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Pestizid Chlorpyrifos: Verbot in Südafrika

Das PAN – Pesticide Action Network berichtet, dass der Südafrikanische Minister für Landwirtschaft, Forst und Fischerei am 14. Mai 2010 angekündigt hat, dass das Land die Verwendung des Organophosphat-Pestizids Chlorpyrifos für Haus und im Garten verbieten will.

Während es in den USA bereits seit langem Anwendungsbeschränkungen gibt, ist Chlorpyrifos in Deutschland noch in vielen leicht erhältlichen Schädlings-bekämpfungs- und Pflanzenschutzmitteln, auch für den häuslichen Bedarf, enthalten.

Chlorpyrifos ist als sensibilisierende Chemikalie bekannt. Das Pestizid war die erste Chemikalie, die in einem EPA Memorandum als Auslöser für MCS-Multiple Chemical Sensitivity benannt wurde.

Auslöser für schwere Gesundheitsschäden

Das von PAN als “Bad Actor Pestizid” eingestufte Chlorpyrifos ist ein akuttoxisches Nervengift, es wird vermutet, dass es sich auf das Hormonsystem störend auswirkt und steht mit zahlreichen anderen Gesundheitsschäden in Verbindung.

In jüngster Zeit wurden Organophosphat-Pestizide durch eine in den USA vielbeachtete Studie mit einem erhöhten Risiko für das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) bei Kindern in Verbindung gebracht.

Die Ankündigung eines Verbots ist ein bedeutender Schlag gegen Dow Chemical, der wichtigste Hersteller von Chlorpyrifos weltweit.

Kinder besonders stark gefährdet

Chlorpyrifos wurde bei Kindern in besonders hoher Konzentration nachgewiesen. Daten des „Center for Disease Control and Prevention“ (CDC) zeigten, dass 93% der Einwohner der USA in den Jahren zwischen 1999 und 2000 bei einer Stichprobe Chlorpyrifos in ihren Körpern aufwiesen. Bei Kindern im Alter von 6-11 Jahren wurden dabei fast doppelt so hohe Werte nachgewiesen wie bei den Erwachsenen.

In den Jahren von 2001-2005 stellte die amerikanische Umweltschutzbehörde EPA die Nutzung von Chlorpyrifos in den USA in Wohnräumen ein. Hierzu führte die Behörde insbesondere Bedenken für die Gesundheit von Kindern an.

Die in den USA unter dem Namen Dursban oder Lorsban verkaufte Chemikalie wird jedoch in der Landwirtschaft noch weitflächig verwendet. Das bedeutet, dass die Gefährdung durch erhöhte Exposition bei Kindern in ländlichen Gebieten und für Landarbeiterkinder weiterhin auftritt.

Situation USA

PAN Nordamerika arbeitet derzeit mit Partnern, darunter das „Farm Worker Pesticide Project“, daran, die EPA zu drängen, ein Verbot für Chlorpyrifos zu beschließen. „Es ist einfach unerhört, weiterhin die Exposition gegenüber Chlorpyrifos bei Kindern in landwirtschaftlichen Gebieten zu erlauben, nachdem festgelegt wurde, dass es zu gefährlich für Kinder im städtischen Umfeld ist“, sagte die wissenschaftliche Leiterin des Pestizid Aktions-Networks, Dr. Margaret Reeves, „es ist Zeit, es loszuwerden, ein für allemal.“

Situation Deutschland

In Deutschland ist das Pestizid Chlorpyrifos in zahlreichen Schädlingsbekämpfungs- und Pflanzenschutzmitteln für Haus und Garten enthalten. Sie sind in Form von Sprays, Köderdosen, Mottenstrips, Flohhalsbändern, etc. im Handel. Sowohl in der Land- und Forstwirtschaft, als auch im Weinbau wird das Organophosphat-Pestizid verwendet.

Situation Österreich

Es gab eine Anfrage (1632/AB (XXII. GP) ) der Abgeordneten Dr. Gabriela Moser, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend der Gesundheitsbedrohung durch Organophosphat-Pestizide und deren Einsatz in Österreich. Anfrage an Parlament Österreich

In der Anfragebeantwortung durch den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft Dipl.-Ing. Josef Pröll zu der schriftlichen Anfrage (1648/J) wurden wichtige Fragen, auch zur rechtlichen Situation in Österreich, weitgehend erläutert. Antwort Parlament Österreich

Autor: Silva K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1. Juni 2010.

Literatur: PAN, May 2010

Weiterführende Literatur:

CSN Artikel zum Thema Pestzide:

EU-Rente bewilligt

Über 25 Jahre hatte die Lohn- und Finanzbuchhalterin in einer Spedition gearbeitet. Im Rahmen einer Büroerweiterung kam es zu einem Wassereinbruch. Um den Boden zu trocknen, wurde die Fußbodenheizung angestellt. Es entstanden giftige Gase und die drei Angestellten des Büros wurden krank. Im Oktober 2009 wurde der ganze Hergang von der Buchhalterin hier im Blog berichtet:

Arbeit und Renovierung im Büro – Resultat: Diagnose MCS

Jetzt gibt es Neues:

Aufgrund meines Rentenantrages im August 2009 wurde ich von der Rentenversicherung zu verschiedenen Gutachtern geschickt: u.a. zu einem Umweltmediziner und zu einem Arzt für Neurologie und Psychiatrie. Sie begegneten mir mit mehr oder weniger Verständnis für MCS.

Eine gute Nachricht – Rente bewilligt

Aber: Anfang Mai bekam ich meinen Rentenbescheid. Rückwirkend ab 01.03.2010 erhalte ich volle EU-Rente, befristet bis 31.07.2012. Für mich persönlich ist das ein großer (Teil-) Erfolg.

Bis zur Bekanntgabe des Rentenbescheides war ich arbeitslos gemeldet. Die Sachbearbeiterin vom Arbeitsamt zeigte sich übrigens sehr verständnisvoll für meine gesundheitlichen Probleme. Ich musste monatlich lediglich zwei Bewerbungen abgeben und wurde nicht zur Teilnahme an irgendwelchen „Fortbildungen“ oder „Maßnahmen“ verpflichtet. Auch das sehe ich als positive Erfahrung.

Begutachtung Uni-Klinik für Arbeits- u. Umweltmedizin in München

Das Sozialgericht vereinbarte wegen der Klage gegen die Berufsgenossenschaft für mich auch noch einen Termin an der Uni-Klinik für Arbeits- u. Umweltmedizin in München, den ich im April wahrgenommen habe.

Die Untersuchung wurde geleitet von Prof. Dr. med. Nowak, der Studien zu MCS betrieben hat. Seine Mitarbeiterin, Frau Dr. med. Lux, begann um 8.30 Uhr mit der Aufnahme meiner Krankengeschichte und einer Blutentnahme. Wegen meiner erhöhten Leberwerte durfte ich 15 Ampullen füllen.

Für die sehr umfassende Ultraschalluntersuchung wurde eine weitere Fachärztin hinzugezogen. Bei der nächsten Kollegin verbrachte ich fast drei Stunden. Sie erklärte mir zunächst, dass ich die folgenden Tests jederzeit abbrechen könnte. Für den Provokationstest saß ich in einer Prüfkammer (Glaskasten mit Inhaliergeräten), und bei jeder neuen Einatmung bekam ich etwas mehr „Straßenstaub“ verabreicht. Die Kurvenparameter sollten zeigen, ob Lunge und Atemwege generell empfindlich auf Reize reagieren. Ständig wurden dabei das Lungenvolumen und der Sauerstoffgehalt im Blut gemessen. Die Blutentnahme erfolgte aus dem Ohrläppchen, das vorher mit Bienengift eingerieben worden war. Während des Untersuchungstages hatte ich einen Blutdruck von 190/90.

Erst kurz vor Schluss war deutlich ein unangenehmes Kratzen im Hals zu spüren. Um die Lunge wieder schneller zu entkrampfen, konnte ich nach eigenem Ermessen ein Aerosol inhalieren, das auch bei Kleinkindern angewendet wird. Es folgten ein Belastungs-EKG und ein Allergietest. Anschließend wurde ich noch geröntgt.

Als ich gegen 15.00 Uhr entlassen wurde, hatte ich zwar noch immer MCS, aber keinerlei nachweisbare Allergien und keine Schäden an den untersuchten Organen. Von den Ärzten/innen dort habe ich den Eindruck, dass sie „uns“ gerne helfen würden, wenn sie könnten.

Untersuchungsergebnis

Ergebnis der Untersuchungen: es kann dennoch nicht bewiesen werden, dass meine MCS und die erhöhten Leberwerte von der Schadstoff-Exposition in den Büroräumen kommen. Auch steht MCS nicht auf der Liste der Berufskrankheiten, erklärte mir Prof. Nowak.

Hoffen wir das Beste

Einen Verhandlungstermin in Sachen Berufsgenossenschaft gibt es zwar noch nicht, aber vielleicht treffen mein Kollege und ich auf verständnisvolle Richter.

„Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ (Vaclav Havel)

Autor: B. G. für CSN – Chemical Sensitivity Network, 28. Mai 2010

Teil 1: Arbeit und Renovierung im Büro – Resultat: Diagnose MCS

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Seit 25 Jahren krank durch Holzschutzmittel

Der Marathon fand statt, aber anders als geplant

1977 (16 Jahre alt) begann ich eine Lehre in einer Holzgroßhandlung. Ich war bis zu dem Zeitpunkt gesund, keinerlei Problem. Ich war sehr sportlich und habe immer Fußball gespielt. Etwa ein Jahr später bekam ich in unregelmäßigen Abständen immer wieder einseitige Taubheitsgefühle, vom Fuß beginnend, über die Hand, den Rücken ins Gesicht, Mund und den Rest vom Kopf. Dabei konnte ich nicht mehr sprechen. Die Sprachfähigkeit stellte sich erst wieder ein, wenn dieses taube Gefühl im Kopf weg war. Naja, in dem Alter denkt man sich bei manchen Dingen nicht viel, zumal dann wieder alles in Ordnung war wie immer.

Krankenhaus statt Marathon

Dies ging bis 1985. Ich hatte geplant, meinen ersten Marathon zu laufen. Stattdessen lag ich dann acht Wochen im Krankenhaus. Was war passiert? Ich hatte wieder mal so eine Taubheitsattacke. Ich lies mich nach Hause fahren und war dermaßen müde, dass ich mich nicht mehr wach halten konnte. Als ich aufwachte, war mir nur schlecht. Ich dachte, das geht wieder weg. Am nächsten Tag ging ich wieder arbeiten, irgendwie ging es mir nicht besser und ich bin nach zwei Stunden wieder nach Hause. Am nächsten Tag ging ich zum Arzt und wurde für den Rest der Woche krankgeschrieben.

Eine Abwärtsspirale begann

Montags war mir immer noch schlecht. Wieder zum Arzt, noch eine Woche krankgeschrieben. Sonntagabend, ich hatte schon zwei Kilo abgenommen, mir ging es immer schlechter und ich fing an zu zittern. Ich hielt es nicht mehr aus und sagte meiner Mutter, sie sollte den Notarzt rufen. Ich lag inzwischen im Bett und zitterte wie Espenlaub. Der Arzt kam und mein Blutzuckerwert war auf 25 abgesackt. Er hängte mich an einen Tropf und mir ging es schlagartig wieder gut. Dann traf der Krankenwagen ein und ich kam ins Krankenhaus, acht Wochen. Mir ging es schon am anderen Morgen nach der Einlieferung wieder schlecht. Mir wird schwindlig in Fahrstühlen und ich bekam nach dem Frühstück immer Herzrasen. Ohne einen Befund wurde ich wieder entlassen. 3 Tage war ich dann noch in der Mayo – Klinik in Wiesbaden, am letzten Tag beim Psychologen. Psychosomatische Ursache die Diagnose! Ich war stinksauer und konnte es nicht fassen. Mir geht es nur schlecht und alle sagen, ich bin gesund.

Oberstes Ziel: Funktionieren

Zwei Wochen war ich noch krankgeschrieben, dann ging ich wieder arbeiten, obwohl es mir noch immer schlecht ging. Inzwischen fühlte ich mich jeden Tag wie unter Strom, hatte jeden Tag Kopfschmerzen, Probleme mit dem Neonlicht in der Firma, und das alles über Jahre hinweg. Das war der Horror. Laufen konnte ich nicht mal mehr 6 Kilometer, egal was ich versuchte. Bis 1989 habe ich in dem Holzgroßhandel noch ausgehalten, dann habe ich gekündigt und war für sechs Monate bei einem Lieferanten. Weniger Stress, mehr Gehalt, aber mir ging es nicht besser. Dann habe ich dort aufgegeben. Ich hatte kurz vorher ein sehr gutes Angebot bei Beiersdorf im Außendienst abgelehnt, weil es mir schlecht ging, was aber niemand wusste. Ich habe immer versucht, irgendwie normal zu funktionieren.

Kranke unerwünscht

1990 habe ich noch einen Versuch bei Portas gestartet, wo ich dann in der Probezeit entlassen wurde, weil ich mich hatte krankschreiben lassen – ich konnte nicht mehr. Die haben gesehen, was los war und haben mich natürlich gleich entlassen. Ich hatte mich dann selbständig gemacht mit einem Schreiner, den ich vom Großhandel kannte. Wir haben zusammen gearbeitet, vier Monate. Da hatte ich noch eine private Krankenversicherung. Mein Hausarzt wollte eine Behandlung auf Verdacht durchführen und ich sollte eine Kostenbeteiligung bei der Versicherung beantragen. Die warfen mir vor, ich hätte eine Krankheit nicht angegeben und habe mir den Vertrag gekündigt. Es wurde ja nie etwas diagnostiziert!

Der Amtsarzt sagt: Sie sind gesund!

Ich meldete mich beim Arbeitsamt. Damals war das noch nicht so ein Stress und Druck wie heute. Sechs Jahre war ich bei denen. Ich hatte meine Ruhe, aber mir ging es nicht besser. Inzwischen hatte ich noch Magen – Darmprobleme und sehr oft Sodbrennen. Mir wurde bei einer Untersuchung die Wirbelsäule punktiert, ohne Ergebnis. Inzwischen nervte mich das Arbeitsamt. Ich sagte, dass ich schon seit Jahren krank wäre. Ich musste zum Amtsarzt, der sagte, ich sei gesund. Die wollten mich zum Spargelstechen schicken und ich sagte, ich kann nicht. Ich musste einen Schrieb unterschreiben, dass ich krank wäre und dann haben sie mich rausgeworfen! Zum Sozialamt wollte ich nicht gehen, da ich ja auch keine Krankheit nachweisen konnte. Voll arbeiten ging auch nicht, also, wieder selbständig, um irgendwie über die Runden zu kommen.

Wieviel kann/muss man aushalten?

Zum Glück hatte ich mir den Dachboden bei meinen Eltern ausgebaut und musste zu der Zeit noch keine Miete bezahlen. Keine Krankenversicherung und keine Rentenversicherung, dafür reichte es nicht. Das habe ich bis 2008 so gemacht. Niemand wusste die ganzen Jahre, wie es mir wirklich geht. Einem Arzt sagte ich mal, dass ich es nicht mehr aushalten würde. Der gab mir Psychopharmaka, abends eine Tablette, sagte er. In der Nacht flog ich wie ein Vogel durch Hochhausschluchten. Ich wachte morgens auf, hatte die verschiedensten Töne in den Ohren, ich war total zugedröhnt. Ich musste auf Toiletten, wurde beim Aufstehen ohnmächtig und knallte mit dem Kopf auf den Nachttisch. Als ich wieder aufwachte, schleppte ich mich auf die Toilette, wo ich wieder ohnmächtig wurde und auf den Boden fiel. Ich weiß nicht, wie lange ich da gelegen hatte. Ich schleppte mich wieder ins Bett, hatte Tränen in den Augen und fragte mich, wie lange das noch so weiter gehen soll. Dem Arzt sagte ich, dass ich die Tabletten nicht mehr nehmen würde. Ich hatte später irgendwann doch die Anleitung gelesen, da stand: man sollte morgens die Tablette nehmen!!

Das Vertrauen in Ärzte schwand dahin

Bei fünf Ärzten war ich in der Zeit bis 2009. 2001 habe ich selbst festgestellt, dass ich keinen Kaffee, keinen Tee (von beidem stand ich immer unter Strom), keine Farbstoffe und Konservierungsstoffe vertrage. Den Arzt hat das wenig interessiert. Ein gebrochenes Schultergelenk wurde bei mir nach einem Sturz auch nicht erkannt, erst nach drei Monaten. Seit 1980 hatte ich erhöhten Blutdruck, erst seit einem halben Jahr bekomme ich dafür Tabletten, wie auch für meine Magenprobleme Säureblocker. Oft habe ich mir gewünscht, morgens einfach nicht mehr aufzuwachen, weil ich nicht wusste, wie ich den nächsten Tag überstehen sollte.

Die Taubheitsattacken kommen von Nahrungsmittel die ich anscheinend nicht vertrage. Allen Ärzten hatte ich meinen Verdacht auf eine Schadstoffbelastung geschildert, niemand ist dem nachgegangen! Alle Ärzte habe ich der Ärztekammer gemeldet, niemand ist sich einer Schuld bewusst, alles wurde abgewiegelt.

Heilpraktikerin kam Vergiftung auf die Spur

2007 bin ich durch Zufall durch meine Freundin zu einer Heilpraktikerin gekommen, die sich seit über 30 Jahren mit Schadstoffen und Allergien befasst. Die stellte mir sofort ganz gezielte Fragen, sodass ich fragen musste, woher sie weiß, wie es mir geht und welche Probleme ich habe. Der erste Mensch, der mich verstanden hatte, aber zu spät, sie konnte nichts mehr tun. Das war ein Schock für mich. Ich hatte immer gehofft, dass mir irgendwann irgendjemand helfen könnte. Sie erklärte mir jedoch diese negativen Dinge nicht. Die Diagnosen habe ich mir selbst im Internet übersetzt und es dauerte über ein Jahr, bis ich das alles verstanden hatte.

Krank? Dann ist man nichts mehr wert

Dass es zu spät sei, das hatte ich meiner damaligen Freundin, die ich schon über 20 Jahre kannte samt Familie, aber nur 9 Monate mit ihr zusammen war, nicht gesagt. Ich wollte sie damit nicht belasten. Sie hatte damals den Ausbruch der Krankheit noch miterlebt und mich im Krankenhaus besucht. Damals ging ich wegen der Krankheit keine Beziehung mit ihr ein und ich hatte sie dann über 20 Jahre nicht mehr gesehen. Man könnte sage, dass sie die Liebe meines Lebens war, bis zu diesem Zeitpunkt. Als sie erfuhr, dass ich nicht regelmäßig arbeitete, was ja für mich schon seit Jahren normal war, sagte sie, ihr würde das gar nicht gefallen und ihr Ex wäre ja bald mit seiner Ausbildung fertig. Außerdem musste ich mir vor einer Feier sagen lassen, ich solle mich mit dem Essen zurück halten, sie hätte keine Lust wegen mir früher nach Hause zu fahren. Das war ein starkes Stück!

Schnödes „Good bye“ per E-Mail

Drei Wochen später wurde ich per Email vor die Tür gesetzt, sie ist wieder mit meinem Vorgänger zusammen, den sie abserviert hatte, weil er arbeitslos wurde. So viel zu Toleranz und Beistand bei Krankheit (wie mies kann man denn sein, sie war nur wegen meiner Visitenkarte mit mir zusammen war). Ich hatte vorher noch ihre komplette Küche umgebaut und eine neue zu meinem Einkaufspreis eingebaut, Rasen gemäht, Hecken geschnitten, Wurzeln ausgegraben, ohne Rücksicht auf mich. Alles ohne ein Danke. Diesen miesen Abschuss habe ich bis heute nicht verkraftet. Ich kann so viel Hinterhältigkeit immer noch nicht fassen. Noch nie habe ich mich im Leben so gedemütigt und wie Dreck behandelt gefühlt.

Rundum fertig

Inzwischen legte ich meinem Hausarzt die Diagnosen der Heilpraktikerin vor und drohte ihm mit den Medien. Diagnose der Heilpraktikerin: Reduzierter Allgemeinzustand als Folge von Schadstoffbelastung, periphere Durchblutungsstörungen, MCS, multiple Nahrungsmittelempfindlichkeiten – und Allergien, vegetative Dystonie infolge endogener – und exogener Stressbelastung, lymphatische – allergische Diathese, Vitamin B12 Mangel.

Ich habe bei einigen Lebensmitteln wahre „Erdbeben“ in mir, bis zu Durchfällen über den ganzen Tag, habe mit Licht vor allem beim Einkaufen Probleme, meine Kopfhaut fühlt sich irgendwie wie Leder an und ist durch anfassen mit kalten Fingern nicht richtig kälteempfindlich. Ich fühle mich leer vor allem im Kopf und habe das Gefühl, dass in meinem Kopf ein Stein ist statt ein Gehirn. Sehstörungen, ich vergesse manchmal Worte beim Sprechen oder Dinge die ich tun wollte, kann mich nicht mehr von richtig von Anstrengungen erholen, bin schnell gereizt oder genervt, schaffe es immer noch nicht mehr als 7 Kilometer zu laufen, was ich auch ganz aufgegeben habe.

Bei den Taubheitsattacken sehe manchmal auf einem Auge gar nichts mehr und habe bis zu drei Tagen Migräne. Öfters habe ich Kopfschmerzen, ich habe oft Ohrensausen, häufig ist mir so hundeelend, dass ich glaube ich sterbe. Ich weiß seit 25 Jahren nicht mehr wie es ist, wenn man sich gut und normal fühlt. Ich fühle es gibt in meinem Gehirn keine Endorphine mehr oder nur noch sehr wenige, fühle mich antriebslos, Schilddrüsenunterfunktion (auch nicht erkannt, oder nichts dagegen unternommen). Drei Seiten mit Lebensmitteln hatte die Heilpraktikerin mir ausgedruckt, die ich mehr oder weniger vertrage. Manchmal reagiert mein Körper auch schon auf Dinge die ich immer vertragen habe.

ARGE – Das Grauen nimmt seinen Lauf

Juli 2008 habe ich ganz aufgegeben und mich bei einer ARGE angemeldet, ALGII. Das wollte ich so lange wie möglich vermeiden. Wer dort schon mal war, weiß warum – das ist das Grauen. Menschenunwürdig und man ist rechtlos. Mein Antrag wurde über vier Monate bearbeitet und dann mit dem Hinweis abgelehnt, wenn ich einen Verwertungsausschluss für meine Lebensversicherung beigefügt hätte, wäre er genehmigt worden! Woher sollte ich das wissen? Bis heute klage ich dagegen, schon mit dem zweiten Anwalt. Mein aktueller Rentenbescheid beläuft sich auf 359€. Erst Anfang Dezember 2008 bekam ich Leistungen, aber nur einen Teil, weil mir ein durchschnittlicher Umsatz vom Vorjahr abgerechnet wurde, den ich gar nicht mehr hatte. Außerdem ging es wieder zum Amtsarzt.

Gehen Sie mal zum Umweltarzt

Ich legte dem Amtsarzt ein Schreiben von mir und die Diagnose der Heilpraktikerin vor. Er sagte mir, er würde mir ja alles glauben, aber Heilpraktiker seien nicht anerkannt, ich solle zu einem Facharzt für Umweltmedizin gehen. Mein Hausarzt wollte noch mal mit dem Amtsarzt telefonieren, was er vergas. Ich hakte nach und er besprach mit ihm, dass ich für drei Stunden täglich arbeitsfähig sei, damit mich das Kreisamt (ARGE) nicht mehr „piesacken“ würde. Ich könnte noch zu einem Umweltarzt gehen, aber für mich würde sich sowieso nichts mehr ändern. Auf Deutsch: Sieh zu wie du klar kommst.

Also suchte ich so einen Umweltarzt und bei mir im Ort war so eine Ärztin. Bei meinem Termin war ich gerade mal zehn Minuten bei der guten Frau. Sie fragte, was sie da jetzt noch tun sollte. Ich habe mich dann einfach verabschiedet und bin gegangen. Wollen Ärzte Patienten eigentlich noch helfen oder kassieren die nur die Krankenkassen und die Privatpatienten ab???

Und wieder ausgetrickst

Meinen Hausarzt sagte ich, dass ich eine Arbeitsunfähigkeitsversicherung hätte. Dafür würde es nicht reichen, sagte er mir. Acht Monate später meldete sich meine Versicherung, der Neue, der die Vertretung übernommen hatte. Er kam vorbei und ich schilderte ihm mein Fall. Da ich mehr als 50% arbeitsunfähig sei, hätte ich die Versicherung in Anspruch nehmen können, jetzt war es zu spät, da ich sie gekündigt hatte, weil ich sie nicht mehr bezahlen konnte. Toll!!

Na, dann werden Sie doch Heilpraktiker

Ich suchte mir einen neuen Hausarzt, legte dem alles vor. Der fragte was ich arbeite. Ich: „seit 1990 bin ich nicht mehr angestellt, ich beziehe ALG II“. Er meinte, ich hätte sicher einiges drauf um arbeiten zu können. Ich sagte ihm, er hätte keine Ahnung was ich die Jahre mitgemacht hätte. Er dann, ich könnte ja einen dreimonatigen Lehrgang machen, um Heilpraktiker zu werden. Was für ein Schwachsinn. So etwas muss man sich noch zu alledem anhören. Man kommt vom Regen in die Traufe.

ARGE Sachbearbeiter war MCS kein Fremdwort

Vor Wochen musste ich zu meinem Fallmanager bei der ARGE, der mich vermitteln wollte. Dem legte ich auch wieder alles vor. Wie ich das langsam leid bin, jedem alles wieder neu zu erklären. Aber der verstand mich sogar und kannte MCS. Ich erklärte ihm, es wäre wohl sinnlos irgendwo zu arbeiten, wenn man sich nicht gut fühlt und die Hälfte der Zeit deshalb nicht arbeiten kann, bzw. das Haus nicht verlassen kann. Jetzt muss ich wieder zum Amtsarzt, weil die Einstufung nur für ein Jahr gilt. Ich muss also bis zur Rente jedes Jahr dort hin und von 359€ leben. Wer macht solche Gesetze??? Ist ein Mensch der krank ist gar nichts mehr wert??? Er würde mich nicht vermitteln und ich solle jeden Monat drei Proforma-Bewerbungen schreiben. Ich dachte, ich spinne!

Ausgemustert wie ein kaputter Roboter – Ist das OK?

Noch nie im Leben hatte ich Schulden. Durch die ARGE ist das jetzt der Fall. Mir wurde von meinem Sachbearbeiter der ARGE gesagt, dass meine Eltern ja meine Vermieter seien, die würden mir sicher Mietaufschub gewähren!! Wo anders wäre mir schon die Wohnung gekündigt worden und ich würde auf der Straße stehen.

Ich war mein Leben lang im Verein und war im Motorradclub. Das kann ich mir alles nicht mehr leisten. Ich überlege schon, ob ich mich nicht wieder bei der ARGE abmelde und mein Gewerbe wieder anmelde, ohne Kranken- und Rentenversicherung. Es ist nur noch demütigend und menschenverachtend. Ich gebe zu, man denkt, wenn man so etwas erlebt, darüber nach, ob man so weiter leben möchte. Ich weiß nicht, wie ich das Ganze alles bis heute ausgehalten habe.

Ich wünsche mir Toleranz und Anerkennung meiner Krankheit. Ich war Formaldehyd, Lösungsmitteln, Kunststoffen, Farben, Lacken, Holzschutzmitteln (auch Xyladecor) und Leimen fast 13 Jahre lang ausgesetzt. Zusätzlich hatte ich das Ganze noch in meiner Wohnung, die ich zusätzlich nach Ausbruch der Krankheit auch noch ausgebaut habe. Aber ein Mensch ist in Deutschland nur noch etwas wert, wenn er gesund ist und Arbeit hat. Ich verweigere jede Wahl, da ein Politiker nicht mehr für mich wählbar ist und es niemanden mehr um die Menschen geht, sondern nur noch um Geld und Macht!

Autor: Michael Hundsdorf für CSN-Chemical Sensitivity Network, Mai 2010

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MANIFEST: Wir wissen, dass sie uns anlügen

Wir wissen, dass sie uns anlügen

(ANTI-TOXISCHES MANIFEST)

Wir wissen, dass sie uns anlügen. Sie belügen uns. Wir wissen, dass sie lügen.

Für die Politiker sind wir schwarze Schafe in ihrer kontrollierten Herde.

Für die Ärzte, die uns belügen, sind wir Meerschweinchen, die sich nicht richtig benehmen können.

Für die Industrie, die uns belügt, sind wir unprofitable defekte Maschinen.

Für die Pharmafirmen sind wir der Stein in ihrem Schuh.

Die Krankheitsleugner belügen uns.

Diejenigen, die von Fortschritt reden und dabei eine Hand auf ihrer Brieftasche haben, belügen uns.

Aber wir glauben ihnen ihre toxischen Lügen nicht.

Auch wenn sie uns unsichtbar machen wollen, uns einsperren wollen in eine Krankheit und den Schlüssel wegwerfen, uns vergiften und uns den Mund verbieten, uns töten und uns unechte Blumen aufs Grab pflanzen, werden sie nicht in der Lage sein, uns einzusperren, uns ruhig zu bekommen, geschweige denn uns versch-winden zu lassen.

Wir haben keine Geduld mehr und wir sind keine braven Patienten. Wir rechtfertigen uns nicht, noch erklären wir uns selbst.

Wenn Du unter Fibromyalgie leidest, ME/Chronic Fatigue Syndrome überlebt hat, wenn Du mit Multiple Chemical Sensitivity gequält bist, dann solltest Du wissen, dass Du Dich in einem Krieg befindest. Deren Lügen verängstigen uns nicht, sie sind die Munition in diesem Krieg, der gerade erst begonnen hat.

Wenn Du glaubst, Du seist gesund, suche Dir die Seite, auf der Du stehen willst aus: Werde krank mit ihnen oder lebe mit uns.

Jetzt sind wir dran: Wir nennen unsere Krankheit beim Namen, wir entscheiden was wir wollen/brauchen, wir definieren was MCS ist.

Wir glauben deren toxische Lügen nicht.

Wir wissen dass sie lügen.

Clara Valverde & Eva Caballé, No Fun

CSN – Chemical Sensitivity Network schließt sich dem Manifest an.

Veröffentlicht am 12. Mai 2010 – Internationaler Fibromyalgia, ME/CFS und MCS Tag

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Gefahr Weichmacher – Unfruchtbarkeit durch die Umwelt

Umweltkrankheiten werden in der Öffentlichkeit gerne unter dem Schleier des Schweigens verhüllt und als nicht existent abgetan. Vielen Interessengruppen kommt diese Vernachlässigung umweltrelevanter Aspekte mehr als gelegen. Zunehmend stehen Ärzte vielen Beschwerden ihrer Patienten ratlos gegenüber, denn der Bereich Umweltmedizin fristet nach wie vor ein Schattendasein im Deutschen Gesundheitssystem. Dass Umwelteinflüsse einen immensen Einfluss auf unsere Gesundheit haben, lässt sich jedoch immer schwieriger unter den Teppich kehren.

Ungewollt kinderlos durch Umweltgifte?

Dies wird besonders durch die besorg-niserregende Zunahme an ungewollt kinderlosen Paaren verdeutlicht, die in den Industriestaaten rund um den Globus immer öfter zu verzeichnen sind. Wissenschaftliche Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass Weichmacher als Wurzel des Übels einzustufen sind. Inge Altmeier hat für die Reportage der Doku-Reihe 45 Min des NDR-Fernsehens, nach denen in unserem Leben faktisch all gegenwärtigen Weichmachern intensiv recherchiert, mit erschreckenden Ergebnissen. Die mit am häufigsten in unseren Alltagsprodukten zum Einsatz kommenden Weichmacher sind Phthalate, die zur Gruppe der schwer flüchtigen, organischen Verbindungen zählen. Diese hormonell wirksamen Chemikalien können u. a. die Spermaqualität des Mannes negativ beeinflussen, da sie wie Östrogene in den Hormonhaushalt eingreifen. Forscher führen an, dass durch Phthalate die Anzahl der Spermien stark reduziert und deren Aktivität enorm verringert wird, was den drastischen Anstieg unfruchtbarer Männer wissenschaftlich erklärt.

Unfruchtbarkeit in die Wiege gelegt?

Doch nicht nur das männliche Geschlecht ist von der Negativwirkung der krankmachenden Chemikalien betroffen. Da Weichmacher in unseren Alltagsgegenständen dominierend vorkommen, sind auch werdende Mütter mit ihrem ungeborenen Leben vor möglichen Gesundheitsschäden durch diese Schadstoffe nicht gefeit. Die in den Organismus der Schwangeren gelangenden Weichmacher können bereits den Fötus schädigen und bewirken, dass sich die Hoden der Jungen nicht richtig entwickeln und sie sozusagen eine spätere gestörte Fortpflanzungsfähigkeit mit in die Wiege gelegt bekommen.

Doch all dem nicht genug, Spielwaren für Babys und Kleinkinder sind oft stark mit krankmachenden Weichmachern belastet, zum Teil auch mit in der EU längst verbotenen Substanzen, die zumeist aus chinesischen Produktionsstätten in unsere Verkaufsregale gelangen. Somit nimmt das Übel weiter seinen Lauf und die Gesundheit vieler ahnungsloser Konsumenten wird schleichend durch Chemikalien im Alltag geschädigt. Immerhin sind einige Weichmacher als erbgutschädigend und krebserregend eingestuft.

Künstliche Befruchtungen nehmen zu

Inge Altmeisers Recherchen ergeben, dass Mediziner wie auch Wissenschaftler Alarm schlagen, denn die gefährlichen Phthalate gelten in Fachkreisen als mögliche Ursache für die sinkende Geburtenrate Deutschlands. Demnach wird bereits die Hälfte der deutschen jungen Männer als eingeschränkt zeugungsfähig eingestuft, Tendenz steigend. Der Mehrheit der Betroffenen ist völlig unklar, dass der ungewollte Kinderwunsch ein Umweltproblem darstellt und in Zusammenhang mit den fast überall vorkommenden Weichmachern einhergeht. Die gesundheitsschädigenden Chemikalien gelangen über Kosmetikprodukte, Hausstaub und über die Nahrungskette in unseren Organismus, wo sie ungehindert ihr Unwesen treiben – die möglichen gesundheitlichen Folgen können gravierend sein. Als letzter Hoffnungsschimmer bleibt vielen Paaren nur die künstliche Befruchtung, die für sie nicht nur eine finanzielle, sondern zudem eine enorme psychische Belastung bedeutet. Bei nur 30 Prozent aller künstlich vorgenommenen Befruchtungen kommt es letztendlich zu einer Schwangerschaft, viele Partnerschaften zerbrechen an diesem leidvollen Schicksal.

Kritische Worte vom UBA – ist das ausreichend?

Kritische Stimmen zur Alltagsbelastung der Bevölkerung durch toxische Chemikalien werden auch in Deutschland lauter. In der Doku des NDR 45 Min gibt die Toxikologin des Umweltbundesamtes in Berlin, Dr. Mareike Kolossa-Gehring zu bedenken, dass uns Weichmacher in unserem Leben quasi überall begegnen. Bei einem Besuch eines ungewollt kinderlosen Paares im Filmbeitrag erteilt sie Anregungen, um die Weichmacher in deren Wohnumfeld zu minimieren. Vom Badezimmer über Gebrauchsgegenstände bis hin zu Nahrungsmittel wird keine Quelle ausgelassen. Die beim UBA anschließend vorgenommene Hausstaubuntersuchung ergab den Nachweis von 12 verschiedenen Phthalaten, 6 Flammschutzmittel, 2 Adipate (Ersatzstoffe für Phthalate) sowie Dinch, einem neuen Weichmacherprodukt aus dem Hause der BASF. Die Belastung von Dinch im Hausstaub ist lt. Aussage des UBA allgemein deutlich ansteigend, über mögliche Gesundheitsgefahren ist derzeit offenbar nichts bekannt, auch gibt es momentan noch keine Nachweismethode der neuen Chemikalie im Blut oder Urin. Trotz nicht ausgeräumter eventueller Gesundheitsrisiken erhielt der Chemiegigant BASF die Zulassung für diese neue Substanz. Grundlage für die Gewährung der Zulassung waren, den Recherchen des Filmteams zu Folge, lediglich eigene von der EU vorgegebene Auftragsstudien des Chemiekonzerns, die selbstverständlich keine Bedenken hervorbrachten.

Aussagekräftige Forschungsergebnisse werden zurückbehalten – Handeln Fehlanzeige

Auch die Resultate der großflächig angelegten deutschen „Rekrutenstudie“, bei der die Spermaqualität von rund 800 Bundeswehrsoldaten untersucht wurde, ließ man in Deutschlands altbewährter Schublade schlummern. Auf Anfrage von Inge Altmeier wollte sich keiner der damals verantwortlichen Wissenschaftler zu den Studienergebnissen äußern. In Großbritannien wurden diese Forschungen jedoch veröffentlicht. Sie liegen dem Leiter der toxikologischen Abteilung an der renommierten Universität der London School of Pharmacy, Prof. Andreas Kortenkamp, vor. Deutsche Männer leiden demnach an Hodenhochstand, besorgniserregend schlechter Samenqualität und verstärkt an Hodenkrebs. Prof. Kortenkamp räumt ein, dass für diese schwerwiegenden Gesundheitsschäden auch Umweltschadstoffe verantwortlich zu machen sind.

Eine weitere umfangreiche Untersuchungsreihe des Urins von Tausenden von Kindern auf Weichmacher durch das Umweltbundesamt bestätigt die allgemein missliche Lage. Ausnahmslos alle Proben enthielten die gefährlichen Stoffe und zum Teil wurden die Höchstmengen der täglichen tolerierbaren Aufnahmewerte deutlich überschritten. Dr. Mareike Kolossa-Gehring bewertet diese Studienergebnisse als dramatisch.

Andere Länder, andere Sitten – Dänemark macht vor, wie´s geht

Während man sich hierzulande weiterhin nur verhalten für einen „effizienten“ Gesundheitsschutz vor krankmachenden Weichmachern und anderen Alltags-chemikalien berufen fühlt und zumeist nur bedeckt Warnungen ausspricht, ist man bei unseren dänischen Nachbarn hingegen wesentlich aktiver und konsequenter in Sachen Gefahrenbegrenzung. Inge Altmeier erfährt in der Kopenhagener Universitätsklinik, dass auch in Dänemark die Zahl der Hodenkrebspatienten ständig ansteigend ist, bei gleichzeitig schlechter Samenqualität der Männer, wie der Androloge Dr. Niels Jörgensen von seinen Studienergebnissen berichtet. Der Spezialist benennt Weichmacher als eindeutige Ursache für die häufig vorkommenden gravierenden Gesundheitsstörungen.

Dänemark spricht bereits seit längerem Warnungen aus, sich während der Schwangerschaft nicht mit Produkten zu umgeben, die Weichmacher enthalten. Der ehemalige Minister Troels Lund Poulsen setzte sich zu seiner Amtszeit für ein EU-weites Verbot der krankmachenden toxisch wirkenden Weichmachern ein, scheiterte jedoch. Allerdings habe er sein Volk über die gesundheitlich bedenklichen Auswirkungen dieser Alltagschemikalien konsequent informiert, um dazu beizutragen, den möglichen Giftcocktail im persönlichen Umfeld jedes Einzelnen bereits durch vorausschauendes Einkaufen und angemessenem Verhalten zu minimieren.

Auch ein Bericht in der Ärztezeitung über die Stellungnahme der Umweltministerin Karin Ellemann vor dem Parlament verdeutlicht, dass es die Dänen ernst meinen mit ihrer Aufklärungskampagne. Demzufolge hat die Regierung Dänemarks im März dieses Jahres sogar eine Warnung vor den möglichen Gesundheitsrisiken von mit Weichmachern und krebserregenden Chemikalien belastetem Sexspielzeug ausgesprochen. Man plane notfalls im europäischen Alleingang eine Vielzahl von Verkaufsverboten von schadstoffenbelasteten Produkten zu erlassen, falls sich Brüssel gegen diese Maßnahme ausspricht. Denn die Behörden Dänemarks bereiten eine Verschärfung des EU-Chemikaliengesetzes vor, das von Dänemark als völlig unzureichend eingestuft wird, da die mögliche Wechselwirkung der vielzähligen Schadstoffe untereinander, der die Bevölkerung permanent ausgesetzt ist, kaum berücksichtigt wird.

Die Hoffnung stirbt zuletzt – von nichts kommt nichts

Es bleibt zu hoffen, dass die Politik, die Behörden und alle anderen Verantwortlichen auch in Deutschland die Brisanz der aktuellen Lage um schädliche Weichmacher und weitere toxische Chemikalien im Alltag angemessen einstufen, endlich notwendige Entscheidungen treffen und rasch handeln. In Anbetracht dessen, dass der demografische Wandel in unserem Land einschneidende Auswirkungen für uns alle mit sich bringt, die Geburtenrate weiterhin sinkend ist, Männer zunehmend an Unfruchtbarkeit leiden und unser Gesundheitswesen schier zum Dauerpatient unserer Zeit mutiert, ist es mehr als dringlich, fachkundige Aufklärung voranzutreiben und andere greifende Maßnahmen einzuleiten, um den sich anbahnenden „Supergau“ in Bezug auf die stets ansteigende Zahl von Umweltkranken abzuwenden.

Als logische Konsequenz der bereits stattfindenden und weiter absehbaren Entwicklungen ist es unverzichtbar, mit vereinten Kräften daran zu arbeiten, alles Erdenkliche zu unternehmen, um krankmachende Umwelteinflüsse zu reduzieren. Es darf nicht angehen, dass man den kontinuierlichen Zuwachs an Umwelterkrankten tatenlos toleriert und sich der Kinderwunsch vieler deutscher Paare, nicht nur aus finanzieller Sicht, sondern auch aus dem Gesundheitsaspekt heraus, zum praktisch unerreichbaren Luxus unserer modernen Konsumgesellschaft entwickelt. Es müssen Taten walten, damit die deutsche Bevölkerung nicht durch Umweltfaktoren zu einer aussterbenden Art „heranwächst“.

Autor: Maria Herzger, CSN – Chemical Sensitivity

Weitere CSN Artikel zum Thema Chemikalien im Alltag:

Studie findet Zusammenhang zwischen Pestiziden und Hyperaktivität

Neue Forschungsergebnisse zeigen, dass Pestizide, die häufig bei der Erzeugung kinderfreundlicher Lebensmitteln verwendet werden – hierzu zählen gefrorene Heidelbeeren, frische Erdbeeren und Sellerie – die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Kinder die Diagnose Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität oder ADHS erhalten.

Wissenschaftler aus den Vereinigten Staaten und Kanada fanden heraus, dass Jugendliche mit hohen Pestizidrückständen im Urin, vor allem solche von weit verbreiteten Insektiziden wie Malathion, eine höhere Wahrscheinlichkeit für ADHS aufwiesen – die Verhaltensstörung, die sich in der Schule und im sozialem Leben oft störend auswirkt.

Kinder mit einer über dem Durchschnitt liegenden Pestizidbelastung für den Marker eines einzigen Schädlingsbekämpfungsmittels , hatten fast doppelt so häufig die Diagnose ADHS erhalten, wie Kinder, die keine Spuren des Giftes in ihrem Körper zeigten.

“Ich denke, dass ist recht signifikant. Eine Verdoppelung ist eine starke Auswirkung,“ sagte Maryse F. Bouchard, eine Wissenschaftlerin der University of Montreal in Quebec und Leiterin der Studie, die am 17. Mai 2010 im medizinischen Fachjournal Pediatrics veröffentlicht wurde.

Die Nachricht, die Prof. Bouchard Eltern mit auf den Weg gibt, ist Folgende: „Ich würde sagen, kaufen Sie so viel biologisch wie es nur geht. Ich würde auch empfehlen, das Obst und Gemüse so gründlich wie möglich zu waschen.“

Ernährung ist eine wichtige Quelle für die Pestizidbelastung bei Kindern, und viel von der Exposition stammt aus bevorzugten Früchten und Gemüse, gemäß den Aussagen der National Academie of Sciences (Nationale Akademie der Wissenschaften). Im Jahr 2008 wurden in 28 Prozent der Proben gefrorener Heidelbeeren, in 25 Prozent der Proben frischer Erdbeeren und in 19 Prozent der Proben von Sellerie, laut eines Regierungsberichts, Konzentrationen von Malathion nachgewiesen.

ADHS betrifft in den USA rund 4,5 Millionen Kinder. Bouchards Studie ist die bisher größte, um die Wirkung von Pestiziden auf die kindliche Entwicklung und das Verhalten, einschließlich ADHS, zu beurteilen. Rund 2,5 Millionen Kinder nehmen, nach Aussage des Centers for Disease Control and Prevention, Medikamente gegen die Erkrankung,

Bouchard und ihre Kollegen untersuchten für ihre Studie die Konzentrationen der Metabolite von sechs Pestiziden im Urin bei 1139 Kindern im Alter von 8 bis 15 Jahren. Die Kinder waren aus dem National Health and Nutrition Examination Survey (Fragebogen zu Gesundheit und Ernährungsstatus) zwischen 2000 und 2004 ausgewählt worden. Die Studie umfasste insgesamt 119 Kinder, die mit ADHS diagnostiziert wurden.

Im Gegensatz zu anderen Studien über Auswirkungen von Pestiziden gab Bouchards Auswahl einen kleinen Einblick in die durchschnittliche Insektizid-Exposition von Kindern in der Allgemeinbevölkerung, nicht in die einer speziellen Gruppe, wie Kinder von Landwirten. Da bestimmte Pestizide den Körper nach drei bis sechs Tagen verlassen, zeigt das Vorhandensein von Rückständen, dass die Belastung wahrscheinlich relativ konstant ist, sagte Prof. Bouchard.

Die Wissenschaftlerin fand heraus, dass Kinder mit einem 10-fachen Anstieg der Pestizidmetaboliten, die nach Malathion Exposition im Körper verblieben waren, eine 55 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit für die Diagnose ADHS aufwiesen. Da die Wissenschaftler die Ernährung der Kinder nicht kontrollierten, konnten sie nicht sagen, warum manche Kinder so hohe Pestizidrückstände aufwiesen. Kinder unterliegen einem höheren Risiko durch Pestizide, weil ihr junger Körper noch in der Entwicklung ist und Chemikalien nicht so gut verstoffwechseln kann wie Erwachsene.

Die am meisten alarmierende Feststellung war eine Beinahe-Verdoppelung der Quote von ADHS-Diagnosen bei Kindern, die bei den häufigsten der sechs gemessenen Metaboliten über dem Durchschnitt lagen. Kinder mit hohem Dimethylthiophosphat waren 93 Prozent häufiger erkrankt, als Kinder mit keiner Belastung des Markers.

Die Forschungsergebnisse können die Besorgnis über ADHS, für das bislang keine Ursache bekannt war, verstärken, sagte Dr. Andrew Adesman, Chef der Abteilung für Entwicklungs-und Verhaltensstörungen bei Kindern am Steven Cohen und Alexandra Children’s Medical Center in New York.

„Es deutet darauf hin, dass bei nicht stark ausgeprägtem oder mehr typischem Grad der Erkrankung ein um einiges erhöhtes Risiko besteht“, sagte Adesman, die dem Fachbeirat einer Interessengruppe für Kinder und Erwachsene mit ADHS angehört.

Pestizide wirken auf das Nervensystem ein, erläuterte Bouchard, die Organophosphatpestizide studierte, welche etwa 70 Prozent des Einsatzes von Pestiziden in den USA ausmachen. Sie wirken durch den Eingriff in das Nervensystem von Insekten, aber eine ähnliche Wirkung haben sie auch bei Säugetieren, einschließlich des Menschen. Die meisten Menschen in den USA haben Rückstände der Produkte in ihrem Urin.

Cheminova, die dänische Firma, die führender Hersteller von Malathion in der Welt ist, ging auf die Schlussfolgerungen der neuen Forschung mit keinem Kommentar ein. Diane Allemang, Vice President für Global Regulatory Affairs, sagte, sie habe die Studie nicht gesehen.

Für Eltern von Kindern mit ADHS, sagte Bouchard, wird die Studie jedoch ein weiterer Grund zur Sorge sein.

„Wir alle sind komplett auf Lebensmittel angewiesen“, sagte Jamie Norman, 32, aus Freiburg, Illinois, deren 6-jähriger Sohn Aidan vor sechs Monaten mit ADHS diagnostiziert wurde.

Das stimulierende Medikament, das Aidan nimmt, Adderall XR, unterdrückt seinen Appetit, deshalb, so erklärt Norman, versuche sie ständig gute Lebensmittel zu finden, die er auch essen mag. Andere Eltern von Kindern mit ADHS bevorzugen eine spezielle Diät, keine Medikamente, um die Erkrankung zu steuern, zu kontrollieren und sie überwachen zusätzlich ebenfalls die Nahrung.

Die Neuigkeit, dass einige der besten Lebensmittel für Kinder in Verbindung mit ADHS stehen könnten, ist besorgniserregend, sagte Norman.

„Ich weiß seit einiger Zeit, dass insbesondere Erdbeeren hohe Mengen an Pestiziden enthalten, aber dass gefrorenes Obst betroffen ist, daran habe ich bisher keinen zweiten Gedanken verschwendet“, sagte sie.

Kaufen Sie biologisch, achten Sie darauf, es gründlich zu waschen. Der beste Rat für Eltern – und für jeden, der Pestizide vermeiden will – ist, Lebensmittel zu wählen, in denen sie am unwahrscheinlichsten enthalten sind. Die Environmental Working Group, eine interessenvertretende Verbraucherorganisation, rät Käufern bei einem Dutzend von Obst- und Gemüsesorten ökologisch zu kaufen, weil die Sorten, die im Boden wachsen oder allgemein mit der Schale gegessen werden, am ehesten kontaminiert sein können.

Vergewissern Sie sich, alle Früchte und Gemüse unter fließendem, kaltem Leitungswasser zu waschen und Gemüse mit Schale mit einer Bürste richtig zu schrubben. Achten Sie darauf, auch tiefgefrorenes Obst und Gemüse gründlich abzuwaschen.

Aber waschen Sie die Erzeugnisse nicht mit Seife. Die Food and Drug Administration sagt, dass dies Rückstände von Reinigungsmitteln hinterlässt, also noch mehr Chemikalien, die jeder am besten vermeiden sollte.

Literatur: Pediatrics, Press Release, Chicago, 17. Mai 2010

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Weiterführende Links zum Thema Pestizide:

ANTI-BAKTERIELL = ANTI-GESUND

Triclosan kann die Gesundheit ruinieren

Wenn wir unserem natürlichen Instinkt folgen und unsere Kinder schützen, lauern uns manchmal (oder öfter?) Produkte auf, die im Endeffekt mehr schaden als nützen, dem Hersteller aber einen schönen Profit bescheren. Bei einer Chemikalie namens Triclosan ist dies der Fall.

Sie soll „Krankheitserreger“ bekämpfen, insbesondere Bakterien und Mikroben. Sie werden Triclosan in Flüssigseifen, Zahnpasten, Aknecremes, Deos und Einwegtüchern genauso finden wie überraschenderweise auch in Schneidebrettern, Badetüchern, Plastiksandalen und Kinderspielsachen. Ihr chemisches Derivat Triclocarban wird hauptsächlich in Deo-Seifen und in vielen kosmetischen Produkten eingesetzt. Wir geben (in den USA) für solche Produkte annähernd eine Milliarde Dollar pro Jahr aus. Dabei ist einfaches Händewaschen, nur mit Seife und Wasser, genauso gut geeignet, um Erreger abzutöten und Krankheiten zu verhindern.

Wir vergeuden nicht nur einen großen Batzen Geld, es stellt sich heraus, dass wir uns selber und der Welt um uns Schaden zufügen. Da die Hersteller derart viele Produkte mit Triclosan versetzt haben, ist es nach und nach in unsere Körper vorgedrungen: Untersuchungen fanden es in immerhin 75% aller Amerikaner. Das ist keine gute Nachricht, da diese Chemikalie die Hormone der Schilddrüse beeinflusst, was das normale Wachstum und die Entwicklung des Gehirnes stören kann. Triclosan und Triclocarban beeinflussen außerdem beide die männlichen und weiblichen Geschlechtshormone, dies schädigt das Fortpflanzungssystem und kann potentiell zu Brustkrebs führen. Beide reichern sich im menschlichen Blut, in der Muttermilch und in der Nabelschnur von Babies im Mutterleib an. Beide Chemikalien bauen sich zu Dioxinen ab – ein hochgradiges Karzinogen, — dabei spielt es weder eine Rolle, wo sie freigesetzt werden und sich in Dioxin verwandeln, noch wo sie hergestellt werden.

Eine andere beängstigende Tatsache ist, dass diese Chemikalien wahrscheinlich zur Antibiotika-Resistenz von Bakterien und Mikroben beitragen, die beim Menschen Infektionskrankheiten verursachen. Das ist ein Grund, warum die American Medical Association (Amerikanische Medizinische Gesellschaft) bekannt gab, dass wir diese Chemikalien meiden sollten.

Man muss diese Chemikalien-beladenen Produkte nicht mal benutzen, damit Spuren davon in unserem Körper auftauchen. Sie werden mit dem Abwasser in die Kanalisation gespült, wo manche die Abwasserbehandlung überstehen. Sie landen im Klärschlamm, der oft auf den Feldern in der Landwirtschaft als Dünger zum Einsatz kommt. Sie sammeln sich in derart verschiedenen Lebewesen wie Würmer, Bottleneck-Delphine und Algen an (für welche sie giftig sind).

Die gesetzlichen Regelungen dieser Chemikalien ist ein Alptraum, da sie für sehr viele unterschiedliche Produkte verwendet worden sind und an derart vielen anderen Stellen wie z.B. im Trinkwasser wieder auftauchen. Wenn Triclosan beispielsweise in Zahncreme eingesetzt wird, ist die FDA zuständig (Food and Drug Administration/Behörde für Lebensmittel und Arzneien), dies muss aber auch vom EPA Büro für Pestizid-Programme genehmigt werden (Environmental Protection Agency/Umweltbehörde), da es als antimikrobischer Stoff als Pestizid gilt. Wenn es in der Wasserversorgung vorkommt, fällt Triclosan sowohl unter den Clean Water Act (Wasserreinhaltungsgesetz) als auch unter den Safe Drinking Water Act (Trinkwassersicherheitsgesetz). Die Consumer Product Safety Commission (CPSC/Kommission für Gebrauchsgütersicherheit) überwacht Triclosan in Gebrauchsgütern. Wie der Environmental Defense Fund (Umweltschutzorganisation) feststellt, „verhindert so ein komplexes Regulierungssystem jeden Ansatz, Triclosan umfassend zu regulieren und hat dessen nachlässige Anwendung gefördert“.

Wie können Sie als [bewusster] Verbraucher handeln?

Sparen Sie Geld und schützen sie die Gesundheit Ihrer Familie: Vermeiden Sie es, „antibakterielle“ Produkte zu kaufen. Diese Chemikalien tauchen auf den Etiketten unter verschiedenen Bezeichnungen auf — als Triclosan, Triclocarban, Microban, Irgasan, Biofresh, Lexol-300, Ster-Zac oder Cloxifenolum. Zu den Firmen, welche diese Chemikalien einsetzen, gehören Rubbermaid, Colgate-Palmolive, Procter and Gamble und Unilever.

Benutzen Sie stattdessen Seife und Wasser. Falls Sie besonders vorsichtig sein wollen, können Sie ihre Hände mit Isopropyl-Alkohol anfeuchten, jene Flüssigkeit, mit der Ärzte unsere Haut betupfen, bevor sie uns eine Spritze verpassen. Wenn Sie unterwegs sind, benutzen Sie ein Reinigungstuch mit Alkohol, wenn auf der Packung aber ‚antibakteriell‘ steht, enthält es eine der schädlichen Chemikalien. ‚Wasser und Seife‘ ist die richtige Methode um Handtücher und Spielsachen zu reinigen.

Engagieren Sie sich als Bürger: Unterstützen Sie die bereits aktive Bewegung, diese Chemikalien zu verbieten. Aktuell hat ein Bündnis von Umweltgruppen eine Kampagne zum Verbot von Triclosan auf den Weg gebracht, um auf FDA und EPA Druck auszuüben, diese antibakteriellen Stoffe zu reglementieren. Auf Beyond Pesticides können Sie sich der Bewegung anschließen.

Situation in Deutschland:

Autor: Alice Shabecoff für CSN – Chemical Sensitivity Network, 17. Mai 2010

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Alice Shabecoff hat mir ihrem Mann Philip das Buch „Poisoned for Profit: How Toxins Are Making Our Children Chronically Ill“ (Für den Profit vergiftet: Wie Giftstoffe unsere Kinder chronisch krank machen) geschrieben, das jüngst als Paperback erschien.

Weitere Artikel von Alice Shabecoff im CSN Blog:

Das Geheimnis von Parfüms – Studie findet Chemikalien

Wissenschaftliche Studie bringt es ans Licht – Verborgene Chemikalien in Parfüms von Stars und Bodydeos für Jugendliche

Präsident Obamas Cancer Panel (Krebs-Ausschuss/Bericht vom 06.05.2010) weist auf die Gefährdung durch hormonwirksame Chemikalien hin, viele davon wurden in einer neuen Duftstoffstudie nachgewiesen.

San Francisco – Eine neue Untersuchung deckt auf, dass vielverkaufte Parfümerie-Produkte – von „Britney Spear‘s Parfum Curious“ und „Hannah Montana Secret Celebrity“ bis zu „Calvin Klein Eternity“ und „Abercrombie & Fitch Fierce“ – ein gutes Dutzend unbekannter auf den Etiketten nicht genannter Chemikalien enthalten. Zahlreiche Chemikalien, die allergische Reaktionen auslösen oder den Hormonhaushalt stören können und viele Substanzen, die von den Selbstkontrollgremien der kosmetischen Industrie nicht auf ihre Sicherheit überprüft worden sind.

Die Studie zu versteckten giftigen Chemikalien in Parfums folgt dem Cancer Panel Bericht des Präsidenten auf dem Fuß, der wegen den zu wenig erforschten und weitgehend von Gesetzen nicht erfassten Chemikalien, die von Millionen Amerikanern in ihrem täglichen Leben benutzt werden, Alarm schlug. Der Cancer Panel Bericht des Präsidenten empfiehlt, dass schwangere Frauen und Paare, die eine Schwangerschaft planen, eine Belastung mit hormonwirksamen Substanzen mit Rücksicht auf mögliche Krebsgefahren vermeiden. Einige für diese Studie analysierte Duftstoffe enthalten mehrere Chemikalien, die in der Lage sind, die Wirkung von Hormonen zu stören.

„Diese beeindruckende Studie deckt die versteckten Gefahren von Duftstoffen auf“, sagte Anne C. Steinemann, Ph.D., Professor für Bau- und Umwelttechnik und Professor für öffentliche Angelegenheiten an der University of Washington. „Düfte aus zweiter Hand bereiten ebenfalls große Sorgen. Eine Person, die ein duftstoffhaltiges Produkt benutzt, kann bei vielen anderen Personen Gesundheitsprobleme verursachen.“

Die Campaign for Safe Cosmetics (Kampagne für sichere Kosmetik), ein nationaler Zusammenschluss von Gesundheits- und Umweltgruppen, gab für diese Studie den Test von 17 duftstoffhaltigen Produkten bei einem unabhängigen Labor in Auftrag. Der Kampagnenpartner Environmental Working Group (Arbeitsgruppe Umwelt) wertete die Daten der Tests und der Produktetiketten aus. Die Analyse ergibt für die 17 Produkte durchschnittlich folgende Bestandteile:

Vierzehn geheime, dank eines Schlupfloches in den amerikanischen Bundesgesetzen nicht auf den Etiketten angegebene Chemikalien, das es den Firmen erlaubt, für Duftstoffe einen Schutz als Handelsgeheimnis zu beanspruchen. „American Eagle Seventy Seven“ enthielt 24 versteckte Chemikalien, die höchste Anzahl von allen Produkten in der Studie.

Zehn sensibilisierende Chemikalien, die mit allergischen Reaktionen wie Asthma, keuchende Atmung, Kopfschmerzen und Kontakt-Dermatitis in Zusammenhang stehen. „Giorgio Armani Acqua Di Gio“ enthielt 19 verschiedene sensibilisierende Chemikalien, mehr als jedes andere Produkt in der Studie.

Vier den Hormonhaushalt störende Chemikalien, die mit einer Reihe von gesundheitlichen Auswirkungen, wie Schädigung der Spermien, Störung der Schilddrüsenfunktion und Krebs in Zusammenhang stehen. „Halle“ von Halle Berry, „Quicksilver“ und „Glow“ von JLO enthielten jeweils 7 verschiedene Chemikalien, die das Hormonsystem schädigen können.

Die Mehrzahl der Chemikalien, die bei den Tests gefunden wurden, hat man nie einer Sicherheitsprüfung, durch eine öffentlich verantwortliche Behörde oder durch die Selbstkontrollgremien der Kosmetikindustrie, unterzogen. Von den 91 Inhaltsstoffen, die in dieser Studie festgestellt wurden, sind nur 19 von der Cosmetic Ingredient Review (CIR) – (Kosmetik-Inhaltsstoff-Prüfung), und 27 von der International Fragrance Association (IFRA) – (Internationaler Duftstoff Verein) und vom Research Institute for Fragrance Materials (RIFM) – (Forschungsinstitut für Duftstoffe) überprüft worden, die freiwillige Richtlinien für in Parfüm eingesetzte Chemikalien entwickeln.

„Da riecht etwas merkwürdig – das System hat eindeutig einen Fehler“, sagte Lisa Archer, die Koordinatorin von Campaign for Safe Cosmetics beim Breast Cancer Fund (Aufklärungsorganisation zu umweltbedingtem Brustkrebs). „Wir benötigen dringend auf den neusten Stand gebrachte Gesetze, die eine vollständige Angabe der Inhaltsstoffe von Kosmetika vorsehen, damit die Verbraucher anhand der Informationen eine Wahl treffen können, welchen Stoffen sie sich aussetzen.“

„Duftstoff-Chemikalien werden eingeatmet und durch die Haut aufgenommen und viele verbleiben in den Körpern der Menschen, einschließlich schwangerer Frauen und neugeborener Babys“, sagte Jane Houlihan, Vize-Forschungspräsidentin der Environmental Working Group (EWG).

Eine aktuelle Studie der EWG wies die synthetischen Moschus-Chemikalien Galaxolid und Tonalid im Nabelschnurblut neugeborener Kinder nach. Die Moschus-Chemikalien wurden fast in jedem der für diese Studie analysierten Parfums gefunden. Zwölf der 17 Produkte enthielten zusätzlich Diethylphthalat (DEP), eine Chemikalie [Weichmacher], die mit Spermienschäden und Verhaltensstörungen in Zusammenhang steht und in den Körpern von fast allen untersuchten Amerikanern nachgewiesen wurde.

Kongressmitglieder, die an der Ausarbeitung von Gesetzen für sichere Kosmetika arbeiten, äußerten sich zum Studienbericht:

Repräsentantin Jan Schakowsky, D-Ill. (Demokratin aus Illinois): „Es gibt keinen vernünftigen Grund, warum Menschen potentiell gefährlichen Chemikalien ausgesetzt sein sollten, weil sie Parfüm, Eau de Cologne oder Bodydeo benutzen. Aber dieser Bericht legt nahe, dass genau dies passiert. Die in populären Parfümen festgestellten Chemikalien, die oft von Berühmtheiten marketingmäßig unterstützt werden, können eine ganze Reihe von Nebenwirkungen haben und die Amerikaner sind ihnen ausgesetzt, ohne es zu wissen. Ich denke, dies ist ein klarer Beleg, wie erbärmlich veraltet unsere Gesetze für Kosmetika sind und wie dringend die Gesetzgebung zur Sicherheit von Kosmetik benötigt wird, die wir erarbeiten. Die in diesen Produkten eingesetzten Inhaltsstoffe müssen auf ihre Sicherheit geprüft werden und die FDA (Food and Drug Administration) muss mit der Macht ausgestattet werden, die Gesundheit der Amerikaner umfassend zu schützen, indem sie Chemikalien nicht zulässt, die als unsicher erachtet werden. Die Amerikaner brauchen die Gewissheit, dass die Kosmetikprodukte, die sie kaufen, keine Chemikalien enthalten, die ihnen Schaden zufügen können.“

Repräsentant Ed Markey, D-Mass. (Demokrat aus Massachusetts): „Eine Rose beliebigen Namens mag lieblich riechen, aber in einigen Fällen mag ein lieblich riechendes Parfüm in Wirklichkeit gefährlich sein. Ich bin froh, mich mit meinen Kollegen zusammen gefunden zu haben, um bald ein Gesetzwerk einzuführen, das die Offenlegung der im Kosmetika und Parfüm verwendeten Inhaltsstoffe zur Pflicht macht und sicherstellt, dass giftige Chemikalien von Kosmetika, Parfums und Duftstoffen fern gehalten werden. Die Verbraucher haben ein Recht zu wissen, was genau in den Produkten drin ist, die sie jeden Tag auf ihren Körper sprühen oder reiben.“

Repräsentantin Tammy Baldwin, D-Wis. (Demokratin aus Wisconsin): Es ist beunruhigend, dassKosmetika, die wir jeden Tag benutzen, versteckte giftige Chemikalien enthalten. Darum arbeite ich mit Kollegen im Kongress an einer Gesetzgebung, die unsere veraltete Kosmetikaufsicht und die Bestimmungen gründlich überholt. Wir alle verdienen es zu wissen, dass unsere Produkte so sicher wie möglich sind.“

Autor: Campain for Safe Cosmetics, Release: May 12th, 2010.

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network

Kompletter Forschungsbericht: Not so sexy – Report

Weiterführende Informationen und kostenlose Informationskarte über Duftstoffe und deren Gefahren, erhalten Sie bei CSN >>>  Infomaterial

Duftstoffe und Parfums haben Konsequenzen:

Ein Jahr UN Behindertenkonvention – Nullrunde für Behinderte mit MCS – Multiple Chemical Sensitivity

Ausgrenzung statt Barrierefreiheit für Chemikaliensensible

Alle Menschen- und Bürgerrechte gelten uneingeschränkt auch für Menschen mit Behinderungen. Das ist auch für Deutschland völkerrechtlich verbindlich, seit die UN-Behindertenkonvention im März 2009 in Kraft trat.

Als Vertragsstaat verpflichtete sich die Bundesrepublik, allen Behinderten eine gleichberechtigte Teilhabe an Arbeit, Beruf und Gesellschaft zu ermöglichen.

Entgegen dem „Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ sind Menschen mit der Erkrankung MCS – Multiple Chemical Sensitivity in der Bundesrepublik weiterhin benachteiligt:

Artikel 17 wird nicht umgesetzt:

MCS Kranke sind im täglichen Leben überall Trigger-Chemikalien ausgesetzt. Selbst eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus sind für MCS Patienten kein sicherer Ort. Für MCS Kranke gibt es hierzulande kein Recht auf Achtung der körperlichen Unversehrtheit.

Artikel 25 wird nicht umgesetzt:

MCS Kranken werden Gesundheitsversorgung und Gesundheitsleistungen, insbesondere geeignete Wohnumgebung, Luftreiniger, Sauerstoff, geeignete Nahrungsmittel und Nahrungsergänzung vorenthalten.

Artikel 26 wird nicht umgesetzt:

Rehabilitationsdienste und -programme für MCS Kranke gibt es in der Bundesrepublik nicht. Mithin versäumt die Medizin hierzulande, MCS im frühestmöglichen Stadium zu diagnostizieren. Vielmehr haben die meisten Kranken eine jahrelange Ärzteodyssee hinter sich, bevor sie von ihrer Erkrankung erfahren.

Artikel 9 bzw. Artikel 19 und Artikel 20 werden nicht umgesetzt:

Eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen, gleichberechtigter Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln ist bei MCS Kranken durch die ubiquitäre Gegenwart von Alltagschemikalien, insbesondere Duftstoffen, nicht gegeben.

Für MCS Kranke gibt keine gemeindenahen Unterstützungsdienste, noch nicht einmal hinsichtlich benötigter Pflege.

Die persönliche Mobilität MCS Kranker ist nicht sichergestellt, da keine MCS-gerechten Verkehrsmittel, noch nicht einmal Krankenwagen, bereitstehen.

Artikel 24 und Artikel 30 werden nicht umgesetzt:

MCS Kranke, insbesondere Kinder und Jugendliche, werden in der Bundesrepublik daran gehindert, ihre Begabungen und ihre Kreativität sowie ihre geistigen und körperlichen Fähigkeiten voll zur Entfaltung bringen zu können. Ein gleichberechtigter Zugang zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung bleibt MCS Kranken versagt.

Die Teilnahme am kulturellen Leben, Besuche in Theatern, Museen, Kinos, Sporthallen etc. ist durch die überall vorfindbaren Alltagschemikalien, insbesondere Duftstoffe, für MCS Kranke nicht möglich.

Artikel 27 wird nicht umgesetzt

Obgleich MCS Kranke in vielen Fällen unter geeigneten Bedingungen ihren Lebensunterhalt durch Arbeit sichern könnten, gibt es keinerlei Rechtsvorschriften, die hilfreich sein könnten. Auch im öffentlichen Sektor können MCS Kranke keine Beschäftigung finden.

Artikel 28 wird nicht umgesetzt:

Angemessene, das heißt geeignete Ernährung, Bekleidung und Wohnung sind für die Mehrzahl MCS kranker Menschen nicht gewährleistet. Spezielle Wohnungs-bauprogramme und Altersversorgung gibt es nicht.

Traurig aber wahr: Auch ein Jahr nach Inkrafttreten der UN-Behindertenkonvention hat sich die Lage MCS Kranker in der Bundesrepublik nicht verbessert.

Autor: Juliane für CSN – Chemical Sensitivity Network, 12. Mai 2010 – Internationaler Tag für MCS, CFS, FMS.

Weitere CSN Artikel zum Thema:

Wie es in anderen Ländern aussieht:

Die Kehrseite der Medaille – oder mit welchen Mitteln in Deutschland Umweltkrankheiten vertuscht werden sollen

Zermürbungstaktik gegen Umweltmediziner – keine Lösung mit Erfolgsaussicht für ein wachsendes Problem

Weltweit boomt die Solidarität hinsichtlich schwer toxisch geschädigten Menschen dank Internet.

Deshalb möchte ich den MCS-Aufklärungsmonat Mai zum Anlass nehmen, mich bei all denen zu bedanken, die bisher ihre Solidarität zu uns Betroffenen immer wieder bekundet haben, uns mit Rat und Hilfe tatkräftig zur Seite stehen, uns Mut machen unsere Rechte durchzusetzen und für uns da sind, wenn wir Hilfe brauchen. Ohne ihr tatkräftiges Engagement wären wir hier in Deutschland mit Sicherheit nicht so weit gekommen, wie wir jetzt sind.

Dass aber diese Solidarität auch nach hinten los gehen kann, wird einfach verschwiegen, zumal wenn man in die Mühlen der deutschen Justiz gerät.

Einen guten Einblick lieferte ein Artikel in der Trierer Zeitung 16vor:

Die haben mein ganzes Vermögen vernichtet

21. April 2010

Im Dezember 2005 leitete die Staatsanwaltschaft Trier auf Betreiben der Kassenärztlichen Vereinigung ein Ermittlungsverfahren gegen den Neurologen Dr. Peter Binz ein. Die KV wirft dem bundesweit bekannten Mediziner Abrechnungsbetrug vor. Ob sich diese Vorwürfe inzwischen erhärten ließen, ist ungewiss und auch nicht zu erfahren. Denn bis dato wurde keine Anklage erhoben – und das, obwohl die Ermittler mehrere Hundert Patienten vernommen haben. Noch im ersten Halbjahr werde das Ermittlungsverfahren abgeschlossen, erwartet nun der Leitende

TRIER. Wer in die Mühlen der Justiz gerät, braucht in aller Regel starke Nerven und auch ein langer Atem wäre von Vorteil. Nerven sind gewissermaßen das Metier des Trierer Mediziners Dr. Peter Binz, für seinen langen Atem ist der Neurologe und Psychiater hinreichend bekannt – und bei manchen Behörden und auch einigen seiner Kollegen durchaus berüchtigt.

Vor fast viereinhalb Jahren leitete die Staatsanwaltschaft Trier gegen Dr. Binz ein Ermittlungsverfahren ein. Es bestand der Verdacht des Abrechnungsbetrugs, geäußert wurde er vom Trierer Regionalzentrum der Kassenärztlichen Vereinigung und deren damaligem Chef Dr. Carl-Heinz Müller. Der stieg zwischenzeitlich zum Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) auf, derweil die Ermittlungen gegen Dr.Binz noch andauern. Immerhin geht der Leitende Oberstaatsanwalt Dr. Jürgen Brauer nun davon aus, “dass das Ermittlungsverfahren noch im 1. Halbjahr abgeschlossen werden kann”. Bis Ende Juni soll also feststehen, ob gegen den Arzt Anklage erhoben oder ob das Verfahren eingestellt wird.

Patientenakten lagern noch immer im alten Präsidium.

Die Ermittlungen gestalteten “sich äußerst schwierig und zeitaufwändig, weil umfangreiches Beweismaterial auszuwerten ist und 500 bis 600 Patienten vernommen werden mussten”, erklärte Brauer auf Anfrage gegenüber 16vor. Dr. Binz spricht sogar von 620 Patienten, die in allen Teilen der Republik vernommen worden seien. Dass dies nicht ohne Folgen für die tägliche Arbeit der Praxis bleibt, versteht sich von selbst. Zumal noch immer mehr als 600 bei einer Durchsuchungsaktion im Juni 2006 beschlagnahmte Patientenakten im ehemaligen Polizeipräsidium lagern. Meldet sich ein Patient zur Sprechstunde an, muss das Praxisteam die jeweils benötigte Akte eigens anfordern.

Dr. Binz hat sich in den vergangenen rund drei Jahrzehnten bundesweit einen Namen gemacht – und manchen Vertreter von Kassen, Kammern und Berufsgenossenschaften auch gegen sich aufgebracht. Früh widmete er sich dem Thema Gesundheitsgefährdung am Arbeitsplatz. Hat er bei einem seiner Patienten den Verdacht, dass er im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit durch giftige Substanzen gesundheitlich geschädigt wurde, meldet er dies der zuständigen Staatsanwaltschaft – was bislang jedoch in aller Regel folgenlos blieb. Rund 150 Mitarbeiter einer Schuhfabrik hat Dr. Binz behandelt – viele von ihnen seien frühzeitig verstorben, berichtet er. Mit der Zeit wandten sich immer mehr Patienten auch aus anderen Teilen der Republik an den Trierer Mediziner, dem 2007 der Zivilcouragepreis der Solbach-Freise-Stiftung verliehen wurde – für sein “langjähriges, herausragendes und tapferes Engagement für chemikaliengeschädigte Menschen aus allen Lebensbereichen”, wie es in der Begründung hieß. Im vergangenen Jahr war Dr. Binz für den “taz Panter Preis” der Berliner Tageszeitung nominiert.

Zwar hätten einige Patienten wohl auch aufgrund der Vernehmungen nicht mehr seine Praxis aufgesucht, berichtet der 69-Jährige, doch die meisten seien ihm treu geblieben. Den Vorwurf des Abrechnungsbetrugs weist der Mediziner weiterhin entschieden zurück. Der KV wirft Dr. Binz vor, diese habe “das ganze Vermögen meiner Familie vernichtet”. Tatsächlich musste er bei der Kassenärztlichen Vereinigung eine Bareinlage von 180.000 Euro leisten, um für mögliche Regressforderungen gewappnet zu sein. Um diese Summe aufzutreiben, habe er eine Hypothek auf sein Haus aufgenommen, berichtet Dr. Binz. Neben Zinsen kamen zusätzliche Ausgaben für Anwälte und Gutachter hinzu. Inzwischen hat der Mediziner nach eigenen Angaben rund 400.000 Euro Schulden.

Auf die Frage, ob man die Vorwürfe gegen den Nervenarzt aufrecht erhalte und ob Dr. Binz mit der Rückzahlung seiner Bareinlage rechnen könne, erklärte eine Sprecherin der Kassenärztlichen Vereinigung am Dienstag gegenüber 16vor:

“Während laufender Ermittlungsverfahren geben wir grundsätzlich keine Stellungnahme ab”.

Ein Fels in der Brandung

Da kann ich nur sagen „Hut ab vor diesem Mann“. Als Patient habe ich bzw. wir ihn sehr schätzen gelernt und können nur bestätigen, dass ihm das Wohl seiner Patienten zu jeder Zeit sehr am Herzen liegt. Er ist für seine Patienten nach wie vor da – es ist und bleibt seine Lebensaufgabe den Patienten zu helfen, so lange wie er kann! „Ich habe nichts zu verbergen“ so seine eigenen Worte.

Auch seine Frau, seine Familie und seine Mitarbeiterinnen stehen hinter den Patienten – ungeachtet dieser angespannten Situation. Trotz dass die Patientenakten seit 4 ½ Jahren nicht griffbereit sind und ironischweise in einem chemikalienverseuchten ehemaligen Polizeirevier lagern, geht die Praxis weiter und das Telefon für Neuanmeldungen steht nicht still. Es gibt eben immer mehr, statt weniger Menschen, die durch Chemikalien auf ihrem Arbeitsplatz oder in ihrem Wohnumfeld erkrankten. Sie werden sich auch zukünftig nicht in Luft auflösen, ganz gleich wie das Verfahren für Dr. Binz ausgeht.

Die Taktik, Dr. Binz durch überlanges Verfahren zu entmutigen, wird schon deshalb nicht aufgehen, und weil wir ALLE weltweit unsere Solidarität für Dr. Binz kundtun und ihn tatkräftig unterstützen, so wie er es seit Jahren für jeden einzelnen seiner Patienten tut.

Solidarität erweisen dem kompetenden Umweltmediziner aus Trier auch namhafte Umweltmediziner und Organisationen aus anderen Ländern, u.a. den USA, Italien, der Schweiz, Korea und Frankreich. Ein Professor aus Korea schrieb sogar an die deutschen Ministerien. Sie alle bestärken Dr. Binz seit Jahren nicht aufzugeben und beobachten das laufende Verfahren mit wachsendem Argwohn.

Autor: Kira, CSN – Chemical Sensitivity, 06. Mai 2010

Vielen Dank an die Trierer Zeitung „16vor“ für die freundliche Genehmigung den Artikel „Die haben mein ganzes Vermögen vernichtet“ übernehmen zu dürfen.

Weitere Informationen zum Fall Binz: