Message an die Hersteller auf der Spielwarenmesse

Spielzeugbranche verpennt den Trend und produziert weiter schadstoffbelastet

Mit „Grünem Spielzeug“ werden Einkäufer nach Nürnberg zur Spielzeugmesse gelockt. Wo die DEKRA zum Auftakt der Spielwarenmesse noch von einem Ansatz des Wandels bei den Spielzeugherstellern sprach, sieht der BUND die Tendenz nicht so rosig. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte anlässlich der Internationalen Spielwarenmesse in Nürnberg, dass Kinder immer noch nicht ausreichend vor Schadstoffen in Spielzeug geschützt werden. Das Management in der Spielzeugbranche hätte eine Riesenchance, verschläft sie jedoch.

Wo bleiben innovative Spielzeughersteller, die schadstofffreies Spielzeug herstellen? Statt mit Sorgenfalten auf der Stirn in ihrem Messestand zu stehen, wären sie mit einem Marktauftritt in der Lage, ihre Auftragsbücher fett zu füllen und könnten mit einem Ethik-Bonus, nämlich einem guten Gewissen, von der Spielwarenbranche nach Hause fahren.

Verbraucher wollen schadstofffrei statt leerer „grüner“ Versprechen

Auf zunehmende Nachfragen der Verbraucher nach schadstofffreiem Spielzeug für ihre Kinder reagieren die Hersteller in der Spielzeugbranche statt mit giftfreien Produkten, mit „Grünem Spielzeug“, was nichts weiter als eine Worthülse darstellt. Wenn ein Produkt „fair gehandelt“, lokal oder „nachhaltig“ produziert wurde, ist das immer noch keine Garantie, dass Kinder ein schadstofffreies Spielzeug in Händen halten können.

Selbstverpflichtung statt „Grünes Mäntelchen“

Hubert Weiger, BUND-Vorsitzender äußerte dazu: „Statt angesichts der wiederholten Gift-Skandale, endlich Verantwortung zu übernehmen, steckt die Spielwarenindustrie den Kopf in den Sand. Schadstoffe sind bei der Spielwarenmesse in Nürnberg kein Thema. Stattdessen will sich die Branche ein grünes Mäntelchen umhängen und redet über „grünes Spielzeug“. Wenn Hersteller und Händler nicht ihre Glaubwürdigkeit verlieren wollen, müssen sie sich verpflichten, schadstofffreie Produkte herzustellen.“

Schadstoffe in Spielzeug – leider die Regel

Erst im vergangenen Oktober hatte die Stiftung Warentest hohe Schadstoffbelastungen in Spielwaren nachgewiesen. Gefunden wurden unter anderem krebserregende polyaromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) sowie fortpflanzungsschädigende Phthalat-Weichmacher. Konsequenzen würden bisher jedoch keine gezogen. Auch die neue Europäische Spielzeugrichtlinie, die im Juni in Kraft treten wird, schütze Kinder nur unzureichend. So gelten in Spielwaren PAK-Grenzwerte, die bis zu 1000-mal höher seien als die maximal zulässigen Konzentrationen in Autoreifen. Der BUND forderte Spielzeughersteller und –händler auf, über die mangelhaften Gesetze hinauszugehen und ausschließlich schadstofffreies Spielzeug herzustellen bzw. zu vertreiben. Doch bislang passt die Branche. Billig produzieren ist noch immer deren Maxime.

Krebsauslösendes Spielzeug

Der BUND fordert von Herstellern von Spielwaren und Babyartikeln in Deutschland, auf in der EU als „besonders besorgniserregend“ geltende Schadstoffe zu verzichten. Dazu zählten derzeit 38 Chemikalien, die in Spielzeug nicht grundsätzlich verboten seien, obwohl sie z. T. Krebs auslösen und die Fortpflanzung schädigen können. Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen gehen von über 350 Chemikalien aus, die die EU-Kriterien für „besonders besorgniserregende“ Stoffe erfüllen (sog. „S.I.N.-Liste„, „substitute it now“).

Schadstoffe in Kinderspielzeug zu packen ist perfide

Ist eine grundlegende Änderung in der Spielzeugbranche nur durch Gesetze möglich? Giftskandale hatte die Spielzeugbranche in den vergangen Jahren mehr als genug aufzuweisen. Wo andere Brachen bangen und sich reumütig zeigen, scheint in der Herstellerbrache für Spielwaren, das Gewissen nicht wirklich zu drücken. Zu abstrakt ist der Handel mit Spielzeug geworden. Spielzeugdiscounter mit Regalen voller Puppen, die achtlos in Gitterboxen liegen, scheinen die Produzenten nicht mehr an kleine Mädchen zu erinnern, die ihrer Puppe einen Namen geben und mit ihr alle Sorgen teilen. Bei der Ware Spielzeug wird um Cents gefeilscht, ohne solche Sentimentalitäten.

Sarah Häuser, BUND-Expertin für Chemikalien-Politik, bringt ihren Unmut treffend zum Ausdruck: „Die Europäische Gesetzgebung für Schadstoffe hinkt der Realität weit hinterher. Das ist besonders fatal, wenn es um die Kindergesundheit geht. Kinderkörper sind noch nicht so widerstandsfähig und reagieren besonders empfindlich. Dass die Schadstoffe in Teddys, Puppen und Spielbällen daher kommen, ist perfide.“

Wenn die Spielzeugbranche nicht reagiert, muss der Verbraucher reagieren

Bis entsprechende Gesetze ihre Gültigkeit erlangen, um Kinder restlos vor giftigem Kinderspielzeug zu beschützen, müssen Eltern ihre Macht als Verbraucher nutzen, um der Branche unmissverständlich klarzumachen, dass sie es nicht zulassen, dass ihre Kinder durch Spielzeug vergiftet werden. Eltern in den USA machen es vor, dort hat sich eine schlagkräftige Verbraucherorganisation mit Namen „Toxic Toys R Us“ gegründet. Mit progressiven Aktionen und informativer Aufklärung setzen unter diesem Namen ein Zusammenschluss verschiedene Umweltorganisationen, Anwälte, Mediziner, Eltern und Kinderschützer Maßstäbe, die Spielwarenherstellern nicht mehr den Handlungsfreiraum lassen, den sie all die letzten Jahrzehnte hatten und schamlos ausnutzten.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 2.Februar 2011

Literatur:

BUND, Gift in Kinderspielzeug kein Thema bei Spielwarenmesse, 2. Februar 2011

Weiterführende Informationen

Weitere CSN Artikel zur Problematik „Kinder sind zuvielen Schadstoffen ausgesetzt“:

Kommentar abgeben: