Tageszeitungen, Zeitungskiosk – Keine Chance für Chemikaliensensible

Zeitung lesen? Unmöglich wegen MCS

Der Geruch frisch gedruckter Zeitungen ist stechend und signifikant, selbst Gesunde beklagen sich. Wer Menschen mit Chemikaliensensitivität (MCS) fragt, auf was sie reagieren und womit sie Probleme im Alltag haben, wird von fast allen hören, dass Tageszeitungen für sie tabu sind und schwere Symptome auslösen. Atemwegsbeschwerden, brennende tränende Augen, Schwindel, Kopfschmerzen, laufende Nase, Brennen der Gesichtshaut gehören zu den Beschwerden die von Chemikaliensensiblen aufgezählt werden. Einen Zeitungskiosk aufzusuchen ist für sie nicht möglich.

Toluol im Zeitungskiosk?
Eine Gruppe von italienischen Wissenschaftlern von der Universität Bari untersuchte über den Zeitraum einer Arbeitswoche Zeitungskioske. Das Team führte Messungen durch, um die durchschnittliche Lösungsmittelkonzentration in 16 verschiedenen Zeitungskiosken und zwei Druckereien zu ermitteln. Zusätzlich quantifizierte man die zahlreichen Lösungsmittel. In allen Zeitungsständen und in den Druckereien wurden halogenierte, aliphatische, oxygenierte und aromatische Verbindungen über eine ganze Woche hinweg kontrolliert. Die Wissenschaftler benutzen hierzu Diffusionssammler und analysierten mittels Gaschromatographie und Massenspektometrie.

Hundertfach erhöhte Toluolwerte im Zeitungskiosk
Die Zeitungsstände wiesen allesamt wesentlich höhere Toluol-konzentrationen als in der umgebenden Außenluft auf. Einige der Zeitungsstände hatten Toluol geschwängerte Innenraumkonzen-trationen, die hundertfach höher als die korrespondierenden Werte in der Außenluft waren.

Kein Zweifel Zeitungen dünsten Toluol aus
Als Kontrolle, ob die Toluolbelastung in Zeitungsständen tatsächlich aus den Tageszeitungen stammt, untersuchten die Wissenschaftler die Innenraumluft von zwei Zeitungsdruckereien. Die Unter-suchungen in den beiden Druckereien bestätigte, dass Zeitungen, insbesondere deren Druckfarbe, die Hauptquelle für das Toluol in der Innenraumluft von Zeitungsständen ist.

Dass Chemikaliensensible auf Tageszeitungen mit massiven gesundheitlichen Beschwerden reagieren und einen Zeitungskiosk nicht betreten können, mag bei diesem Hintergrund nachvollziehbar sein.

Autor:
Silvia K. Müller, CSN  – Chemical Sensitivity Network, 15. Februar 2009

Literatur:
Caselli M, de Gennaro G, Saracino MR, Tutino M, Indoor contaminants from newspapers: VOCs emissions in newspaper stands, Environ Res. 2009 Feb;109(2):149-57. Epub 2008 Dec 23.

11 Kommentare zu “Tageszeitungen, Zeitungskiosk – Keine Chance für Chemikaliensensible”

  1. Mary-Lou 17. Februar 2009 um 09:06

    Nun verwundert mich auch nicht mehr, warum ich keine Zeitschriften, Tageszeitungen, Werbeprospekte etc. lesen kann, ohne schwerwiegende Symptome, trotz meiner Schutzmaske, zu bekommen. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchungen bestätigen die Schadstoffbelastungen der bedruckten Presse. Ich denke, dass nicht nur wir Chemikaliensensible Gesundheitsstörungen durch Druckfarbe aufweisen, die Leute die in Druckereien arbeiten müssen, tun mir leid. Mein Nachbar ist vor einigen Jahren an Krebs gestorben, er arbeitete in einer Druckerei. Der heutige Blogbeitrag bestätigt mal wieder, wie wichtig Arbeitsschutzmaßnahmen sind. Würden die Druckereien ihre Betriebe mit Luftfilter und Abluftsystemen ausstatten, gäbe es bei diesem Berufszweig mit Sicherheit weniger folgenschwere Krankheitsfälle. Doch ist es erst einmal so weit, wird es schwer sein, gegen Berufsgenossenschaften anzukommen und die Ursache für die Erkrankung dem Arbeitsplatz zuzuordnen. Es ist immer wieder das gleiche Spiel, die Arbeiter haben das Nachsehen.

  2. Monja 17. Februar 2009 um 09:43

    Als mich vor einigen Jahren das Arbeitsamt noch gezwungen hat, mit schwerer MCS zu arbeiten (ansonsten Geldsperre- Drohung) musste ich jeden Morgen mit dem Fernzug oben an der Ostsee fahren. Das Einsteigen war die Hölle, fast alle Leute hatten die großen frischen Tageszeitungen vor der Nase und waren frisch beduftet. Ein Gestank, der das Atmen unmöglich machte und so fuhr ich stehend zwischen beiden Waggons in dem Lärm, in der Kälte und auch dem Zug- Gestank, was immer noch besser auszuhalten war, als die Zeitungen. Damals hatte ich noch keinen PC und kannte nur einen einzigen MCS- Erkrankten dort im Ort, hatte einzig die Bücher von Daunderer gelesen und befand mich auf dem schlimmsten Horror- Tripp meines Lebens. Nach dem Aussteigen aus dem Zug ging dann draußen der Wahnsinn weiter mit den Autoabgasen und dann in den Firmen Teppichboden, Drucker, Fotokopierer usw. Was wir schon alles überlebt und ertragen haben, kann sich kein Gesunder vorstellen… Tageszeitungen kommen mir seitdem gar nicht mehr ins Haus, manchmal schaue ich kurz mit Maske im Treppenhaus hinein. Ich kannte damals ein liebes benachbartes junges Paar, die im Schlafzimmer Kleintiere hielten, zahme Ratten und Meerschweinchen, deren Käfige legten sie auch immer mit Tageszeitungen aus. Meine Bemerkung, das könnt ihr den Tieren doch nicht antuen, haben sie nicht verstehen können. Wie auch, Gesunde ahnen nichts von all dem…
    Herzlichst Monja

  3. G. Hinsche 17. Februar 2009 um 10:16

    Die Tageszeitung ist mit als erstes meinem persönlichem Rotstift
    zum Opfer gefallen. Zuerst war es bei mir der Mangel an Konzentration
    und später erst merkte ich das es viel mit dem Duft verbunden war.
    Informationen gibt es im Rundfunk, Fernsehen und Internet, so
    konnten also die Kosten für die Zeitung eingespart werden.
    Alles andere was im Briefkasten landet wird gleich an der frischen
    Luft sortiert. Papiertonne, Wäscheleine und Vorraum sind dann die
    nächsten Stationen ehe etwas direkt ins Haus kommt.
    Das viel zu viel sinnlos gedruckt weiß ja jeder, aber so haben auch
    viele Arbeit nur der Natur ist es nicht zuträglich.

  4. Lucca 17. Februar 2009 um 21:33

    Tageszeitung? Was ist das?

    Ich lese online – die New York Times, Science Daily, Washington Post und was mir sonst gerade einfällt.

  5. Wanderfalke 18. Februar 2009 um 13:26

    Mir geht es genau wie meinen Vorrednern, Tageszeitung lesen zu können ist lange lange her. Ich bekomme von dem Druckgeruch sofort geschwollene Nasenschleimhäute, Kopfschmerzen und Übelkeit. Dies alles hält dann noch extrem lange an, also ich habe es aufgegeben.

  6. Windrose 20. Februar 2009 um 10:03

    Es gibt verschiedene Druckverfahren. Die verwendeten Chemikalien (aus Druckfarben, Lacken, Verdünnern, etc.) können sehr unterschiedlicher chemischer Herkunft sein. Auch auf die Chemikalien in den verwendeten Papiersorten können MCS-kranke Menschen unangenehm reagieren. Eine genaue Zuordnung auf welche Chemikalien wer reagiert ist daher oft nicht genau feststellbar und zum Teil schwierig. Eine Lösung wäre aber nur Spartenübergreifend zwischen Fachleuten und Medizinern (Ärzten) möglich. In diesem Punkt bin ich sehr skeptisch geworden, denn nach meinen Erfahrungen überwiegen Standesdünkel, Ignoranz, Besserwisserei, Angst um den eigenen Arbeitsplatz, Beratungsresistenz, …, die einer Zusammenarbeit nur entgegenstehen. Also machen alle weiter wie bisher, mit den bekannten Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung.

    Toluol wird nur im Tiefdruck verwendet (hohe Auflagen, fast alle Zeitschriften an Kiosken, oft Werbesachen, überregionale Tageszeitungen, Kataloge!). Trotz offensichtlicher Bemühungen der Druckereien und der Druckmaschinenhersteller (Rückgewinnung der Lösungsmittel) sind immer noch Reste der Lösungsmittel in den Drucksachen enthalten. Allemal in Größenordnungen auf die MCS-Kranke reagieren. Selbst „Gesunde“ wie ich empfinden die Belastung zum Teil als Belästigung.

    Viele regionale Tageszeitungen werden im Offset gedruckt. Dieser ist nicht im gleichen Maß mit Lösungsmitteln belastet. Es werden Alkohole verwendet. Im Bogen-Offset-Verfahren (Tageszeitungen) dunsten die Lösungsmittel mit der Zeit aus. Im Rollen-Offset (angewendet z.B. bei der Herstellung von kleinen Zuckertüten) werden die Lösungsmittel, bedingt durch das Trockenverfahren, noch beim Druck entfernt.

  7. Analytiker 20. Februar 2009 um 10:33

    @ Windrose

    Besten Dank für den aufschlussreichen Kommentar. Durch diese Ausführungen wird u. a. bestätigt, dass die Reduzierung der Schadstoffbelastung der Tagespresse, durch Wahrung der Interessen der einzelnen Gruppen kontraproduktiv behindert wird. Diese Vorgehensweise ist nicht nur in der Sparte Druck die Regel, sondern durchläuft quasi alle anderen Branchen gleichermaßen. Alle machen munter weiter wie bisher, weitere Krankheitsfälle, ob MCS, Krebs, Atemwegserkrankungen usw., werden in Kauf genommen. Die Bevölkerung hat eben keine Lobby, gesundheitsfördernde bzw. gesundheitserhaltende Maßnahmen sind nicht erwünscht, der Sachstand der Wissenschaft wird ignoriert.

    Das lässt bei mir die Frage aufkommen, für was wird eifrig geforscht und gemacht, wenn die daraus gewonnenen Erkenntnisse außer Acht gelassen werden bzw. in so mancher Schublade vor sich hinschlummern oder schlimmer noch, von Interessengruppen Gegengutachten erstellt werden, die mit Verwässerungstaktik einhergehen?

  8. Tine 20. Februar 2009 um 22:11

    Hallo Ihr Lieben,
    ich kann mich noch sehr gut an meine Zeit erinnern, in der ich auf die Ausdünstungen reagierte. Am schlimmsten war meine geliebte Tageszeitung. Da ich damals auch nicht lange am PC lesen konnte, freute ich mich auf den Sommer, denn draußen zu lesen ging viel besser. Anschließend direkt in den Müll. Meine Empfindlichkeit hat sich gottseidank sehr verbessert und somit kann ich wieder um 6 Uhr morgens bei Kaffee lesen und mein Gehirnjogging (Sudoko) machen. Allen MCS´lern wünsche ich, dass es Ihnen auch wieder soweit besser geht, dass sie wieder lesen können, ohne Box oder vorigem, stundenlangen lüften.
    Ganz liebe Grüße
    Tine

  9. kätti wingens 6. August 2014 um 08:31

    leider wird man als hysterischer Idiot betrachtet,
    sobald man vesucht, seinen Mitmenschen diese Krankheit zu erklären und um ein paar winzig kleine Rücksichten zu bitten.
    Habe das Glück … da selbst Insulaner … ab und zu
    in meine Heimat zu könnnen und konnte erleben,
    … hinfahren mit Wahnsinnsgelenkschmerzen Knie und
    Fussgelenke etc. ….
    ein halbes Jahr da gelebt
    …. keine Schmerzen mehr.
    das heisst, krank werden und sein durch Einatmen
    der toxischen Chemiestoffen, a b e r
    auch unglaubliche Besserung durch Einatmen sauberer Luft.
    Selbst erlebt, selbst erfahren.
    Gruss und hoffentlich etwas Hilfe dadurch K. Wingens

  10. Drucker 7. April 2015 um 04:03

    Vorab: Ich möchte das Problem von Menschen mit Chemikaliensensitivität nicht klein reden, oder gar negieren wollen.

    Nur habe ich ein paar Dinge zu berichtigen.
    @ Windrose
    Richtig ist, daß Toluol im Tiefdruck verwendet wird, es dient als flüchtiges Lösemittel (Verflüssiger) in der Druckfarbe. Richtig ist auch, daß Zeitschriften (Hochglanzmagazine), Kataloge und ähliche Drucksachen im Tiefdruck hergestellt werden.

    Falsch ist in der Aufzählung die Erwähnung von überregionalen Tageszeitungen. Der Druck von Zeitungen (und hierbei ist es egal, ob regional, oder überregional) erfolgt heute ausnahmslos im Rollenoffsetdruck.
    Tageszeitungen im Bogenoffsetdruck herzustellen wäre völlig unsinnig, da dann die erfordelichen Maschinengeschwindigkeiten (zum entsprechenden Ausstoß an der erforderlichen Menge von Zeitungsexemplaren in der gewünschten Druckzeit) gar nicht ereichbar wären.
    Und das Alkohle beim Zeitungsdruck verwendet würden, ist mir auch neu. Was nicht heißt, daß nicht auch chemische Stoffe bei der Herstellung von Zeitungen Verwendung finden, auf die Menschen empfindlich reagieren können.

    Gruß

  11. Thorsten Dressler 23. Oktober 2017 um 15:46

    Gibt es inzwischen etwas Neues zu Chemikalienbelastung von Druckerzeugnissen? …Befinde mich gerade in Diskussion mit meiner Mutter, die im Elternhaus ein Reisebüro ohne Lüftungsanlage betreibt; ca. 2 Tonnen Hochglanzprospekte dünsten dort seit 20 Jahren aus, mir will keiner glauben dass das Ursache für viele Krankheitsbilder im Haus seien kann bzw. ganz sicher ist. …Habe in meinen Räumen einen großen Aktivkohle-Growfilter, der inzwischen nach nur 6 Monaten erschöpft ist (10KG Aktivkohle) …mir ist schwindelig, ich habe Kopfschmerzen und bin permanent müde, halb im Wachkoma.

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