Archiv der Kategorie ‘Umweltkrankheiten‘

Occupy: Hier geht es um die Zukunft für diese jungen Leute!

David Suzuki auf der Occupy Montreal Demo
Manche, die sich für die Belange der Umwelt engagieren, erkennen in der nun weltweiten Occupy-Bewegung ein Engagement gegen die Ursache all der Probleme, mit denen sie sich schon länger befassen. Dementsprechend lag für Marc Coppola nichts näher als den Wissenschaftler, Radio-, Fernsehjournalisten und Umweltaktivisten David Suzuki zu interviewen, als dieser zu einer Occupy Demonstration nach Montreal kam.

David Suzuki und seine gleichnamige Stiftung sind durch die Aufsehen erregende „If YOU were Prime Minister Tour“ ein Begriff. 1997 reiste der Kanadier mit einem Wohnmobil durch sein Land. Es war keine Tour, um ein Buch vorzustellen, auch keine Publicity Tour, sondern eine Reise um mit den Menschen über die Zukunft des Landes, dessen zukünftige Generationen und die Umwelt zu sprechen. Für David Suzuki besteht zwischen den Politikern, also den gewählten Volksvertretern und den Menschen im Land, eine nicht hinnehmbare Kluft. Für die Kanadier war zu diesem Zeitpunkt Umwelt und Klimaerwärmung das wichtigste Thema überhaupt. Die Politiker handelten das brandheiße Thema ab wie eine Schaufensterdeko, schnell eine Kulisse hochgezogen, damit alle erfreut sind und rasch weiter zum nächsten Thema, immer in der Hoffnung, dass dieses „Umwelt-Ding“ schnell vorüber ist und man es ignorieren und sich wieder den Wünschen der Industrie zuwenden kann. David Suzuki steuerte gegen, indem er den Kanadiern eine Stimme gab und auf seiner Tour Menschen im ganzen Land vor laufender Videokamera zur Sprache bringen ließ, was sie von ihrem Premierminister erwarten und was dieser für das Land tun soll. Genau das passiert im Moment auch durch die Occupy Bewegung, Menschen in vielen Ländern ergreifen das Mikrophon und teilen z.B. über Lifestreams der Welt mit, was sie für wichtig halten und was sich ändern muss, damit alle eine bessere Zukunft erfahren können.

Interview Marc Coppola/David Suzuki:

Marc Coppola: Wir wundern uns ein wenig, was Sie hierher gebracht hat?

David Suzuki: Nun, Neugier, wie viele andere Leute hier auch. Große Frage für mich, ist das wirklich eine Bewegung? Ist das unser kleiner arabischer Augenblick, wenn die Leute sich erheben und sagen, wir müssen uns unser Land zurück nehmen, die Demokratie zurück holen, die wir nach meiner Ansicht im Moment gar nicht haben, aufhören der Agenda der Unternehmen zu dienen. Es sieht so aus, also ob einzig Geld bestimmt, welche Prioritäten wir derzeit haben. Und Geld, die Ökonomie ist sicher nur ein Mittel für etwas anderes. Die Ökonomie für sich selbst ist nichts. Wir benutzen die Ökonomie für etwas anderes. Möchten wir Gerechtigkeit, größere Teilhabe, wollen wir Umweltschutz, das sind die Dinge, die mich interessieren und wenn das Teil dieser Bewegung ist, dann ist das ein sehr aufregender Augenblick.

Coppola: Sehen Sie hier auch, wie die Medien sagen würden, radikalere Bewegungen, denken Sie das in jeder Bewegung…

Suzuki: Das weiß ich nicht, ich habe nicht alles mitbekommen, was hier los ist!

Coppola: Also z.B. wenn sie mal dort hinüber schauen, … ist das nicht die „V wie Vendetta“ Maske an der Queen’s Statue? Hier gibt es viele solche Sachen.

Suzuki: Ja nun, ich kann nichts dazu sagen, ich weiß nicht mal, was das überhaupt ist. Doch was mich so begeistert ist, alle diese jungen Leute hier zu sehen, denn hier geht es um die Zukunft für diese jungen Leute, und diese hat man jetzt für die Agenda der Unternehmen geopfert, und es freut mich, Menschen zu sehen die sagen, wir werden uns das zurück holen! Nehmen wir uns das Land zurück!

Coppola: … was meinen Sie genau mit „uns das Land zurück holen“?

Suzuki: Ich meine, es ist ihre Zukunft, es ist ihr Alles und ich denke sie sind dabei, an ihre Eltern und Großeltern Forderungen zu stellen. Sie sagen, seht, ja seht, wohin Ihr uns gebracht habt. Wie wäre es nun einmal Bilanz zu ziehen und wie wäre es, an uns zu denken und wie es weiter geht. Denn wir sind uns sicher, wir sind nicht auf einem sehr guten Weg.

Coppola: Und in den USA gibt es, ich denke an die Wall Street, eine Art symbolischen Brennpunkt, denken Sie, dass wir in Kanada ebenfalls einen Brennpunkt wie die Wall Street haben?

Suzuki: Nun, ich vermute, in Toronto wäre es die Bay Street, ich weiß nicht, wo es in Montreal ist. Doch ich denke, es wird überall im ganzen Land um das Gleiche gehen. Und das ist folgendes, wir werden zurzeit von etwas regiert, bei dem es sich um die Bedürfnisse der Firmen zu handeln scheint. Die Firmen kommen vor der Öffentlichkeit, und das ist einfach nicht tolerierbar. Das kann nicht weitergehen! Wozu sind Firmen da? Sie existieren wirklich nur aus einem Grund und nur aus diesen! Sie können Dinge tun, die wir brauchen, die wirklich nützlich sind. Doch der einzige Grund, warum sie existieren, ist Geld zu machen und je schneller sie Geld machen, umso besser ist es. Und das ist nicht gerade eine akzeptable Art, die Welt an Laufen zu halten! Was ist mit den Menschen? Was ist mit der Zukunft und den Jobs für junge Leute? Wo sind die Möglichkeiten für die jungen Leute? Das ist mit absoluter Sicherheit wichtiger als der Wunsch, einfach nur Geld zu machen.

Coppola: Ich habe ja neulich mit dem Präsidenten der Studentenvereinigung der Universität Toronto, vor ein paar Monaten, gesprochen und der hat mir erklärt, es gibt dort eine Menge Firmen, die Zeit und Geld aufwenden, um neue Rekrutierungs-Stützpunkte und ähnliches aufzubauen, im Prinzip, um zu versuchen, Studenten für die Arbeit in den Firmen zu interessieren.

Suzuki: Aber natürlich, das ist es, wozu Universitäten geworden sind. Universitäten sehen sich selbst als Produktionsstätten für Leute, die raus gehen und die Ökonomie unterstützen, die für die Firmen arbeiten. Universitäten, das waren einst Orte wo Leute hin gingen, um Ideen zu erforschen, das Äußerste, was der menschliche Geist denken kann, sehr radikale Orte, sehr erschreckend für die Gesellschaft. Doch das war das Spannende. Was machen wir nun? Wir laden Firmen ein, wir wollten, dass Firmen Teil von dem sind, was unsere Wissenschaftler und Akademiker alle tun. Das ist glaube ich ein großer Ausverkauf. Warum sollten Universitäten also nicht denken, dass sie Studenten produzieren, die hinaus gehen und der Agenda der Firmen dienen.

Coppola: Denken Sie, die Firmen bringen dieses hoch kompetitive Modell aus der Unternehmenswelt an die Universität, in das Leben der Studenten?

Suzuki: Ich weiß es nicht, wissen Sie, was die machen? – Doch ich sehe auf meinem Gebiet der Genetik, wie die Medizin-Industrie anfängt, die Regie zu übernehmen. Was eine Community war, die frei kommunizierte und Ideen austauschte, ist sehr geheimniskrämerisch geworden, da ja die Möglichkeit bestehen könnte, diese Ideen zu patentieren, und das ist für mich keine freie offene Institution mehr.

Coppola: Noch irgendeinen Gedanken zum Abschluss… ?

Suzuki: Das ist aber ein sehr langes Interview!

Coppola [zu den Anwesenden]: OK, noch was, haben Sie irgendeine Frage?

Anwesender: Gibt es irgendeinen Vorschlag, den Sie für die Zuhörer haben, für die Leute die dies sehen, die Leute, die dies gleich hören werden? Keine Vorschläge, die Sie für die jungen Leute haben, konkrete Vorschläge, die die Leute umsetzen können, damit die Leute aktiv werden können?

Suzuki: Neijein – ja! Ich denke, dass sie ihren Körper bewegen müssen, dabei bleiben und fordern, dass wir mehr Demokratie brauchen. Und was die jungen Leute betrifft, lasst Euch nicht von den Wahlen irre machen. Sie scheren sich nicht um die Wahlen, weil sie wissen, die Agenda, welche sie von all diesen Politikern hören, hat nichts mit ihnen zu tun, es geht um die Agenda der Firmen. Deshalb müssen sie alle hierher zurückkommen und die Demokratie zurückfordern und das heißt, sie müssen ihren Körper aus dem Haus bekommen und sie müssen anfangen zu wählen und in dem Prozess aktiv werden. Derzeit haben wir keine Demokratie. Sie müssen sie zurück holen. Sie müssen diese obszöne Differenz zur Sprache bringen… wo ein Prozent der Bevölkerung, die absahnen, die riesig viel Geld verdienen, Steuern und jegliche Art von Verantwortung für die Schaffung von Jobs vermeiden wollen. Um diese Prioritäten muss es wieder gehen, sonst ist es nicht akzeptabel!

© Marc Coppola 2011

Danke an Marc, dass wir dieses Interview übersetzen und publizieren durften.

Marc Coppola hat dieses Interview am 15.10.2011 mit David Suzuki in Montreal geführt und u.a. auf seiner Seite „Why? Simply Because“ veröffentlicht. Es ist auch über YouTube abrufbar.

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Die gestellten Fragen konnten aufgrund technischer Probleme leider nicht immer im genauen Wortlaut transkribiert und übersetzt werden.

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Wunderheilung hält Einzug in die deutsche Umweltmedizin


Kirchenvertreter senden Notfallseelsorger zu umstrittenen „Geistheilungstagen und Gesundheitskongress“ in Alsfeld

Seit Monaten werden die „Geistheilungstage“ in Alsfeld vom Veranstalter Earth Oasis intensiv beworben. 5.000 Kranke, die sich Heilung erhoffen, werden erwartet. Mittelpunkt der „Geistheilungstage“ ist der brasilianische Wunderheiler Joao de Deus. Ein „Gesundheitskongress“ ist ein weiterer Teil des Programms. Einige deutsche Umweltmediziner sind als Referenten geladen und laut Ankündigung wollten sie bereits im Vorfeld der „Geistheilungstage“ für ein neues Verständnis von Gesundheit eintreten. Vertreter der katholischen und evangelischen Kirche schlagen Alarm. Die Kirchen arrangierten vorab einen Infoabend und, wie das HR Fernsehen berichtet, entsenden sie auch Notfallseelsorger für den Zeitraum der Veranstaltung.

21. Jhr.: 5.000 Kranke pilgern in weißen Gewändern zum Wunderheiler

Zu den „Geistheilungstagen“ und dem „Gesundheitskongress“ in Alsfeld werden Tausende von Menschen erwartet. Die Veranstaltung ist ausgebucht, es gäbe nur noch 80 Reservetickets, verkündete der Reise- und Seminarveranstalter Earth Oasis auf seiner Webseite. Für die Veranstaltung gibt es Regeln, an die sich die Besucher halten sollen. Eine der Regeln fordert, in weißer Kleidung zu erscheinen. Es stimme auf die „Heilungsarbeit“ ein und signalisiere innere Bereitschaft, dass man sich auf den tiefen inneren Prozess einlasse, daher die Bitte der „Wesenheiten“ für weiße Kleidung während der“Geistheilungstage“.

Es geht um Geld, viel Geld

In der Tageszeitung „Alsfelder Allgemeine“ äußerte sich Ralf Müller, Bildungsreferent des evangelischen Dekanats. Er bekundete gegenüber der Tageszeitung, dass er sich intensiv in die Literatur des Veranstalters Earth Oasis eingelesen habe und wissenschaftliche Untersuchungen zu den behaupteten Heilungen vermisse und fügte an:

„Da geschieht eine typische Legendenbildung. Es gehe vor allem ums Geschäft, bei 5.000 erwarteten Besuchern geht es um über 500.000 Euro Einnahmen.“

Weitere Kritiker geben zu erkennen, dass sich um den Wunderheiler herum eine regelrechte Infrastruktur aufgebaut hat, die mitverdient.

Auffällig ist, dass der Veranstalter Earth Oasis  bei dem vorherigen 4. Geistheilungskongress Joao de Deus wieder ausgeladen hatte. Dem brasilanischen Wunderheiler waren sexuelle Übergriffe auf Patientinnen vorgeworfen worden. Später versöhnte man sich wieder, und beim 5. Geistheilungskongress ist das Zugpferd Joao de Deus wieder dabei.

Umweltmediziner unterstützen Wunderheiler

Joao de Deus gibt vor, gemeinsam mit 30 „Geistdoktor-Entitäten“ schwere Erkrankungen heilen zu können, sogar Krebs und AIDS. Die Heilung besteht aus sogenannten sichtbaren und unsichtbaren Psycho-Operationen und Gebeten, bei denen der Wunderheiler in Trancezustände fällt.

Rund fünfzehn an der Veranstaltung referierende Ärzte und Umweltärzte unterzeichneten gemeinsam den „Alsfelder Appell“, eine Petition für ein neues Gesundheitssystem. Sie haben sich mit anderen in einer sogenannten „Open Mind Academy“ zusammengeschlossen. Wofür die „Open Mind Academy“ einsteht, kann man folgender Erklärung auf der Veranstaltungswebseite entnehmen:

ZITAT:

„Die Open Mind Academy versteht, dass jede Erkrankung ihre Ursachen und Heilungschancen in der Triade aus Körper, Psyche und Seele zu suchen hat. Solange z.B. der einzige Ausweg aus einer „ausweglosen Situation“ wie z.B. Trennung oder finanzielle Probleme im Tod zu finden ist oder z.B. ein Patient Vorteile durch seine Erkrankung genießt (sog. „Sekundärer Krankheitsgewinn“), wird die alleinige physische Therapie keinen vollständigen Erfolg bringen.

Geistheilung inklusive

Die in Alsfeld sprechenden Therapeuten binden den wohl bekanntesten und erfolgreichsten Heiler dieser Zeit, Joao de Deus, in ihr Therapiekonzept ein und wurden anlässlich eines Studienaufenthaltes in Brasilien von Joao de Deus zwei Tage besucht und über unterstützende Möglichkeiten auf der geistigen Ebene informiert. Wie schon in Wien im April 2011 hat Joao de Deus diese Gruppe nach Alsfeld eingeladen, um dort zu sprechen.“

„Geistheilung“ ist kein akzeptabler Ersatz für adäquate medizinische Behandlung

CSN hat zu Wunderheilern eine klare, eindeutige Position und lehnt jeglichen Versuch oder Maßnahmen, Umweltkranke in den Bann von Wunderheilern, Sekten oder Esoterikgruppen zu ziehen, kategorisch ab.

Umwelterkrankte haben wie andere Kranke ein Recht auf seriöse, adäquate medizinische Behandlung. Wundersame Versprechungen, Geistheilungen, esoterische Gerätschaften, Energiearbeit, etc. sind kein geeigneter Ersatz. Sie können, je nachdem an wen der Kranke gerät, eine Vielzahl von Problemen, Abhängigkeiten sowie schwere physische und psychische Schäden verursachen und enden allzu oft in einem finanziellen Desaster und sogar mit dem Tod: Heilung in den Tropen kostete das Leben

Folgender Flyer: VORSICHT SEKTEN (pdf, Druckqualität) umfasst eine Checkliste, mit der jeder in der Lage ist, Angebote und Versprechungen besser zu beurteilen. Ein einziger Punkt mit „Ja“ beantwortet, bedeutet, dass man sehr wachsam sein muss. Mehrere Punkte mit „Ja“ beantwortet, sollten zu grösster Vorsicht bewegen und dazu, auf jeden Fall Abstand von der Gruppierung zu nehmen. Der Flyer unterliegt keinem Copyright und die Druckvorlage darf zum Vervielfältigen genutzt werden.

CSN will niemandem davon abhalten, Heilung zu finden, wirkliche Heilung. Aufgrund der negativen Erfahrungen zahlreicher Umwelterkrankter und vieler anderer Menschen bittet CSN jeden, sich umfangreich zu informieren, bevor er sich auf Wunderheiler, Gruppierungen, Kulte, Esoterikgruppen und ähnliches einlässt, sowie deren die Angebote und Versprechungen sehr, sehr kritisch zu hinterfragen.

Autor: CSN – Chemical Sensitivity Network, 11.11.2011

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Web Tipps:

Buchtipps:

(Laut Sektenexperte sind dies die besten Bücher für Betroffene, leider nur noch antiquarisch erhältlich)

Kinder auf dem Land bekommen doppelte Ladung Pestizide ab

Kinder in ländlichen Regionen erhalten eine „doppelten Dosis“ des Pestizids Chlorpyrifos aus der Nahrung und durch die Drift von benachbarten Feldern

Während Schüler im ganzen Land beginnen, sich im neuen Schuljahr zurechtzufinden, fordern Mediziner und Angehörige aus Gesundheitsberufen von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA das Verbot des neurotoxischen Pestizids Chlorpyrifos. Das Pestizid wird in den USA und auch in Deutschland flächendeckend im Agrarbereich eingesetzt. Im häuslichen Bereich ist das Pestizid in den USA seit rund zehn Jahren verboten. (Anm. d. Übersetzers: In Deutschland gibt es keine Reglementierung.)

Über zwei Dutzend Angehörige aus Gesundheitsberufen schickten am 6. Oktober 2011 der EPA einen Brief mit den neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, in denen die gesundheitlichen Auswirkungen von Chlorpyrifos, darunter Verringerung des IQs und erhöhtes Risiko für ADHS und Lernstörungen bei Kindern, aufgeführt werden.

„Die EPA sollte die Wissenschaft zur Kenntnis nehmen und dieses Gehirngift vollständig vom Markt nehmen“, sagte Dr. David Carpenter, MD, Direktor des Instituts für Gesundheit & Umwelt, University Albany. „Chlorpyrifos ist eine ernsthafte Bedrohung für die Gesundheit von Kindern und gehört nicht in unsere Häuser, auf unsere Bauernhöfe, oder auf unsere Cafeteria-Tabletts.“

Die jüngsten Studien zeigen, dass Exposition gegenüber Chlorpyrifos im Mutterleib und in der frühen Kindheit, sowie während der kritischen Entwicklungs- „Fenster“, sich dauerhaft auf das Gehirn auswirken kann. Die Forscher sagen aktuell, dass rund 25% aller US-Kinder einige IQs Punkte niedriger liegen als normal, wegen des Verzehrs von Lebensmitteln, das mit Chlorpyrifos und ähnlichen Pestiziden behandelt wurde.

„Obst und Gemüse sind wichtig für die Gesundheit von Kindern, aber es sollte nicht mit Chlorpyrifos angebaut werden“, sagte Ted Schettler, MD, MPH, wissenschaftlicher Direktor des Science and Environmental Health Network, einer der Unterzeichner des Briefes an die EPA. „Kinder in ländlichen Gemeinden bekommen eine doppelte Dosis des Gehirngiftes ab. Sie sind Chlorpyrifos durch benachbarte Feldern ausgesetzt, und wieder, wenn das Pestizid auf ihrem Essen ist. “

In den USA wurde der Einsatz von Chlorpyrifos in Häusern vor über zehn Jahren wegen seiner möglichen Schädlichkeit für Kinder verboten. Aber über zehn Millionen Pound Chlorpyrifos werden immer noch auf landwirtschaftlichen Feldern jedes Jahr benutzt. Air Monitoring, Human Biomonitoring und Vergiftungsdaten bestätigen die umfangreiche Exposition der Menschen gegenüber Chlorpyrifos aufgrund der weiteren Verwendung in der Landwirtschaft. Nach Angaben der Centers for Disease Control trägt die überwiegende Mehrheit von uns Abbauprodukte des chemischen Stoffs in unserem Körper – darunter auch Kinder.

Kinder, die in landwirtschaftlichen Regionen leben, sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt. Neben der Exposition aus der Nahrung, atmen sie auch Partikel ein, die durch Abdrift von nahe gelegenen Bauernhöfen in ihre Klassenzimmern und Häuser gelangen. Bauernkinder sind Chlorpyrifos in noch größerem Umfang ausgesetzt, weil ihre Eltern manchmal Rückstände von Schädlingsbekämpfungsmitteln am Ende des Tages nach Hause bringen, die an ihrer Kleidung und ihren Schuhen haften.

„Chlorpyrifos-Drift ist eine ernsthafte Bedrohungen für Gemeinden wie meine“, sagte Luis Medellin von der lokalen Organisation „El Quinto Sol de America“. Luis wuchs im kalifornischen San Joaquin Valley auf, in Häusern die direkt neben Bauernhöfen lagen, die Chlorpyrifos benutzten. „Die zugrundeliegende Realität zeigen, dass dieses Gehirngift nicht risikolos genutzt werden kann und deshalb auf den Feldern nicht verwendet werden sollte.“

Im Alter von 17 Jahren begann Luis mittels des „Drift-Catchers“ von PAN, dem Pestizid Aktions-Netzwerks, die chemische Drift aus den benachbarten Zitrus-Plantagen zu erfassen. Es wurde festgestellt, dass die Mehrzahl der Proben Chlorpyrifos enthielt. Anwohner sammelten ebenfalls ihren Urin, um ihn auf Chlorpyrifos zu testen und alle, außer einem, hatten Werte, die über dem lagen, was EPA für „akzeptabel“ hält.

In ihrem Brief an EPA fordern die Gesundheitsexperten, dass die EPA alle Verwendungen von Chlorpyrifos verbietet. In ihrem Schreiben steht:

„Wir fordern die EPA auf jetzt zu handeln aufgrund der Evidenz der wissenschaftlichen Beweise, dass Chlorpyrifos der Gesundheit von Kindern und Föten schadet. Es ist an der Zeit, dass die EPA Maßnahmen ergreift, um die öffentliche Gesundheit zu schützen und für ein gesundes Erbe für unsere Kinder und für zukünftige Generationen sorgt. Wir appellieren an die EPA, um alle Anwendungen des Pestizids Chlorpyrifos zu stoppen.

Andere Briefe mit einer ähnlichen Betreff wurden der EPA von Gesundheits- und Umweltorganisationen aus ganz Amerika übersandt, darunter eine Petition, die von mehr als 6.000 besorgten Bürgern aus dem ganzen Land unterzeichnet war.

Autor: PAN, Toxic Brain Chemical Must Be Banned: Health Professionals Demand EPA Take Action, October 5, 2011

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

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Familie krank, Tochter tot, durch Schimmel?

Neues Haus wurde zum Alptraum durch Schimmelbelastung

Ein kleiner Ort am Rande des Hochwaldes. Der Ort ist hoch gelegen und für saubere Luft bekannt. Eine fünfköpfige Familie hatte 2005 ein neues Haus dort bezogen und sich wohlgefühlt. Nach und nach wurden alle krank. Die Tochter starb mit 18 Jahren Anfang 2011. Es stellte sich heraus, dass das Wohnhaus hoch mit Schimmelpilzen belastet ist. Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob sie die Ursache für den Tod der jungen Frau sind.

Das Haus der Familie aus Herborn bei Idar-Oberstein muss noch über Jahre abbezahlt werden. Wohnen kann die Familie nicht mehr darin. Es besteht Lebensgefahr. Gutachten hatten sofortigen Auszug und Sanierung empfohlen.

Ein Ort hält zu erkrankter Familie

Der Gemeinderat, der Bürgermeister, Nachbarn und Familien aus dem kleinen Ort gründeten einen „Freundeskreis“ und starteten zusammen mit dem Förderverein Lützelsoon „Hilfe für Kinder in Not“ einen Spendenaufruf, um der in Not geratenen Familie zu helfen. In das Haus kann die Familie nicht mehr zurück, was ein vorgerichtliches Gutachten bestätigte. Sofortiger Auszug sei angeraten. Durch die Mithilfe des Fördervereins kam die Familie in einer Ferienwohnung unter. Die Kosten dafür kann die Familie laut Bericht aus der Nahezeitung nicht aufbringen, weil sie das Schimmelpilz-belastete Haus weiter abzahlen muss.

Hilferuf:

Wer die Not befindliche Herborner Familie unterstützen möchte, kann eine Spende an den Förderverein Lützelsoon – Kinder in Not und deren Familien e.V., KSK Birkenfeld, Kennwort „Julia“, Kontonummer 420 700, Bankleitzahl 562 500 30 richten.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 28.10.2011

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Fukushima: Freisetzung von radioaktivem Xenon und Cäsium

Studie schätzt Freisetzung von radioaktivem Xenon-133 und Cäsium-137 im Fukushima ab

Das Open Access Journal „Atmospheric Chemistry and Physics“ veröffentlichte Oktober 2011 eine Studie welche versucht, die beim SuperGAU in Fukushima freigesetzte Menge an Radioaktivität für zwei Radionuklide rechnerisch zu bestimmen. Sie wurde als Diskussionspapier veröffentlicht, harrt also noch einer Prüfung (review) durch andere Wissenschaftler (peers), die nicht an ihr beteiligt waren.

Wir veröffentlichen das übersetzte Abstract dieser Studie und haben es zur besseren Lesbarkeit umformatiert. Das Diskussionspapier kann frei (open access) von Atmospheric Chemistry and Physics herunter geladen werden.

Freisetzung von Xenon-133 und Cäsium-137 aus der atomaren Energieerzeugungsanlage Fukushima Dai-ichi: Bestimmung von Quellterm [Menge und Art], atmosphärische Verteilung und Ablagerung

von A. Stohl et al.

Am 11. März 2011 ereignete sich etwa 130 Kilometer vor der pazifischen Küste von Japans Hauptinsel Honshu ein Erdbeben, dem ein heftiger Tsunami folgte. Der dadurch verursachte Stromausfall in der Atomkraftanlage Fukushima Dai-ichi (FD-NPP) führte zu einer Katastrophe, welche die Freisetzung von großen Mengen Radioaktivität in die Atmosphäre zur Folge hatte. In dieser Studie bestimmen wir die Emission von zwei Isotopen, dem Edelgas Xenon-133 (133Xe) und dem aerosolgebundenen Cäsium-137 (137Cs), die sehr verschiedene Charakteristiken bei der Freisetzung, aber auch in ihrem Verhalten in der Atmosphäre, aufweisen.

Um die Emissionen von Radionukliden als eine Funktion von Wert und Zeit bis zum 20. April zu bestimmen, stellten wir eine erste Schätzung an, die auf Brennstoff-Inventarien und dokumentierten Unfall-Ereignissen vor Ort beruhte. Diese erste Abschätzung wurde danach durch inversive Modellierung [Rückschlüsse aus bekannten korrelierenden Daten] verbessert, welche diese erste Schätzung mit den Ergebnissen eines atmosphärischen Transport-Modells, FLEXPART und den Messdaten mehrerer Dutzend Stationen in Japan, Nordamerika und anderen Regionen kombinierte. Wir verwendeten sowohl gemessene atmosphärische Aktivitäts-Konzentrationen, als auch für 137Cs Messungen des gesamten Fallouts.

Was 133Xe angeht, stellen wir eine gesamte Freisetzung von 16,7 (Ungenauigkeitsbereich 13,4–20,0) EBq [Exa/Trillion = 10^18 Becquerel] fest, was historisch gesehen die größte Freisetzung von radioaktivem Edelgas bedeutet, die nicht in Zusammenhang mit Atombombentests steht. Es spricht sehr vieles dafür, dass die erste große Freisetzung von 133Xe sehr früh stattfand, möglicherweise unmittelbar nach dem Erdbeben und der Notabschaltung am 11. März um 06:00 Uhr UTC [Weltzeit]. Das gesamte Edelgas-Inventar der Reaktoreinheiten 1-3 wurde zwischen dem 11. und 15. März 2011 in die Atmosphäre frei gesetzt.

Für 137Cs ergaben die Ergebnisse der Modellierung eine Gesamtemission von 35,5 (23,3–50,1) PBq [Peta/Billiarde = 10^15 Becquerel] oder etwa 42% der geschätzten Freisetzung von Chernobyl. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die 137Cs-Emissionen am 14.-15. März ihren Höchstwert hatten, dass sie aber insgesamt von 12. bis zum 19 März hoch waren, bis sie plötzlich um Größenordnungen abnahmen, genau als man damit anfing, das Lagerbecken für Brennelemente von Einheit 4 mit Wasser zu besprengen. Dies zeigt, dass die Emissionen nicht nur aus den beschädigten Reaktorkernen, sondern auch aus dem Lagerbecken von Einheit 4 kamen und bestätigt, dass das Besprengen eine wirksame Gegenmaßnahme war.

Wir untersuchen auch die wichtigsten Verteilungs- und Niederschlagsmuster der radioaktiven Wolke, sowohl regional für Japan, aber auch für die gesamte nördliche Hemisphäre. Während es auf dem ersten Blick günstig aussah, dass die meiste Zeit westliche Winde vorherrschten, als sich der Unfall ereignete, ergibt sich aus unserer detaillierten Analyse ein anderes Bild. Genau während und nach der Periode der stärksten 137Cs Emissionen am 14. und 15. März und auch wie nach einer anderen Periode mit starken Emission am 19. März, advehierte die radioaktive Wolke zur östlichen Honshu Insel, wo der Fallout eine große Fraktion von 137Cs auf der Oberfläche des Landes ablegte.

Die Wolke verteilte sich auch sehr schnell über der gesamten nördlichen Hemisphäre, wo sie als erstes am 15. März Nordamerika und am 22. März Europa erreichte. Allgemein passten simulierte und beobachtete Konzentrationen von 133Xe und 137Cs sowohl in Japan als auch an entfernten Orten gut zusammen. Insgesamt schätzen wir, dass 6,4 TBq [Tera/Billion = 10^12 Becquerel] 137Cs oder 19% des gesamten Fallouts bis zum 20. April über dem japanischen Festland nieder gingen, währen der Rest größtenteils über dem nordpazifischen Ozean herunter kam. Lediglich 0,7 TBq oder 2% des gesamten Fallouts gingen über anderem Festland als Japan nieder. 1)

Was bedeutet diese Studie?

Als erstes sollte man nicht viel auf die veröffentlichten Zahlen dieser Studie geben, solange sie noch nicht peer reviewed ist. Ein wenig erstaunt hat mich, dass im Zeitalter von Internet und sozialen Medien die Autoren das Projekt Safecast nicht kennen, dem man z.B. auf Twitter bequem folgen kann und das nicht mal das einzige seiner Art ist.

Auf Seite 41 des Papieres beklagen Sie:

„Obgleich wir Messdaten aus einer Vielzahl von Quellen gesammelt haben, ist fast keine von ihnen öffentlich zugänglich und es gibt wahrscheinlich mehr brauchbare Datensätze, die uns nicht zugänglich waren. Institutionen, die relevante Messdaten produziert haben, sollten diese frei zugänglich machen. Es sollte eine zentrale Datenablage eingerichtet werden, wo diese Daten vorgehalten, überprüft, in ein gängiges Datenformat konvertiert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollten. Dies würde beachtliche Verbesserungen der zukünftigen Quellterme erlauben.“

Safecast wurde als crowd sourced (massengestützte) Initiative gegründet, um nicht auf die nur spärlich geflossen Informationen von TEPCO und den japanischen Behörden angewiesen zu sein. Selbst wenn die Wissenschaftler dieser Mob-Initiative misstrauen, die derzeit auf über eine Million „Mess-Stationen“ zurückgreifen kann und zu diesen Zweck Strahlenmessgeräte unters Volk gebracht hat, hätten die doch deren Daten auf Plausibilität prüfen können, sofern die angewendete Methodik wirklich was taugt. (2)

Dass nur zwei Radionukleide untersucht worden sind, verleiht dieser Studie keine große Aussagekraft und die insgesamt freigesetzte Radioaktivitätsmenge und über das Ausmaß des Schadens. Sie kann aber als Modell oder Impuls für andere ausführlichere Studien dienen. Vielleicht wurde gezeigt, daß solche Studien machbar und dass Computermodelle brauchbar sind.

Bei den untersuchten Radionukliden handelt es sich nicht einmal um die langlebigsten. Xenon-133, das vom Körper kaum aufgenommen wird, hat eine Halbwertszeit von 5,25 Tagen und für Cäsium-137 beträgt diese immerhin über 30 Jahre, was aber abgesehen von der biologischen Schädlichkeit noch das kleinere Übel wäre, wenn man z.B. an Plutonium-239 mit einer Halbwertszeit von über 24 Tausend Jahren und an dessen Giftigkeit denkt.

Die allein durch diese beiden Nuklide frei gesetzte Strahlungsmenge ist jedoch erschreckend, wobei sich mir bei Cäsium-137 ein Verständnisproblem auftut. Es wurden insgesamt s.o. 35,5 PBq freigesetzt. Doch am Ende des Abstracts (und auch in den Conclusions, S. 41) wird gesagt, daß über Japan bis zum 20. April 19% bzw. 6,4 TBq und über anderen Gebieten 2% bzw. 0.7 TBq niedergingen. Rechne ich diese 21% bzw. 7.1 TBq auf 100% hoch, sind dies ca. 33,8 TBq oder nicht ganz 10% der insgesamt freigesetzten Menge von 35,5 PBq.

Heißt dies, dass 90% des Cäsium-137 über dem nordpazifischen  Ozean verteilt wurde? – Dann hätte man besser die Meeresbelastung durch diesen Unfall untersuchen sollen. Durch das zur Kühlung eingesetzte Meerwasser ist in den ersten Tagen sicher einiges in die Ozean entsorgt worden. War diese „Notkühlung“ womöglich nicht nur ein Notbehelf, sondern bewusstes Kalkül bei der Planung der Anlage?

Besonders danken muss man den Autoren für die Darstellung des Unglücksverlaufs anhand ihrer Erkenntnisse (Anhang S. 42 ff).

Diese Passage haben wir wieder übersetzt:

A1 Block 1

Am 11. März, um 14:00 Uhr UTC (kaum 8 Stunden nach dem Stromausfall in der Anlage) wurde in der Turbinenhalle erhöhte Strahlung beobachtet, was darauf hindeutet, dass zumindest Edelgase anfingen, in die Umwelt zu entweichen. Gleichzeitig baute sich im Reaktorgebäude Druck auf und die Druckausgleichsventile sollen am 12. März zwischen 00:15 und 01:17 Uhr geöffnet gewesen sein, wahrscheinlich um große Mengen abzulassen. Nach den Berichten war die Entgasungsaktion am 12. März um 05:30 Uhr abgeschlossen. Wir nehmen an, dass bis dahin ein großer Teil der Freisetzungen stattgefunden hat. Um 06:36 ereignete sich in Block 1 die Wasserstoffexplosion (welche die erste war), offenbar weil während der Entgasung Wasserstoff in zahlreiche Gebäudeteile eindrang oder aufgrund von Lecks. Der Druck im Reaktorgebäude sank um 09:00 Uhr ab, deshalb wir vermuten, dass die Freisetzung zu dieser Zeit größtenteils vorüber war. Es ist davon auszugehen, dass die Emissionen in geringerem Umfang aufgrund zahlreicher Lecks weiter gehen werden und ab einem gewissen Zeitpunkt dürften sie wahrscheinlich auch von den abgebrannten Brennstäben herrühren, die nach der Explosion direkt der Umwelt ausgesetzt waren. Am 14. März wurde von einem zweiten Maximum des Drucks berichtet, was möglicherweise auf einen zweiten, niedrigeren Höchstwert der Emissionen hindeutet.

A2 Block 2

Block 2 ist von neuerer Bauart als Block 1 und konnte den Stromausfall ein wenig länger überstehen. Die erste Entgasung fand laut Berichten für diesen Block am 13. März um 02:00 Uhr UTC mit ungewissem Erfolg statt, und die erste bestätigte Zeit, zu der die Ausgleichsventile geöffnet wurden, ist 09:00 Uhr UTC am 14. März. Strahlungsmessungen in Nass- und Trockenbrunnen (Reaktorsegmente unter dem Druckkessel, innerhalb des Reaktorgebäudes) schossen eine Stunde später in die Höhe, was wohl eine Kernschmelze bedeutet, und auch MELCOR-Berechnungen [Computersimulation für Unfälle von Atomkraftwerken] ergeben für diesen Zeitpunkt das Schmelzen der Brennstäbe und auch die Freisetzung von Edelgasen spricht dafür. Demnach denken wir, dass zu dieser Zeit die Edelgase mehr oder weniger vollständig abgelassen worden waren. Um 15:00 Uhr UTC wurde eine weitere Entgasung des Trockenbereiches durchgeführt und eine Wasserstoffexplosion hat wahrscheinlich den wasserführenden Bereich um 21:14 Uhr beschädigt. Man kann von großen Freisetzungen ausgehen. Am 15. März um 21:00 Uhr UTC, herrschte in Trocken- und Nassbrunnen Außendruck, was auf das Fehlen jeglicher wirksamer Barrieren hinweist. Zu dieser Zeit dürfte die gesamte Freisetzung stattgefunden haben, doch ähnlich wie bei Block 1 kann die Freisetzung mit niedrigeren Werten weiter gehen. Zwischen dem 26. März und dem 19. April wurde von einem sekundären Temperaturanstieg im RPV [reactor pressure vessel/Reaktor-Druckbehälter] berichtet, der möglicherweise mit etwas erhöhten Freisetzungen verbunden war.

A3 Block 3

Die erste Entgasungsaktion im Nassbrunnen von Block 3 wurde entsprechend den Berichten am 11. März um 23:41 Uhr UTC durchgeführt. Dabei wurden sicher Edelgase abgelassen. Etwa 24 Stunden später, nachdem von einer Erhöhung des Drucks in der Kondensationskammer [ringförmiger Wasserbehälter unter dem Druckkessel] berichtet wurde, gab es laut Bericht eine zweite Entgasung von ca. 20 Minuten. Schließlich wurde am 13. März um 20:20 berichtet, dass die Ausgleichsventile offen wären und MELCOR [s.o.] ergab ungefähr für diese Zeit das Versagen des Reaktordruckbehälters. Sechs Stunden später, am 14. März um 02:00 Uhr UTC, ereignete sich eine sehr heftige Wasserstoffexplosion, welche den oberen Teil des Reaktorgebäudes schwer beschädigte und Trümmer verstreute. Der Report gibt das Ende der Entgasung mit 03:00 Uhr UTC an. Damit fand sicher eine große Freisetzung ihren Abschluss. Jedoch werden bis zum 20. März zahlreiche Öffnungs- und Schließarbeiten der Ventile berichtet, was sporadische Erhöhungen über den verringerten Freisetzwerten verursacht haben könnte, die ähnlich wie bei Block 1 verlaufen sollten. Schließlich wurde zwischen dem 1. und 24. April eine weitere Zunahme der Druckkessel-Temperaturen berichtet.

A4 Block 4

Wenige Informationen wurden über das Lagerbecken für abgebrannte Brennstäbe von Block 4 veröffentlicht (das aufgrund seines großen Inventars das gefährlichste war). Dessen Wassertemperatur wurde am 13. März um 19:00 Uhr UTC mit 84° C angegeben. Bei solchen Temperaturen ist eine gewisse Freisetzung von Radionukliden bereits wahrscheinlich. Am 14. März kam es um 21:00 Uhr UTC in Block 4 zu einer größren Wasserstoffexplosion. Diese könnte oder könnte auch nicht von den abgebrannten Brennstäben verursacht worden sein. Laut Berichten wurde am 19. März um 23:21 Uhr UTC damit begonnen, über dem Becken Wasser zu versprühen. Ohne weitere Informationen zu besitzen können wir für die Freisetzung lediglich einen Anteil der gleichen Größenordnung wie für die Reaktorkerne annehmen, weniger als 1% des Cäsium-Inventars, von dem man annimmt, dass es hauptsächlich zwischen der Wasserstoffexplosion und dem Besprengen mit Wasser freigesetzt worden ist.

Nach den Wasserstoffexplosionen war ich nicht der einzige, der sich fragte, ob die Lagerbecken für abgebrannte Brennstäbe in den oberen Stockwerken der Reaktorgebäude und die Druckbehälter selber, diese intakt überstanden haben. Solche Fragen wurden zu diesem Zeitpunkt in den Leistungsschutz-bewehrten Profimedien nicht gestellt und wir alle hofften, dass eine oder mehrere Kernschmelzen, die nach den obigen Schilderungen längst stattgefunden hatten und von denen die Behörden und Betreiber wissen mussten, noch zu verhindern sind. Bezeichnend ist auch, dass es zu Block 4 mit dem größten Gefahrenpotential die wenigsten Informationen gibt.

Wie perfekt TEPCO und die japanischen Behörden alles verschleiert und verharmlost haben und wie die Medien, die aus Chernobyl wohl etwas gelernt hatten, mitgespielt haben, weiß man nun also, selbst wenn die Studie von den Peers verworfen werden sollte.

Betont werden muss auch, dass es nicht der Tsunami war, sondern dass bereits das vorausgegangene Erdbeben zu Kernschmelzen geführt hat, weil der Strom für die Kühlung ausfiel. Und sind teilweise baugleiche AKWs bei uns erdbebensicher? (3)

Der Größenwahn nicht des Menschen an sich, sondern jener, die ohne Rücksicht auf Mensch und Natur ihre Geschäfte machen, glaubt, absolut alles managen zu können und jedes Risiko eingehen zu dürfen. Inzwischen gibt es darauf eine Antwort: #OWS!

Autor: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 26.10.2011

Ressourcen:

  1. Stohl, A., Seibert, P., Wotawa, G., Arnold, D., Burkhart, J. F., Eckhardt, S., Tapia, C., Vargas, A., and Yasunari, T. J.: Xenon-133 and caesium-137 releases into the atmosphere from the Fukushima Dai-ichi nuclear power plant: determination of the source term, atmospheric dispersion, and deposition, Atmos. Chem. Phys. Discuss., 11, 28319-28394, doi:10.5194/acpd-11-28319-2011, 2011. Freigegeben unter CC: by
  2. Crowdsourcing Japan’s radiation levels
  3. Fukushima-Reaktoren in unserer Nachbarschaft: Baugleiche AKWs laufen weiter

Weitere CSN Artikel zum Thema Radioaktivität:

Die Umweltkrankheit MCS lässt sich nicht ewig vertuschen

Chemikaliensensible existieren, Tendenz steigend

Sie sollen nicht existent sein, die Umwelterkrankten mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity. Menschen, die auf minimale Konzentrationen von Chemikalien im Alltag reagieren in einem Land, das Chemikalien in die ganze Welt exportiert und damit fette Gewinne erwirtschaftet, das passt nicht. Also wird dafür gesorgt, dass Chemikaliensensible nicht existieren. Zumindest nicht auf dem Papier.

Wer MCS hat und seine Erkrankung als Schwerbehinderung anerkannt bekommen möchte, erfährt schnell, dass MCS unerwünscht ist. Das Versorgungsamt dreht und windet sich wie ein Aal, nur damit MCS nicht als Behinderung akzeptiert wird. Denn, wenn MCS häufiger als Behinderung auftaucht, könnten die Erkrankten Forderungen durchsetzen und zwar auch solche, die ihre Krankheit in der Öffentlichkeit sichtbar macht. Ergo, dass MCS als Behinderung anerkannt wird, muss meist erst rechtlich erstritten werden.

In der Bevölkerung ist MCS – Multiple Chemical Sensitivity nicht mehr ganz unbekannt, aber die Konsequenzen, die diese Erkrankung für die Menschen hat, die darunter leiden, kennt kaum jemand. Es wird versucht, MCS als Bagatelle darzustellen oder als Marotte, als psychische Störung, usw. Eben alles Mögliche, außer einer ernstzunehmenden Erkrankung, die rund 15% der Bevölkerung betrifft und sie einschränkt in allen Lebenslagen.

Thommy’s Blogfrage der Woche:

  • Lässt sich MCS auf Ewig vertuschen?
  • Was können MCS Kranke unternehmen, damit die Allgemeinheit von ihnen erfährt?
  • Wie lässt sich Druck aufbauen, damit MCS als Behinderung im Einzelfall anerkannt wird und das ohne Rechtsstreit?
  • Wie kann dem Klischee „MCS – Multiple Chemical Sensitivity sei psychisch“ die Existenz entzogen werden?
  • Habt Ihr Ideen, wie MCS der Öffentlichkeit als das vermittelt werden kann, was es ist, nämlich eine einschränkende Behinderung?
  • Wie kann die Allgemeinheit effektiver und zeitnah über MCS informiert werden?

Fibromyalgie durch Gifte in Textilien?

Fibromyalgie unter Arbeiterinnen in der Textilindustrie stärker verbreitet

Fibromyalgie (FM) ist eine durch chronische Schmerzen, Müdigkeit, verringerte Schlafqualität und multiple Tender-Points charakterisierte Erkrankung. Ein Wissenschaftlerteam aus der Türkei führte eine umfangreiche Studie durch, um festzustellen, wie häufig Fibromyalgie bei Arbeiterinnen in der Textilindustrie vorkommt. In der Allgemeinbevölkerung stellte eine im Vorfeld durchgeführte Erhebung fest, dass rund 3,6% der türkischen Bevölkerung unter Fibromyalgie leiden.

Bei den Arbeiter/innen in der Textilindustrie lag die Häufigkeit fast doppelt so hoch. Als Ursache könnte der hohe Einsatz von toxischen Chemikalien in der Textilindustrie verantwortlich sein.

Fibromyalgie – Schmerzen über Schmerzen

Schmerzen und Symptome, die durch Fibromyalgie eintreten, können so stark sein, dass sie zu Arbeitsunfähigkeit führen und den Aktionsradius des Erkrankten auf seine eigenen vier Wände schrumpfen lassen.

Die Studienteilnehmer der türkischen Studie, die unter Fibromyalgie litten, hatten allesamt Schmerzen am ganzen Körper. 12,5% von ihnen klagten über Gelenkschmerzen. 14,6% wiesen Raynaud-Syndrom auf, was zu schlecht durchbluteten, weiß/blau verfärbten, ständig kalten Händen und Füssen führt. Insgesamt wiesen 41,6% des Studienkollektivs Schlafstörungen auf, 87,5% hatten Kopfschmerzen und 52% litten unter Reizdarm.

Frauen leiden häufiger unter Fibromyalgie als Männer

Die Teilnehmer der in zwei Stufen durchgeführten Feldstudie, waren zum größten Teil weiblich. Wie aus anderen internationalen Studien bekannt, leiden vor allem Frauen unter Fibromyalgie. Unter Männern ist die Erkrankung weniger verbreitet.

Die Textilarbeiterinnen (523) und Textilarbeiter (132) aus vier Fabriken wurden im Rahmen der Studie, an der drei verschiedene Universitätskliniken beteiligt waren, gebeten, einen umfangreichen Fragebogen auszufüllen. Stellte sich heraus, dass ein Proband unter starken Schmerzen litt und weitere für Fibromyalgie kennzeichnende Symptome aufwies, wurde er von einem erfahrenen Rheumatologen gründlich untersucht. Bei den Patienten, die 11 von 18 Tenderpoints nach den ACR 1990 FM Einstufungskriterien aufwiesen, wurde Fibromyalgie diagnostiziert. Anschließend wurden weitere detaillierte klinische und Laboruntersuchungen durchgeführt.

Fibromyalgie bei Arbeitern in der Textilindustrie verbreitet

Die Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie sind hart. Erst in letzter Zeit wird dieser Industriezweig durch Reportagen in den Medien gründlicher durchleuchtet. Die Arbeiter im Textilbereich sind vielen Chemikalien ausgesetzt, von denen man weiß, dass sie der Gesundheit erheblich schaden können. Es wäre eine interessante Aufgabe für künftige Wissenschaftler, eine internationale Erhebung im Bereich der Textilindustrie durchzuführen, um zu ermitteln, ob Arbeiter in anderen Ländern wie Indien, Bangladesch, Vietnam, ebenfalls vermehrt unter Fibromyalgie leiden und welche weiteren Erkrankungen besonders oft und über dem Bevölkerungsdurchschnitt vorkommen. Laboranalytische Untersuchungen auf Chemikalien im Körper der Textilarbeiter/innen wären sicherlich geeignet, manchen Umkehrschluss zu ziehen.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. Oktober 2011

Literatur:

Cobankara V, Unal UO, Kaya A, Bozkurt AI, Ozturk MA., The prevalence of fibromyalgia among textile workers in the city of Denizli in Turkey, Int J Rheum Dis. 2011 Oct;14(4).

Weiterführende Informationen:

Interessante CSN-Artikel über das Thema Fibromyalgie:

Junge Frau mit schwerer Umwelterkrankung benötigt dringend Hilfe!

Die 35 jährige Wienerin, die an einer Multiple Chemical Sensitivity – MCS leidet, ausgelöst durch ein Chemiewerk in ihrer Wohngegend, braucht aus umweltmedizinischer Sicht umgehend einen Umzug in eine schadstoffarme Gegend, bevorzugt in Wien-Umgebung.

Ämter und Behörden fühlen sich allesamt nicht zuständig und überlassen diese liebenswerte junge Frau einfach ihrem Schicksal…

Das Immunsystem, Organe und Schleimhäute der ehemaligen Musik­studentin, welche mittlerweile komplett berufsunfähig ist, wurden nahezu irreparabel geschädigt, was zu chronischen Leiden mit ständigen Schmerzen führt. Schwerstreaktionen wie Schwächezustände, Entzündungen des Magen- und Darmtraktes, extreme Schmerzen der Muskel und Gelenke, Unverträglichkeiten auf nahezu alle Lebensmittel, dazu ständige Blockierungen der Halswirbelsäule gehören zu ihrem wahren Martyrium, welches sie täglich zu ertragen versucht. Nicht, dass Verena es nicht versucht hätte, eine geeignete Unterkunft für sich zu finden, doch es scheiterte jedes Mal an der Unverträglichkeit der Häuser.

So sucht Verena auf diesem Wege dringend Menschen wie Bauexperten, Baumeister, Bauträger, Immobilienfirmen, Makler, die ihr bei der lebens­notwendigen Verwirklichung und Umsetzung eines schadstoffarmen ökologischen Bauprojekts helfen möchten und können. Es ist die einzige Möglichkeit, Verena so zu helfen, ihren Jahrzehnte langen Leidensweg zu beenden.

Jede Form der Hilfe wird gerne und dankbar angenommen.

Die österreichische Organisation MCS-Info hat eigens eine E-Mail Adresse für Verena eingerichtet. Kontaktieren Sie Verena unter: verena @ mcs-info.at

Gerne können Sie Anfragen oder Hilfshinweise auch an CSN richten, Verenas Fall ist CSN seit Jahren bekannt.

Weitere CSN Artikel über MCS Kranke in Not:

Tag beim Kieferchirurgen und der Mund-Kiefer-Gesichtsklinik der Charité

Patientin mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity berichtet:

Nach monatelangen Schriftwechseln und Telefonaten habe ich endlich einen Kieferchirurgen gefunden, der sich bereit erklärt hat, sich meine schmerzenden Zähne (müssen gezogen werden) anzusehen.

Morgens für 7 Uhr ein Taxi bestellt, Nichtraucher und ohne Duft, ich komme raus und sehe, wie der Taxifahrer sich im Auto eine Zigarette anzündet, er selber hatte jede Menge Duft an sich, aber ich musst ja zu dem Termin hin. Also Sauerstoffflasche aufgedreht und das Fenster aufgemacht, nach einer dreiviertel Stunde endlich am Ziel.

In der Praxis echt nette Menschen und viel Verständnis. Nach einer Röntgenaufnahme und Beratung mit Kollegen wurde entschieden, dass das Risiko selbst einer Lokalbetäubung zu hoch ist.

Ich wurde an die Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie der Charité überwiesen.

Wieder ein Taxi bestellt, Glück gehabt, das roch nach nichts, außer nach einem Becher frischem Kaffee. Danke, lieber Taxifahrer, du warst mein erster Lichtblick an diesem Tag.

In der Charité in Haus 2 zur Anmeldung, Nummer ziehen und warten, Aufruf, Termin zu einer Vorbesprechung frühestens am 31.10. 2011 heute war ja schon der 13.10.2011. Sind ja nur 18 Tage.

Also wurde ich an die Rettungsstelle im Nachbarhaus verwiesen. Mit Sauerstoff, Handtasche, Jacke, Fußmarsch zur Rettungsstelle. Dort anmelden, 10€ zahlen und warten, endlich kommt ein Zahnarzt, der liest sich erst einmal den MCS-Ausweis durch und die MCS Arztinfo, danach werde ich herein gebeten, er will mehr über meine Probleme (Zähne) und MCS erfahren. Kein Problem, er versteht sehr schnell, wie problematisch alles ist, und obwohl es in erster Linie um die Zähne geht, darf man auf keinen Fall die MCS außen vor lassen. Alles dreht sich erst einmal um die Multiple Chemical Sensitivity und dann um die eigentliche Diagnose.

Er ruft noch einen Kollegen an, er hätte einen sehr interessanten Fall, der Kollege wollte zuerst nicht, aber er kam dann doch. Er hat Augen gemacht, eine Patientin mit MCS (WHO ICD-10 T78.4) hatte er noch nie, aber auch er verstand sehr schnell, dass MCS vorhanden ist und fast alles einschränkt.

Man macht gleich noch EKG und Blutabnahme, danach interne Überweisung in die MKG-Klinik, wieder zur Anmeldung, Nummer ziehen, Papiere abgeben. Nach viel Murren und Maulen, (oh nein, die Sprechstunde ist brechend voll und dann auch noch so etwas). Ich soll mich ab 13.00 Uhr vor Sprechzimmer 4 einfinden.

Wieder einmal eine Wartezone, ca. 40 Minuten und man ruft mich herein, der Zahnarzt spricht mit mir und verweist mich an die Anästhesisten weiter. Dicke Akte greifen und wieder in ein anderes Haus traben, Nummer ziehen, nach Aufruf in die Anmeldung, Fragebogen und Datenerfassung, mit der Bitte den Fragebogen auszufüllen wieder in die Wartezone entlassen. Ca. 20 Minuten später kommt der Anästhesist und holt mich zum Gespräch ab. Bestimmt eine halbe Stunde redet er mit mir, dann kommt er aufgrund meiner Allergien und der MCS zu dem Entschluss, dass er mich so nicht behandeln kann. Er will erst mit den Allergologen abklären, was geht, was evtl. noch geht und was gar nicht geht. Er verweist mich zurück an die MKG Klinik.

Wieder zur Anmeldung, Akte abgeben und darum bitten, dass ich noch einmal beim Zahnarzt vorgestellt werde.

Ich bin mittlerweile trotz MCS Maske und guten 500L Sauerstoff völlig am Ende, ich kann mir nichts mehr merken, bin völlig Matsch im Kopf.

Der Zahnarzt versteht nicht, dass ich als schwerkranker Mensch nicht permanent in ärztlicher Betreuung bin, er versteht es einfach nicht, dass jeder Arztbesuch ein gesundheitliches Risiko darstellt und man mir da auch nicht helfen kann.

Er ist auch der Meinung, dass es ja wohl Fachärzte dafür geben müsste. Als ich ihn bat, mir nur einen einzigen zu benennen, das übliche ratlose Gesicht.

Er erzählte mir, dass ich Allergietests machen soll. Ich kann mir nichts mehr merken und bitte ihn, mir alles aufzuschreiben und mir innerhalb der Charité etwas zu benennen.

Das war es für heute, nach ca. 6 Stunden in der Charité bin ich fix und fertig und stehe wieder ganz am Anfang. Jetzt noch ein Taxi (Nichtraucher und ohne Duft besorgen) es ist innerhalb von 2 Minuten da.

Toll, es ist ein alter Daimler, der ist schon so alt, da riecht nichts mehr, der Fahrer selber auch ohne, toll, der 2. Lichtblick an diesem Tag.

Es ist ca. 16.00 Uhr, ich bin endlich wieder zuhause. Ich habe Durst und Hunger. 2 Stunden später gegen 18.00 Uhr setzen Krämpfe ein, die Beine, die Brust, der Rücken, das Herz tut weh, EKG ist aber okay, der Kopf dröhnt, alles stinkt nach den ganzen Duftstoffen aus der Klinik.

Ich nehme 3 gr Magnesium, die Krämpfe werden immer stärker, jetzt kommt Chinin ran, es reicht immer noch nicht! Jetzt kommen 5 gr Magnesiumcitrat in einem Glas Wasser aufgelöst und in kleinen Schlucken über 2 Stunden getrunken, mittlerweile waren einige so heftige Kämpfe, das wieder einmal einige Muskelfasern gerissen sind, um 1.00 Uhr lassen endlich die Krämpfe nach und ich kann versuchen zu schlafen.

Um 3.30 Uhr werde ich wieder unsanft geweckt, ich laufe aus, die Schließmuskel spielen nicht mit, das recht Bein tut weh, die Bandscheiben der LWS haben keinen Halt mehr.

Jetzt gegen 13.00 Uhr am14.10.2011 tut zwar noch alles weh, aber das Gehirn funktioniert wieder halbwegs, die Krämpfe sind weg, nur noch Schmerzen in den Beinen und im gesamten Rücken.

Einen Termin bei meinen Hausarzt erst am 27.10. die Allergologen sind permanent besetzt, muss ich am Montag wieder probieren.

Wenn ich dann alle Untersuchungen zusammen habe, geht das ganze Theater wieder von vorne los.

So, das war ein Tag im Leben und Leiden einer MCS Kranken, der Zähne gezogen werden müssen.

Update: 15.10.2011. Es geht noch immer schlecht. Ich habe Krämpfe in den Beinen und kann kaum laufen.

Autor: Clarissa von Maus, Berlin, 14.10.2011

Weitere interessante CSN Artikel zum Thema MCS im Krankenhaus:

Frau mit Fibromyalgie erhielt Hilfe über Twitter

Umwelterkrankte muss nicht länger auf der Straße leben

Die 57-jährige wusste sich nicht mehr zu helfen. Zwischen Krankenhausaufenthalten lebte sie in ihrem Auto. Ihre gesamte Existenz war durch die Krankheit zerstört worden. Blair Miller leidet unter Fibromyalgie, einer Umweltkrankheit, die starke Schmerzen verursacht. Erkrankte bezeichnen die Schmerzen ähnlich Zahnschmerzen, nur dass sie meist den ganzen Körper betreffen. Als Blair keinen Ausweg mehr sah, griff sie zu ihrem Handy und sendete auf dem Sozialen Netzwerk Twitter eine Nachricht an ihre Follower. Innerhalb weniger Stunden halfen ihr rund 20 Menschen, ohne sie jemals im Leben zuvor getroffen zu haben.

Twitter Community half innerhalb weniger Stunden

Als Blair Miller sich am 26. September vor einer weiteren Nacht im Auto fürchtete, und vor Schmerzen nicht mehr weiter wusste, teilte sie dies über Twitter mit. Was in den nächsten Stunden passierte, kann die Frau, die unter schwerer Fibromyalgie leidet, noch immer nicht fassen. Plötzlich meldeten sich Menschen von überall her bei ihr und wurden sofort aktiv. Blair erhielt Bonuspunkte für Hotelübernachtungen, Gutscheine für Lebensmitteleinkäufe in Supermärkten der Umgebung und Benzingutscheine. Einige der Menschen aus der Twitter Community riefen bei Hilfsorganisationen an, um Blair zu helfen eine längerfristige Unterkunft zu bekommen. Es wurde ein Blog für die Umwelterkrankte gestartet und man begann dort über sie zu berichten. Als dann ein PayPal Konto für sie eröffnet wurde, gingen innerhalb weniger Stunden einige Hundert Dollar ein.

Gegenüber der Zeitung „Sun-Sentinel“ sagte Blair Miller, dass sie ihr Vertrauen in Alles wiedererlangte, als sie plötzlich einen Platz zu Schlafen hatte. Sie habe diesen Hilferuf gestartet, weil sie einfach nicht mehr weitergewusst hätte. Noch immer käme ihr alles was in Zwischenzeit geschehen sei, um ihr zu helfen, wie ein Wunder vor.

Soziale Netzwerke, ein Sprachrohr in die Welt

Durch Soziale Netzwerke hat sich viel verändert in der Welt. Menschen, die zuvor keine Lobby hatten oder für deren Schicksal sich keine Zeitung und kein Fernsehen interessiert, können über Twitter, Facebook, Google+ und andere Social Networks viele Mitmenschen erreichen. Revolutionen fanden ihren Ursprung und den Schlüssel zum Erfolg in der Nutzung Sozialer Netzwerke. Es spielt keine Rolle mehr, wo man wohnt und welchen sozialen Status man besitzt, jeder kann andere erreichen und eine Community aufbauen. Insbesondere für Umwelterkrankte, die in vielen Fällen kaum noch soziale Kontakte außerhalb der eigenen vier Wände pflegen können, sind Soziale Netzwerke eine Chance, wie das Beispiel von Blair eindrucksvoll beschreibt. Ein PC, ein Notebook oder ein Handy und eine Internetverbindung, mehr braucht man nicht, um aktiv zu werden und sich der Welt mitzuteilen. Außer vielleicht noch einer kleinen Portion Mut.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 09.10.2011

Literatur: Sun-Sentinel, Homeless Boca Raton woman turns to Twitter for help, 08.10.2011

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