelstahlschlauch und Keramikmaske.
 
 
 
 
 
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