Wissenschaftlich begleitetes MCS-Wohnprojekt ist im Entstehen

In Zürich entsteht bis 2013 ein Wohnprojekt für Menschen mit MCS. Die Umwelt- krankheit ist auch in der Schweiz verbreitet, man geht von Behördenseite von ca. 5000 Betroffenen aus, und nun will man Nägel mit Köpfen machen. Die Stadt Zürich wird mit einem Grundstück und Baurecht zum Wohnprojekt für Chemikaliensensible beitragen. Das Vorhaben, dass rund 5,8 Millionen Franken kosten wird, werde als Pionierleistung für gesundes Wohnen in die Geschichte eingehen, sagte der Züricher Stadtrat Marin Vollenwyder auf der heutigen Pressekonferenz in Zürich. Die Stadt habe sich zum Legislaturziel WOHNRAUM FÜR ALLE gesetzt und das hieße für die Stadt auch, eine solche Bevölkerungsgruppe zu unterstützen, die es auf dem Wohnungs- markt besonders schwierig habe.

Endlich Hoffnung in greifbarer Nähe

Christian Schifferle, der Gründer der Baugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS und Präsident der Selbsthilfegruppe MCS-Liga Schweiz, setzt sich schon viele Jahre für dieses Projekt ein. Vor zwei Jahren gründete er die Genossenschaft, seitdem geht es in großen Schritten voran. Heute schrieb Ch. Schifferle eine E-Mail:

Gerade komme ich von der Medienkonferenz der Stadt Zürich, MCS-Pilot- wohnungsprojekt, bin noch ganz geschafft und überwältigt, habe immerhin meine Rede halten können. Die Neue Zürcher Zeitung hat schon einen Bericht verfasst.

Ev. kommt heute oder Morgen ein Bericht auf Tele Top. Sicher werden wir in der nächsten Zeit ausführlich berichten… Ich schlafe zurzeit im Auto und verspreche mir baldige Hilfe beim Wohnraum suchen als Übergangs- lösung.

Architektin packt mit an

Eine weitere gute Nachricht war diese Woche aus der Schweiz zu vernehmen. Christian Schifferle ließ wissen, dass die Wohnbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS seit gut zwei Wochen durch Marianne Dutli Derron verstärkt wird. Die Architektin ist als Beraterin beim SVW Zürich tätig, der Dachorganisation von über 200 Züricher Wohnbaugenossenschaften. Ihr Büro liegt direkt neben dem der MCS Wohnungsbaugenossenschaft. Frau Dutli Derron wurde jetzt auch in die Geschäfts- leitung der Wohnungsbaugenossenschaft gewählt, die sie nun zusammen mit Dr. Roman Lietha und Christian Schifferle bildet. An der nächsten Generalversammlung soll Marianne Dutli außerdem als Vorstandsmitglied und Co-Präsidentin vorgeschlagen werden, war von Ch. Schifferle zu hören. Acht Jahre Erfahrung als Präsidentin einer anderen Züricher Wohnbaugenossenschaft bringt sie mit. Vor einigen Wochen hatte Ch. Schifferle die Architektin angefragt, bei der MCS-Genos- senschaft mitzumachen, und natürlich war er sehr erfreut, ihre Zusage zu erhalten.

Professionelle Unterstützung

Das Thema MCS Wohnraum ist Frau Dutli Derron nicht fremd, sie war eines der Jury-Mitglieder des MCS-Architekturwettbewerbs und hat sich entsprechend gut eingearbeitet. Ch. Schifferle ist professionelle Unterstützung ein besonders großes Anliegen. Er selbst leidet von Kindheit an unter schwerer MCS und hat seine Kräfte seit Jahren in das Vorhaben investiert. Anstrengende Sitzungen wird es in den nächsten Monaten und in der Bauphase viele geben, dafür braucht es gesunde Unterstützung mit viel Sachverstand.

Gesundes Wohnen hat eine große Zukunft

Die Stadt Zürich leistet mit dem MCS Wohnprojekt in der Tat Pionierarbeit. Es ist das erste Wohnprojekt für Chemikaliensensible in Europa, das nun in Zürich-Lembach Zug um Zug entsteht.

Im September 2009 hatte das Finanzdepartment der Stadt einen Kredit von 150 000 Franken zur Durchführung eines Studienauftrages für das Wohngebäude mit zehn Wohnungen für MCS-Betroffene bewilligt. Das MCS Haus wird von Grund auf baubiologisch konzipiert und Wissenschaftler begleiten das Wohnprojekt.

Technisches und althandwerkliches Meisterwerk

Aus der Neuen Züricher Zeitung war zu erfahren, das Augenmerk liege bei diesem besonderen Neubau auf einer äußerst sorgfältigen Materialwahl und Verarbeitung. Das Gebäude werde sogar mit speziellen Schleusen ausgerüstet, damit sich die Bewohner von chemischen Substanzen beim Betreten reinigen können.

Das Pionierprojekt wird eine Herausforderung in der Ausführung darstellen, denn es sollen uralte Handwerkstechniken, die teils schon in Vergessenheit geraten sind, mit hochmodernen Materialien kombiniert werden. Es wird beispielsweise eine Glas- faserstabarmierung zum Einsatz kommen, die bis jetzt noch nie für die Statik eines ganzen Wohnhauses eingesetzt wurde. Das Material leitet weder Wärme noch Strom. Ansonsten soll das MCS-Haus eine homogene Außenwandkonstruktion aus Wärmedämmbacksteinen mit einer vielfältig biologisch wirksamen inneren Haut mit Lehm und Kalkputzen erhalten. Im Idealfall können aus der Anwendung solcher im Moment vielleicht eher ungewöhnlich anmutenden Materialien und Verarbeitungs- techniken Erfahrungen für den normalen Wohnungsbau gewonnen werden. Das erhofft sich jedenfalls das Architekturbüro, das den Zuschlag erhalten hat für das innovative Projekt, das gerade im Entstehen ist.

Für Christian Schifferle heißt es jetzt noch zwei weitere Jahre durchhalten, kalte lange Nächte im Auto oder auf dem Feldbett im Wald. Nach der enormen Leistung, die er vollbracht hat, wird er auch diese Zeit schaffen. Dann wird er hoffentlich ein Zuhause haben, in dem er und andere MCS-Betroffene beschwerdefrei leben und gesunden können. Als nächsten Schritt plant die Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS Wohnprojekte für Chemikaliensensible in Deutschland.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. September 2010.

Bild: Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS

Weitere Artikel zum Wohnprojekt / Links zum Video der TV Sendung von Tele Top:

4 Kommentare zu “Wissenschaftlich begleitetes MCS-Wohnprojekt ist im Entstehen”

  1. PappaJo 8. September 2010 um 10:27

    Wirklich ein Meilenstein der Architektur und eine Hoffnung für die wachsende Schar der MCS-Kranken. Die Überlegung und Ausführung scheint perfekt zu sein. Aus den Fehlern der Verhangenheit lernen und mit modernen Wissen und Erkenntnissen ergänzen. Eine Symbiotische Architektur par excellence! Und sogar an die Schleusen wurde gedacht. Daran merkt man, das bei diesem Projekt wohl alles sehr gut durchdacht wurde!

    Und die deutschen verschlafen mal wieder den Trend! Wie traurig.

  2. Energiefox 8. September 2010 um 11:11

    Also solche Wohnungen sollten generell gebaut werden.
    Gesund Leute können nur gesund bleiben wenn sie in Häusern wohnen die nicht krank machen.

    Bei mir in der nächst größeren Stadt habe ich vor kurzem ein Haus gesehen, dass ökologisch gebaut wurde. Jedenfalls auf einem Schild am Haus stand ökologisch…… Was wurde gemacht, zuerst das Baugrundstück aber auch radikal von der Natur befreit ein wunderschöner Baum musste natürlich auch gefällt werden und vorm Haus alles gepflastert nicht mal Rasengittersteine. Das Haus wurde vermutlich gut gedämmt, es sieht sogar auch noch nach meinem Empfinden hässlich aus. Das ist für mich nicht ökologisches Bauen, deshalb solche Vorzeigeobjekte brauchen wir.

    Eine Anmerkung hätte ich zum Foto, ich würde immer ein Spitzdach empfehlen, meist sind Flachdächer nicht dicht.

    Gruß Fox

  3. Juliane 8. September 2010 um 18:48

    Lieber Christian Schifferle,

    ganz toll, was Sie mit Ihrem Einsatz erreicht haben.

    Ich drücke die Daumen, dass das Projekt weiter zügig voranschreitet und dass Sie auch bald den Luxus einer heimeligen Wohnung genießen können.

    Ja, das muss man sich mal vorstellen: In Europa zu leben ohne ein Dach über dem Kopf.
    Traurig ist das.

    Alles Gute Juliane

  4. Maria 9. September 2010 um 09:11

    Lieber Christian,

    es freut mich sehr von den Fortschritten Deines MCS-Pionier-Wohnprojekts zu lesen. Es macht Mut und vermittelt allen MCS-Betroffenen hier in Deutschland große Hoffnung, dass sich auch für uns bald dringend notwendige Verbesserungen ergeben. Denn gesundes Wohnen ist eins der Hauptanliegen, die es für MCS-Betroffene zu lösen gilt.

    Christian, ich wünsche Dir viel Erfolg und hoffentlich nicht allzu viel Stress bis zur Erlangung Deines Ziels.

    Viele Grüsse in die Schweiz,
    Maria

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