Monatsarchiv für September 2011

Umweltverbände setzen sich gegen Chemieindustrie durch!

Keine chemischen Holzschutzmittel mehr im Innenbereich von Gebäuden

Ab dem 4. Oktober 2011 sollten im Innenbereich von Wohnungen, Wohnhäusern und Bürogebäuden keine chemischen Holzschutzmittel mehr Anwendung finden. An diesem Tag tritt eine entscheidende Änderung der Holzschutznorm DIN 68800-1, allgemeiner Teil, in Kraft. Sie regelt den Stand der Technik zur Verwendung von Holzschutzmitteln. Durch die Übernahme der Norm in die Landesbauordnungen erhält sie de facto Gesetzescharakter.

Nach jahrelangem hartnäckigem Kampf ist es dem Normungsexperten der Umweltverbände, Karl-Jürgen Prull, gelungen, den Vorrang des baulichen Holzschutzes vor dem chemischen Holzschutz trotz heftigen Widerstandes der Bauchemie durchzusetzen. Die gesamte deutsche holzverarbeitende Wirtschaft, der Bund Deutscher Zimmermeister und die Fertighausindustrie haben diesen Paradigmenwechsel aus der Erkenntnis heraus mitgetragen, dass getrocknetes Holz, wenn es vor Feuchtigkeit und Insekten fachgerecht geschützt ist, nicht gefährdet ist.

Seit den 70er Jahren und dem nachfolgenden Xylamon-Prozess, dem größten Umweltverfahren der deutschen Justizgeschichte, kommt es immer wieder zu erheblichen Gesundheitsschäden beim Einsatz chemischer Holzschutzmittel. „Es ist ein Skandal, dass die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen erst kürzlich erklären musste, über die verwendeten Mengen chemischer Holzschutzmittel in Deutschland und über die Belastung der Umwelt durch Biozide aus dem Bautenschutz keinerlei Informationen zu verfügen“, sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen. So sei in einer zweijährigen Fütterungsstudie über die Auswirkungen eines heute noch eingesetzten Holzschutzmittels mit dem Wirkstoff Kupfer-HDO festgestellt worden, dass 80 % (!) der beim Test eingesetzten Versuchstiere einen Darmtumor erlitten.

Umso verhängnisvoller sei jetzt die Entscheidung der Bauchemie, gegen die neue Holzschutznorm von der Öffentlichkeit unbemerkt beim DIN ein Schiedsgerichtsverfahren durchzuführen. Offensichtlich solle der Absatzmarkt mit jährlich über 100 Millionen Dollar Umsatz in Westeuropa nicht kampflos preisgegeben werden. Normungsexperte Prull verwies darauf, dass Dachstühle von Wohngebäuden sich zukünftig rechtlich gesehen nicht mehr wie bisher außerhalb vom Gebäude befinden, sondern zum Innenbereich gehören. Dieser Aspekt habe eine große Bedeutung bei einem nachträglichen Ausbau zu Kinder- oder Schlafzimmern. Das Ende des chemischen Holzschutzes sei auch aus Gründen des Arbeitsschutzes für Zimmerleute wichtig. Außerdem falle zukünftig weniger Sondermüll in Form von chemisch behandelten Hölzern an.

Autor:

Deutscher Naturschutzring (DNR), Umweltverbände setzen sich gegen Chemieindustrie durch, Pressemitteilung 25/2011, 30.09.2011

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Forschung: Selbstreinigende Baumwolle beseitigt Pestizide, Bakterien

Wissenschaftler der UC Davis haben ein selbstreinigendes Baumwollgewebe entwickelt, dass Bakterien abtötet und giftige Chemikalien wie Pestizidrückstände zersetzt, wenn sie Licht ausgesetzt sind.

„Das neue Material hat potenzielle Anwendungsfähigkeit bei Schutzkleidung im biologischen und chemischen Bereichen des Gesundheitswesens, für Arbeiter Nahrungsmittel- und Agrarbereich, sowie für militärisches Personal“, sagte Ning Liu, der die Forschungsarbeit als Doktorand in Professor Gang Sun‘s Gruppe an der UC Davis, Abteilung für Textilien für Bekleidung, durchführte.

Eine Veröffentlichung, in der die Forschungsarbeit beschrieben wird, erschien am 1. September 2011 im Journal of Materials Chemistry.

Liu entwickelte eine Methode, um eine Verbindung, die als Anthrachinon-2-Carbonsäure oder 2-AQC bekannt ist, in Baumwollstoffen zu integrieren. Diese Chemikalien geht so eine starke Verbindung mit der Zellulose in Baumwolle ein, dass es schwierig ist, sie auszuwaschen, im Gegensatz zu aktuellen Selbst-Reinigungsmitteln. Anders als einige weitere experimentelle Substanzen, die auf Baumwolle angewendet worden sind, hat sie keine Auswirkungen auf die Eigenschaften des Gewebes.

Wenn 2-AQC dem Licht ausgesetzt ist, werden sogenannte reaktive Sauerstoffspezies wie Hydroxyl-Radikale und Wasserstoffperoxid produziert, die Bakterien abtöten und organische Verbindungen wie Pestizide und andere Schadstoffe zersetzen.

Wenngleich 2-AQC teurer ist als andere Verbindungen, sagen die Wissenschaftler, dass billigere Mittel zur Verfügung stehen.

Die wissenschaftliche Forschungsarbeit wurde von der National Science Foundation, der US Defense Threat Reduction Agency und der Jastro Shields Graduate Research Fellowship vom UC Davis College für Agrar-und Umweltforschung finanziert.

Autor:

UC Davis, Self-cleaning cotton breaks down pesticides, bacteria, September 27, 2011

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

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Strahlungsfreie Zone für Elektrosensible

Weltraumteleskop schafft “Quiet Zone” für Elektrosensible

Ein 13000 Quadratmeilen großes Gebiet gilt als sicherer Zufluchtsort für Elektrosensible (EHS). Diese „National Radio Quiet Zone“ liegt in West Virginia, USA. Dort gibt es keine Handytürme, keine Radiosignale.

Mitten in dieser Zone liegen die Städte Lexington und Buena Vista. Der Grund für diese „Stille Zone“ ist ein gigantisches Radioteleskop, das den Weltraum observiert. Das Teleskop empfängt Radiowellen aus dem Weltraum.

Durch elektromagnetische Strahlung würde das Teleskop bei seiner Arbeit gestört. In einer zehn Meilen großen Zone rings um das riesige Radioteleskop würde jede elektromag- netische Strahlung die hochsensible Arbeit der Weltraumwissenschaftler zerstören. Die Signale, die sie aus dem Weltall empfangen, sind oft so leise wie das Fallen einer Schneeflocke auf den Boden.

Extreme Schmerzen, kein Schlaf

Elektrosensibilität – EHS (ICD-10 Z58) ist eine Umweltkrankheit, die stark zunimmt. Die daran Erkrankten klagen u.a. über brennende Schmerzen im Gesicht und am ganzen Körper, Schlaflosigkeit, extreme Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen und Schwindel. Ruhe findet ihr Körper nur dort, wo keine elektromagnetische Strahlung präsent ist. Darin besteht die Schwierigkeit für die Elektrosensiblen, denn es gibt kaum noch einen Ort für Umwelterkrankte, der „strahlungsfrei“ ist. Manche der sehr stark Betroffenen ziehen sich in die Natur zurück und leben in Wäldern mit Schluchten, in die keine Strahlung durchdringt. Bislang werden diese Elektrosensiblen von ihren Mitmenschen als Freaks angesehen, was dem Elend und den Schmerzen der Umwelterkrankten mitnichten gerecht wird.

Strahlungsfreie Zone

Keine Hotspots, kein WIFI, keine Handys oder Radiowellen sind in Green Bank erlaubt, berichtet WDBJ7. Der TV-Sender sprach mit einem der Mitarbeiter des Weltraumteleskops, das zu den Größten der Welt gehört. Mike Holstine erläuterte, dass er ständig damit beschäftigt ist, jede Art von elektromagnetischer Strahlung zu messen, weil sie die Arbeit in Green Bank stören würde. Jedes elektromagnetische Signal im 10-Meilen Radius um das Teleskop, das höher als die amerikanische Freiheitsstatue ist, hat das Potential, die Arbeit der Wissenschaftler des National Radio Astronomy Observatory zu ruinieren. Ohne dieses Weltraumteleskop hätten Elektrosensible auch hier kein Refugium. Aus Berichten geht hervor, dass ca. 2-5% der Allgemeinbevölkerung elektrosensibel ist. Noch leben erst wenige Elektrosensible in der „Quiet Zone“ von Green Bank, um Linderung zu finden, berichten die Anwohner dem TV-Sender WDBJ7, aber sie rechnen damit, dass es bald mehr Umwelterkrankte werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 27. September 2011

Literatur: WDBJ7, „Wi-Fi Refugees“ moving to Green Bank, West Virginia to escape electromagnetic radiation, 22.09.2011

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Keine Angst vor der Angst

Angst ist ein sehr brauchbares, einschüchterndes Zwangsinstrument, um Menschen zum Schweigen zu bringen und sie zu kontrollieren. Eine stumme Drohung erinnert subtil daran, dass man alles verlieren kann, was man hat. Jammere nicht, mach keinen Krach, denn das könnte dein Leben noch schlimmer machen und es in einen Alptraum verwandeln. Sie erschrecken die Massen so, dass sie keinen Aufstand wagen. Sie zensieren und verfälschen die Realität.

Doch Angst ist ein zweischneidiges Schwert, wenn sie an Menschen angewendet wird, die wenig zu verlieren haben. Wenn dein Tag daraus besteht, ums Überleben kämpfen, wenn du in einer parallelen Realität lebst, die sich niemand in deiner Nähe auch nur vorstellen kann, verlierst du die Angst vor dieser abstrakten Angst, die sie in dir wecken wollen.

Die rauhe und zermürbende Realität ist stärker. In Anbetracht einer Gegenwart, die uns überwältigt und keinen Raum für irgendetwas anderes lässt, verschwindet, was möglich wäre oder kommen könnte. Das Hier und Jetzt ist alles, was zählt und die Angst vor der Angst ist einfach lächerlich gegen die wirklichen Probleme, die dich unermüdlich am Laufen halten, um weiterzumachen und nur zu überleben. Wenn jeden Tag ein wahrer Kampf ist, der deine physische und mentale Stärke testet, dann ist die Angst vor der Angst nichts anderes als eine Täuschung, eine lächerliche Drohung gegenüber den unbestreitbaren Hindernissen der Unterwelt, in die du verdammt wurdest zu leben.

Manchmal wagst du es, dich aus dem Fenster zu lehnen, in einem riskanten Spiel, um zu sehen, wie die vermeintlich glücklichen Menschen leben, und du bist beeindruckt zu sehen, dass eine unwirkliche Angst sie lähmt, welche sie lethargisch macht und gefühllos leben lässt. Es ist fast tragisch anzusehen, wie sie auf Zehenspitzen durch ihr Leben gehen, angstvoll, narkotisiert und kontrolliert, und sogar ohne sich dessen bewusst zu sein.

Diejenigen unter uns, die jeden Tag extreme Situationen erleben, wie diejenigen unter uns, die von Multiple Chemical Sensitivity betroffen sind; diejenigen unter uns, die über Nacht zu Bürgern zweiter Klasse wurden, ohne Rechte, aber immer noch mit allen Verantwortungen; diejenigen von uns, die zu Nomaden wurden, weil eine vergiftete und sterbende Welt unsere Gesundheit, unser Leben, unsere Träume stiehlt…wir haben keine Angst vor der Angst, weil es keinen Platz mehr gibt für Feigheit, wenn mit einer Realität konfrontiert ist, die jede Angst übersteigt, von der sie wollen, die sie in uns züchten wollen, um uns einzuschüchtern, zu dominieren und einfach, um uns zu vernichten. Was wir befürchtet haben, ist wahr geworden. Wir haben nichts mehr, vor dem wir noch Angst haben müssten.

Autor: Eva Caballé, No Fun, erschienen in der Kunstzeitung  Delirio, 12. September 2011

Photo: David Palma

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Environmental Medicine Matters: No Fear of Fear

Weitere Artikel von Eva Caballé, die in der Kunst- und Kulturzeitung Deliro erschienen:

Frau starb beim Zahnarzt durch Mundspülung

Für Patientin mit Allergie kam jede Hilfe zu spät

In England erlitt eine junge Frau eine tödliche Reaktion auf dem Behandlungsstuhl beim Zahnarzt, nachdem sie ihren Mund ausgespült hatte. Von Rettungskräften eingeleitete Notfallmaßnahmen waren erfolglos. Ursache der lebensgefährlichen Reaktion war eine Mundspülung mit der Chemikalie „Chlorhexidinel“ (in Deutschland Chlorhexidin) gewesen, berichtete der Nachrichtenservice MSN. Zahnärzte und Zahnkliniken sind gesetzlich verpflichtet, das Wasser zum Ausspülen des Mundes und zum Betreiben der wassergekühlten Bohrer keimfrei zu halten. Liegen bei einem Zahnarztpatienten schwere Allergien, Chemikaliensensitivität oder eine MCS vor, sollte er im eigenen Interesse den Arzt und die Zahnarzthelferinnen vorab darüber informieren.

Schockreaktion durch Chemikalien verkannt

Als die junge englische Frau nach dem Ausspülen des Mundes aus dem Stuhl rutschte und zu Boden fiel, glaubte die Zahnärztin und ihr Personal zuerst an einen epileptischen Anfall. MSN teilte mit, dass die sofort angerufene Notfallzentrale Anweisungen gab, die Atmung stabil zu halten und dafür Sorge zu tragen, dass die Patientin nicht an Erbrochenem ersticke. Innerhalb weniger Minuten seien Rettungskräfte vor Ort gewesen, sie konnten die junge Frau jedoch nicht mehr wiederbeleben. Direkt nach dem Ausspülen sei die Frau blau angelaufen, der Puls setze aus und sie hörte auf zu atmen. Das Personal der Zahnarztpraxis erkannte laut MSN Meldung nicht, dass es sich um einen anaphylaktischen Schock handelte. Man hätte der jungen Frau Adrenalin und Sauerstoff verabreichen müssen und eine Druckmassage des Brustkorbs. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass die Verstorbene allergisch auf die Chemikalie „Chlorhexidinel“ reagierte. Bereits auf eine Mundspülung für den Hausgebrauch, die sie von einer Zahnklinik Anfang des Jahres wegen einer Entzündung im Mund empfohlen bekam, hatte sie mit Jucken und Hitzegefühl reagiert, wurde durch Nachforschung der Staatsanwaltschaft bekannt.

Hygiene, einer der wichtigsten Aspekte in einer Zahnarztpraxis

Zahnärzte sind gesetzlich dazu verpflichtet, das Wasser zum Ausspülen des Mundes, das nach und während einer Behandlung gereicht wird, bakteriologisch einwandfrei zu halten. In der Regel wird die Keimfreiheit der Behandlungseinheiten und des Mundspülwassers durch Chemikalienzusatz erzielt. Im gesetzlich festgeschriebenen Turnus wird das Wasser in Zahnarztpraxen und Zahnkliniken überprüft. Die Untersuchungen sind teuer und müssen von Zahnarztpraxen und Kliniken selbst bezahlt werden. Ist das Wasser bei einer Prüfung auffällig und überschreitet eine gewisse Keimzahl, bzw. weist gefährliche Keime auf, muss die Kontaminierung sofort restlos beseitigt werden. Würde die Hygiene in einer Zahnarztpraxis laxer gehandhabt, könnte dies schwere gesundheitliche Folgen für die Patienten nach sich ziehen, die auch tödlich enden können. Ausnahmeregelungen, was die Hygiene betrifft, gibt es deshalb nicht.

Trinkwasser ist nicht keimfrei

Keimbelastung im Trinkwasser kann nicht vermieden werden, denn die Wassersysteme in Häusern sind nahezu ausnahmslos durch Keime kontaminiert. Schon das Wasser, das von den Wasserwerken geliefert wird ist, bis es in den Häusern aus der Leitung kommt, mit Keimen kontaminiert. Ein Brutplatz für Keime ist bspw. der Wasserzähler. Wird ein Wasserzähler ausgetauscht, bekommt man meist keinen neuen Zähler, sondern einen, der technisch überholt wurde. Ein solcher Wasserzähleraustausch führt automatisch zu einer Kontamination des gesamten Haussystems. Auch wenn ein neuer Wasserzähler installiert wird, erfolgt ein Eintrag mit Keimen, weil die Installation nicht unter sterilen Bedingungen vorgenommen wird und die Hautkeime des jeweiligen Installateurs sofort zu einer bakteriologischen Besiedlung führen.

MCS Patienten und Allergiker beim Zahnarzt

Zahnarztpatienten mit schweren Allergien, Chemikaliensensitivität oder einer MCS (Multiple Chemical Sensitivity) müssen darauf eingestellt sein, dass sie in einer Zahnarztpraxis nicht nur den gesetzlich vorgeschriebenen Flächen – und Wischdesinfektionsmitteln ausgesetzt sind, sondern das auch das Mundspülwasser und das Wasser zum Kühlen des Bohrers mit einem Bakterizid versetzt ist. Das Mundspülwasser kann nach Rücksprache mit dem Zahnarzt sicherlich meist durch mitgebrachtes Mineralwasser in einer original verschlossenen Flasche ersetzt werden. Der Kontakt mit dem Kühlwasser, das beim Bohren in den Mundraum gelangt, bleibt jedoch.

Zahnarzt ist auf exakte Information angewiesen

Ein Zahnarzt ist, wie jeder andere Arzt, auf die Kooperation seiner Patienten angewiesen. Wenn ein Patient weiß, dass er auf bestimmte Chemikalien oder Allergene reagiert, sollte er dies dem Zahnarzt und den Zahnarzthelferinnen im Vorfeld mitteilen. Liegt ein Allergiepass vor, ist dieser vor Behandlungsbeginn zu übergeben. Es ist sinnvoll, eine Kopie des Allergiepasses für die Patientenakte mitzubringen und durch Mitteilung über Änderungen dafür Sorge zu tragen, dass Vermerke in der Akte immer aktuell sind. Liegen einem Zahnarzt entsprechende Informationen vor, können tödliche Schockreaktionen wie der beschriebene eher vermieden werden.

Ein chemikaliensensibler Patient muss sich darauf einstellen, dass ein Zahnarzt eine Behandlung möglicherweise ablehnen muss, weil das Risiko zu hoch ist, da man, um der gesetzlich vorgeschriebenen Hygieneverordnung nachzukommen, bestimmte Chemikalien in der Praxis verwenden muss. Für Patienten, bei denen Schockreaktionen bekannt sind oder andere schwere Reaktionen, ist es sicherer, sich in einer Zahnklinik behandeln zu lassen, da man dort im Ernstfall über entsprechende Notfallversorgungsmöglichkeiten verfügt.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. September 2011

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Eine Ikone der Umweltmedizin zu Besuch in Deutschland

Beweise für die Ursachen von Umweltkrankheiten sind schon lange bekannt

Die Ärztin und Wissenschaftlerin Doris Rapp gehört zu denen, die Umweltmedizin nicht nur praktizieren, sondern für die die Umweltmedizin der wichtigste Lebensinhalt ist. Zwei Wochen weilt die Amerikanerin in Deutschland. Das erneute Zusammentreffen mit der Umweltmedizinerin war äußerst produktiv, und nahezu nebenbei durften wir einen wunderschönen Tag an der Mosel verbringen. Ein kleiner Bericht darüber:

Wissenschaftlerin dokumentiert Umweltkrankheiten

Vor rund 18 Jahren traf ich Prof. Rapp zum ersten Mal auf einem Kongress in Bad Emstal. Es war ein Schlüsselerlebnis gewesen. Bei ihrem Vortrag zeigte die Umweltmedizinerin ein Video über eine Lehrerin, die durch schadstoffbelasteten Teppichboden in der Schule krank wurde. Die Lehrerin wurde während einer Reaktion auf Staub aus dem belasteten Teppichboden gefilmt. Sehr anschaulich wurde dem Betrachter vermittelt, was MCS ist, und wie eine Reaktion abläuft. Ich stand damals ganz am Anfang meiner Erkrankung und hatte ähnliche Reaktionen auf bestimmte Pestizide. Die Lehrerin bekam Schüttelkrämpfe und wurde bewusstlos, ich dachte „meine Güte, das bin ich, das ist wie bei mir, das ist, was du auch hast…“. Nach dem Vortrag sprach ich damals mit Prof. Rapp und es wurde der Beginn eines fortwährenden Austauschs und einer interessanten Freundschaft. Wir trafen uns immer wieder auf Kongressen in Deutschland, Holland, in den USA, besuchten uns gegenseitig in Deutschland und den USA und tauschten uns per E-Mail aus. Als ich sie in Scottsdale besuchte, zeigte sie mir eines ihrer Videoarchive. Tausende Videos von Kindern, die sie behandelt hatte, lagerten dort. Sie zeigten die Patienten während und nach der Therapie und bei Tests auf Nahrungsmittel, Schimmelpilzen, Pollen, Chemikalien oder Hausstaubmilben. Eindrucksvolle Beweise, die keine Zweifel an der Existenz von Umweltkrankheiten und Allergien aufkommen lassen.

Umweltkrankheiten nicht mehr ignorierbar

Für diesen Besuch war die Umweltmedizinerin von Dr. Binz und seiner Frau eingeladen worden. Eigentlich hatten wir uns für einen Ausflug entlang der Mosel verabredet, der vor dem Mittagessen losgehen sollte. Das Wiedersehen war herzlich und kaum hatten wir uns begrüßt, schon tauschten wir bereits Informationen aus und ehe wir uns versahen, waren wir mitten in Planungen für künftige Projekte.

„Ich bin jetzt über 80 und habe keine Kinder, eigentlich brauche ich all das nicht mehr und sollte mein Alter ganz in Ruhe genießen, aber ich sehe, was los ist, und kann einfach nicht schweigen. Wir haben so viele Chemikalien in unserer Umwelt, in der Nahrung, die wir essen, im Wasser, das wir trinken und in der Luft, die wir ständig einatmen. Sie beeinflussen jedes unserer Körpersysteme und das ist nicht mehr zu ignorieren. Fast jeder Zweite in meinem Land hat Krebs, das ist nicht hinnehmbar, “ sagte Doris Rapp.

„Die Politiker und die Öffentlichkeit muss realisieren, welchen Einfluss die Flut der Chemikalien auf uns hat und keiner sollte noch länger sagen, dass wir nicht wissen, woher all die Krankheiten kommen, die immer gehäufter auftreten. Die Beweise sind da. Wir haben Tierversuche, die sie belegen. Deshalb stelle ich als Medizinerin die Frage: „Wie viel muss noch passieren, bis wir die wahren Ursachen zugeben? Ich lasse es auch nicht durchgehen, dass man sagt: „Ja, aber da kann man nichts dagegen tun.“ Doch, denn man kann sich selbst schlau machen und man kann, zur Hölle nochmal, eine ganze Menge tun, “ sagte die über die derzeitige Situation erzürnte Wissenschaftlerin.

Lösungen sind oft sehr einfach

Doch Prof. Rapp ist niemand, der mit der Welt hadert und Lösungen außen vor lässt. Sie ist gerade dabei, ein weiteres Buch zu schreiben. „Es wird ein kleines Buch sein, nur 30 Seiten. Jeder Leser bekommt leicht verständlich aufgezeigt, wie man sein Umfeld gestalten sollte, um gesund zu bleiben. Die Tipps in diesem Buch werden niemanden ein Vermögen kosten, sie sind leicht und ohne großen finanziellen Aufwand umsetzbar. Es wird jedem helfen, der etwas ändern will und möchte, dass sein Gesundheitszustand sich verbessert. Die Medizinerin führt zwei Beispiele an:

„Viele reagieren auf Nahrungsmittel, manche wissen aber nicht auf welche. Teure Tests sind nicht unbedingt nötig. Ich rate, dass die Leute nachdenken, was sie am allerliebsten essen. Nahrungsmittel, auf die sie regelrecht süchtig sind. Erfahrungsgemäß sind das nämlich Nahrungsmittel, die sie jeden Tag essen und auf die sie reagieren. Die Lösung: Weglassen der verdächtigen Nahrungsmittel für eine Woche. Man kann ein Nahrungsmittel nach dem anderen so einem Verträglichkeitstest unterziehen. Das kostet nichts!“

„Manche Menschen wohnen in einem Haus, das mit Schadstoffen belastet ist oder durch Schimmel kontaminiert. Meine Erfahrung ist, dass fünf von sieben Leuten eine Verbesserung ihres Gesundheitszustandes um 70% erfahren, wenn sie sich einen qualitativ hochwertigen Luftreiniger beschaffen, der in der Lage ist mehrere Hundert Chemikalien aus der Wohnraumluft zu filtern. Ein solches Gerät kostet zwar etwas, aber ich habe nicht selten Patienten gesehen, denen es schon über Nacht besser ging. Es lohnt sich also, sich einen Luftfilter anzuschaffen, wenn man nicht direkt aus der Wohnung ausziehen kann.“

Das neue Buch wird noch in diesem Jahr erscheinen und Prof. Rapp hat mir die Autorisierung erteilt, es ins Deutsche zu übersetzen. Auch für ihre Videos und anderen Bücher gab sie die Genehmigung, diese in unsere Sprache zu übertragen, es beizutragen, dass Allergiker und Chemikaliensensible im deutschsprachigen Raum Wissen und Anleitungen zur Hand bekommen, die ihnen helfen, einen Weg zurück ins Leben zu erhalten.

Ein Ausflug entlang der Mosel

Auf der Fahrt zum historischen Moselweinort Bernkastel, nach Traben-Trabach und zurück nach Trier, sprühte Prof. Rapp vor innovativen Ideen, die wir in den nächsten Monaten realisieren werden und die auch den deutschen Umweltkranken in vielerlei Hinsicht zugutekommen werden.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. September 2011

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Elektromagnetische Hypersensitivität und Multiple Chemical Sensitivity: Zwei Seiten derselben Medaille?

In mehreren Ländern sind EHS, MCS und Fibromyalgie mittlerweile als funktionale Behinderungen anerkannt

Etliche Fachleute aus verschiedenen europäischen Ländern stimmen zu, dass es sich bei elektromagnetischer Hypersensitivität um eine reale, körperliche Erkrankung handelt, und für einige scheinen diese Beschwerden direkt etwas mit Multiple Chemical Sensitivity (MCS) zu tun zu haben. Dies ist das Resultat des Kongresses „Mobilfunk, Wi-Fi, Wi-Max: Gibt es Gesundheitsrisiken?“, der am 14. Juni 2011 im Palazzo Marini, der Abgeordnetenkammer in Rom, abgehalten wurde. Diese Veranstaltung, die von A.M.I.C.A., der Vereinigung für umweltbedingte und chronisch toxische Verletzungen organisiert wurde, sollte über die Gesundheitsgefahren einen Überblick verschaffen, welche mit dem Gebrauch kabelloser Geräte verbunden sind.

Onkologe Prof. Dominique Belpomme, Professor am Universitätsklinik-Zentrum „Necker-Enfants Malades“ (Kinderklinik), Präsident von ARTAC (Anti-Krebstherapie-Forschung) präsentierte in seinem Vortrag „Diagnostische und therapeutische Protokolle zur Unverträglichkeit elektromagnetischer Felder“ die Ergebnisse einer klinischen Untersuchung von mehr als 450 Patienten, welche von 2008 bis 2011 in diese einbezogen wurden. Er und sein Team benutzten eine neue Technik für die Diagnostik von Menschen, die über gesundheitliche Reaktionen auf elektromagnetische Felder berichten, eine Erkrankung, die er vorzugsweise als „Intoleranz Elektromagnetischer Felder“ oder „EFI Syndrom“ und weniger als „Elektromagnetische Hypersensitivität“ definiert.

Bei der neuen Technik handelt es sich um den „Gepulsten Echo-Doppler“, eine gepulste Doppler-Echokardiographie des Gehirnes, welche den Echodoppler mit einer Computerauswertung kombiniert, um die Hirndurchblutung zu bestimmen. Anders als andere Methoden ist diese nicht gefährlich und es kommt dabei keine ionisierende Strahlung (Radioaktivität) zum Einsatz. Die Ergebnisse zeigen, dass bei Menschen mit Elektromagnetische Felder Intoleranz das Gehirn schlechter durchblutet ist als bei der Kontrollgruppe, insbesondere der linke Teil des limbischen Bereiches des Gehirnes. Dies ist ein ganz besonderer Bereich, denn es ist der „archaische“ Teil des Gehirnes, der viele Körperfunktionen kontrolliert.

„Diese Ergebnisse sind sehr bedeutend“, sagte Belpomme auf dem Kongress, „denn zum ersten Mal können wir mit objektiven Tests Elektromagnetische Felder Intoleranz als körperliche Erkrankung belegen.“

Sein Team hat weitere Testmethoden angewendet, wie etwa die Konzentration von Histamin, Protein S100B und Hitzeschock-Proteine Hsp70 und Hsp27 im Blut. Bei rund 70 Prozent der untersuchten Patientengruppe lag ein ernsthafter Vitamin D Mangel vor, bei etwa 1 bis 2 Prozent der Patienten waren die Proteine Hsp27 und Hsp70 erhöht, während mehr als 40% der Stichprobe einen erhöhten Histaminspiegel hatten, ein Sachverhalt, der sich vollständig mit der Interpretation dieses Syndroms als körperliche Erkrankung deckt.

Bei ungefähr 10 Prozent der Patienten war Protein S100B erhöht, ein Marker für die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke (BHS). Bei einem Drittel der Stichprobe wurde eine Reduktion von Melatonin im Urin festgestellt und dies kann bei diesen Patienten eine Erklärung für Symptome wie Müdigkeit, Schlaflosigkeit und Depressionen sein.

Diese Veränderungen ähneln denen, die man bei Patienten mit Multiple Chemical Sensitivity (MCS) (PDF) findet sehr, besonders hinsichtlich der Reduktion der Hirndurchblutung, der neurogenen Entzündungen, der Zunahme des oxidativen Stresses und der Schwächung der Abwehrkräfte. Die Tatsache, dass elektromagnetische Felder (EMF) eine Öffnung der Blut-Hirn-Schranke zur Folge haben, könnte mit dem Schutz des Hirnes vor toxischen Chemikalien ungünstig zusammenwirken. Es ist in der Tat nicht ungewöhnlich, dass Patienten mit dem EFI Syndrom MCS-Symptome haben, während Erkrankte mit MCS auch auf EMF reagieren.

Die Erhöhung des oxidativen Stresses bei elektrosensitiven Patienten wurde auch von Dr. Valeria Pacifico festgestellt, die in Rom über „Metabolische Biomarker für unausgeglichene Oxidationsreduktion und der Anfälligkeit gegenüber nicht ionisierender Strahlung“ referierte. Sie arbeitet im Team von Dr. Chiara De Luca im Versuchslabor BILARA am dermatologischen Institut von Immaculata in Rom, das zahlreiche Arbeiten über die Rolle des oxidativen Stresses bei Umwelt-Sensitivitäten veröffentlicht hat. (1, 2)

„Um eine Diagnose für dieses Syndrom zu stellen, müssen wir zuerst den Patienten zuhören und überprüfen, ob die Symptome besser werden oder verschwinden, wenn sie sich von EMF-Quellen fern halten“, erklärte Prof. Belpomme. Um nachzuweisen, ob die elektromagnetischen Felder die wirkliche Ursache für die bei diesen Patienten festgestellten Veränderungen sind, mussten die Patienten die Untersuchungen drei Monate vor und drei Monate nach einem Zeitraum wiederholen, in welchem sie EMF mieden. Die Ergebnisse zeigten, dass sich nach der Zeit der Vermeidung die Werte dem Normalen annäherten.

Aufgrund der starken Korrelation zwischen EMF Exposition und Alzheimer Erkrankung, welche sechs epidemiologische Studien belegten, geht Belpomme davon aus, dass jeder elektrosensitive Patient mit Gedächtnisstörungen auch auf Alzheimer untersucht werden sollte. Er weist darauf hin, dass es sich bei Alzheimer um den Verlust des Langzeitgedächtnisses handelt, während das EFI Syndrom oft zum Verlust des Kurzzeitgedächtnisses führt, doch dieses Symptom könnte als Vorläufer der Alzheimer Erkrankung angesehen werden.

Prof. Olle Johansson, assoziierter Professor der experimentellen dermatologischen Einheit der Abteilung für Neurowissenschaften am Karolinska Institut und Professor am königlichen Institut für Technologie in Stockholm referierte in Rom über „Das Vorsorgeprinzip: Von der Bioinitiative zum Seletun Konsens„. Er widmete seinen Vortrag den Menschen die von EHS und MCS betroffen sind, weil „diese ein sehr schweres Leben haben“.

Er ist einer der engagiertesten Wissenschaftler, welche sich für neue Biologie gestützte Sicherheitsrichtlinien für EMF einsetzen. 2006 war er anlässlich der ICEMS-Resolution in Benevento, danach 2007 in London für eine neue Resolution und er gehörte auch zu jener Gruppe unabhängiger Wissenschaftler, die 2007 den berühmten Bioinitiative Report veröffentlichte, dessen politische Agenda starke ökologische Bedenken enthielt. Aufgrund dieses Berichtes unterzeichnete das Europäische Parlament am 4. September 2008 tatsächlich eine Resolution, um zu bekunden, dass die aktuellen Sicherheitsbeschränkungen für EMF überholt sind und um die europäischen Regierungen vor der Zunahme neuer Umwelterkrankungen wie EHS, MCS und dem dentalen Amalgam Quecksilber Syndrom zu warnen.

Vor nicht allzu langer Zeit gehörte Prof. Johansson zu der Gruppe von Wissenschaftlern, die jenen Seletun Consensus vorbereiteten, der Februar 2011 in den Rezensionen von Environmental Health (3) veröffentlicht wurde. Er stellt fest, dass die derzeitigen Standards die Weltbevölkerung nicht vor elektromagnetischen Feldern schützen und dass alle EMF jetzt reduziert werden sollten, anstatt auf einen definitiven Beweis für die Gefahr zu warten. Er erklärt ebenfalls, dass Menschen, die EHS Symptome berichten, als von einer funktionellen Behinderung Betroffene angesehen werden sollten.

In Schweden sind z.B. EHS, MCS und Fibromyalgie längst als funktionelle Behinderungen klassifiziert. Dies bedeutet, dass von diesen Erkrankungen betroffene Menschen nicht als Patienten angesehen werden, sondern dass es die Umwelt ist, die sie behindert macht und dass folglich die Umwelt verändert werden muss. Eine derartige Klassifikation stellt die volle Umsetzung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dar, welche am 30. März 2007 von Regierungsvertretern unterzeichnet wurde. Diese Konvention sollte genügen, um alle Regierungen zu drängen, die richtigen Lösungen für Barrierefreiheit und die besten Sozialregelungen für Menschen mit umweltbedingten Sensitivitäten zu finden und die Diskriminierung zu beenden.

Autor: Francesca Romana Orlando, Journalistin und Vize-Präsidentin von A.M.I.C.A.

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Literatur:

  1. De Luca C. et al., Biological definition of multiple chemical sensitivity from redox state and cytokine profiling and not from polymorphisms of xenobiotic-metabolizing enzymes, Toxicology and Applied Pharmacology, YTAAP-11818; No. of pages: 8; 4C.
  2. De Luca C. et al., The Search for Reliable Biomarkers of Disease in Multiple Chemical Sensitivity and Other Environmental Intolerances, Int. J. Environ. Res. Public Health 2011, 8, 2770-2797; doi:10.3390/ijerph8072770
  3. Fragopoulou A ed al., Scientific panel on electromagnetic field health risks: consensus points, recommendations, and rationales, Rev Environ Health. 2010 Oct-Dec; 25(4):307-17.

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MCS Leitlinie für Krankenhäuser

Ministerium für Gesundheit schafft bessere Bedingungen für MCS Kranke in Kliniken

Das Ministerium für Gesundheit des australischen Bundesstaates Victoria hat eine Leitlinie für Krankenhäuser herausgegeben, indem beschrieben wird, welche speziellen medizinisch bedingten Bedürfnisse Patienten mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity haben und wie man mit dieser Patientengruppe Entgegenkommen erweisen sollte, damit ein Klinikaufenthalt positiv verläuft. Der Bedarf für eine solche Leitlinie ergab sich durch die wachsende Anzahl MCS Kranker in den einzelnen Gemeinden des Bundesstaates Victoria. Mehrere Selbsthilfegruppen und MCS Aktivisten hatten sich bemüht, dass Victoria die Leitlinien für den Umgang mit MCS Patienten in Krankenhäusern des Gesundheitsministeriums von Südaustralien übernimmt. Außer Australien gibt es bislang noch kein anderes Land, das über eine solche Leitlinie verfügt. Lediglich in den USA und Kanada gibt es vereinzelt Krankenhäuser, die spezielle Regelungen im Umgang mit Chemikaliensensiblen entwickelten, um auch dieser Patientengruppe medizinische Hilfe anbieten zu können. In Deutschland verfügt lediglich ein Hamburger Krankenhaus zwei speziell hergerichtete Umweltzimmer für Umweltkranke an und hat das Klinikpersonal auf dem Umgang mit den Umweltpatienten hin geschult.

MCS – eine schwächende Krankheit mit vielfältigen körperlichen Symptomen

Das Ministerium für Gesundheit von Victoria beschreibt Multiple Chemical Sensitivity (MCS) als eine schwächende Krankheit mit schwerer körperlicher Symptomatik, die durch Exposition gegenüber chemischen Stoffen eingeleitet wurde. Weil es bislang noch keine Diagnose-oder klinischen Leitlinien für MCS in Australien gibt, hält das Ministerium es für möglich, dass einige Patienten, die hypersensibel auf Chemikalien reagieren, ebenfalls an MCS leiden, ohne dass die Erkrankung je diagnostiziert wurde.

Krankenhausaufenthalt auf Bedürfnisse MCS Kranker anpassen

Eine normale Krankenhausumgebung ist für MCS Kranke sehr problematisch. Desinfektionsmittel, starke chemische Reinigungsmittel, parfümierte Waschmittel und Körperpflegeprodukte, Chemikalien in Nahrungsmitteln, sowie viele spezielle Krankenhauschemikalien erschweren eine medizinische Behandlung und einen Klinikaufenthalt. Patienten, die schwerer betroffen sind und bereits hypersensibel reagieren, hatten bislang keine Möglichkeit, sich in einem Krankenhaus behandeln zu lassen. Weil die Chemikalien, auf die MCS Kranke reagieren, von Fall zu Fall variieren, regt die Leitlinie an, individuelle Anpassungen vorzunehmen. Dadurch erhofft man sich von Behördenseite, dass zwangsläufig eintretende körperliche Reaktionen der Patienten in einem Krankenhaus verringert und der Gesundheitszustand besser stabilisiert werden kann, was auch der Erholung und dem Wohlbefinden der Kranken dienlich ist. Nicht zuletzt wird sich durch die angepassten Modalitäten der Zeitraum der Rekonvaleszenz nach einem operativen Eingriff reduzieren und mit dazu beitragen, dass medizinische Behandlungen erfolgreich verlaufen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. September 2011

Literatur:

State of Victoria, Department of Health, Multiple Chemical Sensitivity: A guide for Victorian hospitals, 26.08.2011

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Werbung: Bunt, lustig & gesundheitsgefährdend

Nicht jeder Verbraucher lässt sich täuschen

Werbung, schrill, laut, bunt, lustig, anregend, auffallend und vor allem zum Kauf muss sie locken. Was erlebt man nicht alles in der Welt der Werbung? Da werben Bonbonhersteller mit zusätzlichen Vitaminen, die völlig überflüssig sind. Joghurts sind plötzlich das Wundermittel gegen fast alle Krankheiten, Schokoriegel helfen Kindern den IQ zu steigern, Sprühmittelchen reinigen Sofas und Gardinen und Baustoffe, ja Baustoffe sind urplötzlich Bio und Öko, obwohl deren Inhaltsstoffe seit Jahrzehnten als gesundheits- und umweltschädlich bekannt sind. Als Fachmann/-frau eines entsprechenden Fachgebietes bekommt man oft schon Hautauschlag nur vom Betrachten der schrillen Werbeversprechen, als Verbraucher tappt man nicht selten in Utopiefallen, die man ohne nötiges Fachwissen schlicht nicht erkennt. Manche Werbung ist so manipulativ aufgebaut, dass sie tatsächlich in der Lage ist, jeglichen gesunden Menschenverstand auszuschalten.

Agenturen die sich Goldene Nasen verdienen mit Seifenblasen

Werbeagenturen verdienen sich eine goldene Nase mit dem verbreiten von Gerüchten, aber sie denken eher nicht daran, dass die Dinge, die sie verbreiten eine Gefahr für die Nutzer darstellen, die dauerhaft Schäden verursachen können. Ja sie können sogar mit ihrem, mit Halbwissen verblendenden Werbesprüchen gesunde Menschen zu dauerhaft ans Bett gefesselte Pflegefälle verwandeln. Nein, Sorgen machen sie sich deswegen wohl kaum, denn der Haftende in solchen Fällen ist nicht etwa die Werbeagentur, sondern der Hersteller des jeweiligen Produkts. Aber Ansprüche im Schadensfall durchzusetzen, ist für den Geschädigten oftmals eine Tortur sonders gleichen. Schlussendlich muss man bei der Vielzahl an schädlichen Stoffen, die uns umgeben erst einmal eindeutig belegen, dass das jeweilige Produkt an der Krankheit Schuld hat. Eine Tatsache, die den Werbeagenturen jegliche Türe öffnet. Plötzlich ist der mit Kunststoffen gefüllte, fertig angerührte Streichputz aus dem Plastikeimer, ein wohngesunder Ökobaustoff, wobei das einzig natürliche darin womöglich nur noch das zugefügte Wasser ist.

Mit Sprüchen um den Finger wickeln

Der diplomierte Marketingmensch hat sicher gelernt, wie er mit eleganten, lockeren, witzigen oder auch einfach nur netten Sprüchen Käufer für ein Produkt gewinnt. Eloquenz ist natürlich eine Grundvorrausetzung für einen solchen Beruf. Sicherlich hat er auch eine gewisse Schulbildung in der Chemie und Physik einmal Unterrichtsstoff waren, daher hat er auch einmal etwas von irgendwelchen Chemikalien gelernt. Grundwissen, wie Zucker ist süß, Zitronen sind sauer und vielleicht weiß er auch noch, dass das Saure der Zitrone gut zum Entfernen von Kalkflecken ist. Es gibt sogar Vertreter dieser Zunft, die irgendwann versuchten Architektur oder Bauingenieurswesen zu studieren, vielleicht auch abgeschlossen, vielleicht auch ein wenig Berufserfahrung, aber das macht diese Menschen noch lange nicht zu Fachleuten im Baustoffwesen. Es bleibt beim Halbwissen, die Fachsprache der Branche sprechen diese Leute deshalb noch lange nicht. Auch dann nicht, wenn sie in sozialen Netzwerken immer wieder mit angreifenden oder seltsamen Sprüchen auffallen, um irgendwie auch mal unter den echten Fachleuten ins Gespräch zu kommen und vielleicht von diesen einen Auftrag zu erhaschen.

Was bringt ein Werbemensch dem Hersteller?

Sicher, den ein oder anderen Kunden, wenn die Werbung ansprechend ist, den Nerv des gewünschten Kunden trifft. Solange das Produkt nicht fachlich blödsinnig beworben ist, wäre ja alles ok. Probleme tauchen auf, wenn selbst der Laie bemerkt, dass die lockenden Sprüche seltsam klingen oder mit all dem anderen, das man mitbekommen hat, so gar nicht zusammenpassen.

Man darf nicht vergessen:

in der heutigen Zeit hat der Kunde mithilfe der Informationen aus dem großen Lexikon Internet für beinahe jedes Produkt und Inhaltsstoff ganz schnell mehr Information. Falls er sich die Zeit nimmt nachzuschlagen. Mancher macht dies und publiziert seine neu gewonnene Erkenntnis selbst über die unterschiedlichen Netzwerke. Je nach Verbreitung kann dann der Schaden für den Hersteller erheblich sein.

Fallbeispiel I

Ein Mann hatte in seiner Wohnung Schimmel an einer Wand festgestellt. Ihm wurde im Baumarkt eine Anti-Schimmel-Grundierung empfohlen. Inhaltsstoffe waren u.a. 465g Chrom pro Liter Grundierung nach der Norm 2007 und Testbenzin. Schon beim Verstreichen ging es dem Mann extrem schlecht. Er versuchte die chemischen „Gerüche“ mit Essig zu neutralisieren, vergeblich. Wenige Minuten im kleinen Apartment reichten aus, um Schwindel, rasende Kopfschmerzen, Übelkeit, Atembeschwerden, etc. auszulösen. Er versuchte für ein paar Tage bei Freunden unterzukommen, weil er feststellte, dass sich sein Gesundheitszustand in der Wohnung drastisch verschlechterte. Während der Abwesenheit wurde die Wohnung gelüftet. Nach der Rückkehr bekam der Mann nach wenigen Minuten erneut Symptome. Auf Anraten eines Bauexperten wurde der ganze Putz heruntergeschlagen und die Wand mit alkalischem Kalkputz neu verputzt. Der Mann befolgte den fachmännischen Rat, er kann sich in seinem Apartment wieder aufhalten und hat keine Beschwerden mehr.

Werbeversprechen, auf Kosten der Gesundheit von Konsumenten

Ein praktisches Beispiel:

Spricht ein Marketingfachmann z.B. von Glaswolldämmstoffen und betont, dass die Verarbeitung seines Produktes – im Gegensatz zu allen anderen – ohne etwaige Schutzausrüstung machbar ist, so fällt er in Social Networks auf. Das „Oha“ des Betrachters wandelt sich dann unheimlich schnell in Misstrauen, wenn sich herausstellt, dass jeder Hersteller eines solchen Produktes in aller Deutlichkeit darauf hinweist, dass Handschuhe und Atemschutz unbedingt getragen werden sollten. Sind dann noch zig tausende Informationseinträge im Internet auffindbar, die schildern, dass Glaswolle im Verdacht steht Krebs zu erregen, fällt das Werbekartenhaus dramatisch zusammen. Aus einem bunten und lustigen Werbespot, der das Image des Herstellers oder Händlers hochpolieren soll, wird plötzlich ein Lügenspot, der schon fast als vorsätzliche Gesundheitsgefährdung durch Verbreitung unwahrer und gefährlicher Aussagen gewertet werden muss. Die Imagepolitur schlägt somit zur Imagedemontage um. Durch das humane Misstrauen wird dadurch nicht nur das Glaswolleprodukt angezweifelt, sondern gleich das gesamte Unternehmen, plötzlich wird jedes Produkt hinterfragt. Taucht nochmals ein oder mehrere Produkte auf, die fehlerhaft beworben werden, können durchaus existenzbedrohliche Zustände für das Unternehmen resultieren. Da bringt auch der allgegenwärtige Spruch „Auch schlechte Nachrichten sind Werbung“ gar nichts mehr. Sinkt das Unternehmen, schippert der Marketingmensch zum nächsten Kunden, dreht sich vielleicht noch einmal um, aber Reue wird er kaum empfinden. Ist ja nicht sein Produkt, sind nicht seine Angestellten, ist ihm schnurzpiepegal solange seine Rechnung bezahlt wird.

Fallbeispiel II

In eine Doppelhaushälfte klagte ein Bewohner über eine ständig verstopfte Nase, Hustenreiz, Schlafprobleme und Kopfschmerzen. Insbesondere bei Sturm konnte sich der Bewohner nicht in den oberen Stockwerken aufhalten. Bei einer Begehung des Wohn- und Dachbodenbereiches konnte ermittelt werden, dass der oberste Geschoßboden mit Glaswolle gedämmt wurde. Die Glaswolle wurde nicht verschlossen eingebaut und auch der Dachgeschoßboden wies mehrere Risse und Ritzen zum Wohnraum auf, wie z.B. Risse in der Trockenbaukonstruktion oder auch der Verbretterung der Holzbalkendecke. So blies der Wind durch das belüftete Dach über diese Öffnungen Fasern in den Wohnraum. Es wurde eine fachgerechte Dämmung/Sanierung des Daches empfohlen und ausgeführt. Anstelle der Glaswolle wurde mit Hanf gedämmt und alles zum Wohnraum hin dampfdicht verschlossen. Mittlerweile nutzt der Bewohner sogar das bis dahin unbetretene Dachgeschoß als Hobbyraum und hat keinerlei Beschwerden mehr in seinem Haus.

Die Gesundheit von Kunden ruiniert

Durch den Druck der Verbraucher und Verbraucherorganisationen wurde mehr Transparenz geschaffen. Das hat teils zu besseren Produkten geführt. Manche Produktgruppen wurden einem kompletten Wandel unterzogen. Es bedeutet nicht, dass nur noch gesunde Produkte auf dem Markt sind, davon sind wir weit entfernt. Hersteller und Großhändler sind sich im Klaren, dass ein Großteil der Kunden bewusster und kritischer bei der Auswahl der Produkte geworden sind. Diese Kunden fragen nach, vergleichen, analysieren. Diesem Kaufverhalten liegen Gesundheits- und Umweltbewusstsein zugrunde. Keineswegs handelt sich dabei ausschließlich um einen Trend, denn Konsumenten, die unter gesundheitlichen Problemen leiden, sind auf verlässliche Auskünfte von Fachpersonal angewiesen. Für manchen Allergiker oder für Chemikaliensensible kann eine bewusst oder unbewusst inkorrekt erteilte Antwort, eine Desaster für die Gesundheit bedeuten. Ein derart ge- und enttäuschter Kunde wird kein gutes Haar an dem Unternehmen lassen, dessen Mitarbeiter ihm eine Produktinformation gab, die ihm gesundheitlich erheblich schadete. Im Worst Case gründet eine so getäuschte Person eine Interessengemeinschaft oder eröffnet ein Twitter Account oder ein Facebook, um über den Schaden, der ihm entstanden ist zu berichten. In Social Networks wurde schon oft beobachtet, dass solche Accounts in Windeseile Tausende Anhänger zu verbuchen hatten. Das ist der gefürchtete SuperGau für ein Unternehmen, denn dieser Streisandeffekt lässt sich nicht mehr eindämmen.

Bauernschlaue scheitern, schlaue Unternehmen haben Zukunft

Ergo:

Mit Verbrauchertäuschung kann man zwar eine schnelle Mark machen, aber nicht viel mehr. Intelligente Unternehmen reagieren auf den Input und die Fragen von Verbrauchern konstruktiv. Sie unterlassen es, täuschende Werbeversprechen in die Welt zu setzen, weil sie bei kritischer Betrachtung wie eine Seifenblase zerplatzen. Sie gehen stattdessen mit dem Konsumenten in Dialog und nehmen dessen Kritik, Reklamationen oder Hinweise zum Anlass, bessere Produkte herzustellen oder um Produkte aus dem Sortiment zu nehmen, die gesundheitliche Schäden verursachen können. Das kann zwar zu vorübergehenden Umsatzeinbußen führen, weil Produkt x nicht mehr im Regal liegt, der Verbraucher wird das Unternehmen jedoch mit Treue belohnen und entsprechend positiv darüber kommunizieren.

Autoren:

Falls Ihr zusätzliche Infos habt, bitte fügt sie als Kommentare unten an. Sozial Netzwerken heißt auch gegenseitig informieren.

Literatur:

  1. Fachverband Mineralwollindustrie e.V., Deutscher Abbruchverband e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie , Gütegemeinschaft Mineralwolle e.V., Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., unter Mitarbeit der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft – BG BAU, Verwaltungs-Berufsgenossenschaft (VBG), IFA – Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, Umgang mit Mineralwolle-Dämmstoffen (Glaswolle, Steinwolle) Handlungsanleitung, Ausgabe 05/2010.

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Fukushima ist aus den Schlagzeilen der Medien fast völlig verschwunden, obwohl die Situation im havarierten Atomkraftwerk alles andere als sicher ist. Das Interesse zum Thema Radioaktivität ist ungebrochen. In den CSN Blogcharts landete der von Chris B. geschriebener Artikel „Radioaktivität – Die Macht der Fahrlässigkeit“ auf Platz 1.

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Für Statistik-Freaks:

Die CSN Webseite hatte im August 159.843 Besucher und 640.625 Seitenaufrufe.

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