Franzi, umweltkrank – Gezielt mittellos gemacht und sich selbst überlassen

Umweltkranke erhalten eine Stimme

 

Franzi litt über Jahrzehnte an MCS (Multiple Chemikalien Sensitivität), ohne es zu wissen. Sie hatte schwere, teils lebensbedrohliche Beschwerden. Statt sie ernst zu nehmen, versuchten Ärzte, sie mit Mitteln zu behandeln, die sie nicht vertrug. „Ich habe seit drei Jahrzehnten schwere Allergien bis hin zum langanhaltenden anaphylaktischen Schock mit Koma auf Medikamente, bes. Schmerz- und Kreislaufmittel, sowie später Penicilline. Es kam immer mehr dazu. Ich bekam sie auch leider oft verschrieben und erlebte jedes Mal eine böse Überraschung, bevor ich das ganze Ausmaß kannte, während ich aber die meiste Zeit noch nicht auf Alltagschemikalien reagierte und auch noch nichts von MCS wusste.

Oft habe ich dabei aber an den Reaktionen der Ärzte erfahren müssen, dass sie offenbar meinten, ich würde die allergischen Reaktionen „willentlich“ hervorrufen. Sie waren sauer auf mich und beschimpften mich mitunter heftig. Deshalb vermied ich es meist, überhaupt noch zum Arzt zu gehen.“

 „Versteckte“ Informationen statt korrekte Diagnose

Irgendwann erfuhr Franzi dann doch von ihrer Krankheit. „Die erste „versteckte“ Information erhielt ich, als ich mich bereits acht Jahre mit schwersten Reaktionen herumplagte, von denen meine damalige „Noch-Allergologin“, wo in der Praxis Jahrzehnte zuvor eine damals auch MCS-Kranke mit denselben Worten abgewiesen wurde (was ich aus dem Wartezimmer mit Entsetzen beobachtete), auch nur meinte: „Sowas gibt’s gar nicht – also kannte sie das sehr wohl.“ 

Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Weitere Hinweise bekam Franzi von einer Frau, die auf Pestizide in Wolle reagierte. Sie suchte selbst monatelang, und fand schließlich die  Adressen von Umweltmedizinern und eines deutschen Krankenhauses, das auch MCS-Fälle aufnimmt. Dorthin wollte sie sich einweisen lassen. „Zuvor wurde ich zum ambulanten Vorgespräch bestellt, wo ich auch hingefahren wurde von Freunden, die sich ganz auf meine Bedürfnisse eingestellt hatten. Aus dem Vorgespräch, das sich u. a. auf meine umweltrelevanten Eintragungen bezüglich meiner persönlichen Belastungen im umfangreichen Fragebogen stützte, ergaben sich für mich gravierende Mängel bei bestimmten Mineralstoffen, Vitaminen und Spurenelementen, die ich dann aufgeschrieben bekam und mir besorgen konnte – dachte ich wenigstens. Sehr schnell stieß ich auf Probleme dabei, weil meist Zusatzstoffe drin sind, und das sollte nicht sein.“ Fakt ist: Man kann solche Mittel ohne Zusatzstoffe (oft ist es nur Farbstoff und Aroma) herstellen. Aber da jede Firma ein anderes, für sich typisches Produkt auf den Markt werfen muss… 

„Zur stationären Aufnahme kam es aber nicht mehr. Ich bekam einen Einweisungsschein für das Fachkrankenhaus von meinem Lungenarzt, den ich zur Krankenkasse zur Genehmigung brachte. Sie genehmigten die Einweisung aber nicht, sondern übten in massivster Form Psychoterror auf mich aus durch psychologische Untersuchungen, die dann natürlich Falschdiagnosen zur Folge hatten.“

Krankheit eindeutig als körperlich nachweisbar belegt

Franzi nahm dann Kontakt zu verschiedenen Umweltmedizinern auf. Hier wurde ihre Krankheit eindeutig als körperlich nachweisbar belegt.  „Dort wurde mit mir ein LTT auf einige Chemikalien sowie ein Test auf Nahrungsmittel- und Konservierungsmittel-Unverträglichkeiten gemacht, wo dann auch prompt eine Unmenge von Unverträglichkeiten zutage traten. Als ich diese Dinge dann aus meiner Ernährung komplett strich, hatte ich auch das allererste Mal nach 50 Jahren Fehlernährung keinerlei ernährungsbedingte Symptome mehr.“ Krankenkassen ist das natürlich egal. 

Trotz umweltmedizinischer Behandlung verschlechterte sich Franzis Erkrankung. Sie begann, auf kleine Mengen Duftstoffe, auf die Druckerfarbe in Zeitungen usw. deutlich zu reagieren. Insgesamt ging es ihr dennoch besser, weil sie unverträgliche Substanzen so gut es ging mied. 

Erfahrungen im Krankenhaus 

Später hatte Franzi einen Unfall. „Ein freilaufender Hund schoss von mir aus gesehen hinter mir quer über den Radweg, wo ich gerade mit meinem Rad vom Einkaufen nach Hause fuhr, und rannte mich mitsamt Fahrrad um. Ich fiel aufs Pflaster und war sofort bewusstlos. Soviel zu den Möglichkeiten, was passieren kann.

Im Krankenhaus wollte das Notaufnahmepersonal meine Papiere haben. Ich gab sie ihnen. Das Papier, auf dem die im Notfall zu verständigenden Personen mit Adresse sowie Telefonnummer(n) verzeichnet sind, wollten sie ausdrücklich nicht haben, obwohl ich es ihnen hinhielt: „Das brauchen wir nicht.“ MCS-Kranke legen sich Papiere zurecht, wo drauf steht, was sie nicht vertragen, welche Mittel sie nicht bekommen dürfen usw. Es zeigt sich: Vollkommen nutzlos.

Im Krankenhaus ging es dann weiter. Franzi musste zweieinhalb Tage bleiben, und konnte während der ganzen Zeit ausschließlich im leeren Aufenthaltsraum sitzen, weil im restlichen Gebäude so viele Duftstoffe und Chemikalien waren, dass der Aufenthalt unmöglich wurde. Da Franzi einige Mittel sowie verträgliches Essen, das es im Krankenhaus nicht gab, braucht, wollte sie jemanden anrufen, der ihr ihre Sachen bringen könnte. Handy hatte sie nicht. Und dem Krankenhauspersonal passte es nicht, dass sie das Krankenhaus nicht vertrug.  „Deshalb waren sie ärgerlich über mich und ich musste jemand anrufen können, mir diese lebensnotwendigen Dinge von mir zu Hause zu holen und zu bringen. Ich bekam aber kein eigenes Telefon und durfte über das Diensttelefon nur ganz kurz anrufen. Das haben sie mir mit deutlichem Unwillen gewährt!“ 

 Wem wird wohl geglaubt?

„Die Untersuchungen im Krankenhaus waren sehr nachlässig durchgeführt worden und mit falschen Ergebnissen, wie sich später dann herausstellte. Außer diesen Lügen standen im Entlassungsbericht angebliche Aussagen von mir, die tatsächlich genau gegenteilig waren. Ärzte lügen und verkehren Patientenantworten ins Gegenteil, was sie dann schriftlich dokumentieren. Frage: Wem wird wohl geglaubt?“ 

„Solch eine Erfahrung mit dem Krankenhaus in Verbindung mit einem Unfall wird wohl leider eher die Regel sein. Nach der Ausnahme sucht so mancher sicher leider vergeblich.“

 Weniger als 100 Euro im Monat und keine medizinische Versorgung

Franzi hat also keinen Zugang zur medizinischen Versorgung. Die Krankenkasse zahlt keines der Mittel, die sie braucht. „Das allerschlimmste ist: Alles ist selber zu bezahlen, aus dem eigenen Portemonnaie, und das bei Hartz IV. Hätte ich jetzt auch Geld zum Leben, dann wäre alles gut. „Doch wie lässt sich in einem „Gesundheits“-System das Unrecht von Grund auf ändern, das schamlos geübt wird, um Betroffene in den allermeisten Fällen offiziell und privat zu diskriminieren, mittellos zu machen, sich selbst zu überlassen etc.? Meine Erfahrung (…) beinhaltete im tatsächlichen damaligen ausführlichen Ablauf bewusste Versuche gleichzeitig auf mehreren höheren Ebenen, das an mir begangene Unrecht so weit wie möglich zu vergrößern. “ Abzüglich des Geldes für ihre Mittel muss Franzi von weniger als 100 Euro im Monat leben. Obwohl sie viele Nahrungsmittelunverträglichkeiten hat, muss sie an der Tafel essen. 

 Minitropfen auf den heißen Stein

„Die BAgIS gewährt ja nur aufwendige Ernährungskosten-Zusatzpauschale wegen Diabetes, die ich auch vollumfänglich bekomme, aber das ist ein Minitropfen auf den heißen Stein. Diese MCS-relevanten Nahrungsergänzungsmittel sowie der Eigenanteil der zahnärztlichen besonderen Maßnahmen uvm. sind natürlich ungleich viel teurer, was mir ja niemand bezahlt. Nähme ich die Sachen nicht, wäre ich wohl im Handumdrehen bettlägerig. Und daran habe ich die nächsten Jahre zu knapsen….mal sehen, wieviel EUROs nächsten Monat übrig bleiben oder ob überhaupt“  Würde man Franzi den Ernährungszuschlag streichen, könnte sie gleich sterben. Das Geld, was sie bekommt, genügt jedenfalls schon nicht mehr zum Überleben. 

Autor: Amalie, CSN – Chemical Sensitivity Network, 5. November 2009

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4 Kommentare zu “Franzi, umweltkrank – Gezielt mittellos gemacht und sich selbst überlassen”

  1. Gerhard Becker 5. November 2009 um 19:21

    Ein erschütternder Bericht über das schwere Leiden von MCS-Kranken. Dieses Leiden wird bewußt drastisch verschlimmert durch die Gleichgültigkeit von Ärzten, Krankenkassen u.a. Behörden.

    Die Menschenwürde ist unantastbar, verlautet unser Grundgesetz, doch die Praxis belegt, dass es leider nur noch eine hohle Phrase im reichen Deutschland ist. Die Knieverletzung eines Fußballstars berührt hierzulande mehr, als das Leiden und Vegetieren hundertausender MCS-Kranker.

    Vielen Dank für diesen Bericht!

    Gerhard

  2. Phönix 5. November 2009 um 20:48

    Ja, da kann ich Gerhard nur zustimmen. Das ist keine Diskriminierung und Körperverletzung aus Unwissenheit, sondern das wird ganz bewusst und vor allem gezielt gesteuert.

    Viel viel Kraft Franzi und nicht aufgeben!

  3. PappaJo 7. November 2009 um 10:47

    Mal wieder typisch! Deshalb halte ich mich auch von den Weißkitteln fern! Aber wenn die jahrzehntelang Lösungsmittel schnüffeln, sind nunmal Millionen von Hirnzellen tot. Wachsen die nach? Eigentlich können die ja nichts für, aber warum sollen MCS-Kranke darunter leiden!? Verstehe ich allerdings trotzdem nicht, da genügt doch ein Blick in die jeweilige Gefahrstoffverordnung der einzelnen Stoffe. Ist doch alles bekannt. OK, lesen sollte man schon können und das gelesene verarbeiten. Aber da gibt es wohl Probleme mit der weißen Masse, die bei einigen bereits mit schwarzen Löchern durchsetzt ist. Bei einem PC würde man einfach die CPU tauschen.

  4. Johannes 27. Oktober 2011 um 11:30

    Liebe Franzi,

    Ihre Erfahrungen und das körperliche Leiden interessiert die Ärzte und die Politiker nicht. Bevor man sich seinen Zustand erklären kann, unter schwierigsten Leistungseinbußen, hat die Krankheit die eigene Persönlichkeit schon drastisch verändert. Mit dem eigenen Wissen stößt man dann nur noch auf Widerstand und Ignoranz. Man sucht nach Lösungen und Leidensgenossen, man bekommt seinen Zustand auch erklärt, aber die Ursachen werden nicht ermittelt.

    Seit 15 Jahren lebe ich im Selbstversuch nach einem Motorradunfall. Alle Schäden wurden bagatellisiert, 70 Ärzte, 5 Kliniken, psyhiatrische Gutachten, Gesundheitsamt, Selbsthilfegruppen. Schließlich ergab ein LTT-Test eine Immunschwäche auf Schimmelpilze und Quecksilber. Was nun, woher?

    2010 kam die Ernüchterung, meine Wohnung und schließlich das 8-geschossige Wohnhaus war von Schimmelpilz befallen, in meiner Wohnung unsichtbar. Doch ich recherchierte einige schwere Wasserschäden und Fäkalienüberschwemmungen im ganzen Haus. Dabei erfuhr ich von meinen Nachbarn, dass sie ebenfalls seit 18 Jahren unerklärlich schwere Krankheiten haben. Asthma, Wirbelbrüche, Antriebslosigkeit usw. ohne Erklärung medizinischerseits.

    Ich war 3 mal bei einem Allergiologen, mir wurde nach 10 Minuten schwindlig, nach dem Labortest. Nach 1 Stunde traute ich mich wieder Auto zu fahren. Ich lag 3 Tage bis 3 Wochen nach dem Pilztest mit Schüttelfrost und Beckenschmerzen zu Hause. Der Allergologe nahm meine Information nicht ernst und sein sinnloser Test ergab auch keine allergene Reaktion. Er hat so etwas noch nicht erlebt, also gibt es das auch nicht. Warum kommen dann Patienten zu ihm? Alles was ich bisher ermitteln konnte, zeigt den Unwillen der Verantwortlichen und es ist denen egal, wie sie Menschen zerstören.

    Eines kristallisiert sich nach meinen Erfahrungen und meinem Selbstversuch heraus, die Schimmelpilze beeinflussen das Immunsystem und öffnen die Tore für die Allergien auf andere Schadstoffe. Alles riecht irgendwann intensiv, man niest plötzlich, man wird müde, man sieht plötzlich nur noch schwimmende Farbpunkte, Ohrgeräusche, Mund- und Kieferentzündungen, lockere gesunde Zähne, brutale Gelenk- und Muskelschmerzen, Wassereinlagerungen, Hautprobleme usw.

    Eine falsche Behandlung schadet noch mehr. Z. B. bekam ich Targin, führte auch Schmerztagebuch und Blutdruckkontrolle – Schmerzen von 1 bis 10, meist bei 8-10, Blutdruck – 180 bis 260 zu 100 bis 140. Interessiert hat das keinen behandelnden Arzt vor Ort. Mein Umweltmediziner klärte mich auf, ich verließ die Wohnung, ich vermeide Autofahren, suche neutrale Biotope – so irgendwie möglich, kein Brot, kein Baumarkt, kein Fleisch, kein aussortiertes Discounter – Obst und Gemüse. Keinesfalls Wein, der ist stark belastet, wie mir mein Körper zeigt.

    Wie man das durchhalten soll, mit 590,- Rente, geht ohne Wunder nicht? Dabei habe ich einmal sehr erfolgreich 20 Jahre Kraftsport betrieben und bin Diplomingenieur und Sachverständiger geworden. Was also hat mich seit 2002 (Umzug in die verseuchte Wohnung) plötzlich so krank gemacht?

    Ich verstehe Sie sehr gut, aber Hilfe ist in diesem Staat nicht in Sicht. Mir hilft nur geistig irgendwie rege zu bleiben und ich mache mich auch über den Schwachsinn der selbsternannten Experten lustig. Medien interessieren sich auf Anfragen auch nicht. Der Bundespatientenbeauftragte lies mir mitteilen, er warte selbst auf eine Regelung. Ach!

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