Archiv der Kategorie ‘Behörden reagieren‘

MCS auch 2011 im ICD-10 im Register für Verletzungen und Vergiftungen aufgeführt

Am 5. Oktober erschien der neue ICD-10 für das Jahr 2011. Die Umweltkrankheit MCS – Multiple Chemical Sensitivity wird folgendermaßen aufgeführt:

Chemical-Sensitivity [MCS]-Syndrom, Multiple- T78.4

Zu finden ist der ICD für MCS wie gehabt im Alphabetischen Verzeichnis zur ICD-10-GM (1) (vormals: ICD-10-Diagnosenthesaurus). Dieses Verzeichnis wird von DIMDI als zugehöriges Ergänzungswerk zum Systematischen Verzeichnis der ICD-10-GM herausgegeben. Das Alphabetische, wie auch das Systematische Verzeichnis, sind für Ärzte zur Kodierung von Krankheiten verpflichtend und im Sozialgesetzbuch V verankert.

Information, die für alle MCS-Kranken in Deutschland von zentraler Bedeutung ist:

ICD steht für International Classification of Diseases und ist ein von der WHO – Weltgesundheitsorganisation herausgegebenes Manual aller anerkannter Krank- heiten und Diagnosen. Ärzte tragen die Verantwortung für die korrekte Verschlüssel- ung.

Im aktuellen DIMDI 2011 ist MCS logischerweise wieder als durch Vergiftungen hervorgerufene Krankheit beschrieben, nämlich im T-Register S00-T98 (Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen), und nicht etwa als psychische Erkrankung. Psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen werden nämlich im F-Register aufgeführt.

Fehlinformationen schaden und dienen nur der Verwirrung von Kranken

Gegenteilige, auch aktuelle Behauptungen gewisser Gruppierungen, u.a. „Safer World“ (Newsletter -125 – 20.10.2010), MCS sei im 2011er ICD 10 nicht mehr zu finden, sind also frei erfunden.

Manche Gruppierungen informieren nun schon über Jahre notorisch falsch über den ICD-10 Code für MCS T78.4, trotz wiederholter Richtigstellung durch Dritte. Sie stiften damit bei MCS-Kranken Verwirrung und sorgen grundlos für Angst. (2) Der Sachver- ständige Dr. Tino Merz hatte hierauf Anfang 2009 in zwei Artikeln im CSN Blog bereits deutlichst hingewiesen: (3,4)

Die Ausrede, dass es zu schwer sei, durchzusteigen im ICD-10, kann ebenfalls nicht mehr akzeptiert werden, seit es die kinderleicht zu bedienenden und sogar kostenlos verfügbaren Apps für iPhone und andere Smartphones gibt. (5)

Zum Weiterreichen bietet sich auch das CSN Merkblatt „MCS – Multiple Chemical Sensitivity ICD-10 T78.4“ an. Es erläutert wo MCS im ICD-2011 eingegliedert ist. (6)

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 30.10.2010

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Nachtrag: Wie finde ich den ICD-10 Code für MCS – Multiple Chemical Sensitivity?

Um den ICD-10 für MCS einzusehen auf diese Seite gehen >>>
DIMDI Downloadcenter Alphabetische Version 2011

Klicken >>> ICD-10-GM 2011 Alphabet Buchfassung PDF – kostenfreie Referenzfassung

  • nach unten auf akzeptieren gehen
  • die zip Datei öffnen
  • es öffnet sich ein Fenster. Dort die pdf ganz rechts öffnen.
  • Jetzt öffnet sich “ ICD-10-GM / Version 2011 / Alphabetisches Verzeichnis
  • Auf den Buchstaben C gehen, dort findet man „Chemical-Sensitivity [MCS]-Syndrom, Multiple- T78.4“

Das T steht für ein Kapitel im ICD-10.

Die Bedeutung der einzelnen Kapitel findet man hier >>

Klassifikation Diagnosen

T78.4 ist einsortiert unter:

S00-T98 Verletzungen, Vergiftungen und bestimmte andere Folgen äußerer Ursachen

Literatur:

  1. DIMDI, ICD-10 GM 2011, überarbeitete Neuaulage
  2. Safer World, Ingrid Scherrmann, Newsletter -125 – 20.10.2010
  3. Dr. Tino Merz, Künstlich erzeugte Verwirrung über den ICD-10 zu MCS, 29. Jan. 2009
  4. Dr, Tino Merz, Update – Emotionalität und Falschinformationen schaden allen MCS-Kranken, 5. Feb. 2009
  5. Silvia K. Müller, Kostenloses iPhone/Android App für Ärzte und Patienten – ICD-10 Auskunft, 3. Feb. 2009
  6. CSN, Merkblatt „MCS – Multiple Chemical Sensitivity ICD-10 T78.4, Stand 2011„, Oktober 2010

Weiterführende Informationen:

Ministerium für Gesundheit ordnet an

Ab sofort sind Kliniken, Arztpraxen, Universitäten und Gesundheitsämter rauchfrei und duftfrei!

Im Südwesten des amerikanischen Bundesstaates Georgia haben Verantwortliche im Gesundheitswesen für ihren Bezirk eine neue Verfügung herausgebracht. In den Kliniken, Universitäten, Gesundheitsämtern und anderen Gesundheitseinrichtungen müssen Besucher, Patienten und Angestellte auf Rauchen und Parfüms verzichten. Niemand darf eine gesundheitliche Einrichtung betreten oder eine Veranstaltung besuchen, wenn die Person Duftstoffe benutzt hat. Das Rauchen ist selbst auf dem jeweiligen Gelände untersagt. Ein ähnlich umfangreiches Duftstoffverbot im Gesundheitsbereich hat Schweden 2008 eingeführt.

Rauchverbot und Parfümverbot

Im Albany Herald stand zu lesen, dass die Verantwortlichen der Gesundheitsbehörde mitteilten, dass die Gerüche vieler Duftstoffe negative gesundheitliche Auswirkungen auf empfindliche Menschen haben können. Aus diesem Grund würden im Southwest Health District ab sofort Patienten und Besucher darauf hingewiesen, dass alle Gesundheitseinrichtungen duftfreie und rauchfreie Zonen sind. Dieses Rauch – und Duftstoffverbot betrifft Kliniken, Arztpraxen, Praxen von Therapeuten, Gesundheits- ämter, Universitäten und Sportveranstaltungen.

Für den einen tolles Parfüm, für den anderen Schmerz und Kollaps

Die Leiterin des Ministerium für Gesundheit erläuterte gegenüber der Zeitung, dass diese Maßnahme notwendig sei, weil nicht jeder von sich aus erkennt, dass ein Parfüm, das er genießt, bei einer anderen Person, beispielweise einem Sitznachbarn in einem Wartezimmer, schwere gesundheitliche Reaktionen auslösen kann. Deshalb habe man ein Duftverbot eingeführt, das auch duftende Handcremes und andere parfümierten Produkte betrifft. Die Leiterin des Ministerium für Gesundheit führte an, dass es Patienten gab, die mit einer Bahre abtransportiert und stabilisiert werden mussten, andere sogar auf die Intensivstation kamen, weil sie aufgrund ihrer Sensitivität auf ein Parfüm schwerste Reaktionen bekamen.

Bessere Bedingungen in Gesundheitseinrichtungen

Diese neuen Leitlinien, durch die Gebäude und gesundheitsbezogene Veranstalt- ungen jetzt duftfrei und rauchfrei werden, sieht die Direktorin des Ministerium für Gesundheit als einen entscheidenden Schritt in die Richtung, dass sich jeder in medizinischen Einrichtungen gut fühlt und dass der Aufenthalt für jeden so gesund wie möglich ist.

Auch Rauchermief ist gesundheitsschädlich

Die Verantwortlichen der Gesundheitsbehörde ließen verlauten, dass von Zigarettenrauch ebenfalls große Probleme ausgehen. Für Menschen mit Lungen- krankheiten, ältere oder junge Menschen sei Passivrauch schon problematisch und sogar die Rauchrelikte, die in der Kleidung von Rauchern festhängen. Wenn jemand darauf empfindlich reagiert, kann er dadurch erheblichen gesundheitlichen Schaden nehmen. Deshalb solle auch Sekundärrauch vermieden werden.

Besondere Relevanz für Chemikaliensensible

Für Menschen mit der Behinderung MCS (ICD-10 T78.4) hätte ein Duftstoffverbot und absolutes Rauchverbot in Gesundheitseinrichtungen, so wie es jetzt in Southwest Georgia angeordnet wurde, ganz besondere Relevanz. Für diese Behinderten würde eine große „unsichtbare“ und in vielen Fällen unüberwindbare Barriere verschwinden.

Es ist einschlägig bekannt, dass Arzt- und Therapeutenbesuche von manchen chemikaliensensiblen Kranken seit Monaten oder Jahren verschoben werden mussten, wegen der gesundheitsbeeinträchtigenden Problematik, die von Chemikalien in Duftstoffen und Parfüms für diese Patientengruppe ausgeht. Unnötiges Leiden und Chronifizierung von Beschwerden war die Folge.

Ein striktes Rauch- und Duftstoffverbot führt zudem als positiver Nebeneffekt zu einer drastischen Verbesserung der Innenraumluftqualität in medizinischen Einrichtungen, was für alle Patienten, das medizinisches Fachpersonal, Angestellte und für Besucher gesundheitsfreundlicher und zuträglicher wäre. Gegen ein Rauch- und Duftstoffverbot in Gesundheitseinrichtungen spricht kritisch betrachtet, eigentlich nichts was von maßgebender Relevanz wäre.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 26. Oktober 2010

Literatur:

Weitere CSN Artikel zum Thema Duftstoffverbot und Gesundheitsbeschwerden durch Duftstoffe:

Hersteller von Haushaltsreinigern werden aufgefordert chemische Inhaltsstoffe preiszugeben

Verbraucher sollen Entscheidungsfreiheit erhalten, ob sie giftige Inhaltsstoffe wollen oder nicht

Reinigungsmittel, wie sie in jedem Supermarkt in den Regalen stehen, tragen durch die darin enthaltenen Chemikalien zu einem erheblichen Teil zur Schadstoffbelastung in Innenräumen bei, das bestätigten wissenschaftliche Studien der letzten Jahre. Chemische Reiniger, aber auch Reinigungsmittel, die ätherische Öle enthalten, können die Gesundheit belasten und sogar nachhaltig schädigen. Ein Putzmittel zu finden, das keine schädlichen Inhaltsstoffe enthält, ist für den Verbraucher nicht einfach, weil die Hersteller, außer im Biobereich, in den seltensten Fällen eine volle Deklaration der Inhaltsstoffe anführen. Die Konsumenten haben daher realistisch betrachtet, so gut wie keine Möglichkeit, beim Produktkauf abzuwägen, ob sie bspw. ein Reinigungsmittel kaufen, das Chemikalien enthält, die Krebs auslösen können, oder ein Produkt ohne bedenklichen Inhalt. Das soll sich rasch ändern.

Verbraucherinitiativen machten massiv Druck

Im US Bundesstaat New York wird mit der Zurückhaltung der Inhaltsstoffe von Reinigungsmitteln bald Schluss sein. Man will jetzt erstmalig damit beginnen, von Herstellern für Haushaltsreiniger eine Offenlegung der chemischen Inhaltsstoffe der Produkte zu verlangen und Informationen darüber, welche Gesundheitsrisiken diese Substanzen bergen.

Dieser wichtige Schritt wurde durch Verbraucherinitiativen erzielt, die sich im Bereich Gesundheit und Umwelt engagieren. Sie drängten das New Yorker Department of Environmental Conservation dazu, Offenlegungspflichten durchzusetzen, die laut Gesetz in diesem Bundesstaat bereits seit über 30 Jahren bestehen.

Kampagne zum Wohle der Gesundheit

Unabhängige wissenschaftliche Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen vielen Chemikalien, die häufig in Reinigungsmitteln enthalten sind, und gesundheitlichen Auswirkungen, die von Nervenschäden bis zu Hormonstörungen reichen. Mit wachsender Besorgnis über die möglichen Gefahren durch die Chemikalien in diesen Produkten starteten die Initiativen eine Kampagne, um Druck auf den Bundesstaat auszuüben. Ziel ihrer Kampagne war, das Recht des Verbrauchers auf Wissen, was in einem Produkt ist, anzuerkennen und mit der Durchsetzung des seit 33 Jahren bestehenden Gesetzes zu beginnen.

Signalwirkung

Diese First-of-its-kind-Richtlinie könnte nationale Implikationen nach sich ziehen, als auch eine Dynamik aufbauen, die in den USA und im Ausland für eine Reform toxischer Chemikalien sorgt, so die Hoffnung von Earthjustice. Der amerikanische Kongress erwägt derzeit eine Überholung der Rechtsvorschriften zur US-Chemikalienpolitik. Im Juli 2010 wurde ein Gesetzentwurf diskutiert, der die chemische Industrie dazu zwingt, die Sicherheit von Chemikalien nachzuweisen, bevor sie in Produkten verwendet werden können. Diese Änderungen sollen in Anlehnung an REACH erfolgen, der Europäischen Chemikaliengesetzgebung, die Unternehmen bereits versuchen umzusetzen.

„Volldeklaration ist ein entscheidender Schritt in Richtung Gewährleistung sicherer, gesünderer Produkte“, sagte Kathy Curtis von Clean New York. „Die Verbraucher im ganzen Land werden von der New Yorker Vorreiterposition profitieren.“

Konzerne erhielten Anzeige

Letztes Jahr hatte die gemeinnützige Anwaltskanzlei Earthjustice im Auftrag von mehreren Organisationen im Umwelt- und Gesundheitsbereich die größten Hersteller von Reinigungsmitteln, Procter & Gamble, Colgate Palmolive, den Arm & Hammer Tochterkonzern Church and Dwight, als auch den Hersteller von Lysol, Reckitt-Benckiser, angezeigt, weil diese Riesenkonzerne ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen waren, zweimal jährlich Bericht zu erstatten über die Inhaltsstoffe in ihren Produkten. Ein Richter wies die Klage ab, die im letzten Monat ohne Entscheidung über die Begründetheit der Gruppenansprüche verhandelt wurde. Aber während der Gerichtsverhandlung sagten die Unternehmen zu, dass sie einer Offenlegung von Berichte mit den Inhaltsstoffen ihrer Produkte zustimmen, wenn Sie durch den Staat dazu aufgefordert werden.

DEC Bevollmächtigter Peter Grannis hat jetzt einen solchen Antrag gestellt, wie er bei einer aktuellen Zusammenkunft der Interessenvertreter mitteilte.

Ein neues Zeitalter für Konsumenten bricht an

„Indem die Unternehmen dazu gebracht werden, sauber darlegen zu müssen, was in ihren Produkten ist, leitet der Bundesstaat New York ein Zeitalter von größerer Transparenz ein und befähigt die Menschen, sich selbst und ihre Familien zu schützen“, sagte die Geschäftsführerin und Earthjustice Rechtsanwältin Deborah Goldberg, die eine mit Wahrscheinlichkeit anstehende Beschwerde gegen die Reinigungsmittelunternehmen führen wird, die ihre Berichte noch abzuliefern haben.

Akzeptable Lösung für beide Seiten

Anfang Oktober 2010 gab es eine Zusammenkunft der Interessenvertreter, es trafen sich Vertreter des DEC, der Organisationen aus dem Gesundheits- und Umwelt- bereich und der Reinigungsmittelunternehmen, um ein Verfahren einzuleiten, dass für beide Seiten akzeptabel und machbar ist und dazu dient, mit der Offenlegung von Chemikalien in den Produkten zu beginnen. „Wir sind unglaublich froh darüber, dass die New York DEC diese Informationen von den Produktentwicklern anfordert. Verbraucher haben ein Recht darauf zu wissen, was sie durch Reinigungsmittel ausgesetzt sind“, sagte Erin Switalski, leitender Direktor der Organisation Women’s Voices for the Earth. „Informationen zu Produktbestandteilen öffentlich zu machen, ist ein entscheidender Schritt zum Schutz der Gesundheit und des Wohlbefindens aller Verbraucher.“

Höchste Zeit, dass Hersteller Verantwortung tragen müssen

Die Umweltverbände sind allesamt begeistert darüber, dass sich endlich etwas ändern soll. „Es ist höchste Zeit, dass der Bundesstaat New York State auf die Durchsetzung des Rechts pocht und Reinigungsmittel-Hersteller die Verantwortung für die gefährlichen Chemikalien in ihren Produkten zuweisen. Wir begrüßen diese lang erwartete Maßnahme des Department of Environmental Conservation sehr „, sagte Saima Anjam von den Environmental Advocates von New York.

Verbraucher fordern ungiftige Produkte

Hersteller von Reinigungsmitteln sind dabei zur Kenntnis zu nehmen, dass sich das Klima in Bezug auf Giftstoffe in Produkten wandelt. Als Reaktion auf ein Schreiben der in den Prozess eingebunden Organisationen reichten mehrere Unternehmen, darunter auch der in Kalifornien ansässige Konzern Sunshine Makers, Inc. (Hersteller von Simple Green-Produkten), erstmalig Berichte über Inhaltsstoffe beim Bundesstaat ein. Und drei Wochen nach der Bekanntgabe, dass Klage eingereicht wurde, gab der riesige Hersteller für Haushaltsreiniger SC Johnson bekannt, dass man mit der Offenlegung der chemischen Bestandteile in den Produkte über Produktkennzeichnungen und einer Website beginnen würde.

Krank durch Chemikalien in Reinigungsmitteln

Studien zeigen Zusammenhänge zwischen Chemikalien, die in herkömmlichen Haushaltsreinigern vorkommen und Reizung der Atemwege, Asthma und Allergien. Berufliche Exposition gegenüber einigen Ethylen-Glycol-Ethern, die oftmals als Lösungsmittel in Reinigungsmitteln verwendet werden, stehen in Zusammenhang mit Schäden an den roten Blutkörperchen und am Fortpflanzungssystem und werden mit Geburtsschäden assoziiert. Einige der Lösungsmittel in Reinigungsmitteln sind auch dafür bekannt, dass sie toxisch für das Nervensystem sind.

Chemikalien eine Ursache für Krebs

„Jeder kennt jemanden mit Brustkrebs“, sagte die Präsidentin der Huntington Breast Cancer Action Coalition, Karen Miller. „Während Wissenschaftler Fakten aufdecken, die mit toxischer Exposition aus Produkten zusammenhängen, die wir jeden Tag benutzen, muss die Regulierungsbehörde Schritt halten, um den Verbrauchern ihr Recht auf Wissen, was sie in ihre Häuser bringen, zur Verfügung zu stellen“

„Viele Chemikalien in Reinigungsprodukten und Lufterfrischern sind endokrine Disruptoren, die in Verdacht stehen, Krebs auszulösen, und dass sie die Entwicklung der Brustdrüsen im Tierversuch verändern. Die Öffentlichkeit hat das Recht zu wissen, ob einige der potenziell schädlichen Chemikalien, wie Alkylphenole, Terpene, Benzol, einige Antibiotika und bestimmte synthetische Moschusverbindungen in den Produkten enthalten sind, die sie nutzen „, sagte Margaret Roberts die Koordinatorin der Brustkrebsvereinigung Capital „Region Action Against Breast Cancer!“.

Ein bedeutender Schritt

„Dies ist eine längst überfällige Schutzmaßnahme, die Verbraucher benötigen und die ihnen zusteht“, sagte Kathleen Donahue, Vizepräsidentin einer New Yorker Lehrergewerkschaft.

„Das Engagement des Staates New York für die vollständige Offenlegung der chemischen Bestandteile ist ein bedeutender Schritt“, sagte Roger Downs, ein Sierra Club Manager.“ Jetzt können die New Yorker fundierte Entscheidungen über die Haushaltsprodukte fällen, die sie benutzen.“

„Mit einem New Yorker Gesetz, das bereits in Kraft ist und dafür sorgt, dass Kinder an Schulen vor giftigen Chemikalien in Reinigungsmitteln geschützt sind, wird die Durchsetzung dieser Offenlegungspflicht den Eltern die Möglichkeit geben, ihre Häuser genauso sicher wie Schulen zu machen,“ ergänzte Patti Wood, die Direktorin einer Grassroot-Initiative .

Internationales Aufbruchssignal

Organisationen aus dem Umwelt- und Gesundheitsbereich in allen Ländern sollten sich an diese New Yorker Initiative anhängen und durch entsprechende Forderungen und Druck auf Entscheidungsträger erwirken, dass in jedem Land nur noch solche Reinigungsmittel in den Verkaufsregalen zu finden sind, die voll deklariert und mit entsprechenden Warnhinweisen versehen sind.

Autor:

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. Oktober 2010

Literatur:

Earthjustice, New York To Force Household Cleaner Giants To Reveal Chemical Ingredients, 9. September 2010

Weitere interessante CSN-Artikel zum Thema:

Unterstützungsaufruf: Das Leben einer jungen Frau erneut durch Versprühen toxischer Chemikalien bedroht

Stadt uneinsichtig – Jetzt wird giftiges Herbizid ausgebracht

Mitte 2010 baten die Eltern einer jungen spanischen Frau, Elvira Roda, die unter schwerster Chemikalien-Sensitivität (MCS) leidet, um Hilfe. In der Straße, in der Elvira in einem eigens aufwendig für sie hergericht- eten schadstofffreien Haus wohnt, wurden Pestizide ausgebracht. Die schwerkranke Frau kollabierte und war durch die Nervengifte, die man versprühte, in Lebensgefahr. Tagelang musste sie draußen in schlimmstem gesund- heitlichen Zustand in einem Liegestuhl am Meer verbringen. Die Eltern versuchten das Ausbringen der Pestizide, neurotoxische Organophosphate, durch Gespräche mit den Verantwortlichen der Stadt zu stoppen – vergebens. Eine Petition für Elvira, die auf vielen Blogs von MCS-Organisationen weltweit veröffentlicht wurde und die Menschen aus verschiedenen Ländern unterzeichneten, erhielt Gehör und man hörte schließlich auf, Pestizide vor dem Haus der jungen Frau zu versprühen.

Näheres im CSN Blog: Hilferuf – Junge Frau in Lebensgefahr

Elviras Eltern brauchen Unterstützung

Gestern Nacht meldeten sich die Eltern von Elvira mit einer erneuten Bitte um Hilfe, denn die Stadt Alboraya hat jetzt damit angefangen, ein Herbizid zu versprühen. Elviras Leben ist in Gefahr.

Im Namen Elviras:

Vielen Dank an alle, die Elvira Roda unterstützt haben und die Petition an den Stadtrat von Alboraya (Region Valencia/Spanien) unterzeichneten und forderten, keine Chemikalien zu verwenden, die für Menschen und/oder Umwelt schädlich sind und stattdessen andere, gesündere Alternativen zu finden.

Lassen Sie uns bemerken, dass wir selbst alles Mögliche versucht haben, es zu verhindern, aber der Alboraya-Stadtrat hat leider heute, am 5. Oktober, eine neue Sprühaktion unter Verwendung von Roundup Plus (Glyphosat), und anderen umweltschädlichen Chemikalien begonnen.

Wir haben verlangt, umweltverträglichere, natürliche Alternativen zu verwenden, und auch, dass der Alboraya-Stadtrat die Bevölkerung im betroffenen Bereich vorab informiert, aber beides war erfolglos. Wir regen deshalb notwendigerweise und in Anbetracht der Gesundheit aller an, die Sammlung von Unterschriften für die Petition bitte fortzusetzen.

Wir benötigen Sie.

Mit diesen Bemühungen werden wir sicher Erfolg haben.

Danke!

Weitere Informationen über Elvira können auf folgender Webseite eingesehen werden: Hilfe für Elvira Roda

Zum Unterzeichnen der Petition >>> Petition für Elvira Roda (Feld zum Unterzeichnen ganz unten)

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!


Unterstützungsaufruf auf Englisch im EMM Blog:

The life of a young woman is threatened again by the spraying of toxic chemicals

Die Hinweise werden immer eindeutiger, dass BP toxische Dispergiermittel versprüht

Belege für das Gift im Golf

Ein privater Auftragnehmer in einem Carolina Skiff (Bootstyp) mit einem Dispergentienbehälter, 10. August, 9:30 vormittags, südlich vom Hafen von Pass Christian (Photo: Don Tillman)

Shirley und Don Tillman, Bewohner von Pass Christian, Mississippi, hatten Shrimpboote, ein Austernboot und einige Ausflugsboote. Sie verbrachten viel Zeit auf dem Golf von Mexiko, bevor sie für das Vessels Of Opportunity Programm (VOO/Arbeitsprogramm für Fischer) arbeiteten, um nach Öl Ausschau zu halten und zu versuchen, es zu beseit- igen.

Don entschied sich beim VOO-Programm mitzuarbeiten, um seinem Bruder beizu- springen, der aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage war. So arbeitete Don auf dem Boot und Shirley beschloss, ihm die meisten Tage an Bord zu helfen.

„Wir lieben den Golf, wir leben hier und als diese Ölkatastrophe geschah, wollten wir alles, wozu wir in der Lage sind, tun, um zu helfen, ihn wieder zu sauber zu bekommen“, erklärte Shirley dem online Magazin Truthout [die Wahrheit (truth) muss raus].

Nicht lange, nachdem sie im Juni anfingen, im Rahmen der BP-Bemühungen zur Schadensbegrenzung zu arbeiten, wurden sie jedoch von dem, was sie sahen, beunruhigt. „Es dauerte nicht lange, bis wir verstanden, dass bei der ganzen Sache etwas sehr, sehr verkehrt lief“, sagte Shirley zu Truthout. „Aus diesem Grunde fing ich damals an, über das, was wir erlebten, Tagebuch zu führen und eine Menge Fotos aufzunehmen. Wir konnten unser Wissen, was man unserem Golf antut, nicht verschweigen.“

Shirley hielt fest, was sie sahen und fertigte hunderte von Fotos an. Die Tillmans bestätigen beide mit dem was sie schrieben und fotografierten, was Truthout zuvor berichtet hatte: BP hat ausländische Vertragspartner angeheuert, um mit nicht registrierten Booten, meist vom Typ Carolina Skiff, Corexit Dispergiermittel auf das von VOO-Arbeitern lokalisierte Öl zu sprühen.

Shirley lieferte Truthout Auszüge des Tagebuches, das sie über die mit ihrem Mann gemeinsam auf See gemachten Erfahrungen führte, als sie für das VOO-Programm arbeiteten, bevor sie wie die meisten anderen VOO-Arbeiter in Mississippi entlassen wurden, weil der Staat Mississippi zusammen mit der US-Küstenwache bekannt gab, in ihrem Gebiet wäre kein rückgewinnbares Öl mehr vorhanden.

„Am ersten Tag, als ich mit war, bemerkte ich eine Menge Schaum auf dem Wasser“, heißt es in ihrem Eintrag vom 26. Juni. „Mein Mann sagte, er habe schon sehr viel davon gesehen. Zu dieser Zeit hielten wir gerade nach ‚Öl‘ Ausschau. Wir sollten in Gruppen von normalerweise fünf Booten hinaus fahren. Die Küstenwache beaufsichtigte die VOO-Operationen. Es war immer jemand von der Küstenwache auf mindestens einem der Boote. Dessen Job war es, uns sagen, wann wir aus dem Hafen wohin und wie schnell fahren sollen. Alle VOO-Boote hatten sie mit Flaggen, sowie mit einem Transponder versehen. Manchmal hatten wir zusätzlich einen oder mehrere Angehörige der Nationalgarde in unserer Gruppe, wie auch gelegentlich einen Mann für Sicherheit, welcher die Luftqualität und die Vorgänge auf dem Boot überwachen sollte. Wenn wir etwas fanden, musste es der Mann von der Küstenwache beim ‚Seepferd‘ melden und die entschieden, was unternommen werden sollte.“

Ihr Tagebuch liefert neben der unmittelbaren Beschreibung, nach welcher die Küstenwache also immer über die Entdeckungen der VOO-Arbeiter Bescheid wusste, zuweilen herzzerreißende Schilderungen, was mit dem maritimen Leben und den anderen Wildtieren am Golf von Mexiko geschieht.

„Bevor wir zur Arbeit gingen, lief ich den Strand entlang“, heißt es in ihrem Eintrag von 4. Juli. „Überall lagen tote Quallen. Einige waren von Schaum umgeben. Eine Möwe hielt sich nahe beim Wasser auf, während das schaumige Zeug weiter an Land spülte. Es gab auch einen Kranich, der wahrscheinlich krank war. An ihm war kein Öl zu erkennen, aber er blieb einfach stehen, egal wie nah ich ihm kam.“

Am Morgen des 5. August beschreibt Shirley, wie sie einen jungen toten Delphin im Wasser treiben sieht. „Als wir auf das VOO-Boot der Wildtierhilfe warteten, das ihn abholen sollte, bemerkten wir in unmittelbarer Nähe eine Delphinschule“, schreibt sie. „Trotz all der Boote, die da waren, entfernten sie sich erst, als das tote Tier aus dem Wasser genommen wurde. Das ging uns allen sehr nahe.“

Am nächsten Tag, am 6. August, muss sie noch mehr Tierverluste aufschreiben. „Gestern Abend berichteten sie in den Nachrichten von einem Fischsterben. Vor der Arbeit ging ich an den Strand beim Hafen. Überall waren Möwen. Wegen dem toten Seegetier. Das einzige, was es am Strand gab, war das, was das zurückfließende Wasser der Tide übrig gelassen hatte. Der Rest des ‚Fischsterbens‘ lag unter Wasser auf dem Grund. Das waren hauptsächlich Flunder und Krabben. Wir sahen an diesem Tag nur zwei tote Flundern, die im Wasser trieben. Ich kann mir nur ungefähr vorstellen, wie viele auf dem Grund lagen… Nach der Arbeit ging ich wieder an den Strand. Das Wasser war weit draußen und die Möwen fraßen die ganzen toten Fische, die zum Vorschein kamen. Man konnte immer noch tote Fische unter dem Wasser sehen, die lagen immer noch auf dem Grund. Treiben tote Fische nicht mehr im Wasser?“

Die Hauptsorge der Tillmans ist der ungebremste Einsatz von giftigen Dispergiermitteln durch, wie sie es nennen, private Vertragspartner, die in nicht registrierten Booten arbeiten [d.h. kein Halter/Verantwortlicher ist feststellbar] und regelmäßig auf den Golf hinaus fahren, wenn sie und andere VOO-Teams von ihrer Tagesarbeit zurück kommen. Häufig schwamm derart viel Dispergiermittel auf dem Wasser, dass ihr Boot eine Spur hinterließ.

„Das erste, was mir auffiel, war die ‚Spur‘, die das Boot im Wasser hinterließ“, heißt es in ihrem Eintrag von 10. Juli. „Man konnte soweit das Auge reicht genau sehen, wo wir gefahren sind. Um 11 Uhr herum waren wir von Ölschlieren und bräunlichen Klumpen umgeben. Wir befanden uns nördlich von Cat- und Ship Island, als uns die Küstenwache anwies, die Ölsperren ins Wasser zu lassen. Wenn man die Dinger wieder rausholt, muss man ‚Schutzausrüstung‘ tragen.“

Ihr Eintrag vom 1. August beschreibt detailliert einen Vorfall, als der Küstenwachmann ihnen nicht gestattete, Öl einzusammeln und seine Vorgehensweise, sogar zu leugnen, dass das, was sie fanden, Öl ist:

„Ab 14 Uhr beobachteten wir immer mehr Ölschlieren. Wir befanden uns nördlich der Ostseite von Cat Island, aber südlich des Inter Coastal Channels. Wie üblich war jemand von der Küstenwache auf einem der Boote unseres Teams. Er meldet sich [per Funk] und redete davon, wir wurden aber nicht angewiesen, die Ölsperren auszulegen, es wäre nur ‚Fischöl‘. Zu Anfang der Ölbeseitigungsarbeiten war alles, wenn es auf dem Wasser schwamm und wie Öl aussah, Öl oder Ölfilm. Später konnten sie manchmal ebenso gut sagen, es wäre einfach nur ‚Fischöl‘. Genauso war es, wenn es sich um dicken braunen oder rostfarbenen Schaum handelte, ursprünglich hieß das ‚Ölmousse‘. Später nannten sie es ‚Algen‘. Dann wurden wir angewiesen Nordwestkurs zu nehmen. Je weiter wir kamen, desto schlimmer wurde das ‚Fischöl‘. Später war der Schaum mit Öl vermischt. Allein um unser Boot herum hatte es mindestens die Ausmaße eines Fußballfeldes. Mein Mann nahm Funkkontakt auf und fragte, ob sie die Ölsperren auslegen können.“ Wieder sagte der Küstenwachmann nein. „Danach sollten wir nach Westen drehen, zurück nach Pass Christian. Ein Ausflugsdampfer hielt eines der Boote unserer Gruppe an und berichtete, dass es überall Öl gab. Die Küstenwache gab die Anweisung, denen zu sagen, dass ihnen die Situation bekannt wäre… Auf dem Rückweg nach Pass Harbor fragte ich meinen Mann, ‚Was machen wir eigentlich genau hier draußen?‘ Er sagte mir, er beginne zu denken, alles wäre nur eine Show. Ich kann mir nur ausmalen, was die Leute auf dem Ausflugsdampfer zu erzählen hatten, als sie an diesen Tag wieder nach Hause kamen. Wahrscheinlich, dass sie eine Menge Öl auf dem Wasser gesehen haben und dass die VOO-Boote dort draußen einfach nur darin herum kurven und überhaupt nichts unternehmen, um es zu beseitigen. Dies ist genau das, was geschah. Danach beschlossen wir anzufangen, so viel zu dokumentieren, wie wir können. Ich glaube, es war schon am nächsten Tag, als Thad Allen [Chef der Küstenwache] im Fernsehen erklärte, sie würden die Maßnahmen aufgrund der Tatsache zurück fahren, dass ’seit ungefähr zwei Wochen kein Öl im Golf gesichtet wurde‘. Hätten wir also am Sonntag Ölsperren herum gezogen und in Pass Harbor einen Stapel verschmutzte ausgeladen, wäre dies später vielleicht ein Problem für ihn.“

Spuren des Dispergiermittels, 26. Juni 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Am 5. August beschreibt sie den seltenen Fall, dass es ihnen gestattet wurde, Ölsperren zum Einsammeln von Öl auszulegen. „Wir hatten jemand von der Küstenwache und zwei Sicherheitsleute auf unserem Boot. Wir fuhren westlich von Pass Harbor. Das Wasser sah stellenweise schwarz aus. Viele Blasen, kein Schaum, nur Blasen. Um 8 Uhr 30 herum waren wir von Schlieren und Mousse umgeben und sollten eine Ölsperre auslegen. Je mehr wir die Ölsperre zogen, desto mehr Öl schwamm auf. Der Pass [Christian] Hafen war geschlossen, da sehr viel Öl herein schwemmte. Für den Rest des Nachmittages zogen wird die Ölsperre hin und her.

Verölte Sperre. 5. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Ölschlieren und Rückstände des Dispergiermittels. 1. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Bis Anfang August sank die Gesamtzahl der VOO-Boote, die vom Hafen Pass Christian aus im Einsatz waren, wo Shirley und Don arbeiteten, bis auf 26.

Am 8. August schrieb Shirley, „im Hafen erzählte man, dass draußen bei den Inseln Flugzeuge nachts Dispergiermittel auf das Wasser sprühen. Man sprach auch von Skiff-Booten aus Louisiana, mit weißen Tanks an Bord, die ebenfalls [Dispergiermittel] sprühten. Die Skiffs haben wir früher gesehen. Gewöhnlich passten sie uns morgens ab und hielten Kurs auf die Bay St. Louis Brücke. Man sagte uns, sie würden draußen in einem Gebiet am Henderson Point arbeiten. Am Henderson Point gibt es ein county-eigenes Gelände [etwa: einem Landkreis gehörend] mit einer Bootsanlegestelle und mit Landungsstegen. Nach der Ölkatastrophe war es für die Öffentlichkeit gesperrt und es wurde ein Stützpunkt für BP-Subunternehmer eingerichtet. Es sah immer so aus, als ob diese Boote ihre Arbeitsschicht genau dann beenden würden, wenn wir mit unserer beginnen. Die meisten dieser Skiffs waren Carolina Skiffs“.

Später, am gleichen Morgen, fuhren Shirley und ihr Mann mit einem Angehörigen der Nationalgarde an Bord nach Westen aus dem Hafen, während sich ein Angehöriger der Küstenwache und ein weiteres Mitglied der Nationalgarde auf einem anderen Boot ihres VOO-Teams befanden. Nach einer Stunde Bootsfahrt wechselten sie genau dann wieder Richtung Osten, als Don fünf Carolina Skiffs ausmachte.

„Ich hatte meine Kamera dabei und fing an sie zu fotografieren“, schreibt Shirley. „Als ich so nah, wie es möglich war, heranzoomte, sah ich, dass sie etwas auf das Wasser sprühten. Davon habe ich kein Foto. Ich war zu sehr damit beschäftigt, dies meinem Mann und dem Typen von der Küstenwache auf dem anderen Boot zu erzählen. Die Skiffs hatten nach Norden gedreht und sich verteilt und führen südlich der Eisenbahnbrücke im Zickzack. Die Küstenwache meldete den Vorfall und schickte eines unserer Boote los, den Skiffs zu folgen. Die Skiffs verschwanden sofort. Als ich die Boote sprühen sah, wehte der Wind zu unserem Boot. Innerhalb weniger Minuten, bekam ich eine trockene Nase. Später passierte das gleiche mit meinen Hals und mit meinen Augen. Ein Helikopter der Küstenwache stand zusammen mit einem Küstenwachboot in Bereitschaft. Den Helikopter sahen wir etwa 20 Minuten später, doch das Boot der Küstenwache habe ich nie gesehen.“

Nach der Rückkehr in den Hafen von Pass Christian berichtete ihr Team von den Aktivitäten der Skiffs, Dispergiermittel zu versprühen. Sie wurde von Parson’s, der Vertragsgesellschaft die ihr Team leitete, gebeten, ihre Fotos vorzulegen.

Ihr Eintrag vom nächsten Tag, dem 9. August lautet:

„Ich nahm die Bilder (8×10’/20×25 cm) mit zu Parson’s. Kurz darauf rief mein Mann an und erzählte, die Küstenwache möchte, dass ich ihnen von den Bildern eine CD mache. Ich nahm die CD und übergab sie der Küstenwache. Im Beisein anderer wurde mir gesagt, dass der Vorfall untersucht worden ist und die fraglichen Boote am Henderson Point lokalisiert wurden. Er sagte, dass diese Boote als Skimmerboote [Abschöpfboote] am VOO-Programm teilnehmen, doch dies wurde bisher noch nicht bestätigt. Er berichtete, dass er die Leute gefragt hätte, ob sie etwas auf das Wasser sprühen. Sie erzählten ihm, wenn ich sie irgendwas sprühen sah, dann haben sie wahrscheinlich gerade ihre Tanks ausgespült. Er fragte auch mich, ‚Denken Sie nicht, dass sie einen Atemschutz getragen hätten, wenn sie Dispergentien sprühen?‘ Ich antwortete, ‚Sie würden das annehmen, mich aber überrascht hier überhaupt nichts mehr.‘ Danach sind wir praktisch gegangen. Nun wusste ich, alles, was sie wirklich wollten, war, genau zu sehen, was ich fotografiert hatte. Natürlich fragt sich, ‚wozu ein Abschöpfboot seine Tanks ausspülen muss?‘ Warum sollte es, wenn es Öl aufgenommen hat, dieses wieder zurück schütten? Was hat es ausgespült, wenn es kein Öl aufgesaugt hat? Ich weiß, was ich gesehen habe, und ich weiß, was ich danach spürte. Ich weiß auch, dass man auf einem der Bilder, die ich gemacht habe, einen Helikopter über diesen Booten sehen kann. BP hat Späher, die nach Öl suchen. Kann es sein, dass der Helikopter ihnen gezeigt hat, wo sie nachbessern müssen, bevor sie Feierabend machen können? Eines habe ich von dem Typen der Küstenwache an diesem Tag gelernt, offensichtlich besitzen diese sogenannten Skimmerboote auch die Fähigkeit zu sprühen!“

Die Neugier der Tillmans ließ sie weitere Nachforschungen anstellen. Grund waren die Ungereimtheiten, welche sie im Handeln der Küstenwache erkannten, wenn es um Dispergiermittel ging, die Vertragspartner [von BP] von den Carolina Skiffs versprühten.

„Mein Mann kam nach Hause und erzählte, dass sie die ‚Skiffs‘ heute wieder gesehen hätten“, heißt es in Shirleys Eintrag vom 10. August. „Er machte Fotos von ihnen und von einer Hebevorrichtung. Diese Vorrichtung wechselt in der Meerenge seine Standorte und ist vermutlich eine Dekontamin- ierungsstation. Einige Kapitäne haben jedoch berichtet, dass man ihnen sagte, als sie hinfuhren, sie wäre gerade nicht in Betrieb. Nachdem ich zwei Tage lang über die Skiffs mit den Tanks und die Küstenwache nachgedacht habe, gelang es mir nicht, das Ganze irgendwie zu verstehen. Die Küstenwache leitet angeblich das VOO-Programm, weiß aber nichts über die Skiffs an dem so nahe beim Pass [Christian] Hafen gelegenen Standort. Sie sagen uns nicht nur jeden Handschlag, den wir machen sollen, sie sind auch dabei, wenn wir sie tun. Unsere Boote sind beflaggt und haben Transponder an Bord. Diese Boote haben keine Flaggen und wir haben weder Transponder noch Angehörige der Küstenwache auf ihnen gesehen, die ihnen sagen, was zu tun ist.“

Diesen Nachmittag fuhren sie zum Henderson Point Stützpunkt. Obwohl er bewacht war, schockierte sie, was sie sahen:

„Dort waren wahrscheinlich mehr Boote als zu dem Zeitpunkt im gesamten Pass [Christian] VOO-Programm waren“, heißt es in ihrem Eintrag. „Es gab nur ein paar wenige richtige Ölabfangboote. Alle waren offenbar in Louisiana registriert. Nahezu alle Skiffs hatten weiße Tanks an Bord. Ein paar wenige der Tanks sahen so aus, als ob irgendwann mal etwas in ihnen gewesen wäre, doch es war etwas anderes als die ölige, klebrige Scheiße, mit der wir zu tun hatten. Wenn unser Boot etwas ab bekam, war es nahezu unmöglich, es wieder weg zu bekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, wie sie das wieder aus den Tanks heraus bekommen und dass die Tanks danach noch so aussehen wie sie es tun. Nahe bei den Booten stand auch ein Auto der Dienststelle des County Sheriffs von Harrison und ein paar große Plastikbehälter auf gelben Untersätzen.

Kreuzung Canal Road und I-10, in Gulfport, Mississippi, auf dem als PB-Stützpunkt genutzten Areal, 14. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Am 13. August wurde das Boot von Shirley und Don außer Dienst genommen. Das hat sie sehr beunruhigt. Am nächsten Tag besuchten sie immer noch sehr betroffen den BP-Stützpunkt im Hancock County [Grafschaft/Landkreis].

„Sie hatten den Ort geräumt“, schreibt sie. „Trotzdem war wie vorher eine Wache und ein Sheriff-Auto da. Wir fuhren zum Stützpunkt in Gulfport. Anscheinend ist dies ein Hauptlagerplatz von BP. Dort gab es alle möglichen Bootstypen, einschließlich der Skiffs mit den Tanks. Die Dienststelle des Sheriffs war ebenfalls vertreten und auch jene großen Plastiktanks auf dem gelben Paletten.“

Andere, sehr ähnliche Berichte gibt es über andere BP-Stützpunkte am Golf von Mexiko. Die Tanks werden eindeutig zum Transport und zur Lagerung des Corexit Dispergier- mittels verwendet. Die Carolina Skiffs werden eindeutig dazu eingesetzt, es auf das Öl zu sprühen.

Kreuzung Canal Road und I-10, in Gulfport, auf dem als PB-Stützpunkt genutzten Areal. (Foto: Shirley Tillman)

Corexitbehälter, 1. September 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Ihr Eintrag vom 16. August führt ihre Entdeckung weiter aus:

„Während der nächsten paar Tage begab ich mich weiterhin zum Henderson Point und zum Gulfport Stützpunkt. In Henderson Point waren wieder ein paar Boote, aber keines von den Skiffs mit den Tanks und keiner der großen Plastikbehälter. In Gulfport war alles wie zuvor, mit allem Drum und Dran. Am 25. August bekam ich eine Email mit einem Link zu einem Artikel über Dispergiermittel. Ich hatte ein Foto der Tanks mit der Aufschrift ‚Nalco Corexit EC9005A‘, in denen Dispergiermittel geliefert werden. Sie fassten 330 Gallons (ca. 1.249 Liter), waren groß, aus Kunststoff, weiße Tanks auf einer gelben Palette. Dies waren dieselben Tanks, die ich auf dem Henderson Point und dem Gulfport Stützpunkt gesehen habe. Es gelang mir, den Namen des Herstellers der Tanks heraus zu bekommen, ich verglich [den Schriftzug] auf einem Foto von mir mit dem Foto im Artikel. Es war der gleiche Hersteller. Im Internet suchte ich nach dieser Firma und fand die 330 Gallon Tanks. Sie wurden folgendermaßen beworben: ‚Der einzige Hersteller in der Industrie, welcher transportierbare Tanks anbietet, die von den Vereinten Nationen und vom US-Verkehrsministerium für den Transport gefährlicher Güter zertifiziert sind‘.“

Toter Flunder vom Fischsterben. 6. August 2010. (Foto: Shirley Tillman)

Shirley und Don wurden wie zehntausende anderer VOO-Arbeiter und Golfbewohner mit mehr Fragen als Antworten zurück gelassen.

„Wenn man bei der Arbeit auf den Booten eine Ölsperre zurück an Bord zieht, muss man nicht nur [Einweg] Tyvek-Schutzanzüge, Schutzbrillen und Schutzhandschuhe tragen, sowie die Ärmel des Anzugs über den Handschuhen als auch die Hosenbeine über den Stiefeln mit Klebeband umwickeln.“ Shirley fragt, „Warum soll es für die Leute sicher sein, in das gleiche Wasser zu steigen, aus dem all dieses gefährliche Zeug heraus kam?“

Was die Küstenwache betrifft, fragt sie:

„Wie kann man von den Skiff-Booten im VOO-Programm nichts wissen, wenn man für das VOO-Programm verantwortlich ist? Die Küstenwache leitete angeblich das VOO-Programm, aber sie taten so, als ob sie von den Carolina Skiffs nichts wussten. Diese Boote waren weder in der Task Force noch in der Strike Force. Jedes VOO-Boot hatte eine Flagge. Wir hatten alle Transponder. Das waren die Vorschriften des VOO-Programmes und der Küstenwache. Doch diese Skiffs hatten keine Flaggen und wir sahen nie Transponder auf ihnen, noch war jemand von der Küstenwache auf ihnen und angeblich hatte jede Gruppe wenigstens einen von der Küstenwache in der Gruppe. Manchmal hatten wir zwei, aber die Skiffs hatten nie welche.“

Die lokalen Medien in Pass Christian und Gulfport, Mississippi berichten nun, dass BP hofft, bis zum 19. September das VOO-Programm beenden zu können.

Shirley ist skeptisch. „Warum soll jeder seine Kinder hierher bringen und sie in das Wasser stecken, in das Millionen Gallonen toxischer Chemikalien geschüttet wurde, mal vom Öl ganz abgesehen?“ Sie fragt, „Warum sollte man Tiere aus dem Meer essen wollen, die in dem Wasser mit all diesen Verschmutzungen gelebt haben und darin umgekommen sind?“

Truthout hat bereits früher über andere Fischer in dem Gebiet berichtet, über James „Catfish“ Miller und Mark Stewart, die erzählten, Augenzeugen gewesen zu sein, als Vertragspartner aus Carolina Skiffs ebenfalls Dispergiermittel versprühten.

Indes behaupten lokale und Regierungsbehörden weiterhin, dass Dispergiermittel nur südlich der dem Mississippi vorgelagerten Inseln angewendet wurden und dass die Carolina Skiffs und die großen Tanks, die sie geladen haben, nur zum „Einsammeln“ von Öl benutzt würden.

„Warum sollten diese 330 Gallonen fassenden Gefahrgutbehälter an zwei verschiedenen Einsatzstellen gleich bei den Tank-Skiffs vorhanden sein, wenn Dispergiermittel nur südlich der Inseln versprüht wurden?“, fragt Shirley. „Warum sollten die Tanks der Skiffs so sauber sein, wenn sie wirklich Öl eingesammelt hätten?“

Die Tillmans und tausende andere Fischer und Bewohner am Golf von Mexiko sind aufgrund der komplizenhaften Verstrickung der lokalen und staatlichen Verwaltung und der Bundesregierung in das, was sie als massive Vertuschung der Ölkatastrophe ansehen, sehr besorgt. Man setzt toxische Dispergiermittel ein, um das ganze Öl, das gefunden wird, zu versenken.

Dr. Riki Ott, eine Toxikologin und Meeresbiologin, ist Überlebende der Exxon Valdez Ölkatastrophe in Alaska von 1989. Neulich schickte sie einen offenen Brief an die US-Umweltschutzbehörde in dem sehr viel von dieser Besorgnis zum Ausdruck kam.

Das fortgesetzte Leugnen dieses Problems durch die Regierung kann Shirley weder täuschen noch aufhalten.

„Ich weiß, was ich gesehen habe“, sagte sie zu Truthout. „Ich weiß, was man mir erzählt hat. Ich weiß, wie es mir erging. Ich weiß, was ich dokumentiert habe. Ich weiß auch, dass ich hunderte von Fotos aufgenommen habe, um zu belegen, was ich erzähle.“

Autor: Dahr Jamail für t r u t h o u t , 13.09.2010

Übersetzung: BrunO für CSN-Deutschland

Dieser Bericht erschien im Original auf t r u t h o u t und steht wie diese Übersetzung unter einer Creative Commons Lizenz: Namensnennung-Nicht-kommerziell 3.0 Vereinigte Staaten von Amerika

t r u t h o u t ist eine gemeinnützige, spendenfinanzierte Amerikanische Organisation, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzt und unabhängig informiert.

Weitere Artikel zum Thema auf CSN Blog:

Epigenetik und Umweltkrankheiten, die Rolle von Chemikalien

Input

Während die deutsche Öffentlichkeit über Sinn oder Unsinn von „Deutschland schafft sich selbst ab“ mehr oder weniger erhitzt diskutiert, hüllt sich die Mehrheit der Bevölkerung in Schweigen, dass die Industrie, die Regierungen und das Konsumverhalten der Bevölkerung dafür sorgt, dass sich die Menschheit tatsächlich abschafft.

Die Fakten erschrecken immer mehr:

  1. Es ist nicht mehr zu verleugnen, dass durch menschliche Schuld eine weltweite Klimaveränderung in Zeitraffer eingetreten ist, dessen Folgen in ganzen Bänden niedergeschrieben werden könnten.
  2. Es ist nicht mehr zu übersehen, dass die Umwelt zu Lande, zu Wasser, zur Luft bis hin zu den Arbeitsstätten, öffentlichen Gebäuden und Wohnungen immer mehr durch schädliche, giftige und/oder genverändernden Chemikalien verseucht wird. Mehr oder weniger müsste/muss sogar die Muttermilch als vergiftet angesehen werden.
  3. Die Umweltbelastung durch die Chemisierung der Landwirtschaft ist derart extremgeworden, dass Bienen massenhaft sterben, Allergien weiter sprunghaft zunehmen, der Urangehalt und die Schwermetallbelastung von Nahrungsmitteln und der Böden besorgniserregende Ausnahmen angenommen hat. Gene von genmanipulierten Pflanzen wurden schon in Regenwürmer nachgewiesen.
  4. Sägewerke unterziehen dem frischen Holz sofort Chemikalienduschen, damit es später nicht von Holzschädlingen befallen werden kann. Für immer mehr Menschen ist daher durch die hohe Schadstoffbelastung keine Holzart mehr verträglich. Wirklich unbelastetes Holz gibt es nahezu nicht mehr.
  5. Durch die allgemeine Vergiftung der Lebensräume und der Nahrungsmittel, aber auch durch extreme psychische Belastungen treten epigenetische Veränderungen auf, die für Diabetes, Fettsucht, Krebs, Herz- und Kreislauferkrankungen, psychische Erkrankungen und – wenn auch noch nicht offen zugegeben – sicher auch für Umweltkrankheiten verantwortlich sind

Hierzu ein Innovationsreport: Epigenetik: Die Gene sind nicht alleine schuld

Obwohl nachgewiesen wurde, dass Bisphenol A zu epigenetischen Veränderungen führt, sieht unsere Regierung keinen Handlungsbedarf.

Obwohl nachgewiesen wurde, dass die Innenseiten von Tetrapacks mit Druckfarben- bestandteilen verseucht sind, wird nichts wirklich Wirksames dagegen unternommen.

Obwohl nachgewiesen wurde, dass sogenannte Diätprodukte für Diabetiker nicht nur maßlos überteuert und nutzlos, sondern sogar schädlich sind, dürfen diese Produkte noch mindestens zwei Jahre auf dem Markt bleiben, weil man die Industrie nicht zu sehr belasten will. Im Gegensatz zu den Menschen, die durch soziale Kürzungen und Erhöhung von sozialen Abgaben nicht genug belastet werden können. Die Regierung schützt weniger das Volk, als vielmehr die umweltzerstörenden Interessen der Wirtschaft.

Die Regierung lässt zwar entsprechend forschen, aber statt Produkte solange zu verbieten, bis ihre Unbedenklichkeit sicher nachgewiesen ist, geht sie den umgekehrten Weg und lässt sie solange produzieren, bis man ihre evtl. Schädlichkeit nachgewiesen hat, erst dann reagiert man und oftmals nicht einmal dann. Oft werden lediglich abenteuerliche Grenzwerte festgelegt, die den Konsumenten zumuten, die Schadstoffe zu konsumieren. Bekanntlich klammern die Grenzwerte Kinder, Kranke, Schwangere und Vorbelastete Menschen aus. Auch die Kombination mit mehreren Grenzwerten wird ausgeklammert. Wenn ein Mülleimer mit tausenden Giftstoffarten von jeweils nur einem Gramm gefüllt wird, dann ist er auch irgendwann voll, nur der Mensch nicht?

Dass die Regierung nicht ganz so ahnungslos ist, sieht man hier:

Gesundheit – Effekte – Epigenetik

Man gibt sich also informiert, sagt aber, man müsse noch weiter forschen. Bis dahin bleibt Bisphenol A erlaubt…

Und dass Umweltkrankheiten schon längst eindeutige Boten der Umweltverseuchung sind, ignoriert man, stattdessen Psychiatrisierung der Umweltkranken, Verfolgung und Drangsalisieren von konsequenten Umweltmediziner, Negierung internationaler wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verweigerung von Hilfe für Umweltkranke.

Autor:

Gerhard Becker, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. Sept. 2010.

Weitere Artikel von Gepaucker:

Umweltchemiker diskutierten Alternativen zu Tierversuchen und umweltschädlichen Chemikalien

Größte deutschsprachige Konferenz der Umweltchemiker und Ökotoxikologen fand in Dessau-Roßlau statt

Wird ein Arznei- oder Waschmittel in der Kläranlage vollständig abgebaut? Welche Umweltrisiken und Umweltrisiken birgt der Einsatz von Bioziden und Pflanzen- schutzmitteln? Wie können Chemikalien möglichst umweltfreundlich entwickelt, produziert und verwendet werden? Obwohl wir alle tagtäglich chemische Stoffe zu unterschiedlichsten Zwecken nutzen, stellen sich solche Fragen die meisten Menschen eher selten. Tagesgeschäft sind solche Themen für die etwa 350 Umwelt-Wissenschaftler, die sich vom 06.-09. September im Umweltbundesamt (UBA) in Dessau-Roßlau zur Tagung „Umwelt 2010 – Von der Erkenntnis zur Entscheidung“ trafen. Die Veranstaltung ist die größte Konferenz der Umweltchemiker und Ökotoxikologen im deutschen Sprachraum.

Präsentiert und diskutiert wurden im UBA die neuesten Forschungsergebnisse zu Fragen des Verhaltens und den Auswirkungen von Chemikalien in der Umwelt. Die beiden größten wissenschaftlichen Fachgesellschaften zu Umweltchemie und Ökotoxikologie (GDCh und SETAC) traten gemeinsam als Veranstalter auf. Das UBA war erstmalig Gastgeber für die überwiegend aus Deutschland, Schweiz und Österreich angereisten Wissenschaftler. Das dicht gepackte Programm widmete sich mit über 200 Vortrags- und Poster-Präsentationen in 18 Themenblöcken den aktuellsten Entwicklungen in der Forschung. Neben klassischen Themen wie Umweltanalytik und -monitoring oder biologischen Testverfahren standen auch jüngere methodische Entwicklungen wie der Einsatz biochemischer Verfahren („Omics“), Alternativen zu Tierversuchen oder neue Ansätze zur Modellierung des Stoffverhaltens in der Umwelt im Fokus. Hinzu kamen wissenschaftlich und chemikalienpolitisch tagesaktuelle Fragestellungen wie die noch vielfach ungeklärten Umweltrisiken von Nanomaterialien, Prinzipien für eine „grüne Chemie“ sowie Ansätze zur Risikobewertung von Stoffgemischen in der Umwelt. Wie im Untertitel der Tagung „Von der Erkenntnis zur Entscheidung“ angedeutet, sollte dabei besonders erörtert werden, welche Konsequenzen aus den Forschungsergebnissen für den besseren Schutz der Umwelt zu ziehen sind. Dieses Tagungsmotto passt zum gastgebenden UBA, das als Deutschlands wichtigste Fachbehörde vielfältige Aufgaben in der Erfüllung der deutschen und europäischen Stoff- und Umweltgesetzgebung wahrnimmt. Diesem Motto widmeten sich auch drei Redner aus akademischer Forschung (PD Dr. Martin Scheringer, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich), Industrie (Dr. Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Chemischen Industrie, Frankfurt/M.) und Politik (Dr. Sabine Gärtner, Referats- leiterin im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Bonn). In Plenarvorträgen stellten sie ihre jeweilige Sichtweise zum Stand von Umwelt- forschung und Chemikaliensicherheit dar. Die Auswahl der Plenarredner spiegelte das Selbstverständnis der beiden Fachgesellschaften wider, die sich vorrangig als Kommunikationsforen für Fachleute dieser drei Bereiche verstehen. Dabei soll auch der wissenschaftliche Nachwuchs besonders gefördert werden, was unter anderem durch die Verleihung von Preisen für die besten Abschlussarbeiten und Publikationen des letzten Jahres sowie mit einer Prämierung der besten Vorträge und Poster im Rahmen der Tagung geschah.

Literatur:

UBA, Umweltchemiker diskutieren Alternativen zu Tierversuchen und umweltschäd- lichen Chemikalien, Dessau-Roßlau, 06.09.2010.

Photo: UBA, Volkard Möcker

Wissenschaftlich begleitetes MCS-Wohnprojekt ist im Entstehen

In Zürich entsteht bis 2013 ein Wohnprojekt für Menschen mit MCS. Die Umwelt- krankheit ist auch in der Schweiz verbreitet, man geht von Behördenseite von ca. 5000 Betroffenen aus, und nun will man Nägel mit Köpfen machen. Die Stadt Zürich wird mit einem Grundstück und Baurecht zum Wohnprojekt für Chemikaliensensible beitragen. Das Vorhaben, dass rund 5,8 Millionen Franken kosten wird, werde als Pionierleistung für gesundes Wohnen in die Geschichte eingehen, sagte der Züricher Stadtrat Marin Vollenwyder auf der heutigen Pressekonferenz in Zürich. Die Stadt habe sich zum Legislaturziel WOHNRAUM FÜR ALLE gesetzt und das hieße für die Stadt auch, eine solche Bevölkerungsgruppe zu unterstützen, die es auf dem Wohnungs- markt besonders schwierig habe.

Endlich Hoffnung in greifbarer Nähe

Christian Schifferle, der Gründer der Baugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS und Präsident der Selbsthilfegruppe MCS-Liga Schweiz, setzt sich schon viele Jahre für dieses Projekt ein. Vor zwei Jahren gründete er die Genossenschaft, seitdem geht es in großen Schritten voran. Heute schrieb Ch. Schifferle eine E-Mail:

Gerade komme ich von der Medienkonferenz der Stadt Zürich, MCS-Pilot- wohnungsprojekt, bin noch ganz geschafft und überwältigt, habe immerhin meine Rede halten können. Die Neue Zürcher Zeitung hat schon einen Bericht verfasst.

Ev. kommt heute oder Morgen ein Bericht auf Tele Top. Sicher werden wir in der nächsten Zeit ausführlich berichten… Ich schlafe zurzeit im Auto und verspreche mir baldige Hilfe beim Wohnraum suchen als Übergangs- lösung.

Architektin packt mit an

Eine weitere gute Nachricht war diese Woche aus der Schweiz zu vernehmen. Christian Schifferle ließ wissen, dass die Wohnbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS seit gut zwei Wochen durch Marianne Dutli Derron verstärkt wird. Die Architektin ist als Beraterin beim SVW Zürich tätig, der Dachorganisation von über 200 Züricher Wohnbaugenossenschaften. Ihr Büro liegt direkt neben dem der MCS Wohnungsbaugenossenschaft. Frau Dutli Derron wurde jetzt auch in die Geschäfts- leitung der Wohnungsbaugenossenschaft gewählt, die sie nun zusammen mit Dr. Roman Lietha und Christian Schifferle bildet. An der nächsten Generalversammlung soll Marianne Dutli außerdem als Vorstandsmitglied und Co-Präsidentin vorgeschlagen werden, war von Ch. Schifferle zu hören. Acht Jahre Erfahrung als Präsidentin einer anderen Züricher Wohnbaugenossenschaft bringt sie mit. Vor einigen Wochen hatte Ch. Schifferle die Architektin angefragt, bei der MCS-Genos- senschaft mitzumachen, und natürlich war er sehr erfreut, ihre Zusage zu erhalten.

Professionelle Unterstützung

Das Thema MCS Wohnraum ist Frau Dutli Derron nicht fremd, sie war eines der Jury-Mitglieder des MCS-Architekturwettbewerbs und hat sich entsprechend gut eingearbeitet. Ch. Schifferle ist professionelle Unterstützung ein besonders großes Anliegen. Er selbst leidet von Kindheit an unter schwerer MCS und hat seine Kräfte seit Jahren in das Vorhaben investiert. Anstrengende Sitzungen wird es in den nächsten Monaten und in der Bauphase viele geben, dafür braucht es gesunde Unterstützung mit viel Sachverstand.

Gesundes Wohnen hat eine große Zukunft

Die Stadt Zürich leistet mit dem MCS Wohnprojekt in der Tat Pionierarbeit. Es ist das erste Wohnprojekt für Chemikaliensensible in Europa, das nun in Zürich-Lembach Zug um Zug entsteht.

Im September 2009 hatte das Finanzdepartment der Stadt einen Kredit von 150 000 Franken zur Durchführung eines Studienauftrages für das Wohngebäude mit zehn Wohnungen für MCS-Betroffene bewilligt. Das MCS Haus wird von Grund auf baubiologisch konzipiert und Wissenschaftler begleiten das Wohnprojekt.

Technisches und althandwerkliches Meisterwerk

Aus der Neuen Züricher Zeitung war zu erfahren, das Augenmerk liege bei diesem besonderen Neubau auf einer äußerst sorgfältigen Materialwahl und Verarbeitung. Das Gebäude werde sogar mit speziellen Schleusen ausgerüstet, damit sich die Bewohner von chemischen Substanzen beim Betreten reinigen können.

Das Pionierprojekt wird eine Herausforderung in der Ausführung darstellen, denn es sollen uralte Handwerkstechniken, die teils schon in Vergessenheit geraten sind, mit hochmodernen Materialien kombiniert werden. Es wird beispielsweise eine Glas- faserstabarmierung zum Einsatz kommen, die bis jetzt noch nie für die Statik eines ganzen Wohnhauses eingesetzt wurde. Das Material leitet weder Wärme noch Strom. Ansonsten soll das MCS-Haus eine homogene Außenwandkonstruktion aus Wärmedämmbacksteinen mit einer vielfältig biologisch wirksamen inneren Haut mit Lehm und Kalkputzen erhalten. Im Idealfall können aus der Anwendung solcher im Moment vielleicht eher ungewöhnlich anmutenden Materialien und Verarbeitungs- techniken Erfahrungen für den normalen Wohnungsbau gewonnen werden. Das erhofft sich jedenfalls das Architekturbüro, das den Zuschlag erhalten hat für das innovative Projekt, das gerade im Entstehen ist.

Für Christian Schifferle heißt es jetzt noch zwei weitere Jahre durchhalten, kalte lange Nächte im Auto oder auf dem Feldbett im Wald. Nach der enormen Leistung, die er vollbracht hat, wird er auch diese Zeit schaffen. Dann wird er hoffentlich ein Zuhause haben, in dem er und andere MCS-Betroffene beschwerdefrei leben und gesunden können. Als nächsten Schritt plant die Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS Wohnprojekte für Chemikaliensensible in Deutschland.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. September 2010.

Bild: Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS

Weitere Artikel zum Wohnprojekt / Links zum Video der TV Sendung von Tele Top:

Das Öl ist überall

Krise der Demokratie: Wirkliche Lösungen für die BP-Ölkatastrophe

Der BP-Ölunfall hat den Bewohnern am Golf von Mexiko das Problem der unkontrollierten Macht von Konzernen schmerzhaft vor Augen geführt. Riki Ott, Überlebende des Exxon-Valdez Unglücks, meint, dies könnte Anlass sein, uns die Demokratie über alle politischen Unterschiede hinweg wieder anzueignen.

Als der Öltanker Exxon Valdez in der Prince William Meerenge in Alaska auf ein Riff lief, lebte Riki Ott in der Nähe der kleinen Stadt Cordova, wo sie als gewerbliche Fischerin arbeitete, die zugleich über Meeres-Toxikologie mit Schwerpunkt Ölverschmutzung promoviert hatte. Sie bekam die Zerstörung einer Stadt, eines Ökosystems und einer Lebensweise aus erster Hand mit – wie auch den verlorenen Kampf, dies alles zu retten.

Einundzwanzig Jahre nach Exxon-Valdez hat der Konzern lediglich ein Zehntel der ursprünglich festgelegten Schadenersatzsumme ausgezahlt. Ott erkennt einige Taktiken von Exxon im derzeitigen Gebaren von BP wieder: Das Ausmaß des Unglücks geringer angeben, Schäden verbergen und herunterspielen, frühzeitig versuchen, die juristische Verantwortung zu begrenzen. Sie war seit Anfang des Sommers ganz nahe an den Ereignissen im Golf, um andere von ihren Graswurzel-Strategien für Widerstand und Schadensbeseitigung profitieren zu lassen. Doch die wahre Krise ist größer als dieser oder jeder andere Ölunfall. Es ist eine Krise der Demokratie: Konzerne sind derart mächtig geworden, dass unser politisches System sie nicht ausreichend reglementieren kann, um solche Katastrophen zu verhindern oder wenn sie geschehen, auf ein verantwortbares Maß zu begrenzen.

Ott erkannte, dass die Macht der Konzerne eine fundamentale Bedrohung darstellt, als sie zusah, wie Exxon weiterhin Gewinne machte, während sie und ihre Nachbarn ihre Existenzgrundlage mit wenig Aussicht auf Entschädigung verloren. Nun sieht sie in der Golfregion ein ähnliches Erwachen der Bewohner, die über politische Barrieren hinweg zusammenarbeiten, um von BP Gerechtigkeit zu erfahren.

Ott glaubt, dies könnte der Impuls zum Durchbruch sein, von den Konzernen die Macht zurück zu fordern. Sie berichtete der Online-Redakteurin Brooke Jarvis vom ‚YES! Magazine‘ von den besten Strategien, um unsere Demokratie zu gebrauchen und letztlich wieder herzustellen.

Brooke: Letzte Woche (Mitte August) hat BP angekündigt, dass sie keine neuen Schadenersatzforderungen mehr akzeptieren werden; die großen amerikanischen Zeitungen fragen; „Wo ist nun das Öl?“ Ist das Unglück vorüber?

Riki: [lacht] Nicht, wenn sie in meinen Email-Eingang sehen. Mich verwundert das alles: Was soll diese Farce? Weshalb gibt es dieses starke Bestreben, alles als beendet zu erklären? Ich denke, es kommt dem am nächsten, wenn eine Versicherungsgesellschaft nach einem Verkehrsunfall so schnell wie möglich abrechnen möchte. Sie möchten sagen können: „Es tut uns leid, Sie haben dieses Dokument hier bereits unterschrieben, und wir haften nicht weiter für diesen Fall.“ Ich denke, die Vorstellungen von BP gehen gerade sehr in diese Richtung. Dieses toxische Gebräu aus Öl und Dispergiermitteln, das im Golf freigesetzt wurde, ist ein Experiment – es ist nicht erforscht, deshalb wissen wir zurzeit nicht, welchen Schaden es hervorrufen wird. BP denkt, wenn sie nun entschädigen, müssen sie nicht für den absehbaren Schaden aufkommen, der eintreten wird.

Die Exxon-Valdez hat uns gezeigt, dass Ölunfälle in der Tat langfristige Schäden verursachen. Der Heringsfang in der Prince William Meerenge ruht immer noch – er ruht auf unbestimmte Zeit, bis sich die Bestände erholen, und wir unterhalten uns nun einundzwanzig Jahre später, und wie jeder weiß, war es weniger Öl.

Brooke: Wird jeder in der Golfregion Schwierigkeiten bekommen, der das Öl oder seine Wirkung nicht ignoriert?

Riki: Als das schändliche Tortendiagramm veröffentlicht wurde, legten es die Medien so aus, dass 75 Prozent des Öls verschwunden wären. „Aufgelöstes“ Öl ist aber nicht verschwundenes Öl, es mag auf der Oberfläche nicht vorhanden sein, aber es ist in der Wassersäule, es überzieht den Meeresboden, es ist in der Nahrungskette. Wenn Sie die Anteile des „chemisch aufgelösten Öls“ und des „natürlich aufgelösten Öls“ zum restlichen Öl hinzu addieren, sind in Wahrheit 75 Prozent des Öls immer noch da, nur in anderer Form. Für BP ist es wirklich praktisch, dass es nicht an der Oberfläche ist – und dies mag bei der Entscheidung, diese toxischen Dispergentien einzusetzen, eine Rolle gespielt haben, denn diese erleichtere es zu behaupten, das Öl wäre weg.

An jenem Tag nahm ich an einem Treffen in Gulfport, Mississippi mit ungefähr 100 Fischern aus vier verschiedenen Bundesstaaten teil. Die Mobiltelefone der Leute liefen von den eintreffenden Berichten heiß, über Boote und Flugzeuge, die nachts Dispergiermittel sprühten, über Leute, die besprüht, den Mitteln ausgesetzt und krank wurden – ich meine derart krank, dass sie braunen Auswurf hatten und braun urinierten – und Berichte über Fischsterben und Muschelsterben. In dem Augenblick in Gulfport, Mississippi zu sein, als die Katastrophe für beendet erklärt wird, während Fischer aus vier verschiedenen Staaten gerade Anrufe von Zuhause bekommen und „Oh mein Gott, oh mein Gott!“ sagen, war ein erstaunlicher Kontrast. Der entstehende Schaden gab sich gerade als Realität zu erkennen, als BP und Regierung mit dem „Alles wäre vorüber“ Spiel anfingen.

Das war eine schlimme Woche. Ich versuchte, Leute in Unfallstationen bringen zu lassen und Ärzte zu finden, die ihre Symptome richtig diagnostizieren. Die Menschen sind krank, und was ich absolut unentschuldbar finde, ist zu behaupten, alle diese Erkrankungen wären etwas anderes als das, was sie sind. Mein Gott, ich sprach mit Arbeitern, die Ölsperren ausgelegt hatten und bei denen damals im Mal Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag diagnostiziert wurde, die immer noch mit den gleichen Symptomen erkrankt sind. Dauern Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag drei Monate?

Und dann gab es die Mitteilung, dass Fischereiprodukte gefahrlos verzehrt werden könnten. Die Fischer würden nichts mehr lieben als wieder hinaus zu fahren und etwas zu fangen, das man sicher essen kann. Aber sie sind diejenigen, die dort draußen mit ihren Sonaren falsche Tiefen messen – für das Tiefenmessgerät ist es 3.7 Meter (12 feet) tief, aber in Wirklichkeit sind dort unten Schwaden aus Öl und Dispergiermitteln. Sie haben aus ihren Booten absorbierende Ballen hinunter gelassen, einfach um festzustellen, was dort unten ist. Als die Ballen wieder an die Oberfläche kamen, trieften sie vor Öl – obwohl die Oberfläche sauber war und blau funkelte. Sie sagen, „Nein, wir wollen in so etwas nicht fischen. Wir denken nicht, dass Nahrung aus dem Meer sicher ist“.

Brooke: Es muss zornig machen, wenn sich sogar Leute von Ihnen abwenden, während es immer noch so viel Leid gibt. Was macht man in so einem Fall?

Riki: Im Grunde sind wir hier noch mitten in einem Krieg, indem wir so gut wie möglich versuchen, dieses sich entwickelnde Grauen zu dokumentieren, das aufgedeckt wurde. Wir versuchen die Leute bei Laune zu halten und sagen: „Das gehört alles zum Spiel und wir haben gerade den nächsten Level geschafft, bleibt beisammen und deckt auf, was passiert. Macht die Fotos, schreibt die Berichte, dokumentiert weiter. Den ganzen Sommer gab es Lügen. Das einzige, was sich geändert hat, ist, dass dies noch heftiger geschieht. Darum lasst uns weiter am Ball bleiben.“

Wir stecken viel von unserer Kraft in Umweltstudien mit Bürgerbeteiligung. Damit meine ich, Daten der Luft- und Wasserqualität, der öffentlichen Gesundheit und von Giftstoffen im Blut der Menschen zu sammeln. Vielen Menschen fehlt das Selbstvertrauen, ihre Erkrankungen, – Kopf- und Halsschmerzen, Pusteln – mit Chemikalien in Zusammenhang zu bringen, einfach weil die Bundesbehörden ihnen erzählen, dass es keine Probleme mit der Luft- und Wasserqualität gibt. Wir nehmen Proben,, um zu beweisen, dass es welche gibt. Wir versuchen auch, in jeden betroffenen Bundesstaat eine öffentliche Klinik zu gründen und Gesundheitsdienstleistern zu helfen, chemische Erkrankungen zu erkennen.

Brooke: Sie haben neulich geschrieben: „Bei diesem Kampf geht es um weit mehr als nur Dollars und Schäden. Es geht um die Fähigkeit unseres Landes, große Konzern-Kriminelle im Sinne des öffentlichen Interesses zur Verantwortung zu ziehen und sicher zu stellen, dass sie sich an die Gesetze halten, die wir beschließen. Was bedeutet es, über die sich unmittelbar stellende Frage nach der Verantwortung für diese eine Katastrophe hinaus zu gehen und die größere Frage nach der Verantwortung von Konzernen zu stellen?

Riki: Diese BP-Katastrophe ist wie die Exxon-Valdez mehr als eine Umweltkrise – es ist eine Krise der Demokratie. Gerade jetzt steht uns das [übliche] Spiel bevor: Die Regierung befasst sich öffentlich damit, ein paar Gesetze werden verschärft. Doch das ist nicht gut genug. Die wirkliche Frage ist, wie können wir diese großen Konzerne kontrollieren?

Die Menschen haben nicht lange gebraucht, um sich mit diesem größeren Thema zu befassen und zu fragen, was wir gegen Konzerne unternehmen können, die völlig außer Kontrolle geraten sind. Ich bräuchte nur fragen, „Denkt jemand, die Regierung hat das Sagen?“ Und niemand würde seine Hand heben. „Gut, wer ist es dann?“, würde ich fragen. „Heißt es [in der Verfassung] ‚Wir das Volk‘, oder ‚Wir der Konzern‘?“ In diesem Fall ist es klar, dass die Konzerne die Fäden ziehen. Die Leute werden von ihren Ständen weg geschubst, man sagt ihnen, sie dürfen keine Kameras dabei haben und dürfen sich den Kadavern [der am Öl verendeten Tiere] nicht nähern. Es ist wie, „Moment mal, ich dachte, wir wären in Amerika?“

Die Leute verbinden die Macht der Konzerne tatsächlich mit der Art, wie diese Katastrophe gehandhabt wird. Zuerst gab es die Ausnahmeregelungen und der Verzicht [auf Kontrolle], was BP gestattete, unzureichende Ausrüstung einzusetzen, die zu diesem Ölunfall geführt hat. Dann kam heraus, dass BP nicht ehrlich war, was und wie viel wirklich aus dem Bohrloch sprudelte – sie hatten seit einem Monat hoch aufgelöste Bilder, die sie der Regierung nie zukommen ließen. Deshalb haben sich die Leute hier unten gewundert, „Warum man es der Industrie überlässt zu sagen, wieviel Öl sie auslaufen ließ, wenn diese eine Strafe zu zahlen hat, welche von der Ölmenge, die sie auslaufen lässt, abhängt?“ Dann gibt es diese Art, mit der sie die Medien – und normale Leute mit Kameras – von der Küste, dem Wasser und den Kadavern ferngehalten haben. Was hier geschieht, ist ein Witz: Die Leute sehen die toten Tiere am Strand, oder sie sehen, wie sich diese in der Meeresströmung zu tausenden ansammeln, und sie wissen, dass diese nicht gezählt werden. Man droht den Leuten mit Arrest, allein schon, wenn sie sich nähern. Die Kadaver werden nicht zur Bemessung des Schadens aufgehoben, wie man es nach der Exxon-Valdez getan hat. Oder wenn Leute von Öl auf der Wasseroberfläche berichten, sehen sie nicht, dass es abgeschöpft oder gesammelt wird; sie kommen am nächsten Tag zurück und sehen diese verräterischen Blasen, wo Dispergiermittel versprüht wurden.

Die Leute haben angefangen zu fragen, „Wie konnte BP so viel Kontrolle erhalten? Warum wurde die Küstenwache als öffentliche Abschirmung gegen uns benutzt. Wer ist dafür verantwortlich?“

Die Konzerne haben wirklich gelernt, solche Situationen zu beherrschen. Sie hatten die Umweltbewegung nicht erwartet, die sich 1969 nach dem Bohrinsel-Unfall vor Santa Barbara entwickelte und die half, die Gesetzgebung, wie z.B. die Gesetze für saubere Luft und sauberes Wasser und das nationale Umweltgesetz, voran zu bringen. Aber seitdem haben sie immer besser gelernt, die Verschmutzung zu managen. Das ist wirklich der größte Unterschied, den ich zwischen der Exxon-Valdez und dem BP-Unfall gesehen habe: Die Konzerne wissen, was sie für ihre Zweck tun müssen, um die Regierung, die Leute und die Medien unter ihre Kontrolle zu bekommen. Sie waren damit sehr erfolgreich, und das sieht man.

Brooke: Gibt es aber eine Chance für einen Impuls zum Durchbruch, eine wirkliche Bewegung, um Konzerne zu kontrollieren, wenn der Unfall und seine Folgen den Einfluss der unkontrollierten Macht der Konzerne dermaßen hervorheben?

Riki: Ich habe festgestellt, dass die Leute dazu neigen sich zusammenzuschließen, um ihre Lebensweise zu verteidigen, wenn es zu einer Katastrophe wie dieser kommt. Die Grenzen zwischen den politischen Lagern fangen irgendwie zu wackeln an. Die Wirklichkeit verändert sich genau vor ihrer Nase wahnsinnig schnell und plötzlich funktioniert die Welt nicht mehr so, wie sie dachten. Es gibt eine Möglichkeit, diese Grenzen zu überwinden, die normalerweise sehr fest und eng und beständig sind und uns in Rot und Blau, in liberal und konservativ trennen.

Ein Beispiel, und es ist nur eines. Als ich in Fort Walton, Florida war, schrieben wir eine Petition, um die EPA (US-Umweltbehörde) mit der Befugnis auszustatten, Produkten, welche die Öffentlichkeit nicht wünscht, die Zulassung zu entziehen (zur Zeit kann die Zulassung nicht aberkannt werden und das macht es schwer, Unterstützung für ein Verbot des Dispergiermittels Corexit zu bekommen). Alle waren wild begeistert, einschließlich einiger Leute, die nach einer elektronischen Fassung fragten, damit sie diese in ihrem Netzwerk von 78 Tea-Party-Gruppen [linksallergische Klüngel und Sexualpraktik] im ganzen Bundesstaat Florida verbreiten können. Mich hat das fast umgehauen. Und die waren ebenso überrascht zu erfahren, wie viel wir gemeinsam haben – ich hatte Leute im Publikum, die anschließend erschrocken sagten, „Ich fühlte mich durch nichts von dem, was Sie erzählten, angegriffen“. Dann baten sie mich vorbeizukommen und einen Vortrag über die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte von Firmen und den Niedergang der Demokratie zu halten. Gruppen in Tallahassee, Florida und Jackson, Mississippi haben gesagt, sie möchten bei „Move to Amend“ mitmachen, ein nationaler Zusammenschluss zur Änderung der US-Verfassung, die dafür sorgen soll, dass nur Menschen verfassungsmäßige Rechte haben und dass nicht lebende Konstrukte – oder wie ich sage, Fünftklässler [Schimpfwort], Dinge ohne Bauchnabel – diese nicht haben.

Ich denke, diese BP-Katastrophe hat der Bereitschaft der Leute, den Mythos zu akzeptieren, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben, einen Schlag versetzt, egal ob sie zu den Roten oder Blauen, zur Tea-Party oder zu sonst was gehören. Nach der Entscheidung (PDF, engl) [des Supreme Court vom 21.01.2010, die Firmen als Personen anerkennt] über die Klage von Citizens United [gegen die FEC (Bundeswahlbehörde)] sagten 80% der Amerikaner ungeachtet ihrer politischen Einstellung, dass sie denken, Firmen sollten nicht jene Rechte haben, welche Menschen besitzen. Doch nun wird es schmerzhaft klar, warum dies so wichtig ist.

Es sind bekanntlich die sozial Schwachen, welche die Bedrohung durch Firmen zuerst erkennen, da es sie zuerst betrifft – sie wissen, wen das Recht schützt, da sie es nicht sind. Wirklich verändert hat sich etwas für jene, die glaubten, die Regierung würde sich um sie kümmern und die Gesetze würden greifen, um sie zu schützen. Wortwörtlich erzählen sie nun das gleiche, das wir nach der Exxon-Valdez in Cordova gesagt haben: „Mir kommt es vor, als ob ein Film von meinen Augen weg gezogen wurde, und ich sehe nun, wie die Welt wirklich funktioniert.“ Ich höre genau dieselben Worte am Golf: „Mir kommt es so vor, als ob ein Schleier von meinen Gesicht gezogen wurde.“ Die Leute wachen nun auf und sie sind bereit, das Joch der Arbeit auf sich zu nehmen, die es braucht, um jenes Land zu schaffen, das wir zu haben glaubten.

Brooke: Was bedeutet dies in den Gemeinden, in denen sie an der Golfküste waren? Was unternehmen die Leute, um eine andere Art von Land zu schaffen.

Riki: Nun, viele von ihnen schließen sich dem Kampf an, die Macht der Konzerne zu begrenzen. Es geht aber um mehr als nur um eine Theorie und eine Verfassungsänderung durch zu bekommen – es geht auch darum, in unseren Gemeinden Demokratie zu praktizieren. Es wirklich zu tun. Die Vision aufbauen. Ich denke, viele von uns erkennen, was wir tun müssen, und deshalb müssen wir uns hinsetzen und Gemeinde für Gemeinde heraus finden, wie wir selbständiger sein und uns flexibler einrichten können. Eine Übergangsgemeinde werden, unsere Städte dazu bringen, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, jede einzelne unserer Gemeinden selbständiger machen. Energie aus der Gegend, Lebensmittel aus der Gegend, lokale Wasserversorgung, Gartenbau, Stärkung der Nachbarschaft, unsere Geschäftsbeziehungen mehr horizontal als vertikal ausbauen.

Stellen wir uns der Herausforderung: Konzerne werden versuchen, alles zu zerstören, was wir in der großen Politik aufgebaut haben. Doch wenn wir in unseren Gemeinden unterhalb der Auflösung ihres Radarschirmes agieren, können wir sehr viel tun. Die Menschen scheinen zu denken, Veränderungen finden immer woanders statt. In Wirklichkeit geht es um ihren Hinterhof. Demokratie ist voller Wirren, aber sie funktioniert tatsächlich, wenn wir uns hinsetzen und anfangen, einander zuzuhören. Und es gibt keine Entschuldigung, es nicht zu tun. Wir wollten Demokratie mit und für die Menschen, und das bedeutet, jeder muss sich aus seinem Sessel erheben und Demokratie lernen. Wenn viele etwas Anstrengendes tun, wird es leichter.

Nachbemerkung:

Ich habe diesen Text übersetzt, weil sich Riki Ott gegen eine Fehlentwicklung unserer Demokratien stark macht. Auch in Deutschland genießen juristische, also biologisch nicht lebende Personen, Persönlichkeitsrechte. Das stört mich schon seit Jahren. Dies führt zu einer Verschiebung des gesetzlich garantieren Schutzes zugunsten des Stärkeren. Das widerspricht rechtlichen Grundsätzen, wie sie z.B. im Straßenverkehr zur Anwendung kommen, wo der Schwächere den größeren Schutz genießt. In einer menschenwürdigen Gesellschaft sollte dies generell der Fall sein.

Eine juristische Person muss sich, wie ich woanders geschrieben habe, nicht die Zähne putzen. Die Definition von Prof. Riki Ott finde ich aber auch praktisch: sie hat keinen Bauchnabel. Im Gegensatz dazu müssen Menschen noch viel mehr, können krank werden und sogar sterben.

Persönlichkeitsrechte für juristische Personen hebeln Artikel 14 Abs. 2 GG aus. Unsere Gesetze schützen das Leben ebenso unzureichend, wie sie eher das unter dem Schutz des Privateigentums stehende Eigentum der Konzerne schützen. Ich kann mir allzu gut vorstellen, wie schnell man sich mit solchen Gedanken den Vorwurf einfängt, ein Kommunisten- und Sozialistenschwein zu sein.

Aber auch wir haben schon seit längerem einen Oilspill, wenn bei uns Menschen von den Nebenwirkungen unserer Lebensweise z.B. an MCS oder CFS erkranken. Und psychiatrisiert wird immer alles, was nicht sein darf. Die Parallelen sind auffällig und immer geht es um Öl und Produkte, die aus Öl hergestellt werden. Das ungesunde Zeug hätte man lieber in der Erde lassen sollen. Anzumerken bleibt auch, dass das Festhalten am Öl sinnvollere Innovationen verhindert.

Interview und Vorwort: Brooke Jarvis, 23. August 2010

Übersetzung und Nachbemerkung: BrunO

Brooke Jarvis interviewte Prof. Riki Ott für das Amerikanische Nonprofit ‚YES! Magazine‘. Der Originalartikel steht wie diese Übersetzung und unser Kommentar unter einer Creative Commons Lizenz.

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Gericht entschied: Parfüm ist bei Therapie von Duftstoffallergikern nicht akzeptabel

Eine Frau mit einer schweren Duftstoffallergie und MCS hat einen Prozess gewonnen, den ihre Therapeutin gegen die kranke Frau angestrebt hatte. Trotz Vereinbarung, dass die Therapeutin am Tag der Behandlung duftfrei sein solle wegen der Problematik der Patientin, verwendete diese ein Parfüm. Die Patientin konnte das Parfüm nicht tolerieren und brach die Therapiesitzung ab. Trotzdem stellte die Therapeutin die Therapiesitzung in Rechnung und zog vor Gericht, nachdem die unter Duftstoffallergien leidende Frau sich weigerte zu zahlen.

Der Richter des Amtsgerichts Rheinbach entschied zugunsten der Duftstoffallergikerin und beschloss Mitte 2010, im vereinfachten Verfahren gemäß § 495a ZPO ohne mündliche Verhandlung, dass die Klage nicht begründet sei.

Die Entscheidungsgründe des Gerichtes:

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Bezahlung der am 16.05.2008 von der Beklagten abgebrochenen Therapiesitzung (§§ 611,615 BGB), da die Beklagte durch das Verlassen der Praxis der Klägerin an diesem Tag nicht in Verzug der Annahme der Leistung der Klägerin geraten ist. Voraussetzung für den Annahme Verzug ist, dass die Klägerin ihre Leistung ordnungsgemäß angeboten hatte (§ 615 BGB). Hieran fehlt es. Ein Leistungsangebot ist unter Berücksichtigung des § 242 BGB nur dann ordnungsgemäß, wenn auch entsprechende Rücksichtsnahme- und Schutzpflichten gegenüber dem Vertragspartner eingehalten worden sind. Das bedeutet im Fall der Beklagten, die wegen ihrer Erkrankung als Duftstoffallergikerin behandelt werden sollte, dass die Beklagte in der Praxis der Beklagten keinen Duftstoffen ausgesetzt wurde und insbesondere, dass die Klägerin selbst keine Duftquelle darstellte, Gegen diese (Neben-) Pflicht hat die Klägerin verstoßen. Wie sie ihren an die Beklagte gerichteten Schreiben vom 11.05.2009 eingeräumt hat, hatte sie in der Therapiesitzung am 16.05.2009 ein Parfüm, wenn auch kein besonders auffälliges, getragen und dies im Rechtsstreit dahingehend erläutert, das sie lediglich ein Parfüm getragen habe, das über die Tagespflege mit einem Deodorant nicht hinausgegangen sei. Insoweit kommt es jedoch nicht auf die Stärke des Geruchs an, da es für Duftstoffallergiker nicht entscheidend ist, ob ein Parfüm auffällig riecht oder nicht, sondern alleine darauf, ob Duftstoffe vorhanden sind, die bei ihnen möglicherweise eine allergische Reaktion hervorrufen.

Autor: CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.08.2010

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