Archiv der Kategorie ‘Chemical Sensitivity‘

Eine politisch unerwünschte Erkrankung

MCS, reaktive Erkrankung der oberen Atemwege, Asthma, Chemikalienunverträg- lichkeit, hypersensitive Atemwegserkrank- ung… es gibt so viele Ausdrücke, um eine behindernde, politisch unerwünschte Erkrank- ung zu beschreiben. Vor 2004 hatte ich mit Ausnahme von Asthma noch nie irgend eine dieser Bezeichnungen gehört, doch später sollte ich sie alle in etliche amtliche Schriftstücke geschrieben bekommen, um meine neue Erkrankung mit einem Namen zu versehen.

25 Jahre Lehrerin

Im Herbst 2004, nach einer erfolgreichen fünfundzwanzigjährigen Karriere, in der ich unterrichtet, beraten, betreut und mit einem Oberschulamt in Süd-Kalifornien Lehrpläne geschrieben habe, als ich an meine Stelle als Lehrerin zurück kehrte, um 204 Schüler pro Jahr zu unterweisen, bekam ich jedes Mal, wenn ich mein Klassenzimmer betrat, ein heftiges Brennen im Gesicht, am Hals, in den Augen und in den Ohren.

Ein Meer von brennenden Gesichtern

Am Ende jeder Unterrichtseinheit brannte es nicht nur bei mir und nicht nur meine Haut war rot angelaufen, sondern ich sah auf ein Meer von ebenfalls hoch rot brennenden Gesichtern. Ich hatte nie derart starke Körperschmerzen erlebt. Was geschah mit uns? Meine Schüler legten vor Erschöpfung ihre Köpfe auf den Tischen ab, Eltern schrieben mir Emails, dass ihre Kinder in meinem Unterrichtsraum Migräne hätten, Schüler begaben sich nach meinem Unterricht zur Unfallstation und niemand von uns hatte für diese seltsamen neuen Symptome einen Namen.

Umzug in ein anderes Gebäude

Binnen zweier Monate konnte ich wegen der extremen Schmerzen kaum noch aus den Augen sehen, ich ging jeden Abend um Sechs ins Bett. Wenn ich das Klassenzimmer betrat, bekam ich Nesselfieber im Brustbereich. Die Bücher, die ich auf meinem Pult anfasste, verursachten Bläschen an meinen Fingern. Meine Ermattung war überwältigend. Ich dachte, das wäre mein Ende. Schließlich, nachdem die Bezeugungen der Schüler angehört wurden, verlegte der Schuldirektor uns alle in ein anderes Gebäude. Doch für mich als jene, die sich jeden Tag so viele Stunden in dem Raum aufhielt, war dies zu spät. Fünf Ärzte erlaubten mir nicht, an den Arbeitsplatz zurück zu kehren, und nicht ein einziger hatte für das, was mit meinem Körper vorging, eine Bezeichnung. Ich war ratlos und hatte Schmerzen.

Sie haben multiple Chemikalien-Sensitivität

Dann endlich fragte ich meinen Hausarzt, „Was ist mit mir los?“. Widerwillig sagte er: „Es tut mir Leid, Ihnen dies sagen zu müssen, aber sie sind an multipler Chemikalien-Sensitivität erkrankt.“ Ich wusste weder, was das war, noch kannte ich die Folgen dieser Diagnose, doch dies wurde mir schnell klar. Sie bedeutete das Ende meiner Lebensweise, wie ich sie bisher kannte. Das heftige Brennen weitete sich aus, und ich spürte es nicht nur in den Klassenzimmern, sondern ab da brannte es in Lebensmittelgeschäften, Einkaufszentren und ich fing sogar an, auf Kleidung und Körperpflegemittel der Mitmenschen zu reagieren. Ich hatte jedes Mal heftige Schmerzen, wenn mir eine chemische Substanz in die Quere kam oder wenn ich mich in ein Gebäude mit Schimmelbefall oder Wasserschaden begab.

Ein neuer Name für die gleiche Krankheit

Ich wurde zu einem Toxikologen überwiesen, der mir nach ausgiebigen Blutuntersuchungen erzählte, ich hätte Chemikalienunverträglichkeit, ein weiterer neuer Namen für meine Erkrankung. Er sagte, diese Bezeichnung wäre politisch korrekter, doch er verfügte über sehr wenige Behandlungsmöglichkeiten, um mir gegen diese chronische Erkrankung zu helfen. Warum wurde der Name der Diagnose geändert?

Noch ein neuer Name für die gleiche Diagnose

Dann ging es zu einem anderen Lungen-Spezialisten, der einen Methacholin-Provokationstest im Krankenhaus machte, welcher meine Atmung weitgehend lähmte. Danach lautete meine neue Diagnose, reaktive Erkrankung der oberen Atemwege, wieder eine neue Bezeichnung für das gleiche Reagieren auf chemische Substanzen.

Ist „Multiple Chemikalien-Sensitivität“ ein unanständiges Wort?

Als ich die Anerkennung meiner Behinderung durch die Sozialversicherung beantragte, schaute ich in die Gesetzestexte und die Bezeichnung MCS war nirgends zu finden. Es sah so aus, als ob sie ein unanständiges Wort wäre. Meine Symptome hatten sich nicht geändert oder abgeschwächt, doch ich gewann schnell den Eindruck, dass ich eine politisch unerwünschte Krankheit hatte.

Warum viele Namen für ein und dieselbe Krankheit?

  • Warum eiern all diese Fachleute um die ursprüngliche Diagnose „Chemikalien-Sensitivität“ herum?
  • Fürchten sie, der chemischen Industrie zu nahe zu treten?
  • Hat ihnen irgendeine Regierungsstelle gesagt, sie dürften diese Bezeichnung nicht verwenden?

Ich habe mir diese Erkrankung nicht ausgesucht und es fiel mir anfänglich nicht leicht zu verstehen, warum diese Fachleute darauf achteten, diese Diagnose in ihren offiziellen Dokumentationen nicht zu erwähnen. „Es ist, was es ist“, sagte ich, „ich reagiere auf viele Chemikalien“. Es erschien mir wie eine Verfügung von „oben“, welche die Verwendung des Begriffes „Chemikalie“ nicht zulassen würde.

Warum lieber Krebs als Multiple Chemikalien-Sensitivität?

Wie viele andere mit dieser Erkrankung, habe ich seit 2004 viele tausend Dollar für Behandlungen ausgegeben, für die keine Krankenkasse aufkommt. Anstatt nicht so teurer einzukaufen, um Geld zu sparen, musste ich um zu Überleben teurere Sachen kaufen, die keine Chemikalien enthalten. Wenn man von einer Behindertenrente lebt, ist dies extrem schwierig. Es gibt keine Stiftung, die allen chemisch Verletzten hilft. Tatsächlich haben manche Kinder mit MCS gesagt: „Ich wünschte, ich hätte Krebs, dann würde meine Krankheit wenigsten anerkannt. Ich bekäme von Stiftungen Unterstützung“. Warum muss sich irgendein Kind wünschen, anstatt dieser Krankheit Krebs zu haben?

Medizinische Behandlung verweigert

Das schlimmste an dieser politisch unerwünschten Krankheit ist, dass mir und meinen Mitbehinderten die tatsächlichen Behandlungsmöglichkeiten verwehrt werden, die helfen könnten, unsere Lebensqualität zu verbessern. Ich kann es nicht ertragen zu hören, dass sich ein weiterer Mensch das Leben nahm, weil er sich die Behandlung nicht leisten konnte, oder weil keine schadstofffreie Unterkunft zugestanden wurde, oder weil jemand zu Hause festsitzt, da die Versicherung keine Behandlung bezahlt, oder weil jemand wegen dieser Erkrankung schikaniert worden ist.

Die Zeit des Schweigens ist vorbei

Ich fordere unsere Gemeinschaft heraus, sich gegen die Diskriminierung durch Verleugnung zu erheben und verlange adäquate medizinische Versorgung, die erforderlich ist, um unsere Lebensqualität zu verbessern. Trotz unseres erheblich reduzierten Einkommens bezahlen wir unsere Krankenversicherungsbeiträge und wir müssen die Behandlungen bekommen, die unsere Ärzte zur Verbesserung unseres Lebens verschreiben. Unsereins braucht etwas anderes als andere Kranke. Den meisten von uns helfen keine Medikamente und wir sollten dafür sorgen, dass die Versicherungsmanager, die gerade ihre dritte Ferienwohnung bauen, während wir uns abmühen, über die Runden zu kommen, unsere Stimmen hören. Es ist für sie an der Zeit zuzuhören und in unserem Sinne zu handeln.

Rechte müssen auch für Chemikaliensensible gelten

Es ist an der Zeit, gegen jede weitere Verleugnung juristisch vorzugehen, um dadurch die Botschaft zu verbreiten, dass die Diskriminierung unserer politisch unerwünschten Erkrankung vorüber ist. Unsere Behinderung wird nicht länger unterdrückt und geleugnet. Jede andere Erkrankung wird behandelt und so sollte es auch mit unserer sein. Niemand von uns hat sich diese unvorstellbare Veränderung der Lebensweise ausgesucht und nun ist es an der Zeit sich weiter zu entwickeln, um damit voranzukommen, den gleichen Zugang zum Gesundheitssystem zu verlangen, wie alle anderen Behinderungen.

Autor: Christi Howarth für CSN, 19. Oktober 2010

Übersetzung: BrunO

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

Chemikalien-Sensitivität – MCS ist eine Krankheit, für die keiner aufkommt

Chemikalien-Sensitivität (MCS ICD-T78.4) kann jeden treffen, von heute auf morgen. Erkrankte, die auf winzige Spuren von Alltags- chemikalien reagieren, müssen gezwungen- ermaßen vieles umstellen.

Schon morgens früh im Bad fängt es an, eine normale Zahnpasta enthält eine ganze Reihe von Chemikalien, die bei Menschen, deren Körper durch Chemikalien hypersensibilisiert ist, Symptome auslösen. Unter der Dusche geht’s weiter, das gewohnte Duschgel ist in der Regel vollgepackt mit Chemie und das Wasser, das herunter prasselt, ist meist mit Chlor versetzt. Um sich beschwerdefrei an den Frühstückstisch setzen zu können, müsste eine Person mit MCS die gesamten Körper- pflegemittel in chemie- und duftfreie Produkte austauschen und einen Duschfilter install- ieren, der die Chemikalien aus dem Wasser holt. Man könnte den ganzen Tagesablauf durchgehen und stellt fest: Die Krankheit MCS ist teuer.

Mehrkosten muss der an MCS Erkrankte selbst aufbringen und die Liste ist beachtlich:

  • Biologische Nahrung
  • Unbelastetes Wasser in Glasflaschen
  • Schadstofffreie Reinigungs- und Pflegemittel
  • Nahrungsergänzungsmittel zum Stabilisieren und Abfangen von Symptomen
  • Luftfilter, Wasserfilter, Duschfilter
  • Atemschutzmasken
  • Ein ökologisches Schlafzimmer
  • Schadstofffreier, MCS-gerechter Wohnraum
  • Arztrechnungen, da umweltmedizinische Diagnostik und Therapie meist nicht von den Krankenkassen übernommen wird

Wissenschaftliche Studien brachten zutage, dass MCS Erkrankte, die über einen längeren Zeitraum krank sind, in der Regel ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen. Der Kostenberg wird, wenn man krank und arbeitslos ist, schnell erdrückend. Von Minirenten und Hartz IV ist kein MCS-Kranker in der Lage, seinem Gesundheits- zustand gemäß zu leben. Was passiert dann?

Thommy’s MCS Blogfrage der Woche:

  • Habt Ihr Mehrkosten seid Ihr MCS habt?
  • Wie viel müsst Ihr im Schnitt monatlich krankheitsbedingt mehr aufwenden als zuvor?
  • Könnt Ihr die Mehrkosten selbst aufbringen? Oder muss Eure Familie, Freunde, ect. helfen?
  • Habt Ihr Unterstützung und finanzielle Hilfe durch Behörden oder Versicherungen erhalten?
  • Musstet Ihr einen Prozess führen, damit man Euch unterstützt? Z.B. Mehrkosten für Bio-Nahrung, Vitamine oder Hilfsmittel.
  • Hat man Euch über den Rechtsweg Hilfe und Unterstützung zugestanden?

Unterstützungsaufruf: Das Leben einer jungen Frau erneut durch Versprühen toxischer Chemikalien bedroht

Stadt uneinsichtig – Jetzt wird giftiges Herbizid ausgebracht

Mitte 2010 baten die Eltern einer jungen spanischen Frau, Elvira Roda, die unter schwerster Chemikalien-Sensitivität (MCS) leidet, um Hilfe. In der Straße, in der Elvira in einem eigens aufwendig für sie hergericht- eten schadstofffreien Haus wohnt, wurden Pestizide ausgebracht. Die schwerkranke Frau kollabierte und war durch die Nervengifte, die man versprühte, in Lebensgefahr. Tagelang musste sie draußen in schlimmstem gesund- heitlichen Zustand in einem Liegestuhl am Meer verbringen. Die Eltern versuchten das Ausbringen der Pestizide, neurotoxische Organophosphate, durch Gespräche mit den Verantwortlichen der Stadt zu stoppen – vergebens. Eine Petition für Elvira, die auf vielen Blogs von MCS-Organisationen weltweit veröffentlicht wurde und die Menschen aus verschiedenen Ländern unterzeichneten, erhielt Gehör und man hörte schließlich auf, Pestizide vor dem Haus der jungen Frau zu versprühen.

Näheres im CSN Blog: Hilferuf – Junge Frau in Lebensgefahr

Elviras Eltern brauchen Unterstützung

Gestern Nacht meldeten sich die Eltern von Elvira mit einer erneuten Bitte um Hilfe, denn die Stadt Alboraya hat jetzt damit angefangen, ein Herbizid zu versprühen. Elviras Leben ist in Gefahr.

Im Namen Elviras:

Vielen Dank an alle, die Elvira Roda unterstützt haben und die Petition an den Stadtrat von Alboraya (Region Valencia/Spanien) unterzeichneten und forderten, keine Chemikalien zu verwenden, die für Menschen und/oder Umwelt schädlich sind und stattdessen andere, gesündere Alternativen zu finden.

Lassen Sie uns bemerken, dass wir selbst alles Mögliche versucht haben, es zu verhindern, aber der Alboraya-Stadtrat hat leider heute, am 5. Oktober, eine neue Sprühaktion unter Verwendung von Roundup Plus (Glyphosat), und anderen umweltschädlichen Chemikalien begonnen.

Wir haben verlangt, umweltverträglichere, natürliche Alternativen zu verwenden, und auch, dass der Alboraya-Stadtrat die Bevölkerung im betroffenen Bereich vorab informiert, aber beides war erfolglos. Wir regen deshalb notwendigerweise und in Anbetracht der Gesundheit aller an, die Sammlung von Unterschriften für die Petition bitte fortzusetzen.

Wir benötigen Sie.

Mit diesen Bemühungen werden wir sicher Erfolg haben.

Danke!

Weitere Informationen über Elvira können auf folgender Webseite eingesehen werden: Hilfe für Elvira Roda

Zum Unterzeichnen der Petition >>> Petition für Elvira Roda (Feld zum Unterzeichnen ganz unten)

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!


Unterstützungsaufruf auf Englisch im EMM Blog:

The life of a young woman is threatened again by the spraying of toxic chemicals

MCS-Erkrankte – die Leprakranken unserer Tage

In vergangenen Zeiten wurden Leprakranke aus der Gesellschaft verstoßen

Heute sind es Umwelterkrankte mit MCS, die man verstößt

Viele, die an schwerer MCS leiden, machen die Erfahrung, dass ehemalige Kollegen, Freunde, Bekannte und Familienmitglieder allmählich aus ihren Leben verschwinden. Diese Kontaktpersonen glauben, dass der Mensch mit MCS für den Umgang zu anstrengend geworden ist. In unserer modernen und geschäftigen Welt sind viele nicht mehr in der Lage, die dafür erforderliche Mühe auf sich zu nehmen, häufig sind ihnen sogar die Kompromisse, um mit einem MCS-Kranken Kontakt aufzunehmen zu viel. Es hat in der Gesellschaft keine besondere Bedeutung mehr, jene mit solchen schweren Behinderungen, wie sie MCS-Kranke haben, zu akzeptieren und ihnen zu helfen.

An einer derart sozial behindernden Erkrankung wie MCS zu erkranken, erfordert enorme Willenskraft, wenn man als integere, psychisch gesunde Person überleben will. Jene, die an MCS erkrankt sind, leben ein Leben, das aufgrund dieser Erkrankung durch große Verluste gekennzeichnet ist. Verlust von Gesundheit, Arbeitsfähigkeit, Identität, Wohlstand, Unterkunft, Freiheit, soziale Kontakte, Freunde, Familienmitglieder und in einigen Fällen sogar der Verlust des Lebenspartners. All dies gehört zu den schlimmen Erfahrungen, die man als MCS-Kranker macht.

Wenn jemand an einer anderen schwerer Erkrankung leidet, wie z.B. Krebs, Herzerkrankungen, steht eine große Armee an Gesundheitsberufen bereit, um dem in seiner Gesundheit Beeinträchtigten medizinisch zu helfen und ihn zu unterstützen. Menschen mit solchen herkömmlichen Diagnosen finden Sympathie, Verständnis und professionelle Behandlung. Wenn jemand psychische Probleme bekommen hat, weil er an so einer schweren Erkrankung leidet, wird widerspruchslos verstanden und akzeptiert, dass ein Mensch, bei dem eine derart ernsthafte Erkrankung diagnostiziert wurde, deshalb auch sekundär psychisch erkranken kann.

MCS – Eine Erkrankung mit geringen Ansehen

Wenn man jedoch MCS bekommt, sieht alles etwas anders aus. Man entdeckt schnell, daß dies eine der schlimmsten Krankheiten ist, die man haben kann. Am besten ist es, man trifft auf Mediziner, die unvoreingenommen sind, aber von dieser Erkrankung keine Ahnung haben. Am schlimmsten ist es, wenn Kranke an misstrauische, voreingenommene und wertende Ärzte geraten, die unser eins mangels wissenschaftlicher Kenntnis als geisteskrank ansehen. In Dänemark gibt es – ähnlich wie in vielen Ländern – kein einziges Krankenhaus, das MCS-Kranke aufnimmt, untersucht und medizinische Behandlung zukommen lässt. Es gibt keine Ärzte, die von MCS etwas verstehen. Die einzigen aus den Gesundheitsberufen, die sich in Dänemark für MCS interessieren, sind eine Gruppe von Psychiatern, die beschlossen haben, dass MCS eine funktionelle Störung ist. Deshalb stellen sie schnell eine psychiatrische Diagnose, welche die Kranken für den Rest ihres Lebens nicht mehr los werden.

Wenn MCS-Kranke aufgrund der persönlichen Folgen von MCS – eine Erkrankung, die buchstäblich das eigene Leben zerstört – psychische Probleme bekommen, gibt es für keine der resultierenden psychischen Schädigungen ein vergleichbares Verständ- nis, wie bei anderen schweren Erkrankungen. Als MCS-Erkrankter darf man es sich offenbar nicht erlauben, infolge dieser schweren Erkrankung psychische Probleme zu bekommen.

Wenn jemand als schwer MCS-Erkrankter Anzeichen von Depression oder anderem seelischem Ungleichgewicht an den Tag legt, wird man als geisteskrank diffamiert. Auf diese Weise braucht sich die Gesellschaft nicht mit Chemikalien und Pestiziden auseinander zu setzen, welche MCS-Kranke sehr krank machen.

Früher wurden Leprakranke auf die andere Seite der Stadtmauer verbannt. Heute folgen MCS-Kranke mehr oder weniger freiwillig ihren Fußspuren, da Menschen mit MCS die chemischen Expositionen, die in modernen Gesellschaften üblich sind, nicht aushalten können.

  • Wie lange muss dieser Wahnsinn noch weitergehen?
  • Wie lange kann die Gesellschaft weiterhin die Existenz der schwer an MCS Erkrankten ignorieren und das Problem nicht wahrnehmen, indem man behauptet, es habe nichts mit dem erhöhten Verbrauch von Chemikalien und Pestiziden zu tun und wäre nur etwas, das sich im Kopf der Umwelterkrankten abspielt?
  • Wieviel Prozent der Bevölkerung müssen erst an MCS erkranken, bevor die Gesellschaft das Problem mit den Chemikalien ernst nimmt und Maßnahmen veranlasst?

Autor: Bodil Nielsen, Dänemark, 3. Oktober 2010

Photo: Bodil Nielsen

Übersetzung: BrunO für CSN

Dänischer Originalartikel: MCS-ramte: Nutidens spedalske

Englische Übersetzung: MCS Sufferers – The Lepers of Today

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“

Ohne Maske

Die spanische Bloggerin Eva Caballé wurde erneut gebeten, für die Kunst- und Kulturzeitung Deliro einen Artikel zu schreiben. „Die sieben Todsünden“ sind das Thema der aktuellen Ausgabe.

Evas Leben wird durch ihre Chemikalien-Sensitivität (MCS) 24 Stunden am Tag bestimmt. Die Krankheit hat Eva trotz größter Restriktionen nicht gebrochen, im Gegenteil, sie hat es ihr ermöglicht, hinter die Hochglanzfassade unserer modernen Welt zu schauen:

Eva Caballé: Ohne Maske


Und in dieser zerfallenden Welt ist es das Schlimmste, was es gibt, kein Rückgrat und keine Persönlichkeit zu haben. Es ist eine Welt voller Menschen, die sich beschweren und die graue und leere Existenzen leben. Personen, die nicht den Mut haben, Widerstand zu leisten, ihre eigenen Gedanken zu haben und die von der Masse aufgesogen werden. Es ist schwer in dieser Herde zu leben, wenn man nicht so sind wie sie, wenn du weißt, was du denkst, wenn du keine Angst hast zu sagen, was Du denkst und wenn du dich nicht darum schers, ob andere dich akzeptieren. Dann passt du nicht ins Schema, du bist anders, du bist radikal.

Aber eine kranke Person kann nicht so sein. Du hast dich gut zu benehmen, musst es zulassen, dich selbst einer Gehirnwäsche zu unterziehen, eine Maske tragend, einem ausgetretenen Weg ohne nachzudenken folgend. Wenn du Multiple Chemical Sensitivity hast, eine Krankheit, die nicht anerkannt ist, dann kämpfst du um dein Überleben. Aber mach dabei nicht zu viel Lärm und folge einfach den anderen. Denk nicht dabei, unternimm nichts. Du bist krank. Verhalte dich so. Du hast gehorsam zu sein und um Erlaubnis fragen, damit Du nicht aus der Herde geworfen wirst, einer Herde, für die andere sich selbst töten, um ein Teil davon zu sein.

Und in dieser Ignoranz, die uns umgibt, sind die sieben Hauptsünden aktueller denn je, in diesen Zeiten, in der es so scheint, als gäbe es eine Theorie für so ziemlich alles. In Zeiten des zerfallenden Wohlfahrtsstaats.

Mit betäubten Sinnen wird SEX zu einer weiteren Frustration in einem leeren Leben, durch das Sie oder Er sich Tag für Tag schleppen, ohne dabei aufzuhören zu denken.

Es ist das Leben einer Frustration, die zu einem nicht zu befriedigenden HUNGER steigert. Essen, bis du platzt. Diese Angst, die einen hemmt zu reagieren und einen unter einem Berg von Menschenfutter zerquetscht. Die pervertierte Lust in einer übersättigten Gesellschaft.

Eine Leere, die uns überkommt und ein wachsender Hass, der sich in Wut verwandelt und sich gegen alles, was uns nicht passt, richtet, unter kindischen und lächerlichen Ausreden. INTOLERANZ wird zu Gewalt gegen diejenigen, die nicht so wie wir sind, vielleicht weil diejenigen, die denken, uns erschrecken.

Ohne sich unseres Lebens bewusst zu sein, vergehen die Tage, während wir auf unsere Taschen schauen um zu sehen, ob wir besser sind als andere. Wir KONKURIEREN in einem dummen Rennen, um unserem Erfolg zu zeigen. Wir täuschen vor, dass wir glücklich sind. Im Inneren, da sind wir leer.

Das Leben ist eine Klammer aus Angst und oberflächlicher Behaglichkeit, darauf wartend, dass die Dinge sich ändern, OHNE SICH ANZUSTRENGEN, aufgesaugt von einem System, das nicht möchte, dass wir denken.

Wir sind durch Faulheit gehemmt. Wir hassen die, von denen wir denken, dass sie besser sind als wir. Sie erinnern uns daran, dass wir uns nicht anstrengen wollen. Wir verschwenden unsere Leben damit, uns zu wünschen, dass sie stolpern, während wir ihre Erfolge KRITISIEREN und ohne es zu wissen, wollen wir, dass sie so mittelmäßig wie wir sind.

Eine billige künstliche Schönheit aus Plastik vergiftet uns, eine, die sich uns besser fühlen lässt für einen Moment, in dem wir denken, wir sind besser als andere. Eine giftige Schönheit, für die es uns nicht interessiert, welchen Preis wir dafür zahlen, in einer Welt, in der wahre Gesundheit nicht geschätzt wird. Enormer falscher STOLZ, diese durch Arroganz verursachte Ignoranz. Wer will schon gesund sein, wenn man sogar dann als schön erscheinen kann, selbst wenn man dumm ist? Wer will denn schon nicht besser erscheinen als andere?

Wagt es jemand, ohne Maske zu leben?

Autor: Eva Caballé für Deliro, No Fun Blog, September 2010

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Bildmaterial: Aida/ Delirio

Englische Übersetzung: Without a Mask

Weitere Artikel von Eva Caballé, die in der Kunst- und Kulturzeitung Deliro erschienen:

Ein MCS-Patient berichtet: Mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus

MCS – Ein Fremdwort für die meisten Ärzte und Kliniken?

Was ich mir nie hatte vorstellen können, wurde am 17.9.2010 zur bitteren Erfahrung…

Gegen 18.00 Uhr bekam ich plötzlich und ohne Vorankündigung heftige Schmerzen in der Brust, kalte Schweißausbrüche, mir wurde schwindelig, meine Arme waren schwer wie Blei, taten unheimlich weh. Ich bekam Luftnot und Panik…

Da bei mir der PC lief, gab ich das Stichwort “Symptome bei Herzinfarkt” ein, sah auf dem Bildschirm das, was ich gerade verspürte.

Völlig verwirrt rief ich 110 an, hatte die Polizei am Apparat, schilderte meine Probleme und die Tatsache, dass ich völlig allein im Haus war. Der Polizist fragte mich, ob ich in der Lage sei 112 anzurufen – war ich!

Eine Männerstimme fragte meine Beschwerden ab, es wurde mir mit ruhiger Stimme erklärt, dass schon während dieses Telefongesprächs der Notarzt und Rettungswagen unterwegs sei.

Der Notarzt trifft ein

Ich lag auf meinem Sofa, sprach vor Schmerzen mit mir selbst, dann hörte ich die Sirene, wenig später standen Männer vor meiner Tür. Ich schaffte es noch selbst die Haustür zu öffnen, dann war ich diesen Herren ausgeliefert, aber auch etwas erleichtert.

Es wurde sofort ein EKG gemacht, der Notarzt sagte mir, ich hätte einen Herzinfarkt, er würde mich ins Krankenhaus bringen.

Oh nein, dachte ich, ins Krankenhaus…

Ich erzählte dem Notarzt kurz von meiner Chemikalienunverträglichkeit. Dieser schaute mich an, meinte, da müsse ich jetzt durch…

Per Rettungswagen ins Krankenhaus

Im Rettungswagen wurde ein erneutes EKG geschrieben, der aufnehmenden Klinik per Fax übermittelt.

Mit Blaulicht ging es zur Klinik, ich wurde in Empfang genommen, alles ging sehr schnell, ich sah nur die Decken der Flure…

Ein Kardiologe stellte sich mir vor, ein netter Mann, er beruhigte mich, er scherzte sogar etwas mit mir, stellte fest, dass wir gleich alt waren.

Auf dem Op-Tisch

Wohin ich genau gebracht wurde weiß ich nicht, ich befand mich ziemlich bald auf einem OP-Tisch, wurde für den notwendigen Eingriff vorbereitet.

Ich fühlte mich völlig ausgeliefert, hatte keinen eigenen Willen mehr…

Nach örtlicher Betäubung wurde durch die Leiste mittels Herzkatheder ein sogen. Stent gelegt. Laienhaft gesagt wurde eine Leitung des Herzens geweitet und – wie ich es mir vorstelle – eine Art Hülse eingesetzt. Der Kardiologe arbeitete sehr konzentriert, zeigte mir auf einem Bildschirm seine Arbeit. Als er fertig war, sagte er mir, er hätte mein Herz repariert.

Intensivastation

Bis 18.9. in den Abendstunden lag ich verkabelt mit einem weiteren Patienten in einem Zimmer auf der Intensivstation, dann wurde ich auf eine Überwachungsstation, angeschlossen an einem Monitor, verlegt. Wiederholt wurde ein EKG geschrieben, Blutdruck gemessen – ich unterlag der totalen Überwachung.

Es war wohl eher Zufall, dass ich allein im Zimmer war, aufstehen durfte ich nicht!

Auf Station nahm man Rücksicht auf MCS

Am 20.9. entschieden die Ärzte, mich auf eine “normale” Station zu verlegen.

Bis dahin ging es mir relativ gut, ich erzählte pausenlos von meiner Chemikalienunverträglichkeit. Zunächst ziemlich ungläubig wurde dann aber doch so gut es ging Rücksicht auf mich genommen. Das Fenster blieb geöffnet, die Reinigungskraft sollte mein Zimmer nicht wischen, an der Tür hing ein Hinweisschild, fremde Personen sollten sich vor Betreten im Stationszimmer melden.

Das Personal war einparfümiert, keine Frage – doch irgendwie hatte ich das Gefühl, ernst genommen zu werden. Unangenehm war dieser ständige Geruch nach diesem typischen Desinfektionsmittel der Hände. Klinikeigene Mittel, die in der Waschecke standen, wurden entfernt. Zu meiner Überraschung rochen Bettwäsche und Handtücher nicht nach parfümiertem Waschmittel.

Zum Waschen benutzte ich zunächst klares Wasser, bekam neutral riechende Einmalwaschtücher. Später benutzte ich meine eigenen Sachen, die mir meine Ehefrau ins Krankenhaus brachte. Ich wurde nur mit dem, was ich am Körper trug, ins Krankenhaus eingeliefert, hatte keine Zeit irgendetwas mitzunehmen.

Verlegung in einen Container

In den Abendstunden des 20.9.2010 erfolgte die Verlegung. Meine neue Station befand sich aufgrund von Erweiterungsbauten des Krankenhauses in Containern.

Eine fürchterliche Luft schlug mir entgegen, ich wurde in ein sehr enges 3-Bett-Zimmer geschoben. Das war kein Krankenzimmer, das war ein Aufbewahrungsort für Menschen, die sich nicht wehren konnten.

Zwischenzeitlich war meine Ehefrau eingetroffen, auch sie bemerkte diese grauenhafte Luft. Mein Kopf zog sich zusammen, ein Kratzen im Hals stellte sich ein, ich bekam Panik – hier sollte ich bleiben?

Ich sprach die Stationsschwester an, verwies auf meine Akte, in der sich MCS-Informationen befanden. Ich bekam einen einfachen Mundschutz, meine MCS-Maske lag sinnigerweise zu Hause. Mit diesem Mundschutz lag ich im Bett, meine Ehefrau hatte zu diesem Zeitpunkt die Klinik bereits verlassen.

210/120 psychisch?

Routinemäßig wurde mein Blutdruck überprüft – die Mitarbeiterin war erschrocken, lag dieser doch bei 210/120. Ein gerade anwesender Arzt wurde gerufen.

Dieser hörte sich meine Probleme und meine Hinweise auf MCS zwar an, meinte aber, das sei wohl psychischer Natur, wollte mir ein Medikament verabreichen, mich nicht von der Station nehmen.

Trotz oder gerade wegen meines angeschlagenen Zustands platzte mir der Kragen.

Ich warf ihm ärztliches Fehlverhalten vor, fragte ihn, ob er als derzeit anwesender Arzt die Verantwortung für einen Blutdruck von 210/120 nach einem Herzinfarkt übernehmen könne. Ich verweigerte ein Medikament, verlangte von ihm nichts weiter als frische Luft. Ich drohte damit, das Krankenhaus sofort zu verlassen.

Bevor dieser Arzt sich dann doch zu einem Telefon begab, meinte er, ich könne jederzeit gehen, das Krankenhaus sei schließlich kein Gefängnis. Nach seinem Telefonat kam er zu mir zurück, erklärte mir kurz und knapp, ich würde sofort zurückverlegt werden. Als ich noch etwas sagen wollte, würgte er mich mit den Worten, er hätte jetzt keine Zeit mehr, müsse in die ZNA (Zentrale Notaufnahme), dort hätte er noch weitere Patienten, ab.

Bessere Luft verbessert Blutdruck auf 150/80

Kurze Zeit später wurde ich auf die Station, von der ich kam, zurückverlegt, wurde in eine Ecke eines großen Patientenzimmers vors Fenster geschoben. Zu diesem Zeitpunkt lag mein Blutdruck bei 190/100 – ca, gegen 04:00 Uhr morgens bei 150/80.

Die folgenden Zeit ließ man mich in Ruhe – wurde EKG gemacht setzte ich meine Maske auf. Dem Oberarzt der Station berichtete ich während seiner Visite sehr genau von diesem Vorfall. Einen MCS-Patienten hatte er vorher noch nicht, jetzt sei seiner Meinung nach ja wieder alles in Ordnung…

Meine Werte waren gut, eine Röntgenuntersuchung der Lunge, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens fiel nicht negativ aus, am 22.9.2010 konnte ich das Krankenhaus verlassen.

Entlassung und REHA

Im Krankenhausbericht steht von diesem Vorfall nichts!

Meinem Hausarzt aber berichtete ich sehr genau, was am 20.9. dort vorfiel – er meinte lediglich, die hätten mir das Leben gerettet.

Der Sozialdienst des Krankenhauses, der ebenso keine Ahnung von MCS hatte beantragte bei meiner Krankenkasse eine REHA.

Meine Krankenkasse schlug eine Klinik an der Ostsee vor, ich bekam die Telefonnummer der dortigen Chefärztin. In einem Telefongespräch erklärte mir die Chefärztin, ihre Klinik sei für die REHA eines MCS-Betroffenen völlig ungeeignet!

Die Mitarbeiterin meiner Krankenkasse meinte, sie könne mir keine Alternative zu dieser Klinik bieten.

Was sie mir verschwieg:

Gemäß § 9 SGB IX und § 33 SGB I haben Versicherte bei der Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ein Wunsch- und Wahlrecht.

Ich habe also nicht nur einen Anspruch auf eine REHA, ich darf mir die Klinik selbst aussuchen.

Im Internet fand ich, dass Krankenkasse diesen Wunsch gern entweder ablehnen oder aber eine Zuzahlung fordern:

“Ein Rehabilitationsträger (z.B. der Gesetzlichen Krankenversicherung) ist auch nicht berechtigt, Ihren Wunsch nur unter der Bedingung nachzukommen, dass Sie eventuell entstehende Mehrkosten als Differenz zum Pflegesatz einer vom Rehabilitationsträger bevorzugten Einrichtung selber zahlen. Eine solche Zuzahlungspflicht sieht das Gesetz nicht vor! Es gilt das Sachleistungsprinzip, d.h. Sie haben gegenüber dem Kostenträger einen gesetzlichen Anspruch auf die Rehabilitationsleistung und nicht nur auf Kostenerstattung. Üben Sie also Ihr Wunschrecht aktiv aus!”

Gibt es eine MCS-gerechte REHA Klinik?

  • Ich habe also ein Wahlrecht – welche Klinik aber kann ich wählen?
  • Welche Klinik führt eine REHA nach Herzinfarkt bei gleichzeitiger MCS durch?
  • Wo ist diese Klinik, die auf die Bedürfnisse derer die an MCS erkrankt sind, Rücksicht nimmt?

Ich fürchte, ich werde keine REHA durchführen können.

Autor: Manfred Flor für CSN – Chemical Sensitivity Network, Hamburg 26.09.2010

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

Glosse: Elektroschock, die Therapie der Wahl bei MCS

Den CSN-Blog erreichte neulich eine Email vom dänischen Forschungszentrum für Chemikaliensensitivität. Eine für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Journalistin schrieb im Auftrag der Forschungsleiterin. Infolge dessen las sich die ganze Mail wie eine Hochglanz-Werbebroschüre für das Forschungszentrum. Man glaubte, etwas richtig stellen zum müssen, da in der Öffentlichkeit durch Beiträge im Canary Report und bei CSN über die Arbeit dieser Einrichtung an der Kopenhagener Universitätsklinik Gentofte ein falschen Eindruck entstanden wäre. Zugleich wünsche man aber keine Veröffentlichung dieser Richtigstellung. Das Forschungszentrum verfüge nicht über die Ressourcen, sich mit langen Debatten im Internet abzugeben und wolle diese auch nicht, deshalb sei eine Veröffentlichung der besagten Email unerwünscht.

Bitte sehr, wir rücken nichts zurecht und bleiben bei unserer Auffassung, dass ECT, Electroconvulsive Therapy (Anwendung von Elektroschocks) für MCS und darüber hinaus für jegliche Erkrankung ziemlich daneben ist. So können wir nun natürlich auch nicht weitergeben, welchen Stellenwert dieser Therapieansatz in der Arbeit des Forschungszentrums hat. Der Makel, dieses unappetitliche Thema überhaupt angefasst zu haben, bliebt somit an dieser Einrichtung für immer hängen.

ECT ist grobe vorsätzliche Körperverletzung und wird auch irgendwann als solche verboten werden. Daran wird weltweit gearbeitet. ECT ist nichts anderes als elektrische Lobotomie und wurde in den Anfangszeiten von den Anwendern selbst nicht viel anders gesehen. Siehe P.R. Breggin, „Electroshock: scientific, ethical, and political issues“ im International Journal of Risk & Safety in Medicine 11 (1998), S. 20: „6. The brain-disabling principle“ und „Disturbing News for Patients and Shock Doctors Alike„.

Die Schlussfolgerung, welche das Forschungszentrum aus der Anwendung von ECT für MCS zieht, ist kaum klüger, wie jene Diagnose eines Forschers in einem brutalen Witz: „Ein Wissenschaftler schneidet einem Frosch ein Bein ab und befiehlt ihm zu springen: „Los Froschilein, springe!“ Das arme Tier tut es. Selbst mit zwei fehlenden Beinen tut es sein bestes und springt. Als der Frosch ganz ohne Beine nicht mehr springen kann, stellt der Forscher bei dem Frosch Taubheit fest.“

Nicht viel logischer ist es, von ECT für irgendeine Erkrankung eine positive Wirkung abzuleiten. Man schädigt das Hirn der Betroffen und diese können dann nicht mehr über ihr Leid klagen oder „spinnen“. Auf diese Weise wird MCS plötzlich zumindest teilweise, aber leider nur vorübergehend, „reversibel“. Was für ein Wunder! Wozu also aufwendige Vermeidungsstrategie, Atemschutz, gesunde Ernährung und all dieser Quatsch, wenn es auch so geht. Ab und zu ein paar Stromschläge und die Kranken parieren. Wie wäre es, stattdessen einen Stock zu nehmen? Es wird immer noch sehr angestrengt daran geforscht, wie die therapeutische Wirkung von ECT genau funktioniert. Ein Stock funktioniert viel zuverlässiger und wenn man nur auf den nackten Hintern schlägt, lassen sich Hirnschädigungen weitgehend ausschließen.

Man bot in der Mail an, auf persönlicher Ebene gerne weitere Fragen zu beantworten. Darauf verzichten wir!

Autor: BrunO für CSN

Englische Version im EMM Blog:

Gloss: Electric Shock, the Treatment of Choice for MCS

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“

Wer hilft MCS-verträglichen Wohnraum suchen?

Notwohnungen für MCS-Kranke sollen zügig geschaffen werden

Bislang beschränkt sich das Angebot für Wohnraum, der für Menschen mit der Behinderung MCS – Multiple Chemical Sensitivity geeignet ist, auf private Eigenheime. Staatlich oder kommunal geförderte Wohnprojekte, wie es sie für andere Behinderten- gruppen gibt, existieren nicht. Aufgrund dieses Mangels an geeigneten Wohnungen für Chemikaliensensible, halten sich manche dieser schwer Erkrankten Tag und Nacht draußen auf. Bei ungünstiger Witterung, im Winter und bei fortgeschrittenem Krankheitsverlauf kommt es immer wieder zu Notfällen, die in Notunterkünften aufgefangen werden müssten. Außer von Seiten der Mitbetroffenen und Selbsthilfe- organisationen fühlte sich jedoch bislang keiner zuständig, was bereits mehrere Suizidfälle im deutschsprachigen Raum zur Folge hatte. Diese untragbare Situation soll sich schnellstmöglich ändern.

Christian Schifferle, Präsident der Organisation „Gesundes Wohnen MCS“ bittet um Mithilfe:

Wir suchen eine interessierte relativ gesunde belastbare Persönlichkeit, die uns hilft, nach MCS-verträglichem bestehendem Wohnraum zu suchen in der Umgebung von Zürich (30 km Umkreis). Es sollen in den nächsten Wochen zahlreiche Liegen- schaften abgeklärt werden, um endlich auch hier Notwohnungen für MCS-Kranke anbieten zu können. Da das Züricher MCS-Pionierprojekt erst in 3 Jahren bezugsbereit ist, benötigen wir für einige MCS-Betroffene in Not schon jetzt gute Wohnungen und Übergangslösungen. Wer kann sich so einen Job vorstellen, wer hat die notwenige sensible Nase und noch genügend Gesundheit, um hier aktiv zu sein?

Wir können eine kleine Stunden-Entschädigung und Spesen nach Absprache zahlen und einen ansehnlichen Bonus bei erfolgreicher Suche. Wer könnte sich das vorstellen, aus der Schweiz oder Deutschland? Auch vorübergehend für einige Tage oder Wochen hier lebend ? Natürlich wären wir froh, um jemanden, der sich da mit Engagement und Herzblut auf die Suche macht, am besten eine Person mit Auto, die auch im Internet selbstständig Objekte herausfiltern kann. Aber nicht Bedingung. Wir können da möglicherweise auch ein Team aufbauen, das ev. nachher an andern Orten eingesetzt werden kann zur Suche von MCS-gerechtem Wohnraum. Wäre ev. auch ein guter Job für pensionierte Person in Rente. Wir freuen uns auf ein Gespräch mit möglichen Bewerbern. Bitte weiterleiten an mögliche Interessierte.

Ich danke Euch für jede Unterstützung,

Christian Schifferle

Präsident Gesundes Wohnen MCS


Kontakt:

Wohnbaugenossenschaft

GESUNDES WOHNEN MCS

Ausstellungsstrasse 114

CH-8005 Zürich

e-mail: info(at)gesundes-wohnen-mcs.ch

Tel: 0041 44 401 05 22 oder 0041 78 620 53 07

Weitere Informationen über das MCS Wohnprojekt:

Epigenetik und Umweltkrankheiten, die Rolle von Chemikalien

Input

Während die deutsche Öffentlichkeit über Sinn oder Unsinn von „Deutschland schafft sich selbst ab“ mehr oder weniger erhitzt diskutiert, hüllt sich die Mehrheit der Bevölkerung in Schweigen, dass die Industrie, die Regierungen und das Konsumverhalten der Bevölkerung dafür sorgt, dass sich die Menschheit tatsächlich abschafft.

Die Fakten erschrecken immer mehr:

  1. Es ist nicht mehr zu verleugnen, dass durch menschliche Schuld eine weltweite Klimaveränderung in Zeitraffer eingetreten ist, dessen Folgen in ganzen Bänden niedergeschrieben werden könnten.
  2. Es ist nicht mehr zu übersehen, dass die Umwelt zu Lande, zu Wasser, zur Luft bis hin zu den Arbeitsstätten, öffentlichen Gebäuden und Wohnungen immer mehr durch schädliche, giftige und/oder genverändernden Chemikalien verseucht wird. Mehr oder weniger müsste/muss sogar die Muttermilch als vergiftet angesehen werden.
  3. Die Umweltbelastung durch die Chemisierung der Landwirtschaft ist derart extremgeworden, dass Bienen massenhaft sterben, Allergien weiter sprunghaft zunehmen, der Urangehalt und die Schwermetallbelastung von Nahrungsmitteln und der Böden besorgniserregende Ausnahmen angenommen hat. Gene von genmanipulierten Pflanzen wurden schon in Regenwürmer nachgewiesen.
  4. Sägewerke unterziehen dem frischen Holz sofort Chemikalienduschen, damit es später nicht von Holzschädlingen befallen werden kann. Für immer mehr Menschen ist daher durch die hohe Schadstoffbelastung keine Holzart mehr verträglich. Wirklich unbelastetes Holz gibt es nahezu nicht mehr.
  5. Durch die allgemeine Vergiftung der Lebensräume und der Nahrungsmittel, aber auch durch extreme psychische Belastungen treten epigenetische Veränderungen auf, die für Diabetes, Fettsucht, Krebs, Herz- und Kreislauferkrankungen, psychische Erkrankungen und – wenn auch noch nicht offen zugegeben – sicher auch für Umweltkrankheiten verantwortlich sind

Hierzu ein Innovationsreport: Epigenetik: Die Gene sind nicht alleine schuld

Obwohl nachgewiesen wurde, dass Bisphenol A zu epigenetischen Veränderungen führt, sieht unsere Regierung keinen Handlungsbedarf.

Obwohl nachgewiesen wurde, dass die Innenseiten von Tetrapacks mit Druckfarben- bestandteilen verseucht sind, wird nichts wirklich Wirksames dagegen unternommen.

Obwohl nachgewiesen wurde, dass sogenannte Diätprodukte für Diabetiker nicht nur maßlos überteuert und nutzlos, sondern sogar schädlich sind, dürfen diese Produkte noch mindestens zwei Jahre auf dem Markt bleiben, weil man die Industrie nicht zu sehr belasten will. Im Gegensatz zu den Menschen, die durch soziale Kürzungen und Erhöhung von sozialen Abgaben nicht genug belastet werden können. Die Regierung schützt weniger das Volk, als vielmehr die umweltzerstörenden Interessen der Wirtschaft.

Die Regierung lässt zwar entsprechend forschen, aber statt Produkte solange zu verbieten, bis ihre Unbedenklichkeit sicher nachgewiesen ist, geht sie den umgekehrten Weg und lässt sie solange produzieren, bis man ihre evtl. Schädlichkeit nachgewiesen hat, erst dann reagiert man und oftmals nicht einmal dann. Oft werden lediglich abenteuerliche Grenzwerte festgelegt, die den Konsumenten zumuten, die Schadstoffe zu konsumieren. Bekanntlich klammern die Grenzwerte Kinder, Kranke, Schwangere und Vorbelastete Menschen aus. Auch die Kombination mit mehreren Grenzwerten wird ausgeklammert. Wenn ein Mülleimer mit tausenden Giftstoffarten von jeweils nur einem Gramm gefüllt wird, dann ist er auch irgendwann voll, nur der Mensch nicht?

Dass die Regierung nicht ganz so ahnungslos ist, sieht man hier:

Gesundheit – Effekte – Epigenetik

Man gibt sich also informiert, sagt aber, man müsse noch weiter forschen. Bis dahin bleibt Bisphenol A erlaubt…

Und dass Umweltkrankheiten schon längst eindeutige Boten der Umweltverseuchung sind, ignoriert man, stattdessen Psychiatrisierung der Umweltkranken, Verfolgung und Drangsalisieren von konsequenten Umweltmediziner, Negierung internationaler wissenschaftlicher Erkenntnisse und Verweigerung von Hilfe für Umweltkranke.

Autor:

Gerhard Becker, CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. Sept. 2010.

Weitere Artikel von Gepaucker:

Wissenschaftlich begleitetes MCS-Wohnprojekt ist im Entstehen

In Zürich entsteht bis 2013 ein Wohnprojekt für Menschen mit MCS. Die Umwelt- krankheit ist auch in der Schweiz verbreitet, man geht von Behördenseite von ca. 5000 Betroffenen aus, und nun will man Nägel mit Köpfen machen. Die Stadt Zürich wird mit einem Grundstück und Baurecht zum Wohnprojekt für Chemikaliensensible beitragen. Das Vorhaben, dass rund 5,8 Millionen Franken kosten wird, werde als Pionierleistung für gesundes Wohnen in die Geschichte eingehen, sagte der Züricher Stadtrat Marin Vollenwyder auf der heutigen Pressekonferenz in Zürich. Die Stadt habe sich zum Legislaturziel WOHNRAUM FÜR ALLE gesetzt und das hieße für die Stadt auch, eine solche Bevölkerungsgruppe zu unterstützen, die es auf dem Wohnungs- markt besonders schwierig habe.

Endlich Hoffnung in greifbarer Nähe

Christian Schifferle, der Gründer der Baugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS und Präsident der Selbsthilfegruppe MCS-Liga Schweiz, setzt sich schon viele Jahre für dieses Projekt ein. Vor zwei Jahren gründete er die Genossenschaft, seitdem geht es in großen Schritten voran. Heute schrieb Ch. Schifferle eine E-Mail:

Gerade komme ich von der Medienkonferenz der Stadt Zürich, MCS-Pilot- wohnungsprojekt, bin noch ganz geschafft und überwältigt, habe immerhin meine Rede halten können. Die Neue Zürcher Zeitung hat schon einen Bericht verfasst.

Ev. kommt heute oder Morgen ein Bericht auf Tele Top. Sicher werden wir in der nächsten Zeit ausführlich berichten… Ich schlafe zurzeit im Auto und verspreche mir baldige Hilfe beim Wohnraum suchen als Übergangs- lösung.

Architektin packt mit an

Eine weitere gute Nachricht war diese Woche aus der Schweiz zu vernehmen. Christian Schifferle ließ wissen, dass die Wohnbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS seit gut zwei Wochen durch Marianne Dutli Derron verstärkt wird. Die Architektin ist als Beraterin beim SVW Zürich tätig, der Dachorganisation von über 200 Züricher Wohnbaugenossenschaften. Ihr Büro liegt direkt neben dem der MCS Wohnungsbaugenossenschaft. Frau Dutli Derron wurde jetzt auch in die Geschäfts- leitung der Wohnungsbaugenossenschaft gewählt, die sie nun zusammen mit Dr. Roman Lietha und Christian Schifferle bildet. An der nächsten Generalversammlung soll Marianne Dutli außerdem als Vorstandsmitglied und Co-Präsidentin vorgeschlagen werden, war von Ch. Schifferle zu hören. Acht Jahre Erfahrung als Präsidentin einer anderen Züricher Wohnbaugenossenschaft bringt sie mit. Vor einigen Wochen hatte Ch. Schifferle die Architektin angefragt, bei der MCS-Genos- senschaft mitzumachen, und natürlich war er sehr erfreut, ihre Zusage zu erhalten.

Professionelle Unterstützung

Das Thema MCS Wohnraum ist Frau Dutli Derron nicht fremd, sie war eines der Jury-Mitglieder des MCS-Architekturwettbewerbs und hat sich entsprechend gut eingearbeitet. Ch. Schifferle ist professionelle Unterstützung ein besonders großes Anliegen. Er selbst leidet von Kindheit an unter schwerer MCS und hat seine Kräfte seit Jahren in das Vorhaben investiert. Anstrengende Sitzungen wird es in den nächsten Monaten und in der Bauphase viele geben, dafür braucht es gesunde Unterstützung mit viel Sachverstand.

Gesundes Wohnen hat eine große Zukunft

Die Stadt Zürich leistet mit dem MCS Wohnprojekt in der Tat Pionierarbeit. Es ist das erste Wohnprojekt für Chemikaliensensible in Europa, das nun in Zürich-Lembach Zug um Zug entsteht.

Im September 2009 hatte das Finanzdepartment der Stadt einen Kredit von 150 000 Franken zur Durchführung eines Studienauftrages für das Wohngebäude mit zehn Wohnungen für MCS-Betroffene bewilligt. Das MCS Haus wird von Grund auf baubiologisch konzipiert und Wissenschaftler begleiten das Wohnprojekt.

Technisches und althandwerkliches Meisterwerk

Aus der Neuen Züricher Zeitung war zu erfahren, das Augenmerk liege bei diesem besonderen Neubau auf einer äußerst sorgfältigen Materialwahl und Verarbeitung. Das Gebäude werde sogar mit speziellen Schleusen ausgerüstet, damit sich die Bewohner von chemischen Substanzen beim Betreten reinigen können.

Das Pionierprojekt wird eine Herausforderung in der Ausführung darstellen, denn es sollen uralte Handwerkstechniken, die teils schon in Vergessenheit geraten sind, mit hochmodernen Materialien kombiniert werden. Es wird beispielsweise eine Glas- faserstabarmierung zum Einsatz kommen, die bis jetzt noch nie für die Statik eines ganzen Wohnhauses eingesetzt wurde. Das Material leitet weder Wärme noch Strom. Ansonsten soll das MCS-Haus eine homogene Außenwandkonstruktion aus Wärmedämmbacksteinen mit einer vielfältig biologisch wirksamen inneren Haut mit Lehm und Kalkputzen erhalten. Im Idealfall können aus der Anwendung solcher im Moment vielleicht eher ungewöhnlich anmutenden Materialien und Verarbeitungs- techniken Erfahrungen für den normalen Wohnungsbau gewonnen werden. Das erhofft sich jedenfalls das Architekturbüro, das den Zuschlag erhalten hat für das innovative Projekt, das gerade im Entstehen ist.

Für Christian Schifferle heißt es jetzt noch zwei weitere Jahre durchhalten, kalte lange Nächte im Auto oder auf dem Feldbett im Wald. Nach der enormen Leistung, die er vollbracht hat, wird er auch diese Zeit schaffen. Dann wird er hoffentlich ein Zuhause haben, in dem er und andere MCS-Betroffene beschwerdefrei leben und gesunden können. Als nächsten Schritt plant die Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS Wohnprojekte für Chemikaliensensible in Deutschland.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. September 2010.

Bild: Wohnungsbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS

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