Archiv der Kategorie ‘Medizin‘

Ministerium für Gesundheit ordnet an

Ab sofort sind Kliniken, Arztpraxen, Universitäten und Gesundheitsämter rauchfrei und duftfrei!

Im Südwesten des amerikanischen Bundesstaates Georgia haben Verantwortliche im Gesundheitswesen für ihren Bezirk eine neue Verfügung herausgebracht. In den Kliniken, Universitäten, Gesundheitsämtern und anderen Gesundheitseinrichtungen müssen Besucher, Patienten und Angestellte auf Rauchen und Parfüms verzichten. Niemand darf eine gesundheitliche Einrichtung betreten oder eine Veranstaltung besuchen, wenn die Person Duftstoffe benutzt hat. Das Rauchen ist selbst auf dem jeweiligen Gelände untersagt. Ein ähnlich umfangreiches Duftstoffverbot im Gesundheitsbereich hat Schweden 2008 eingeführt.

Rauchverbot und Parfümverbot

Im Albany Herald stand zu lesen, dass die Verantwortlichen der Gesundheitsbehörde mitteilten, dass die Gerüche vieler Duftstoffe negative gesundheitliche Auswirkungen auf empfindliche Menschen haben können. Aus diesem Grund würden im Southwest Health District ab sofort Patienten und Besucher darauf hingewiesen, dass alle Gesundheitseinrichtungen duftfreie und rauchfreie Zonen sind. Dieses Rauch – und Duftstoffverbot betrifft Kliniken, Arztpraxen, Praxen von Therapeuten, Gesundheits- ämter, Universitäten und Sportveranstaltungen.

Für den einen tolles Parfüm, für den anderen Schmerz und Kollaps

Die Leiterin des Ministerium für Gesundheit erläuterte gegenüber der Zeitung, dass diese Maßnahme notwendig sei, weil nicht jeder von sich aus erkennt, dass ein Parfüm, das er genießt, bei einer anderen Person, beispielweise einem Sitznachbarn in einem Wartezimmer, schwere gesundheitliche Reaktionen auslösen kann. Deshalb habe man ein Duftverbot eingeführt, das auch duftende Handcremes und andere parfümierten Produkte betrifft. Die Leiterin des Ministerium für Gesundheit führte an, dass es Patienten gab, die mit einer Bahre abtransportiert und stabilisiert werden mussten, andere sogar auf die Intensivstation kamen, weil sie aufgrund ihrer Sensitivität auf ein Parfüm schwerste Reaktionen bekamen.

Bessere Bedingungen in Gesundheitseinrichtungen

Diese neuen Leitlinien, durch die Gebäude und gesundheitsbezogene Veranstalt- ungen jetzt duftfrei und rauchfrei werden, sieht die Direktorin des Ministerium für Gesundheit als einen entscheidenden Schritt in die Richtung, dass sich jeder in medizinischen Einrichtungen gut fühlt und dass der Aufenthalt für jeden so gesund wie möglich ist.

Auch Rauchermief ist gesundheitsschädlich

Die Verantwortlichen der Gesundheitsbehörde ließen verlauten, dass von Zigarettenrauch ebenfalls große Probleme ausgehen. Für Menschen mit Lungen- krankheiten, ältere oder junge Menschen sei Passivrauch schon problematisch und sogar die Rauchrelikte, die in der Kleidung von Rauchern festhängen. Wenn jemand darauf empfindlich reagiert, kann er dadurch erheblichen gesundheitlichen Schaden nehmen. Deshalb solle auch Sekundärrauch vermieden werden.

Besondere Relevanz für Chemikaliensensible

Für Menschen mit der Behinderung MCS (ICD-10 T78.4) hätte ein Duftstoffverbot und absolutes Rauchverbot in Gesundheitseinrichtungen, so wie es jetzt in Southwest Georgia angeordnet wurde, ganz besondere Relevanz. Für diese Behinderten würde eine große „unsichtbare“ und in vielen Fällen unüberwindbare Barriere verschwinden.

Es ist einschlägig bekannt, dass Arzt- und Therapeutenbesuche von manchen chemikaliensensiblen Kranken seit Monaten oder Jahren verschoben werden mussten, wegen der gesundheitsbeeinträchtigenden Problematik, die von Chemikalien in Duftstoffen und Parfüms für diese Patientengruppe ausgeht. Unnötiges Leiden und Chronifizierung von Beschwerden war die Folge.

Ein striktes Rauch- und Duftstoffverbot führt zudem als positiver Nebeneffekt zu einer drastischen Verbesserung der Innenraumluftqualität in medizinischen Einrichtungen, was für alle Patienten, das medizinisches Fachpersonal, Angestellte und für Besucher gesundheitsfreundlicher und zuträglicher wäre. Gegen ein Rauch- und Duftstoffverbot in Gesundheitseinrichtungen spricht kritisch betrachtet, eigentlich nichts was von maßgebender Relevanz wäre.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 26. Oktober 2010

Literatur:

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Eine politisch unerwünschte Erkrankung

MCS, reaktive Erkrankung der oberen Atemwege, Asthma, Chemikalienunverträg- lichkeit, hypersensitive Atemwegserkrank- ung… es gibt so viele Ausdrücke, um eine behindernde, politisch unerwünschte Erkrank- ung zu beschreiben. Vor 2004 hatte ich mit Ausnahme von Asthma noch nie irgend eine dieser Bezeichnungen gehört, doch später sollte ich sie alle in etliche amtliche Schriftstücke geschrieben bekommen, um meine neue Erkrankung mit einem Namen zu versehen.

25 Jahre Lehrerin

Im Herbst 2004, nach einer erfolgreichen fünfundzwanzigjährigen Karriere, in der ich unterrichtet, beraten, betreut und mit einem Oberschulamt in Süd-Kalifornien Lehrpläne geschrieben habe, als ich an meine Stelle als Lehrerin zurück kehrte, um 204 Schüler pro Jahr zu unterweisen, bekam ich jedes Mal, wenn ich mein Klassenzimmer betrat, ein heftiges Brennen im Gesicht, am Hals, in den Augen und in den Ohren.

Ein Meer von brennenden Gesichtern

Am Ende jeder Unterrichtseinheit brannte es nicht nur bei mir und nicht nur meine Haut war rot angelaufen, sondern ich sah auf ein Meer von ebenfalls hoch rot brennenden Gesichtern. Ich hatte nie derart starke Körperschmerzen erlebt. Was geschah mit uns? Meine Schüler legten vor Erschöpfung ihre Köpfe auf den Tischen ab, Eltern schrieben mir Emails, dass ihre Kinder in meinem Unterrichtsraum Migräne hätten, Schüler begaben sich nach meinem Unterricht zur Unfallstation und niemand von uns hatte für diese seltsamen neuen Symptome einen Namen.

Umzug in ein anderes Gebäude

Binnen zweier Monate konnte ich wegen der extremen Schmerzen kaum noch aus den Augen sehen, ich ging jeden Abend um Sechs ins Bett. Wenn ich das Klassenzimmer betrat, bekam ich Nesselfieber im Brustbereich. Die Bücher, die ich auf meinem Pult anfasste, verursachten Bläschen an meinen Fingern. Meine Ermattung war überwältigend. Ich dachte, das wäre mein Ende. Schließlich, nachdem die Bezeugungen der Schüler angehört wurden, verlegte der Schuldirektor uns alle in ein anderes Gebäude. Doch für mich als jene, die sich jeden Tag so viele Stunden in dem Raum aufhielt, war dies zu spät. Fünf Ärzte erlaubten mir nicht, an den Arbeitsplatz zurück zu kehren, und nicht ein einziger hatte für das, was mit meinem Körper vorging, eine Bezeichnung. Ich war ratlos und hatte Schmerzen.

Sie haben multiple Chemikalien-Sensitivität

Dann endlich fragte ich meinen Hausarzt, „Was ist mit mir los?“. Widerwillig sagte er: „Es tut mir Leid, Ihnen dies sagen zu müssen, aber sie sind an multipler Chemikalien-Sensitivität erkrankt.“ Ich wusste weder, was das war, noch kannte ich die Folgen dieser Diagnose, doch dies wurde mir schnell klar. Sie bedeutete das Ende meiner Lebensweise, wie ich sie bisher kannte. Das heftige Brennen weitete sich aus, und ich spürte es nicht nur in den Klassenzimmern, sondern ab da brannte es in Lebensmittelgeschäften, Einkaufszentren und ich fing sogar an, auf Kleidung und Körperpflegemittel der Mitmenschen zu reagieren. Ich hatte jedes Mal heftige Schmerzen, wenn mir eine chemische Substanz in die Quere kam oder wenn ich mich in ein Gebäude mit Schimmelbefall oder Wasserschaden begab.

Ein neuer Name für die gleiche Krankheit

Ich wurde zu einem Toxikologen überwiesen, der mir nach ausgiebigen Blutuntersuchungen erzählte, ich hätte Chemikalienunverträglichkeit, ein weiterer neuer Namen für meine Erkrankung. Er sagte, diese Bezeichnung wäre politisch korrekter, doch er verfügte über sehr wenige Behandlungsmöglichkeiten, um mir gegen diese chronische Erkrankung zu helfen. Warum wurde der Name der Diagnose geändert?

Noch ein neuer Name für die gleiche Diagnose

Dann ging es zu einem anderen Lungen-Spezialisten, der einen Methacholin-Provokationstest im Krankenhaus machte, welcher meine Atmung weitgehend lähmte. Danach lautete meine neue Diagnose, reaktive Erkrankung der oberen Atemwege, wieder eine neue Bezeichnung für das gleiche Reagieren auf chemische Substanzen.

Ist „Multiple Chemikalien-Sensitivität“ ein unanständiges Wort?

Als ich die Anerkennung meiner Behinderung durch die Sozialversicherung beantragte, schaute ich in die Gesetzestexte und die Bezeichnung MCS war nirgends zu finden. Es sah so aus, als ob sie ein unanständiges Wort wäre. Meine Symptome hatten sich nicht geändert oder abgeschwächt, doch ich gewann schnell den Eindruck, dass ich eine politisch unerwünschte Krankheit hatte.

Warum viele Namen für ein und dieselbe Krankheit?

  • Warum eiern all diese Fachleute um die ursprüngliche Diagnose „Chemikalien-Sensitivität“ herum?
  • Fürchten sie, der chemischen Industrie zu nahe zu treten?
  • Hat ihnen irgendeine Regierungsstelle gesagt, sie dürften diese Bezeichnung nicht verwenden?

Ich habe mir diese Erkrankung nicht ausgesucht und es fiel mir anfänglich nicht leicht zu verstehen, warum diese Fachleute darauf achteten, diese Diagnose in ihren offiziellen Dokumentationen nicht zu erwähnen. „Es ist, was es ist“, sagte ich, „ich reagiere auf viele Chemikalien“. Es erschien mir wie eine Verfügung von „oben“, welche die Verwendung des Begriffes „Chemikalie“ nicht zulassen würde.

Warum lieber Krebs als Multiple Chemikalien-Sensitivität?

Wie viele andere mit dieser Erkrankung, habe ich seit 2004 viele tausend Dollar für Behandlungen ausgegeben, für die keine Krankenkasse aufkommt. Anstatt nicht so teurer einzukaufen, um Geld zu sparen, musste ich um zu Überleben teurere Sachen kaufen, die keine Chemikalien enthalten. Wenn man von einer Behindertenrente lebt, ist dies extrem schwierig. Es gibt keine Stiftung, die allen chemisch Verletzten hilft. Tatsächlich haben manche Kinder mit MCS gesagt: „Ich wünschte, ich hätte Krebs, dann würde meine Krankheit wenigsten anerkannt. Ich bekäme von Stiftungen Unterstützung“. Warum muss sich irgendein Kind wünschen, anstatt dieser Krankheit Krebs zu haben?

Medizinische Behandlung verweigert

Das schlimmste an dieser politisch unerwünschten Krankheit ist, dass mir und meinen Mitbehinderten die tatsächlichen Behandlungsmöglichkeiten verwehrt werden, die helfen könnten, unsere Lebensqualität zu verbessern. Ich kann es nicht ertragen zu hören, dass sich ein weiterer Mensch das Leben nahm, weil er sich die Behandlung nicht leisten konnte, oder weil keine schadstofffreie Unterkunft zugestanden wurde, oder weil jemand zu Hause festsitzt, da die Versicherung keine Behandlung bezahlt, oder weil jemand wegen dieser Erkrankung schikaniert worden ist.

Die Zeit des Schweigens ist vorbei

Ich fordere unsere Gemeinschaft heraus, sich gegen die Diskriminierung durch Verleugnung zu erheben und verlange adäquate medizinische Versorgung, die erforderlich ist, um unsere Lebensqualität zu verbessern. Trotz unseres erheblich reduzierten Einkommens bezahlen wir unsere Krankenversicherungsbeiträge und wir müssen die Behandlungen bekommen, die unsere Ärzte zur Verbesserung unseres Lebens verschreiben. Unsereins braucht etwas anderes als andere Kranke. Den meisten von uns helfen keine Medikamente und wir sollten dafür sorgen, dass die Versicherungsmanager, die gerade ihre dritte Ferienwohnung bauen, während wir uns abmühen, über die Runden zu kommen, unsere Stimmen hören. Es ist für sie an der Zeit zuzuhören und in unserem Sinne zu handeln.

Rechte müssen auch für Chemikaliensensible gelten

Es ist an der Zeit, gegen jede weitere Verleugnung juristisch vorzugehen, um dadurch die Botschaft zu verbreiten, dass die Diskriminierung unserer politisch unerwünschten Erkrankung vorüber ist. Unsere Behinderung wird nicht länger unterdrückt und geleugnet. Jede andere Erkrankung wird behandelt und so sollte es auch mit unserer sein. Niemand von uns hat sich diese unvorstellbare Veränderung der Lebensweise ausgesucht und nun ist es an der Zeit sich weiter zu entwickeln, um damit voranzukommen, den gleichen Zugang zum Gesundheitssystem zu verlangen, wie alle anderen Behinderungen.

Autor: Christi Howarth für CSN, 19. Oktober 2010

Übersetzung: BrunO

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Studie belegt, Yoga ist die bessere Therapie bei Fibromyalgie

Laut einer aktuellen Studie, die an der Oregon Health & Science University durchgeführt wurde, sind Yoga-Übungen im Stande Fibromyalgie zu bekämpfen – eine Erkrank- ung, die durch ausgedehnte, chronische Schmerzen charakterisiert wird. Die wissen- schaftlichen Erkenntnisse werden in der November Ausgabe  der Zeitschrift Pain veröffentlicht.

Suche nach ganzheitlichen Therapiemöglichkeiten

„Frühere Forschungen sprachen sich dafür aus, dass die erfolgreichste Therapie für Fibromyalgie aus einer Kombination von Medikamenten, körperlicher Bewegung und der Entwicklung von Strategien zur Bewält- igung der Krankheit besteht“, sagte James Carson, Ph.D., ein Psychologe und Professor für Anästhesiologie und präoperative Medizin an der OHSU School of Medicine. „Unsere aktuelle Studie haben wir speziell auf Yoga ausgerichtet, um herauszufinden, ob Yoga als verschreibbare Behandlung berück- sichtig werden sollte und in welchem Umfang sie erfolgreich sein kann.“

Yoga statt Medikamente

Die Wissenschaftler bezogen 53 weibliche Probanden in ihrer aktuellen Studie ein, bei denen zuvor eine Fibromyalgie diagnostiziert wurde. Die Frauen wurden zwei kontrollierte Studiengruppen zugeordnet. Die erste Gruppe nahm an einem achtwöchigen Yoga-Programm teil, das sanfte Posen, Meditation, Atemübungen und Gruppendiskussionen enthielt. Die zweite Gruppe von Frauen, die Kontrollgruppe, erhielt medikamentöse Standardtherapien für ihre Fibromyalgie.

Erfolgskontrolle

Nach Abschluss des Yoga-Programms beurteilten die Wissenschaftler jede einzelne Testperson mit Hilfe von Fragebögen und körperlichen Tests. Die Ergebnisse wurden dann mit den jeweiligen Untersuchungsergebnissen vor dem Yoga-Kurs verglichen. Die Mitglieder der Kontrollgruppe wurden den gleichen Bewertungen unterzogen. Darüber hinaus wurde jeder Teilnehmer der Yoga-Gruppe aufgefordert, täglich Tagebuch zu führen, um ihren Zustand während des gesamten Programms persönlich zu beurteilen.

Yoga brachte  klinisch signifikante Besserung

Ein Vergleich der Daten beider Gruppen zeigte, dass Yoga sich bei der Bekämpfung einer Reihe schwerer Fibromyalgie-Symptome, wie Schmerzen, Müdigkeit, Steifigkeit, schlechter Schlaf, Depression, Gedächtnisschwäche, Angst und schlechte Balance unterstützend auszuwirken scheint. All diese Verbesserungen waren nicht nur statistisch, sondern auch klinisch signifikant, d.h. die Veränderungen waren groß genug, um praktische Auswirkungen auf das tägliche Funktionieren zu haben. So wurden zum Beispiel Schmerzen in der Yoga-Gruppe um durchschnittlich 24 Prozent, Müdigkeit um 30 Prozent und Depressionen um 42 Prozent reduziert.

Patienten waren begeistert

„Ein wahrscheinlicher Grund für den vorliegenden Erfolg der Therapie in dieser Studie war das starke Engagement, das die Probanden zeigten. Die Teilnahme an den Kursen war gut, genauso die Bereitschaft der meisten Teilnehmer, Yoga auch zu Hause durchzuführen“, fügte Carson an. „Basierend auf den Ergebnissen unserer Forschung sind wir stark davon überzeugt, dass weitere Studien zu dieser potenziellen Therapie gerechtfertigt sind.“

Yoga soll zukünftig in die Fibromyalgie-Therapie integriert werden

Als eine Folge dieser Studie und von Carson’s vorherigen Forschungen, die belegten dass Yoga bei Krebs-Schmerzen hilfreich sein kann, wird die OHSU Klinik für Anästhesiologie und präoperativer Medizin im Juni nächsten Jahres einen Ausbildungskurs für US-und kanadische Yogalehrer sponsern, die den Wunsch haben, ihre Fähigkeiten zu erweitern und mit Menschen zu arbeiten, die chronische Schmerzen haben.

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Literatur:

Oregon Health & Science University, OHSU research suggests yoga can counteract fibromyalgia,  14-Oktober-2010.

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Alarmierend: Kinder mit Nahrungsmittelallergien sind häufig Mobbing ausgesetzt

Es existieren Berichte von Kindern und Jugendlichen, die unter Nahrungsmittel- allergien leiden und deswegen schikaniert und geärgert werden. Bislang gab es noch keine Studie, die darauf ausgelegt war, diese Ereignisse genauer zu charakterisieren. Ein amerikanisches Wissenschaftlerteam setzte sich daher das Ziel, das Vorhanden- sein und die speziellen Merkmale von Mobbing, Hänseleien oder Belästigung von Lebensmittelallergikern aufgrund ihrer Nahrungsmittelallergien zu ermitteln. Sie mussten feststellen, dass Nahrungsmittelallergiker wegen ihrer Allergien häufig zuleide gelebt wird, und das nicht nur durch Gleichaltrige.

Wie ergeht es Kindern und Jugendlichen mit Nahrungsmittelallergien?

Um herauszufinden, welchen Angriffen Nahrungsmittelallergiker ausgesetzt sind, ließ das Wissenschaftlerteam Jugendliche und Erwachsene, als auch Eltern von Kindern mit Lebensmittelallergien Fragebogen ausfüllen. Insgesamt wurden 353 Erhebungen abgeschlossen. Weil die meisten Lebensmittelallergiker noch Kinder waren, wurde ein Großteil der Erhebungen durch die Eltern abgeschlossen.

Mobbing wegen Allergien auf Lebensmittel

Die Mediziner mussten feststellen, dass Kinder und Jugendliche verschiedenster Altersgruppen Repressalien und Schikanen wegen ihrer Nahrungsmittelallergien ausgesetzt waren. Die Gruppe der Studienteilnehmer setzte sich wie folgt zusammen: 25,9% waren jünger als 4 Jahre (4 bis 11 Jahre (55,0%), 12 bis 18 Jahre (12,5%), 19 bis 25 Jahre (2,6%) und älter als 25 Jahre (4,0%).

Insgesamt berichtete rund ein Viertel (24%) der Nahrungsmittelallergiker, dass man sie mobbt, hänselt oder belästigt, nur weil sie eine oder mehrere Allergien auf Nahrungsmittel haben.

Immer wieder gemobbt, gehänselt und schikaniert

Von den Kindern und Jugendlichen, die gemobbt, gehänselt oder belästigt wurden, berichteten fast alle (86%) sogar über mehrere Episoden. Zweiundachtzig Prozent der Vorfälle traten in der Schule auf und 80% wurden vor allem durch Mitschüler verübt.

Sogar Lehrer waren Täter

Einundzwanzig Prozent derjenigen, die gemobbt, gehänselt oder schikaniert wurden, berichteten, das die Täter Lehrer oder Schulpersonal gewesen waren. Insgesamt schoben 79% das, was ihnen wiederholt widerfahren war, ausschließlich auf das Vorhandensein von Nahrungsmittelallergien.

Vorsätzliche Körperverletzung an der Tagesordnung

Über die Hälfte (57%) der Allergiker, die gemobbt wurden, konnten direkte physische Ereignisse beschreiben, wie z. B. dass sie bewusst mit einem Allergen berührt wurden, ein Allergen übergeworfen bekamen oder es ihnen extra zugefächelt wurde. Mehrere der Befragten teilten sogar mit, dass man ihnen Essen vorsätzlich mit Allergenen verunreinigt hatte.

Gezieltes Management für den Umgang mit Allergiker ist notwendig

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie, die im medizinischen Fachjournal Annuals of Allergy, Asthma und Immunology im Oktober 2010 publiziert wurde, legten dar, dass Schikanen, Hänseleien und Mobbing bei Kindern mit Nahrungsmittelallergie absolut üblich zu sein scheinen. Die Wissenschaftler stellten zusätzlich fest, dass solche Vorkommnisse nicht nur häufig, sondern auch wiederholt auftreten. Die Mediziner geben zu bedenken, dass diese Vorfälle emotionale und körperliche Risiken darstellen und fordern, dass die Problematik im Zuge eines gezielten Managements zum besseren Umgang mit Nahrungsmittelallergien angegangen werden sollte.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. Oktober 2010

Literatur:

Lieberman JA, Weiss C, Furlong TJ, Sicherer M, Sicherer SH. , Mobbing unter Kindern mit Nahrungsmittelallergie, Ann Allergy Asthma Immunol. 2010 Okt; 105 (4) :282-286.

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Die Quittung für BPA

Das Rezept für eine hohe BPA-Belastung: Gemüsekonserven, Zigaretten und ein Job an der Kasse

Schwangere die jeden Tag Gemüse aus Konserven essen, haben nach einer am 8. Oktober 2010 veröffentlichten Studie erhöhte Bisphenol-A Werte, eine Chemikalie mit östrogen-ähnlicher Wirkung, die in Lebensmittelverpackungen und anderen Verbrau- cher-Produkten vorkommt.

Über 90 Prozent der Schwangeren hatten nachweisbare Werte von Bisphenol-A und in der Studie wurden einen Reihe von Quellen für die Chemikalie festgestellt. Schwangere die Tabakrauch ausgesetzt waren oder als Kassiererinnen arbeiteten wiesen ebenfalls überdurchschnittliche Werte in ihrem Körper auf.

Bisphenol-A, oder BPA ist eine Chemikalie welche die Wirkung von Östrogenen imitiert und für die innere Beschichtung von Lebensmittelkonserven und Getränke- dosen, für Plastikartikel aus Polycarbonat und für Kassenquittungen verwendet wird. Labortiere, die als Fötus niedrigen BPA-Belastungen ausgesetzt waren, entwickelten Prostata- und Brustdrüsenkrebs, Fettleibigkeit und Fortpflanzungsprobleme. Bei Menschen wurde BPA mit Herzerkrankungen und Diabetes in Zusammenhang gebracht.

Vor wenigen Jahren hatten sich Mütter stark gemacht, um ihre Kinder vor BPA zu schützen, indem sie auf Händler und Hersteller öffentlichen Druck ausübten, BPA-freie Babyfläschchen anzubieten. Doch die neue Studie zeigt, dass Schwangere immer noch unwissentlich ihre Kinder belasten, während diese als Fötus heranwachsen, eine Phase, in der sie noch mehr geschädigt werden können.

„Dies zeigt wirklich sehr deutlich, dass es während der Schwangerschaft viele Quellen der Belastung mit BPA gibt“, sagte Joe Braun, Forschungsstipendiat der Harvard School of Public Health und Hauptautor der Studie, die von Wissenschaftlern aus sieben Einrichtungen durchgeführt wurde. „Dies zeigt einige Quellen auf, die veränderbar sind, das heißt, die Frauen können sogar ihre Belastung durch sie verringern.“

Die Forscher untersuchten Urinproben von 386 Schwangeren aus der Umgebung von Cincinnati, die zwischen 2003 und 2006 Kinder zur Welt brachten. Eine Frau wurde herausgenommen, da ihre BPA-Werte außergewöhnlich hoch waren – 1000-mal höher als der Mittelwert der Gruppe.

In der 16. und der 26. Woche ihrer Schwangerschaft hatten mehr als 90 Prozent der Frauen BPA in ihrem Urin, währen bei 87 Prozent messbare Werte vorlagen, als ihre Kinder geboren wurden.

Der offensichtlichste Zusammenhang ergab sich zu Gemüse aus Konserven

Nach der im wissenschaftlichen Journal Environmental Health Perspectives veröffentlichten Studie hatten jene die mindestens einmal am Tag Gemüse aus Konserven verzehrten 44 Prozent mehr BPA in ihrem Urin als diejenigen, die kein Gemüse aus Konserven verzehrten.

Beim Verzehr von Obst aus Konserven, frischen Früchten und Gemüse oder frischem und gefrorenem Fisch unterschieden sich die BPA-Werte nicht.

Tracey Woodruff, Leiterin des Forschungsprogrammes zu Fortpflanzungsgesundheit und Umwelt der Universität von Kalifornien in San Francisco betonte, dass Gemüse und Obst für die Ernährung von Schwangeren eine große Rolle spielen. Sie sagte jedoch, der neue Forschungsbericht lege nahe, dass es besser sei, sich für frische Produkte anstatt für solche aus Konserven zu entscheiden.

Frauen geringerer Bildung hatten höhere BPA-Werte und die Forscher vermuteten, dass dies etwas mit dem Verzehr von mehr Gemüse aus Konserven zu tun haben könnte. Ein schwächerer Zusammenhang bestand zum Einkommen, mit geringfügig höheren BPA-Werten bei Frauen die weniger als 20.000 Dollar im Jahr verdienen.

Frauen die angaben, dass sie teilweise Vegetarier wären, hatten höhere BPA-Werte als Frauen die strenge Vegetarier oder Nichtvegetarier waren. Dies konnten die Autoren nicht erklären, wie sie sagten, lagen hierfür zu wenig Daten vor, da nur fünf der Frauen strenge Vegetarier waren. Die Wahl von Produkten aus biologischem Landbau ergab keinen Unterschied bei den BPA-Werten.

Die Forschung hat lange angenommen, dass die BPA-Belastung überwiegend von Lebensmitteln und Getränken ausgeht, die mit dieser Chemikalie kontaminiert werden, wenn sie sich aus den Konserven und den Hartplastikflaschen löst. Doch die neuen Daten lassen darüber hinaus die Bedeutung von anderen Quellen erahnen.

Entscheidend war die Berufstätigkeit:

Frauen die Kassiererinnen waren hatten die höchsten Werte, Arbeiterinnen in der Produktion und Lehrerinnen hingegen die niedrigsten. Schwangere Kassiererinnen hatten im Durchschnitt 55 Prozent mehr BPA in ihrem Urin als schwangere Lehrerinnen.

BPA ist in vielen Kassenbons enthalten und kann über die Haut aufgenommen oder verschluckt werden. Das Tragen von Handschuhen kann die Belastung verringern. Einige Firmen setzen die Chemikalie nicht mehr ein. Appleton Papers, der größte Hersteller von Thermopapier in Nordamerika erklärte, dass BPA seit 2006 nicht mehr verwendet wird. [Anm. der Redaktion: Am 08.10.2010 geändert]

Erhöhte Werte wurden auch bei Frauen gefunden, die Zigaretten rauchten oder passiv Rauch einatmeten und bei Frauen, die einer Belastung mit Phthalaten ausgesetzt waren, eine Chemikalie aus Vinylprodukten. BPA wird zur Herstellung mancher Zigarettenfilter und phthalathaltiger Lebensmittelverpackungen eingesetzt.

Eine der Stärken dieser Studie besteht darin, dass die Wissenschaftler das Blut oder den Urin der Frauen auf Substanzen testeten, die als Biomarker für Tabakrauch und Phthalate bekannt sind. Diese führen zu verlässlicheren Ergebnissen als die Daten zu Lebensmittelkonserven, die durch Befragung erhoben wurden.

Es wurden keine Daten erfasst, in welchem Umfang die Frauen Plastikgegenstände, abgepackte Lebensmittel und Trinkwasser aus Flaschen benutzen, oder sich Zahnbehandlungen unterzogen. Alle dabei zum Einsatz kommenden Materialien können BPA enthalten.

„Es ist immer noch wenig darüber bekannt, welchen Anteil die unterschiedlichen BPA-Quellen an den gemessenen BPA-Urinwerten haben“, schrieben die Autoren. Hauptforschungsleiter war Bruce Lanphear, der früher am medizinischen Zentrum der Kinderklinik von Cincinnati war und nun an der Simon Fraser University in British Columbia ist.

Bei amerikanischen Kindern stammt 99 Prozent ihres BPAs aus der Nahrung, für Erwachsene wurden jedoch keine vergleichbaren Studien durchgeführt, sagte Braun [Autor s.o.]. Mehr Forschung ist nötig, sagte er, um anderen Quellen zu identifizieren und zu quantifizieren, damit Frauen Wege finden können, die Belastung ihrer Föten zu verringern.

Woodruff, die nicht an der Studie teilnahm, appellierte an die Gesetzgeber, den Gebrauch von BPA in so verbreiteten Dingen wie Kassenquittungen und Lebensmittelkonserven einzuschränken. Sie sagte, die Chemikalie wäre so allgegen- wärtig, dass sie wie die Luftverschmutzung für die Menschen, nicht zu umgehen wäre. „Wenn wir diesbezüglich [Belastung der Föten] nicht alles unternehmen, können wir die Belastung der empfindlichsten Bevölkerungsgruppe kaum vermeiden“, sagte Braun.

„Man kann BPA nicht vermeiden, solange man es nicht los wird“, sagte Woodruff. „Es ist vor allem das Versagen der bestehenden Gesetze, Chemikalien denen man unfreiwillig ausgesetzt ist und die unserer Gesundheit schaden können, angemessen zu regulieren.“

Autor: Marla Cone, Chefredakteurin von Environmental Health News

Übersetzung: BrunO für CSN

Bildmaterial: Bild I: srs001, Bild II Pete Myers

Der Original Artikel wurde am 08. Oktober 2010 veröffentlicht.

Ganz herzlichen Dank an Enviromental Health News für die Genehmigung den Artikel übersetzen zu dürfen.

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Hexenjagd auf Komplementär- und Umweltmedizin oder reiner Lobbyismus?

Die Komplementärmedizin hat in Deutschland ähnlich wie die Umweltmedizin einen schweren Stand. Verstaubte, verknöcherte Strukturen und Industrielobbyismus stemmen sich vehement gegen alles, was nicht ins Konzept passt. Arg wird es, wenn die Presse das Spiel mitspielt, statt kritisch zu recherchieren, warum man in Deutschland so gut wie gar keine Toleranz für eine neue Medizin hat, die auch Ursachenforschung betreibt. Im Spiegel, der Süddeutschen und aktuell in Die Zeit, wurde dem Leser suggeriert, dass er sich regelrecht in Abgründe begibt, wenn er sich auf Alternativmedizin einlässt.

Lobbyjournalismus

Warum solche Artikel lanciert werden, die Komplementär- und Umweltmedizin ad absurdum führen wollen, lässt sich leicht durchschauen, man braucht bloß einen Blick auf die Anzeigen zu werfen, mit denen die Blätter gefüllt sind und finanziert werden. Wer sich dann noch die Mühe macht, die Aufsichtsratspositionen und Gremien der Experten zu sichten, die herangezogen wurden, um den Artikeln dem Nimbus zu verleihen, hier spräche die Wissenschaft, wird nicht mehr länger verwundert über den Tenor der Artikel sein.

Alternativmedizin unerwünscht

Im September nahm Die ZEIT die Komplementärmedizin ins Fadenkreuz und forderte den Rückzug in den Muff der alten Zeiten, als Medizin noch „richtige Medizin“ war. Können wir uns einen Rückzug in die „richtige alte Medizin“ erlauben? Ein klares Nein, in Anbetracht der Zunahme chronischer und neurodegenerativer Erkrankungen, deren Ursache in unserer mit Chemikalien überfluteten Umwelt zu suchen ist.

Lobby-Drehtüren abschaffen, frischen Wind einlassen

Die deutschen medizinischen Fakultäten täten wahrlich besser daran, in Bezug auf Umwelt und Alternativmedizin ihre Fenster und Türen sperrangelweit zu öffnen und frischen Wind durch die Gänge wehen zu lassen, um auf internationalem Parkett nicht gänzlich den Anschluss zu verlieren – an eine moderne Medizin, die anderorts beachtliche Erfolge aufzuweisen hat und sich auf das Patientenwohl fokussiert. Unserem Gesundheitssystem und der Gesundheit unserer Allgemeinbevölkerung wäre mit einer Öffnung besser gedient, als mit dem Installieren von Lobby-Drehtüren an deutschen Universitäten, die Industrie und deren Gewinnmaximierung dienen, ohne Rücksicht auf Gesundheit und Umwelt.

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Zum Artikel “Wehe! Wehe!” von Harro Albrecht (Die Zeit, Nr. 37, 09.09.2010) schrieb die Karl und Veronica Carstens-Stiftung eine Stellungnahme:

Aber! Aber!

In den deutschen Leitmedien scheint es geradezu als schick zu gelten, Homöopathie, Akupunktur oder Ayurveda zu verteufeln. Während vom Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL die Homöopathie im Sommer noch als „Hokuspokus“ und „mystischer Käse“ abgetan wurde, bezeichnet die Wochenzeitung Die ZEIT die Komplementär- medizin nun als „magisch-mystische Lehre“, „Zauberkunst“ oder „Paramedizin“. Angesichts der Tatsache, dass die „mystische Lehre“ jetzt obendrein Einzug an deutschen Universitäten hält, kann ZEIT-Autor Harro Albrecht nur mahnen: „Wehe! Wehe!“ Wie gut waren doch die alten Zeiten, in denen noch „richtige Medizin“ gelehrt wurde, „richtige deutsche Mediziner“ ein Vorbild in der Welt waren, das Qualitätssiegel „Med. in Germany“ noch höchste Anerkennung genoss. Frei nach dem Motto „der Aberglaube frisst die moderne Medizin“, sollen die alternativen Heilmethoden schnell wieder vom Campus verschwinden.

Missstände an deutschen medizinischen Fakultäten

In einer Hinsicht muss man dem Autor Recht geben: Die Missstände an den deutschen medizinischen Fakultäten sind in der Tat beklagenswert. Bei allem Klagen über schlechte Ausbildung, “Deprofessionalisierung“ und „Entakademisierung“, über „wenig ergiebige“ Dissertationen fragt man sich allerdings: Was hat das Ganze mit Naturheilkunde & Co zu tun? Warum müssen ausgerechnet die komplementären Verfahren als Prügelknabe herhalten?

Forschung zur Komplementärmedizin weltweit

Wer befürchtet, international den Anschluss zu verlieren, sollte über den nationalen Tellerrand hinausschauen. Er wird feststellen: Ohne universitäre Programme zur Komplementärmedizin ist die Gefahr, ins wissenschaftliche Abseits zu geraten, ungleich größer. Die deutsche Medizin muss sich anstrengen, möchte sie im internationalen Vergleich mithalten.

In den USA ist die Forschung zur Komplementärmedizin (Complementary and Alternative Medicine = CAM) von staatlicher Seite seit Jahren fest etabliert. An 82 von insgesamt 125 medizinischen Hochschulen ist CAM als Pflichtteil des Lehrplans festgesetzt. Außerdem wurde das National Center of Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) als Abteilung des NIH (National Institute of Health) eingerichtet. Mittlerweile werden hier jährlich mehr als 120 Millionen Dollar in Forschungsförder- programme investiert – Tendenz steigend! Die Gründe sind unter anderem: In den USA stehen Nebenwirkungen von konventionellen Behandlungen auf Platz 11 aller Todesursachen. Die „Amerikanische Behörde für Technikbewertung“ stellte fest, dass maximal 20 Prozent der Produkte der Pharmaindustrie in ihrer Wirkung wissenschaftlich abgesichert sind. Abgesehen davon wurde 1992 klar, dass die Bevölkerung mehr Geld für komplementärmedizinische Behandlungen ausgibt als für konventionelle.

Dass auf europäischer Ebene Bewegung in die Sache kommt, zeigt die Integration der Komplementärmedizin ins 7. EU-Forschungsprogramm.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in einer Resolution den Stellenwert der Komplementärmedizin und der traditionellen Medizinsysteme hervorgehoben. Es ist ein Armutszeugnis für den Wissenschaftsstandort Deutschland, dass z.B. Homöopathie-Studien heutzutage aus dem Iran, Indien oder Brasilien kommen und die Phytotherapieforschung nahezu komplett in amerikanischer Hand ist – teilweise mit sensationellen und zukunftsweisenden Resultaten.

Wissenschaft im Dienste der Bevölkerung

Dass die Komplementärmedizin Einzug an deutschen Universitäten hält, hat weniger etwas mit „gutem Sponsoring“ zu tun, sondern zeugt vielmehr von gesundem Pragmatismus. Der Autor schreibt selbst: Je nach Umfrage haben bis zu zwei Drittel aller erwachsenen Bundesbürger schon einmal alternative Heilmethoden in Anspruch genommen.

Wo die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt, beschreitet die Komplementärmedizin Therapiewege, die offensichtlich Erfolg versprechend sind. Gerade weil die moderne Medizin chronisch kranken Patienten keine kurativen Therapiemöglichkeiten anbieten kann, suchen diese nach Möglichkeiten, ihre Lebensqualität zu steigern.

Es ist im unmittelbaren Interesse der Patienten und einer Verbesserung der Versorgung, mehr Klarheit über komplexe Therapieverfahren – wie zum Beispiel der Homöopathie oder der Traditionellen Chinesischen Medizin – zu erlangen. Wenn Wissenschaft zum Selbstzweck wird und sich nicht mehr um die Probleme der Patienten kümmert – dann sind die Universitäten auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen.

Wissenschaft im Dienste der Ärzteschaft

Eine aktuelle Umfrage belegt, dass 40 Prozent der Entscheidungsträger an den medizinischen Fakultäten eine positive Einstellung gegenüber komplementären Methoden haben. Die wachsende Zahl von Ärzten mit den Zusatzbezeichnungen Akupunktur, Homöopathie und Naturheilverfahren zeigt das zunehmende Interesse der Ärzteschaft und verdeutlicht die Notwendigkeit der Lehre an den Universitäten.

Die Komplementärmedizin ist längst auf allen Ebenen angekommen: Die Landesärztekammern verleihen die Zusatzbezeichnung erst nach zertifizierter Weiter- bildung, für die eine Facharztbezeichnung Voraussetzung ist.

Die Bundeärztekammer leistet sich eine Einrichtung namens „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“ – ins Leben gerufen vom Präsidenten der Bundesärzte- kammer persönlich. Ja, sogar die gesetzlichen Krankenkassen erstatten für spezielle Verfahren die Kosten ganz oder teilweise.

Es ist an der Zeit, den ärztlichen Nachwuchs in Deutschland zu professionalisieren. Die Relevanz ist offensichtlich.

Bestandteil der universitären Ausbildung sollte es daher sein, die Studierenden so neutral wie möglich über komplementäre Therapieverfahren zu informieren. Nur so können die angehenden Ärzte ihre Patienten später auch zu diesen Fragen fundiert beraten.

Die Karl und Veronica Carstens-Stiftung hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, schon im Studium Grundlagenwissen zur Komplementärmedizin zu vermitteln.

Dabei ist das Nachwuchsförderprogramm der Stiftung in der Universitätsmedizin ohne Beispiel: Studenten werden durch Arbeitskreise, Kongresse, Promotions- seminare und Stipendien betreut – das Niveau der Forschungsarbeiten ist herausragend. Das ist eine angemessene und konstruktive Antwort auf die vom Autor bemängelten Zustände an den Universitäten.

Problem Drittmittel-Finanzierung?

In ihrem gerade erschienen Buch „Gesunder Zweifel“ über den Aufstieg und Fall des ehemaligen IQWIG-Chefs Peter Sawicki, schreibt die Journalistin Ursel Sieber: „Heute hängen Professuren am Tropf der Industrie.“

Falls die Fremdfinanzierung an den medizinischen Hochschulen ein Problem darstellen sollte, dann sicher nicht auf Seiten der Komplementärmedizin: Von derzeit insgesamt 2.839 Medizin-Professuren haben lediglich 8 (!) die Komplementärmedizin zum Inhalt – alle 8 sind Stiftungsprofessuren, denn eine staatliche Förderung findet in Deutschland bis heute nicht statt.

CARSTENS-STIFTUNG, Stellungnahme der Karl und Veronica Carstens-Stiftung zum Artikel “Wehe! Wehe!” von Harro Albrecht (Die Zeit, Nr. 37, 09.09.2010), www.carstens-stiftung.de

Ein MCS-Patient berichtet: Mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus

MCS – Ein Fremdwort für die meisten Ärzte und Kliniken?

Was ich mir nie hatte vorstellen können, wurde am 17.9.2010 zur bitteren Erfahrung…

Gegen 18.00 Uhr bekam ich plötzlich und ohne Vorankündigung heftige Schmerzen in der Brust, kalte Schweißausbrüche, mir wurde schwindelig, meine Arme waren schwer wie Blei, taten unheimlich weh. Ich bekam Luftnot und Panik…

Da bei mir der PC lief, gab ich das Stichwort “Symptome bei Herzinfarkt” ein, sah auf dem Bildschirm das, was ich gerade verspürte.

Völlig verwirrt rief ich 110 an, hatte die Polizei am Apparat, schilderte meine Probleme und die Tatsache, dass ich völlig allein im Haus war. Der Polizist fragte mich, ob ich in der Lage sei 112 anzurufen – war ich!

Eine Männerstimme fragte meine Beschwerden ab, es wurde mir mit ruhiger Stimme erklärt, dass schon während dieses Telefongesprächs der Notarzt und Rettungswagen unterwegs sei.

Der Notarzt trifft ein

Ich lag auf meinem Sofa, sprach vor Schmerzen mit mir selbst, dann hörte ich die Sirene, wenig später standen Männer vor meiner Tür. Ich schaffte es noch selbst die Haustür zu öffnen, dann war ich diesen Herren ausgeliefert, aber auch etwas erleichtert.

Es wurde sofort ein EKG gemacht, der Notarzt sagte mir, ich hätte einen Herzinfarkt, er würde mich ins Krankenhaus bringen.

Oh nein, dachte ich, ins Krankenhaus…

Ich erzählte dem Notarzt kurz von meiner Chemikalienunverträglichkeit. Dieser schaute mich an, meinte, da müsse ich jetzt durch…

Per Rettungswagen ins Krankenhaus

Im Rettungswagen wurde ein erneutes EKG geschrieben, der aufnehmenden Klinik per Fax übermittelt.

Mit Blaulicht ging es zur Klinik, ich wurde in Empfang genommen, alles ging sehr schnell, ich sah nur die Decken der Flure…

Ein Kardiologe stellte sich mir vor, ein netter Mann, er beruhigte mich, er scherzte sogar etwas mit mir, stellte fest, dass wir gleich alt waren.

Auf dem Op-Tisch

Wohin ich genau gebracht wurde weiß ich nicht, ich befand mich ziemlich bald auf einem OP-Tisch, wurde für den notwendigen Eingriff vorbereitet.

Ich fühlte mich völlig ausgeliefert, hatte keinen eigenen Willen mehr…

Nach örtlicher Betäubung wurde durch die Leiste mittels Herzkatheder ein sogen. Stent gelegt. Laienhaft gesagt wurde eine Leitung des Herzens geweitet und – wie ich es mir vorstelle – eine Art Hülse eingesetzt. Der Kardiologe arbeitete sehr konzentriert, zeigte mir auf einem Bildschirm seine Arbeit. Als er fertig war, sagte er mir, er hätte mein Herz repariert.

Intensivastation

Bis 18.9. in den Abendstunden lag ich verkabelt mit einem weiteren Patienten in einem Zimmer auf der Intensivstation, dann wurde ich auf eine Überwachungsstation, angeschlossen an einem Monitor, verlegt. Wiederholt wurde ein EKG geschrieben, Blutdruck gemessen – ich unterlag der totalen Überwachung.

Es war wohl eher Zufall, dass ich allein im Zimmer war, aufstehen durfte ich nicht!

Auf Station nahm man Rücksicht auf MCS

Am 20.9. entschieden die Ärzte, mich auf eine “normale” Station zu verlegen.

Bis dahin ging es mir relativ gut, ich erzählte pausenlos von meiner Chemikalienunverträglichkeit. Zunächst ziemlich ungläubig wurde dann aber doch so gut es ging Rücksicht auf mich genommen. Das Fenster blieb geöffnet, die Reinigungskraft sollte mein Zimmer nicht wischen, an der Tür hing ein Hinweisschild, fremde Personen sollten sich vor Betreten im Stationszimmer melden.

Das Personal war einparfümiert, keine Frage – doch irgendwie hatte ich das Gefühl, ernst genommen zu werden. Unangenehm war dieser ständige Geruch nach diesem typischen Desinfektionsmittel der Hände. Klinikeigene Mittel, die in der Waschecke standen, wurden entfernt. Zu meiner Überraschung rochen Bettwäsche und Handtücher nicht nach parfümiertem Waschmittel.

Zum Waschen benutzte ich zunächst klares Wasser, bekam neutral riechende Einmalwaschtücher. Später benutzte ich meine eigenen Sachen, die mir meine Ehefrau ins Krankenhaus brachte. Ich wurde nur mit dem, was ich am Körper trug, ins Krankenhaus eingeliefert, hatte keine Zeit irgendetwas mitzunehmen.

Verlegung in einen Container

In den Abendstunden des 20.9.2010 erfolgte die Verlegung. Meine neue Station befand sich aufgrund von Erweiterungsbauten des Krankenhauses in Containern.

Eine fürchterliche Luft schlug mir entgegen, ich wurde in ein sehr enges 3-Bett-Zimmer geschoben. Das war kein Krankenzimmer, das war ein Aufbewahrungsort für Menschen, die sich nicht wehren konnten.

Zwischenzeitlich war meine Ehefrau eingetroffen, auch sie bemerkte diese grauenhafte Luft. Mein Kopf zog sich zusammen, ein Kratzen im Hals stellte sich ein, ich bekam Panik – hier sollte ich bleiben?

Ich sprach die Stationsschwester an, verwies auf meine Akte, in der sich MCS-Informationen befanden. Ich bekam einen einfachen Mundschutz, meine MCS-Maske lag sinnigerweise zu Hause. Mit diesem Mundschutz lag ich im Bett, meine Ehefrau hatte zu diesem Zeitpunkt die Klinik bereits verlassen.

210/120 psychisch?

Routinemäßig wurde mein Blutdruck überprüft – die Mitarbeiterin war erschrocken, lag dieser doch bei 210/120. Ein gerade anwesender Arzt wurde gerufen.

Dieser hörte sich meine Probleme und meine Hinweise auf MCS zwar an, meinte aber, das sei wohl psychischer Natur, wollte mir ein Medikament verabreichen, mich nicht von der Station nehmen.

Trotz oder gerade wegen meines angeschlagenen Zustands platzte mir der Kragen.

Ich warf ihm ärztliches Fehlverhalten vor, fragte ihn, ob er als derzeit anwesender Arzt die Verantwortung für einen Blutdruck von 210/120 nach einem Herzinfarkt übernehmen könne. Ich verweigerte ein Medikament, verlangte von ihm nichts weiter als frische Luft. Ich drohte damit, das Krankenhaus sofort zu verlassen.

Bevor dieser Arzt sich dann doch zu einem Telefon begab, meinte er, ich könne jederzeit gehen, das Krankenhaus sei schließlich kein Gefängnis. Nach seinem Telefonat kam er zu mir zurück, erklärte mir kurz und knapp, ich würde sofort zurückverlegt werden. Als ich noch etwas sagen wollte, würgte er mich mit den Worten, er hätte jetzt keine Zeit mehr, müsse in die ZNA (Zentrale Notaufnahme), dort hätte er noch weitere Patienten, ab.

Bessere Luft verbessert Blutdruck auf 150/80

Kurze Zeit später wurde ich auf die Station, von der ich kam, zurückverlegt, wurde in eine Ecke eines großen Patientenzimmers vors Fenster geschoben. Zu diesem Zeitpunkt lag mein Blutdruck bei 190/100 – ca, gegen 04:00 Uhr morgens bei 150/80.

Die folgenden Zeit ließ man mich in Ruhe – wurde EKG gemacht setzte ich meine Maske auf. Dem Oberarzt der Station berichtete ich während seiner Visite sehr genau von diesem Vorfall. Einen MCS-Patienten hatte er vorher noch nicht, jetzt sei seiner Meinung nach ja wieder alles in Ordnung…

Meine Werte waren gut, eine Röntgenuntersuchung der Lunge, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens fiel nicht negativ aus, am 22.9.2010 konnte ich das Krankenhaus verlassen.

Entlassung und REHA

Im Krankenhausbericht steht von diesem Vorfall nichts!

Meinem Hausarzt aber berichtete ich sehr genau, was am 20.9. dort vorfiel – er meinte lediglich, die hätten mir das Leben gerettet.

Der Sozialdienst des Krankenhauses, der ebenso keine Ahnung von MCS hatte beantragte bei meiner Krankenkasse eine REHA.

Meine Krankenkasse schlug eine Klinik an der Ostsee vor, ich bekam die Telefonnummer der dortigen Chefärztin. In einem Telefongespräch erklärte mir die Chefärztin, ihre Klinik sei für die REHA eines MCS-Betroffenen völlig ungeeignet!

Die Mitarbeiterin meiner Krankenkasse meinte, sie könne mir keine Alternative zu dieser Klinik bieten.

Was sie mir verschwieg:

Gemäß § 9 SGB IX und § 33 SGB I haben Versicherte bei der Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ein Wunsch- und Wahlrecht.

Ich habe also nicht nur einen Anspruch auf eine REHA, ich darf mir die Klinik selbst aussuchen.

Im Internet fand ich, dass Krankenkasse diesen Wunsch gern entweder ablehnen oder aber eine Zuzahlung fordern:

“Ein Rehabilitationsträger (z.B. der Gesetzlichen Krankenversicherung) ist auch nicht berechtigt, Ihren Wunsch nur unter der Bedingung nachzukommen, dass Sie eventuell entstehende Mehrkosten als Differenz zum Pflegesatz einer vom Rehabilitationsträger bevorzugten Einrichtung selber zahlen. Eine solche Zuzahlungspflicht sieht das Gesetz nicht vor! Es gilt das Sachleistungsprinzip, d.h. Sie haben gegenüber dem Kostenträger einen gesetzlichen Anspruch auf die Rehabilitationsleistung und nicht nur auf Kostenerstattung. Üben Sie also Ihr Wunschrecht aktiv aus!”

Gibt es eine MCS-gerechte REHA Klinik?

  • Ich habe also ein Wahlrecht – welche Klinik aber kann ich wählen?
  • Welche Klinik führt eine REHA nach Herzinfarkt bei gleichzeitiger MCS durch?
  • Wo ist diese Klinik, die auf die Bedürfnisse derer die an MCS erkrankt sind, Rücksicht nimmt?

Ich fürchte, ich werde keine REHA durchführen können.

Autor: Manfred Flor für CSN – Chemical Sensitivity Network, Hamburg 26.09.2010

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

Glosse: Elektroschock, die Therapie der Wahl bei MCS

Den CSN-Blog erreichte neulich eine Email vom dänischen Forschungszentrum für Chemikaliensensitivität. Eine für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Journalistin schrieb im Auftrag der Forschungsleiterin. Infolge dessen las sich die ganze Mail wie eine Hochglanz-Werbebroschüre für das Forschungszentrum. Man glaubte, etwas richtig stellen zum müssen, da in der Öffentlichkeit durch Beiträge im Canary Report und bei CSN über die Arbeit dieser Einrichtung an der Kopenhagener Universitätsklinik Gentofte ein falschen Eindruck entstanden wäre. Zugleich wünsche man aber keine Veröffentlichung dieser Richtigstellung. Das Forschungszentrum verfüge nicht über die Ressourcen, sich mit langen Debatten im Internet abzugeben und wolle diese auch nicht, deshalb sei eine Veröffentlichung der besagten Email unerwünscht.

Bitte sehr, wir rücken nichts zurecht und bleiben bei unserer Auffassung, dass ECT, Electroconvulsive Therapy (Anwendung von Elektroschocks) für MCS und darüber hinaus für jegliche Erkrankung ziemlich daneben ist. So können wir nun natürlich auch nicht weitergeben, welchen Stellenwert dieser Therapieansatz in der Arbeit des Forschungszentrums hat. Der Makel, dieses unappetitliche Thema überhaupt angefasst zu haben, bliebt somit an dieser Einrichtung für immer hängen.

ECT ist grobe vorsätzliche Körperverletzung und wird auch irgendwann als solche verboten werden. Daran wird weltweit gearbeitet. ECT ist nichts anderes als elektrische Lobotomie und wurde in den Anfangszeiten von den Anwendern selbst nicht viel anders gesehen. Siehe P.R. Breggin, „Electroshock: scientific, ethical, and political issues“ im International Journal of Risk & Safety in Medicine 11 (1998), S. 20: „6. The brain-disabling principle“ und „Disturbing News for Patients and Shock Doctors Alike„.

Die Schlussfolgerung, welche das Forschungszentrum aus der Anwendung von ECT für MCS zieht, ist kaum klüger, wie jene Diagnose eines Forschers in einem brutalen Witz: „Ein Wissenschaftler schneidet einem Frosch ein Bein ab und befiehlt ihm zu springen: „Los Froschilein, springe!“ Das arme Tier tut es. Selbst mit zwei fehlenden Beinen tut es sein bestes und springt. Als der Frosch ganz ohne Beine nicht mehr springen kann, stellt der Forscher bei dem Frosch Taubheit fest.“

Nicht viel logischer ist es, von ECT für irgendeine Erkrankung eine positive Wirkung abzuleiten. Man schädigt das Hirn der Betroffen und diese können dann nicht mehr über ihr Leid klagen oder „spinnen“. Auf diese Weise wird MCS plötzlich zumindest teilweise, aber leider nur vorübergehend, „reversibel“. Was für ein Wunder! Wozu also aufwendige Vermeidungsstrategie, Atemschutz, gesunde Ernährung und all dieser Quatsch, wenn es auch so geht. Ab und zu ein paar Stromschläge und die Kranken parieren. Wie wäre es, stattdessen einen Stock zu nehmen? Es wird immer noch sehr angestrengt daran geforscht, wie die therapeutische Wirkung von ECT genau funktioniert. Ein Stock funktioniert viel zuverlässiger und wenn man nur auf den nackten Hintern schlägt, lassen sich Hirnschädigungen weitgehend ausschließen.

Man bot in der Mail an, auf persönlicher Ebene gerne weitere Fragen zu beantworten. Darauf verzichten wir!

Autor: BrunO für CSN

Englische Version im EMM Blog:

Gloss: Electric Shock, the Treatment of Choice for MCS

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“

Das Öl ist überall

Krise der Demokratie: Wirkliche Lösungen für die BP-Ölkatastrophe

Der BP-Ölunfall hat den Bewohnern am Golf von Mexiko das Problem der unkontrollierten Macht von Konzernen schmerzhaft vor Augen geführt. Riki Ott, Überlebende des Exxon-Valdez Unglücks, meint, dies könnte Anlass sein, uns die Demokratie über alle politischen Unterschiede hinweg wieder anzueignen.

Als der Öltanker Exxon Valdez in der Prince William Meerenge in Alaska auf ein Riff lief, lebte Riki Ott in der Nähe der kleinen Stadt Cordova, wo sie als gewerbliche Fischerin arbeitete, die zugleich über Meeres-Toxikologie mit Schwerpunkt Ölverschmutzung promoviert hatte. Sie bekam die Zerstörung einer Stadt, eines Ökosystems und einer Lebensweise aus erster Hand mit – wie auch den verlorenen Kampf, dies alles zu retten.

Einundzwanzig Jahre nach Exxon-Valdez hat der Konzern lediglich ein Zehntel der ursprünglich festgelegten Schadenersatzsumme ausgezahlt. Ott erkennt einige Taktiken von Exxon im derzeitigen Gebaren von BP wieder: Das Ausmaß des Unglücks geringer angeben, Schäden verbergen und herunterspielen, frühzeitig versuchen, die juristische Verantwortung zu begrenzen. Sie war seit Anfang des Sommers ganz nahe an den Ereignissen im Golf, um andere von ihren Graswurzel-Strategien für Widerstand und Schadensbeseitigung profitieren zu lassen. Doch die wahre Krise ist größer als dieser oder jeder andere Ölunfall. Es ist eine Krise der Demokratie: Konzerne sind derart mächtig geworden, dass unser politisches System sie nicht ausreichend reglementieren kann, um solche Katastrophen zu verhindern oder wenn sie geschehen, auf ein verantwortbares Maß zu begrenzen.

Ott erkannte, dass die Macht der Konzerne eine fundamentale Bedrohung darstellt, als sie zusah, wie Exxon weiterhin Gewinne machte, während sie und ihre Nachbarn ihre Existenzgrundlage mit wenig Aussicht auf Entschädigung verloren. Nun sieht sie in der Golfregion ein ähnliches Erwachen der Bewohner, die über politische Barrieren hinweg zusammenarbeiten, um von BP Gerechtigkeit zu erfahren.

Ott glaubt, dies könnte der Impuls zum Durchbruch sein, von den Konzernen die Macht zurück zu fordern. Sie berichtete der Online-Redakteurin Brooke Jarvis vom ‚YES! Magazine‘ von den besten Strategien, um unsere Demokratie zu gebrauchen und letztlich wieder herzustellen.

Brooke: Letzte Woche (Mitte August) hat BP angekündigt, dass sie keine neuen Schadenersatzforderungen mehr akzeptieren werden; die großen amerikanischen Zeitungen fragen; „Wo ist nun das Öl?“ Ist das Unglück vorüber?

Riki: [lacht] Nicht, wenn sie in meinen Email-Eingang sehen. Mich verwundert das alles: Was soll diese Farce? Weshalb gibt es dieses starke Bestreben, alles als beendet zu erklären? Ich denke, es kommt dem am nächsten, wenn eine Versicherungsgesellschaft nach einem Verkehrsunfall so schnell wie möglich abrechnen möchte. Sie möchten sagen können: „Es tut uns leid, Sie haben dieses Dokument hier bereits unterschrieben, und wir haften nicht weiter für diesen Fall.“ Ich denke, die Vorstellungen von BP gehen gerade sehr in diese Richtung. Dieses toxische Gebräu aus Öl und Dispergiermitteln, das im Golf freigesetzt wurde, ist ein Experiment – es ist nicht erforscht, deshalb wissen wir zurzeit nicht, welchen Schaden es hervorrufen wird. BP denkt, wenn sie nun entschädigen, müssen sie nicht für den absehbaren Schaden aufkommen, der eintreten wird.

Die Exxon-Valdez hat uns gezeigt, dass Ölunfälle in der Tat langfristige Schäden verursachen. Der Heringsfang in der Prince William Meerenge ruht immer noch – er ruht auf unbestimmte Zeit, bis sich die Bestände erholen, und wir unterhalten uns nun einundzwanzig Jahre später, und wie jeder weiß, war es weniger Öl.

Brooke: Wird jeder in der Golfregion Schwierigkeiten bekommen, der das Öl oder seine Wirkung nicht ignoriert?

Riki: Als das schändliche Tortendiagramm veröffentlicht wurde, legten es die Medien so aus, dass 75 Prozent des Öls verschwunden wären. „Aufgelöstes“ Öl ist aber nicht verschwundenes Öl, es mag auf der Oberfläche nicht vorhanden sein, aber es ist in der Wassersäule, es überzieht den Meeresboden, es ist in der Nahrungskette. Wenn Sie die Anteile des „chemisch aufgelösten Öls“ und des „natürlich aufgelösten Öls“ zum restlichen Öl hinzu addieren, sind in Wahrheit 75 Prozent des Öls immer noch da, nur in anderer Form. Für BP ist es wirklich praktisch, dass es nicht an der Oberfläche ist – und dies mag bei der Entscheidung, diese toxischen Dispergentien einzusetzen, eine Rolle gespielt haben, denn diese erleichtere es zu behaupten, das Öl wäre weg.

An jenem Tag nahm ich an einem Treffen in Gulfport, Mississippi mit ungefähr 100 Fischern aus vier verschiedenen Bundesstaaten teil. Die Mobiltelefone der Leute liefen von den eintreffenden Berichten heiß, über Boote und Flugzeuge, die nachts Dispergiermittel sprühten, über Leute, die besprüht, den Mitteln ausgesetzt und krank wurden – ich meine derart krank, dass sie braunen Auswurf hatten und braun urinierten – und Berichte über Fischsterben und Muschelsterben. In dem Augenblick in Gulfport, Mississippi zu sein, als die Katastrophe für beendet erklärt wird, während Fischer aus vier verschiedenen Staaten gerade Anrufe von Zuhause bekommen und „Oh mein Gott, oh mein Gott!“ sagen, war ein erstaunlicher Kontrast. Der entstehende Schaden gab sich gerade als Realität zu erkennen, als BP und Regierung mit dem „Alles wäre vorüber“ Spiel anfingen.

Das war eine schlimme Woche. Ich versuchte, Leute in Unfallstationen bringen zu lassen und Ärzte zu finden, die ihre Symptome richtig diagnostizieren. Die Menschen sind krank, und was ich absolut unentschuldbar finde, ist zu behaupten, alle diese Erkrankungen wären etwas anderes als das, was sie sind. Mein Gott, ich sprach mit Arbeitern, die Ölsperren ausgelegt hatten und bei denen damals im Mal Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag diagnostiziert wurde, die immer noch mit den gleichen Symptomen erkrankt sind. Dauern Lebensmittelvergiftung und Hitzeschlag drei Monate?

Und dann gab es die Mitteilung, dass Fischereiprodukte gefahrlos verzehrt werden könnten. Die Fischer würden nichts mehr lieben als wieder hinaus zu fahren und etwas zu fangen, das man sicher essen kann. Aber sie sind diejenigen, die dort draußen mit ihren Sonaren falsche Tiefen messen – für das Tiefenmessgerät ist es 3.7 Meter (12 feet) tief, aber in Wirklichkeit sind dort unten Schwaden aus Öl und Dispergiermitteln. Sie haben aus ihren Booten absorbierende Ballen hinunter gelassen, einfach um festzustellen, was dort unten ist. Als die Ballen wieder an die Oberfläche kamen, trieften sie vor Öl – obwohl die Oberfläche sauber war und blau funkelte. Sie sagen, „Nein, wir wollen in so etwas nicht fischen. Wir denken nicht, dass Nahrung aus dem Meer sicher ist“.

Brooke: Es muss zornig machen, wenn sich sogar Leute von Ihnen abwenden, während es immer noch so viel Leid gibt. Was macht man in so einem Fall?

Riki: Im Grunde sind wir hier noch mitten in einem Krieg, indem wir so gut wie möglich versuchen, dieses sich entwickelnde Grauen zu dokumentieren, das aufgedeckt wurde. Wir versuchen die Leute bei Laune zu halten und sagen: „Das gehört alles zum Spiel und wir haben gerade den nächsten Level geschafft, bleibt beisammen und deckt auf, was passiert. Macht die Fotos, schreibt die Berichte, dokumentiert weiter. Den ganzen Sommer gab es Lügen. Das einzige, was sich geändert hat, ist, dass dies noch heftiger geschieht. Darum lasst uns weiter am Ball bleiben.“

Wir stecken viel von unserer Kraft in Umweltstudien mit Bürgerbeteiligung. Damit meine ich, Daten der Luft- und Wasserqualität, der öffentlichen Gesundheit und von Giftstoffen im Blut der Menschen zu sammeln. Vielen Menschen fehlt das Selbstvertrauen, ihre Erkrankungen, – Kopf- und Halsschmerzen, Pusteln – mit Chemikalien in Zusammenhang zu bringen, einfach weil die Bundesbehörden ihnen erzählen, dass es keine Probleme mit der Luft- und Wasserqualität gibt. Wir nehmen Proben,, um zu beweisen, dass es welche gibt. Wir versuchen auch, in jeden betroffenen Bundesstaat eine öffentliche Klinik zu gründen und Gesundheitsdienstleistern zu helfen, chemische Erkrankungen zu erkennen.

Brooke: Sie haben neulich geschrieben: „Bei diesem Kampf geht es um weit mehr als nur Dollars und Schäden. Es geht um die Fähigkeit unseres Landes, große Konzern-Kriminelle im Sinne des öffentlichen Interesses zur Verantwortung zu ziehen und sicher zu stellen, dass sie sich an die Gesetze halten, die wir beschließen. Was bedeutet es, über die sich unmittelbar stellende Frage nach der Verantwortung für diese eine Katastrophe hinaus zu gehen und die größere Frage nach der Verantwortung von Konzernen zu stellen?

Riki: Diese BP-Katastrophe ist wie die Exxon-Valdez mehr als eine Umweltkrise – es ist eine Krise der Demokratie. Gerade jetzt steht uns das [übliche] Spiel bevor: Die Regierung befasst sich öffentlich damit, ein paar Gesetze werden verschärft. Doch das ist nicht gut genug. Die wirkliche Frage ist, wie können wir diese großen Konzerne kontrollieren?

Die Menschen haben nicht lange gebraucht, um sich mit diesem größeren Thema zu befassen und zu fragen, was wir gegen Konzerne unternehmen können, die völlig außer Kontrolle geraten sind. Ich bräuchte nur fragen, „Denkt jemand, die Regierung hat das Sagen?“ Und niemand würde seine Hand heben. „Gut, wer ist es dann?“, würde ich fragen. „Heißt es [in der Verfassung] ‚Wir das Volk‘, oder ‚Wir der Konzern‘?“ In diesem Fall ist es klar, dass die Konzerne die Fäden ziehen. Die Leute werden von ihren Ständen weg geschubst, man sagt ihnen, sie dürfen keine Kameras dabei haben und dürfen sich den Kadavern [der am Öl verendeten Tiere] nicht nähern. Es ist wie, „Moment mal, ich dachte, wir wären in Amerika?“

Die Leute verbinden die Macht der Konzerne tatsächlich mit der Art, wie diese Katastrophe gehandhabt wird. Zuerst gab es die Ausnahmeregelungen und der Verzicht [auf Kontrolle], was BP gestattete, unzureichende Ausrüstung einzusetzen, die zu diesem Ölunfall geführt hat. Dann kam heraus, dass BP nicht ehrlich war, was und wie viel wirklich aus dem Bohrloch sprudelte – sie hatten seit einem Monat hoch aufgelöste Bilder, die sie der Regierung nie zukommen ließen. Deshalb haben sich die Leute hier unten gewundert, „Warum man es der Industrie überlässt zu sagen, wieviel Öl sie auslaufen ließ, wenn diese eine Strafe zu zahlen hat, welche von der Ölmenge, die sie auslaufen lässt, abhängt?“ Dann gibt es diese Art, mit der sie die Medien – und normale Leute mit Kameras – von der Küste, dem Wasser und den Kadavern ferngehalten haben. Was hier geschieht, ist ein Witz: Die Leute sehen die toten Tiere am Strand, oder sie sehen, wie sich diese in der Meeresströmung zu tausenden ansammeln, und sie wissen, dass diese nicht gezählt werden. Man droht den Leuten mit Arrest, allein schon, wenn sie sich nähern. Die Kadaver werden nicht zur Bemessung des Schadens aufgehoben, wie man es nach der Exxon-Valdez getan hat. Oder wenn Leute von Öl auf der Wasseroberfläche berichten, sehen sie nicht, dass es abgeschöpft oder gesammelt wird; sie kommen am nächsten Tag zurück und sehen diese verräterischen Blasen, wo Dispergiermittel versprüht wurden.

Die Leute haben angefangen zu fragen, „Wie konnte BP so viel Kontrolle erhalten? Warum wurde die Küstenwache als öffentliche Abschirmung gegen uns benutzt. Wer ist dafür verantwortlich?“

Die Konzerne haben wirklich gelernt, solche Situationen zu beherrschen. Sie hatten die Umweltbewegung nicht erwartet, die sich 1969 nach dem Bohrinsel-Unfall vor Santa Barbara entwickelte und die half, die Gesetzgebung, wie z.B. die Gesetze für saubere Luft und sauberes Wasser und das nationale Umweltgesetz, voran zu bringen. Aber seitdem haben sie immer besser gelernt, die Verschmutzung zu managen. Das ist wirklich der größte Unterschied, den ich zwischen der Exxon-Valdez und dem BP-Unfall gesehen habe: Die Konzerne wissen, was sie für ihre Zweck tun müssen, um die Regierung, die Leute und die Medien unter ihre Kontrolle zu bekommen. Sie waren damit sehr erfolgreich, und das sieht man.

Brooke: Gibt es aber eine Chance für einen Impuls zum Durchbruch, eine wirkliche Bewegung, um Konzerne zu kontrollieren, wenn der Unfall und seine Folgen den Einfluss der unkontrollierten Macht der Konzerne dermaßen hervorheben?

Riki: Ich habe festgestellt, dass die Leute dazu neigen sich zusammenzuschließen, um ihre Lebensweise zu verteidigen, wenn es zu einer Katastrophe wie dieser kommt. Die Grenzen zwischen den politischen Lagern fangen irgendwie zu wackeln an. Die Wirklichkeit verändert sich genau vor ihrer Nase wahnsinnig schnell und plötzlich funktioniert die Welt nicht mehr so, wie sie dachten. Es gibt eine Möglichkeit, diese Grenzen zu überwinden, die normalerweise sehr fest und eng und beständig sind und uns in Rot und Blau, in liberal und konservativ trennen.

Ein Beispiel, und es ist nur eines. Als ich in Fort Walton, Florida war, schrieben wir eine Petition, um die EPA (US-Umweltbehörde) mit der Befugnis auszustatten, Produkten, welche die Öffentlichkeit nicht wünscht, die Zulassung zu entziehen (zur Zeit kann die Zulassung nicht aberkannt werden und das macht es schwer, Unterstützung für ein Verbot des Dispergiermittels Corexit zu bekommen). Alle waren wild begeistert, einschließlich einiger Leute, die nach einer elektronischen Fassung fragten, damit sie diese in ihrem Netzwerk von 78 Tea-Party-Gruppen [linksallergische Klüngel und Sexualpraktik] im ganzen Bundesstaat Florida verbreiten können. Mich hat das fast umgehauen. Und die waren ebenso überrascht zu erfahren, wie viel wir gemeinsam haben – ich hatte Leute im Publikum, die anschließend erschrocken sagten, „Ich fühlte mich durch nichts von dem, was Sie erzählten, angegriffen“. Dann baten sie mich vorbeizukommen und einen Vortrag über die Entwicklung der Persönlichkeitsrechte von Firmen und den Niedergang der Demokratie zu halten. Gruppen in Tallahassee, Florida und Jackson, Mississippi haben gesagt, sie möchten bei „Move to Amend“ mitmachen, ein nationaler Zusammenschluss zur Änderung der US-Verfassung, die dafür sorgen soll, dass nur Menschen verfassungsmäßige Rechte haben und dass nicht lebende Konstrukte – oder wie ich sage, Fünftklässler [Schimpfwort], Dinge ohne Bauchnabel – diese nicht haben.

Ich denke, diese BP-Katastrophe hat der Bereitschaft der Leute, den Mythos zu akzeptieren, dass wir in einer funktionierenden Demokratie leben, einen Schlag versetzt, egal ob sie zu den Roten oder Blauen, zur Tea-Party oder zu sonst was gehören. Nach der Entscheidung (PDF, engl) [des Supreme Court vom 21.01.2010, die Firmen als Personen anerkennt] über die Klage von Citizens United [gegen die FEC (Bundeswahlbehörde)] sagten 80% der Amerikaner ungeachtet ihrer politischen Einstellung, dass sie denken, Firmen sollten nicht jene Rechte haben, welche Menschen besitzen. Doch nun wird es schmerzhaft klar, warum dies so wichtig ist.

Es sind bekanntlich die sozial Schwachen, welche die Bedrohung durch Firmen zuerst erkennen, da es sie zuerst betrifft – sie wissen, wen das Recht schützt, da sie es nicht sind. Wirklich verändert hat sich etwas für jene, die glaubten, die Regierung würde sich um sie kümmern und die Gesetze würden greifen, um sie zu schützen. Wortwörtlich erzählen sie nun das gleiche, das wir nach der Exxon-Valdez in Cordova gesagt haben: „Mir kommt es vor, als ob ein Film von meinen Augen weg gezogen wurde, und ich sehe nun, wie die Welt wirklich funktioniert.“ Ich höre genau dieselben Worte am Golf: „Mir kommt es so vor, als ob ein Schleier von meinen Gesicht gezogen wurde.“ Die Leute wachen nun auf und sie sind bereit, das Joch der Arbeit auf sich zu nehmen, die es braucht, um jenes Land zu schaffen, das wir zu haben glaubten.

Brooke: Was bedeutet dies in den Gemeinden, in denen sie an der Golfküste waren? Was unternehmen die Leute, um eine andere Art von Land zu schaffen.

Riki: Nun, viele von ihnen schließen sich dem Kampf an, die Macht der Konzerne zu begrenzen. Es geht aber um mehr als nur um eine Theorie und eine Verfassungsänderung durch zu bekommen – es geht auch darum, in unseren Gemeinden Demokratie zu praktizieren. Es wirklich zu tun. Die Vision aufbauen. Ich denke, viele von uns erkennen, was wir tun müssen, und deshalb müssen wir uns hinsetzen und Gemeinde für Gemeinde heraus finden, wie wir selbständiger sein und uns flexibler einrichten können. Eine Übergangsgemeinde werden, unsere Städte dazu bringen, das Kyoto-Protokoll zu unterzeichnen, jede einzelne unserer Gemeinden selbständiger machen. Energie aus der Gegend, Lebensmittel aus der Gegend, lokale Wasserversorgung, Gartenbau, Stärkung der Nachbarschaft, unsere Geschäftsbeziehungen mehr horizontal als vertikal ausbauen.

Stellen wir uns der Herausforderung: Konzerne werden versuchen, alles zu zerstören, was wir in der großen Politik aufgebaut haben. Doch wenn wir in unseren Gemeinden unterhalb der Auflösung ihres Radarschirmes agieren, können wir sehr viel tun. Die Menschen scheinen zu denken, Veränderungen finden immer woanders statt. In Wirklichkeit geht es um ihren Hinterhof. Demokratie ist voller Wirren, aber sie funktioniert tatsächlich, wenn wir uns hinsetzen und anfangen, einander zuzuhören. Und es gibt keine Entschuldigung, es nicht zu tun. Wir wollten Demokratie mit und für die Menschen, und das bedeutet, jeder muss sich aus seinem Sessel erheben und Demokratie lernen. Wenn viele etwas Anstrengendes tun, wird es leichter.

Nachbemerkung:

Ich habe diesen Text übersetzt, weil sich Riki Ott gegen eine Fehlentwicklung unserer Demokratien stark macht. Auch in Deutschland genießen juristische, also biologisch nicht lebende Personen, Persönlichkeitsrechte. Das stört mich schon seit Jahren. Dies führt zu einer Verschiebung des gesetzlich garantieren Schutzes zugunsten des Stärkeren. Das widerspricht rechtlichen Grundsätzen, wie sie z.B. im Straßenverkehr zur Anwendung kommen, wo der Schwächere den größeren Schutz genießt. In einer menschenwürdigen Gesellschaft sollte dies generell der Fall sein.

Eine juristische Person muss sich, wie ich woanders geschrieben habe, nicht die Zähne putzen. Die Definition von Prof. Riki Ott finde ich aber auch praktisch: sie hat keinen Bauchnabel. Im Gegensatz dazu müssen Menschen noch viel mehr, können krank werden und sogar sterben.

Persönlichkeitsrechte für juristische Personen hebeln Artikel 14 Abs. 2 GG aus. Unsere Gesetze schützen das Leben ebenso unzureichend, wie sie eher das unter dem Schutz des Privateigentums stehende Eigentum der Konzerne schützen. Ich kann mir allzu gut vorstellen, wie schnell man sich mit solchen Gedanken den Vorwurf einfängt, ein Kommunisten- und Sozialistenschwein zu sein.

Aber auch wir haben schon seit längerem einen Oilspill, wenn bei uns Menschen von den Nebenwirkungen unserer Lebensweise z.B. an MCS oder CFS erkranken. Und psychiatrisiert wird immer alles, was nicht sein darf. Die Parallelen sind auffällig und immer geht es um Öl und Produkte, die aus Öl hergestellt werden. Das ungesunde Zeug hätte man lieber in der Erde lassen sollen. Anzumerken bleibt auch, dass das Festhalten am Öl sinnvollere Innovationen verhindert.

Interview und Vorwort: Brooke Jarvis, 23. August 2010

Übersetzung und Nachbemerkung: BrunO

Brooke Jarvis interviewte Prof. Riki Ott für das Amerikanische Nonprofit ‚YES! Magazine‘. Der Originalartikel steht wie diese Übersetzung und unser Kommentar unter einer Creative Commons Lizenz.

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Allergie durch Auswirkungen von Ozon? Ozon erhöht die Allergenbelastung

Umweltbelastungen und Klimawandel wirken sich auch auf Allergien aus

Ozon wirkt auf Pollenallergene: Bei einer für den photochemischen Smog typischen Ozonkonzentration entwickeln sich in Pollen vermehrt Allergene. Diese in Roggen nachgewiesene Beziehung wird in der renommierten medizinischen Fachzeitschrift Journal of Allergy Clinical Immunology publiziert. Das vom Wissenschaftsfonds FWF unterstützte Projekt zeigt, dass bei erhöhter Ozonkonzentration während der Reifung sowohl der Proteingehalt als auch der Allergengehalt von Roggenpollen ansteigt. Damit deutet sich ein Zusammenhang zwischen aktuellen Umweltproblemen und der Zunahme von Allergien an.

Ozon ist in aller Munde, vor allem während des photochemischen Smogs, der die Großstädte weltweit in den Sommermonaten belastet. Neben der Umweltverschmutz- ung trägt auch der Klimawandel zu dessen immer häufigerem Auftreten bei. Das allein stellt schon ein großes gesundheitliches Problem dar, doch seit Kurzem gibt es zusätzliche Hinweise darauf, dass erhöhte Ozonkonzentrationen den Gehalt an Allergenen in Pollen ansteigen lassen. Ein Wissenschaftlerteam der Medizinischen Universität Wien und des Austrian Institute of Technology hat nach den Gründen für dieses Phänomen gesucht.

Ozon stimuliert Roggen

Ein Wissenschaftlerteam unter Leitung von Prof. Rudolf Valenta vom Zentrum für Pathophysiologie, Infektiologie und Immunologie der Medizinischen Universität Wien kultivierte für seine Untersuchungen zwei verschiedene Sorten von Roggenpflanzen unter kontrollierten Umweltbedingungen. Dabei wurde für eine Gruppe der Pflanzen die Ozonkonzentration der Luft zeitweise auf 79 parts per billion (ppb) erhöht. Dieser Wert liegt mehr als dreifach über der normalen Ozonkonzentration in Bodennähe, die ca. 22 ppb beträgt, und entspricht damit den gesundheitskritischen Spitzenwerten, die an heißen Tagen in Wien auftreten. Zum späteren Vergleich mit denjenigen Pflanzen, die hohem Ozon ausgesetzt waren, wuchs eine Kontrollgruppe ausschließlich bei normalen Ozonwerten heran.

Nach Reifung der Pollen wurden diese geerntet und für die weiteren Untersuchungen gesammelt. Die dabei gefundenen Ergebnisse waren von überzeugender Klarheit, wie Prof. Valenta erläutert:

„Als Erstes waren wir in der Lage zu zeigen, dass bei den Pollen beider Roggensorten die Ozonbelastung einen deutlichen Anstieg des Proteingehalts zur Folge hatte. Weitere Analysen zeigten dann, dass zu diesem Anstieg Allergene der sogenannten Klassen 1, 5 und 6 sowie ein weiteres Allergen, das Profilin, beitragen. Auch in der zweiten Roggensorte führte erhöhte Ozonkonzentration bei der Pollenreifung zu einem starken Anstieg der Gruppe 1-Allergene und Profilin.“

Bedeutet Allergen gleich Allergie?

Dieses Ergebnis alleine würde schon zeigen, dass eine erhöhte Ozonkonzentration das Allergiepotenzial von bestimmten Gräsern steigern kann. Jedoch „mehr Allergene“ bedeutet nicht unbedingt auch „mehr Allergien“. Für Prof. Valenta und sein Team war klar, dass potenzielle Allergene nicht immer vom Immunsystem erkannt werden und somit auch nicht immer einen Anstieg von Allergien auslösen. „Eine Studie aus dem Jahr 2007 zeigt, dass Ozon sogar die Allergenität von Roggenallergenen senken kann, fügt Prof. Valenta an. Es mag also noch mehr Allergene geben, als unsere Arbeit zeigt, doch ob diese mit den für Allergien verantwortlichen IgE-Antikörpern des Menschen reagieren und damit Allergien auslösen können, war zunächst unklar.“

Ein weiteres Experiment brachte jedoch auch zu dieser Frage rasch eine klare Antwort: Proteinextrakte der beiden Roggensorten wurden mit IgE-Antikörpern von allergischen Patienten inkubiert. Dabei zeigte sich, dass die Proteinextrakte der durch Ozon gestressten Pflanzen stärker mit den für die Entstehung von Allergien relevanten IgE-Antikörpern reagieren, als die Kontrollpflanzen. Was bedeutet, dass die mit Ozon exponierten Roggenpollen ein stärkeres allergenes Potential besitzen.

Folglich gelang es dem Team von Prof. Valenta, Dr. Thomas Reichenauer und Prof. Verena Niederberger in diesem vom FWF geförderten Projekt, eindeutig zu demonstrieren, dass Umweltprobleme, wie steigende Ozonkonzentrationen in Bodennähe, mitverantwortlich sein können für die ständige Zunahme von allergisch bedingten Erkrankungen in unserer Gesellschaft in den letzten Jahren.

Literatur:

Exposure of rye (Secale cereale) cultivars to elevated ozone levels increases the allergen content in pollen, J. Eckl-Dorna, B. Klein, T.G. Reichenauer, V. Niederberger, R. Valenta, J Allergy Clin Immunol. doi:10.1016/j.jaci.2010.06.012

Photo Nr.2: Monika Grote

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network