Schüler unnötig giftigen Chemikalien durch Reinigungsmittel ausgesetzt
Eine aufrüttelnde dpa Meldung kursierte durch viele deutsche Zeitungen und Zeitschriften. In einer Schule im nordhessischen Zierenberg war Giftgasalarm ausgelöst worden. Dutzende Jungen und Mädchen hatten über Übelkeit, Atem- und Kreislaufbeschwerden geklagt. Bei einigen waren die Beschwerden so stark, dass sich der Notarzt um sie kümmern musste, 30 Kinder wurden in Kliniken gebracht. Die 550 Schüler der Gesamtschule wurden evakuiert. Als Ursache wurde ein Kanister mit einem Reinigungsmittel für den Fußboden gefunden, dessen Deckel offenstand.
Eine ähnliche Meldung gab es im Februar 2006. Damals hatten Putzmittel den Giftgassensor im Capitol in Washington ausgelöst. Sicherheitspersonal evakuierte Senatoren und Angestellte. Spezialuntersuchungen der Polizei fanden auch in diesem Fall, dass nichts anderes als ein Reinigungsmittel, das die Putzfrauen verwendet hatten, Ursache gewesen war.
Dass gesundheitliche Beschwerden durch Reinigungsmittel eintreten können, die in täglicher Routine verwendet werden, wird erst durch solche dramatischen Zwischenfälle publik. Sorgsamerer Umgang mit Putzmitteln, gute Belüftung während der Anwendung und eine sehr kritische Auswahl der eingesetzten Mittel, alle Gesundheits- und Umweltaspekte einbeziehend, sind geboten. Im häuslichen Bereich sind scharfe chemische Reiniger in der Regel völlig unnötig. Kommt ein Kind regelmäßig mit Übelkeit aus der Schule nach Hause, sollten Eltern sich beim Schulleiter nach der Art der Reinigungsmittel erkundigen. Im Fall, dass giftige Mittel verwendet werden, ist es angemessen, aus Rücksicht auf die Gesundheit der Schüler und Lehrer auf Umstellung zu drängen.
Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27. Januar 2010
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In Rüsselsheim ist man da schon ein Stück weiter. Es gab nämlich eine Studie der FH Wiesbaden mit erstaunlichen Ergebnissen.
Die Frankfurter Rundschau berichtete vor einiger Zeit:
„Die Luft in Klassenräumen ist voller Allergene. Das erstaunliche Ergebnis einer Studie der Fachhochschule (FH) Wiesbaden belegt: ……
Die Studie der Fachhochschule Wiesbaden über die Belastung von Schulräumen mit Allergenen heißt Susi (Schulraumuntersuchung auf Schadstoff-Immission).
Gesammelt wurden rund 20.000 Einzelwerte; dabei wurden 113 Substanzen erfasst und in ihrer Konzentration gemessen. Quelle der Allergene sind vor allem Kosmetika und Putzmittel.
Die Stadt Rüsselsheim hat die Studie für ihre 17 Schulen in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse sind beispielhaft auch für andere Schulen.
Gesetzlich festgelegte Grenzwerte für Allergene gibt es nicht.Die Stoffe seien nicht unmittelbar gesundheitsgefährdend, so Stein, in ihrer Konzentration allerdings bedenklich. Gerade mit Blick auf das noch nicht ausgereifte Immunsystem jüngerer Schülerinnen und Schüler könne man nicht ausschließen, dass durch die Raumluft tatsächlich Allergien ausgelöst würden…
.Ursprünglich hatte das Forschungsteam nur nach Benzol und ähnlichen Schadstoffen gefahndet, wie sie im Straßenverkehr entstehen. …
Die Stadt Rüsselsheim, die die Untersuchung der Klassenzimmer-Luft ihrer 17 Schulen in Auftrag gegeben hatte, hat die Schulen bereits aufgefordert, häufiger zu lüften. Außerdem, so Sprecherin Silke Fey, sei man im Gespräch mit der Reinigungsfirma. Diese solle künftig möglichst neutrale Putzmittel verwenden. „Ein Gutes hat das Ergebnis aber auch“, sagt Fey. Schließlich stehe fest, dass die gefährlichen Benzole und anderen Stoffe nur in sehr geringen Mengen durch die Fenster in die Klassenzimmer strömten.“
http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/hessen/?em_cnt=1371054&sid=a0600adb6e037cac796d28325dd7a544
Es ist unverständlich und unverantwortlich, dass derartig gesundheitsschädigende Putzmittel in Schulen Anwendung finden. Statt chemischer Keule sind neutrale Putzmittel, ohne Duftstoffe und giftige Chemikalien anzuraten.
Chemikalien im Alltag sollten wo immer es geht, vermieden werden. Bei Putzmittel sollte man annehmen, das dies ohne großen Aufwand und wahrscheinlich sogar kostengünstiger, umzusetzen ist.
Schüler werden vom Geltungsbereich des Arbeitsschutzgesetzes erfasst (§ 2 Abs. 2 Ziff. 3 ArbSchG); sie sollen also vor allen Gefährdungseinflussgrößen geschützt werden (biologisch,chemisch,physikalisch,psychomental). – Offenkundig liegen diverse Pflichtverstöße seitens der Verantwortlichen Personen gem. § 13 ArbSchG(Schulleitung und ggf. weitere Personen) und des Arbeitgebers i.S.d. § 2 (3) ArbSchG (Ministerium) vor; als da wären: Keine Beurteilung der Arbeitsbedingungen i.V.m. dem Wirksamkeitsgebot gem. § 3 (1) Satz 2 ArbSchG, welches auch die Ersatzstoffsuche (Stoffe mit geringeren Gefährdungspotenzial) mit einbezieht. – Nicht verwundern würde es, wenn die Dokumentation gem. § 6 ArbSchG ebenfalls fehlen würde. – Wurden die Schüler i.S.d. § 12 ArbSchG unterwiesen und auf Gefährdungen aufmerksam gemacht ? Wie dokumentiert sich die Pflichterfüllung des zuständigen Betriebsarzt und der Fachkraft für Arbeitssicherheit nach dem Arbeitssicherheitsgesetz ? Was unternahm der Sicherheitsbeauftragte der Schule ? Oder gibt es diese Personen dort gar nicht ? Gab es gefahrstoffrechtliche Betriebsanweisungen für gefährliche Stoffe gem. Gefahrstoffverordnung – vgl. § 14 GefStoffV ? Aufgrund der vorliegenden Informationen scheint es mir, als ob es im Schulbereich überhaupt gar keine wirksame Sicherheitsorganisation gab/gibt. – Offenbar wissen die Verantwortlichen und das Ministerium als Endverantwortliche im Arbeitsschutz nicht, dass sie gegenüber den Schülern insbesondere schadensersatzpflichtig gem.Palandt zu § 839 BGB wurden.
Der o.a. Fragenkatalog kann m.E. beliebig erweitert werden und sollte für den Anfangsverdacht einer Strafverfolgung ausreichend sein.
Oft wird bezweifelt, dass Schüler keine Beschäftigte im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes sind. Ein Blick auf die Seite der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin – http://tinyurl.com/yeofumn – klärt hierüber abschließend zu Gunsten der Schüler auf.
Sich.-Ing. J. Hensel
Ringvorsorge
PS: Die Dokumentation gem. § 6 ArbSchG kann ggf. über das Informationsfreiheitsgesetz – IFG – des Bundeslandes eingesehen bzw. angefordert werden.
Falls sie vorhanden ist !
Großen Dank an Herrn Hensel für seine wichtigen, hilfreichen Informationen zum Arbeitsschutz.
Diese Infos müsste jemand den betroffenen Schülern/ELtern/Lehrern der putzmittelverseuchten Schule zukommen lassen.
Hat jemand eine Idee, wie man das anstellen könnte, an wen man sich da wenden könnte?
Das Bundesministerien für Bildung und die Kultusministerien der einzelnen Bundesländer müssten ebenfalls miteinbezogen werden, damit derartige Zustände endlich flächendeckend beendet werden. Auch müsste man das Thema Schadstoffe an Schulen generell ansprechen, denn auch hierbei werden die Schüler wie auch Lehrer oft massiv gesundheitlich geschädigt. Die Betroffenen sind später die Dummen, weil die Beweislast bei Ihnen liegt, dass sie durch Chemikalienbelastung in den Schulräumen krank wurden. Das birgt leider die Gefahr, dass alles vertuscht wird.
Dass es sich bei vielen Reinigungsmittel um gesundheitsgefährdende Chemikalien handelt und so mancher unnötige Chemieunfall dadurch geschieht, veranschaulicht auch dieser Vorfall, bei dem 2 Personen verletzt wurden.
Chlorgas ausgetreten – Große Aufregung in Geisenheim
http://geisenheimer.wordpress.com/2010/02/05/chlorgas-ausgetreten-grose-aufregung-in-geisenheim/