Monatsarchiv für Juli 2011

Hommage an Lukanga Mukara

Wie klug Du bist, mein Kind! Du fragst, ob es noch andere Menschen auf der Welt gibt. Was Du noch nicht wissen kannst ist, dass Du eine sehr seltsame Frage stellst. Früher haben wir sie falsch beantwortet und heute tun wir dies nicht mehr, obwohl wir sie immer noch gleich beantworten. Es gibt keine anderen Menschen!

Es gibt ein anderes Dorf mit ein paar Menschen, die Du nicht kennst. Sie sind so wie Du und ich. Es gab mal einen großen Streit und damit wir uns nicht weiter streiten müssen, sind ein paar Leute weg gegangen und haben nicht weit von hier, aber weiter als Du laufen kannst, ein neues Dorf gebaut. Vielleicht haben die sich auch gestritten und es gibt irgendwo noch so ein neues Dorf, das wissen wir nicht. Es gibt aber nur solche Menschen wie wir.

Worüber gestritten wurde, weiß niemand mehr. Das ist schon sehr lange her.

Die anderen Menschen haben wir nie gesehen. Doch es gab mal einen von uns, der ist weit gereist. Der hat sie aber auch nicht gesehen. Er war nur in ihrer Welt, in der er keinen von ihnen traf. Er erzählte, dass alles was er sah, wie für Menschen gemacht war. Ob diese Menschen das alles selber hergestellt hatten, konnte er niemanden fragen. Auch kam es ihm so vor, als ob vieles in Unordnung oder vielleicht sogar kaputt war.

Leider starb er nach seinen langen Erzählungen. Er hatte diese seltene Krankheit, bei der das Blut immer weißer wird und die wir nicht heilen können. Es ist sicher von seiner Reise krank geworden. Deshalb ist es besser, wir bleiben in unserer Welt. Uns geht es doch gut.

Er berichtete von riesigen Dörfern und Hütten, die bis in den Himmel ragten. Es gab sogar Wege in ihnen, über die man hinauf gelangen konnte. Wir können uns sowas gar nicht vorstellen.

Nun fragst Du, ob diese Geschichten überhaupt wahr sind, ob es diese andere Welt gibt und ob dort einmal Menschen gelebt haben. Das wissen wir natürlich nicht, doch wir haben über eine lange Zeit sehr viele Veränderungen hier in unserer Welt beobachtet, die etwas mit diesen Menschen zu tun haben könnten.

Bevor Du geboren wurdest sahen wir öfter riesige Vögel am Himmel. Die flogen höher als alle anderen Vögel und manche zogen langen, weißen Rauch hinter sich her. Sie flogen so, wie der große, weiße Vogel vom Bach dort drüben gerade fliegt. Siehst Du? Er bewegt seine Flügel nicht, er gleitet durch den niederen Himmel, als ob dieser ihn tragen würde. Wie Du siehst, muss er aber ab und zu seine Flügel auf und ab schwingen, während jene großen, schwarzen Vögel dies nie taten. Wir haben ihnen immer hinterher gesehen, solange wir sie sehen konnten. Sie haben ihre Flügel nie geschwungen.

Diese Vögel gibt es schon lange nicht mehr. Sie sind ausgestorben. Unser Reisender erzählte sogar, dass diese Vögel in Wirklichkeit fliegende Hütten dieser Menschen gewesen wären. Kannst Du Dir vielleicht vorstellen, wie Hütten fliegen können?

Über die Jahre hat sich auch der Himmel, in dem diese Vögel zu Hause waren, verändert. Es gab immer mehr Wolken und es regnete zu viel, so dass wir oft nur von den Bäumen und nichts vom Boden zu essen hatten. Das wird jetzt wieder besser.

Unser Reisender hat erzählt, diese Menschen hätten ihre ganze Welt in Besitz genommen. Das hat niemand von uns verstanden. Zum einen wissen wir nicht, wie man so etwas macht und zum anderen wissen wir nicht, wo zu es gut sein soll, wenn jedes Ding uns oder einem von uns gehören würde. Es wäre ja auch nicht gut, weil man dann damit machen könnte, was man will. Vielleicht sind diese Menschen deshalb alle gestorben, weil sie alles was ihnen gehörte so sehr durcheinander gebracht haben, dass kein einziger mehr leben konnte. Du siehst ja, was der Regen macht. Wenn der Regen einem von uns gehören würde, würde es nicht mehr für alle regnen. Vielleicht würde es gar nicht mehr regnen.

Nicht nur diese bewegungslos fliegenden Vögel sind ausgestorben. Früher gab es viel mehr Tiere, nicht nur Vögel oder große, sondern auch ganz kleine im Wasser und unter jedem Stein. Auch das wird jetzt wieder besser.

Einmal sind wir beinahe selber ausgestorben. Damals kam eine große Hummel, die ganz böse brummte. Normale Hummeln tun niemanden was und sind nicht so riesig. Diese Hummel flog fast über unsere Köpfe, wenn keine Bäume dazwischen gewesen wären. Sie pisste auf uns und viele wurden davon krank und starben. Auch die Bäume. Diese Hummel kam aber nur ein Mal. Sie ist längst selber gestorben, weil sie so viel Gift in sich hatte. Um das zu sagen, muss man nichts vom Heilen verstehen.

Unser Reisender hat uns sehr viel erzählt. Das konnte gar nicht alles weitererzählt werden. Es haben ihm zu wenige von uns zugehört, um sich das alles zu merken. Ich war leider nicht dabei, weil ich damals ungefähr so alt wie Du war und man mir das alles nur beigebracht hat, um es weiter zu erzählen. Ich kann Dir aber eine ganz lustige Geschichte erzählen, obwohl die Geschichte unseres Reisenden eher eine traurige Geschichte ist.

Du weißt, wir setzen uns auf große Steine oder auf ein Stück alten Baum. Wir machen diese Stücke sogar hohl, damit sie leichter sind. In fast jeder Hütte gibt es eins davon, weil nicht jeder gerne auf dem Boden sitzt. Besonders wir Ältere nicht.

Unser Reisender sah ganz viele Stücke, die waren schon so ausgehöhlt, dass man von ihren fast nichts mehr sehen konnte. Sie hatten aber die Form eines sitzenden Menschen. Genauer, sie sahen aus, wie der Abdruck eines sitzenden Menschen. Bei manchen war sogar der Platz für die Arschbacken ausgehöhlt. So wie wenn Du Dich mit Deinem Hintern auf den feuchten Sand am Bach setzt. Dann kann man dort eine Zeit lang die Form Deiner Arschbacken sehen. Haha! Unser Reisender hatte zuerst Bedenken, sich auf so ein Stück zu setzen. Er dachte, es müsste sofort zusammenbrechen. Doch irgendwann war er sehr müde und setzte sich. Das Stück hielt. Ein andres zerbrach tatsächlich. Hahaha! Die meisten waren aber sehr stabil, obwohl sie aus fast nichts bestanden.

Wenn diese Geschichte für Dich nicht lustig genug ist, erzähle ich Dir eine andere.

Obwohl nirgends etwas zu essen wuchs, fand er genug zu essen. Es hatte aber immer sehr harte Schalen, die er zerschlagen musste. Die Splitter waren viel schärfen als die Splitter unserer härtesten Steine. Irgendwann fand er heraus, dass die Schalen aus zwei Teilen bestanden und er ein Teil davon nur drehen brauchte. Er konnte sie sogar wieder zu machen. Ist das nicht lustig? – Er meinte, er hätte dort lange leben können. Die Dinge die er sah waren so gemacht, dass man mit ihnen viel einfacher Leben konnte als wir das tun. Doch er spürte, dass er nicht mehr die gleiche Kraft wie zu Beginn seiner Reise hatte. Er ahnte schon, dass er irgendwann sehr krank werden würde. Deshalb kam er zurück, um uns berichten zu können, was er alles gesehen hatte. Menschen hatte er aber keine gesehen. Keinen einzigen, nicht mal einen toten. Doch da in dieser anderen Welt alles für Menschen gemacht war, muss es dort einmal Menschen gegeben haben.

Autor: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Juli 2011

Anregungen für diese Geschichte waren:

Hamburger Klinikum kann ab sofort MCS-Patienten und Umweltkranke aufnehmen

Schadstoffkontrollierte Krankenzimmer

Endlich gibt es in Deutschland ein Krankenhaus, das über speziell eingerichtete schadstoff- und allergenkontrollierte Krankenzimmer verfügt. Jahrelang haben vor allem an MCS Erkrankte um Krankenzimmer gebeten, die den besonderen Bedürfnissen dieser Patientengruppe wenigstens annähernd gerecht werden. Jetzt gibt es drei „Umweltbetten“, für ganz Deutschland. Wenngleich dies zu wenig ist und die Klinik im Norden von Deutschland nicht für jeden der Erkrankten erreichbar, ist es ein großer Fortschritt.

Umweltkontrollierte Krankenzimmer in Hamburger Klinikum

Im März 2011 hatte ein Hamburger Klinikum angekündigt, dass man im fertiggestellten Klinikneubau zwei Krankenzimmer einrichte, die für die besonderen Bedürfnissen von Umweltkranken und Multiallergikern geeignet wären. Bis die Klinik signalisieren konnte, dass die mit viel Sorgfalt ausgebauten Zimmer Patienten aufnehmen können, vergingen weitere vier Monate. Die beiden Umweltkrankenzimmer sind ein Hoffnungsschimmer für Chemikaliensensible aus ganz Deutschland. Leichte bis mittelschwere Fälle können sich in der Hamburger Klinik Operationen, medizinischen Eingriffen und spezieller Diagnostik unterziehen.

Umweltkranke können nun ins Krankenhaus

Seit Mitte Juli 2011 ist das Agaplesion Diakonieklinikum Hamburg (DKH) in der Lage die drei Betten der beiden „Umweltzimmer“ mit MCS-, Umweltpatienten und Multiallergikern belegen zu können. Der Umweltzimmerbereich gehört zur Abteilung der Inneren Medizin in dem seit Februar geöffneten herkömmlich erbauten Regelklinikum mit 360 Betten.

Nähere Einzelheiten:

Hamburger Krankenhaus bietet Zimmer für Patienten mit MCS und Umweltkrankheiten

Kriterien zur Aufnahme im Umwelt-Krankenzimmer

Das DKH ist ein Klinikum, das viele verschiedene Fachbereiche abdeckt und an dem auch Operationen durchgeführt werden. Es handelt sich nicht um eine Umweltklinik und es werden keine umweltmedizinischen Therapien oder Behandlungen durchgeführt, sondern schulmedizinische Interventionen, die auf die jeweilige medizinische Indikation hin ausgerichtet werden. Das Klinikpersonal, mit dem die Umweltpatienten in Kontakt kommen, ist speziell geschult, vermeidet es Duftstoffe zu benutzen und ist bestrebt, den umweltkranken Patienten im Rahmen des Machbaren zu helfen.

Ärztliche Krankenhauseinweisung erforderlich

Zur Aufnahme in den „Umweltzimmern“ benötigt der Patient eine hausärztliche Krankenhauseinweisung. Der Patient oder der einweisende Arzt ruft in der Zentrale des DKH unter Tel: 040-79020-0 an und lässt sich zum Bettenmangement durchstellen. Dort wird der Einweisungsgrund genannt und erklärt, dass ein MCS-, Umweltpatient oder Multiallergiker eine Unterbringung in den „Umweltzimmern“ wünscht. Für die Aufnahme muss der Patient einen ärztlichen Nachweis vorlegen, der ihn als MCS- und Umweltpatient/Multiallergiker ausweist, z. B. ein MCS-Pass oder ärztlicher Befund. In den „Umweltzimmern“ sollen nur Patienten mit umweltbezogenen Erkrankungen als Nebendiagnose aufgenommen werden.

Belegung der Umwelt-Krankenzimmer

Da das DKH mit der Versorgung von MCS-, Umweltpatienten und Multiallergikern Neuland betritt, sollten gerade die Patienten der ersten Wochen dies bedenken, falls am Anfang nicht gleich alles reibungslos funktioniert. Um diese Anfangsphase so unproblematisch wie möglich zu gestalten, ist höchste Kooperation von allen Beteiligten gefragt. Die Hamburger SHG MCS & CFS hält es von daher auch in der Anfangsphase für sinnvoll, wenn nicht die empfindlichsten MCS-Patienten als erstes aufgenommen werden, so lange bis Erfahrungsberichte vorliegen. Diese Vorgehensweise ermöglicht, dass unvorhersehbare Probleme beseitigt werden können. Die Mitarbeiter des DKH sind motiviert, den Umweltpatienten den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu gestalten und bitten ausdrücklich um Anregungen und Verbesserungsvorschläge.

Umweltbetten müssen ausgelastet sein

Der Erfolg des Projektes hängt u.a. von der Belegung der Betten ab. Die Hamburger SHG für MCS & CFS teilt deshalb mit, dass für ein dauerhaftes Belegen der Betten mit Umweltpatienten eine ausreichende Nachfrage notwendig ist. Selbsthilfegruppen für MCS und CFS Kranke, Organisationen für Allergiker und Ärzteverbände sind daher aufgerufen ihre Mitgliedern über die Hamburger Umweltzimmer im Agaplesion Diakonieklinikum und die medizinischen Möglichkeiten des Klinikums zu informieren.

Selbsthilfegruppe unterstützt bei Fragen

Die Hamburger SHG Umweltkrankheiten MCS & CFS bietet an, Fragen zu den „Umweltzimmern“ von akut krankenhausbedürftigen MCS- und Umweltpatienten/ Multiallergikern oder bereits aufgenommener Patienten zu beantworten. Es sei darauf hingewiesen, dass die Organisatoren der Selbsthilfegruppe ebenfalls erkrankt sind und aufgrund der eigenen begrenzten Leistungsfähigkeit Anfragen vornehmlich unter der Faxnummer 040-63975226 oder per E-Mail unter shg-umweltkrankheiten-hh@gmx.de entgegennehmen. In sehr dringenden Fällen kann die Selbsthilfegruppe auch telefonisch unter 040-6300936 erreicht werden.

Kooperativ dem Pilotprojekt zum Erfolg verhelfen

Die Hamburger Umwelt-Krankenzimmer sind die Ersten ihrer Art in Deutschland, das bedeutet, in der Anlaufphase ist höchste Kooperation eines der wichtigsten Kriterien um dem Pilotprojekt zum Erfolg zu verhelfen. Die SHG Umweltkrankheiten MCS & CFS – Hamburg ist sehr auf die Erfahrungen von Patienten der „Umweltzimmer“ angewiesen, um deren Verbesserungsvorschläge und Eindrücke mit dem DKH zu besprechen und bittet nach dem Aufenthalt in den „Umweltzimmern“ um Rückmeldung. Konstruktives Feedback von Patientenseite wird mithelfen, dass dieses Projekt für Umweltkranken aus ganz Deutschland im Falle der Notwendigkeit eines Krankenhausaufenthaltes eine Perspektive wird.

Patienteninformation: Patienteninfo für MCS- und Umweltkranke / Multiallergiker

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 23.07.2011

Literatur:

Weitere CSN-Artikel zum Thema:

Gesetzesverstöße und mangelhafte Beratung in Baumärkten

Bauschaum gesundheitsschädlich und ein Umweltproblem

Baumärkte verstoßen gegen gesetzliche Informationspflichten zur Entsorgung gebrauchter Bauschaumdosen – Testbesuche der DUH belegen neben fehlender Kundeninformation auch mangelhaften Beratungsservice zum umweltgerechten Umgang mit Montageschaumdosen – DUH-Bundesgeschäftsführer Resch fordert flächendeckende Umsetzung gesetzlicher Informationspflichten im Handel und konsequente Kontrollen durch zuständige Behörden.

Die Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) hat erneut Verstöße von Baumärkten gegen Verbraucherinformationspflichten festgestellt. Jeder fünfte Baumarkt informiert seine Kunden demnach nicht über die Entsorgung gebrauchter Montageschaumdosen (PUR-Schaum), obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Ein Drittel der Baumärkte informiert nur unzureichend. Dies ergaben aktuelle Testbesuche der DUH. „Dass ein großer Teil der Baumärkte wie selbstverständlich bestehende Umweltgesetze ignoriert, zeigt wie sicher sich diese sind, nicht erwischt zu werden. Nur Umweltgesetze die konsequent kontrolliert werden, werden in der Praxis auch eingehalten“, erklärt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch und fordert die Vollzugsbehörden der Bundesländer auf, „die Einhaltung der Informationspflichten des Handels endlich konsequent zu kontrollieren und Verstöße zu ahnden“.

Vermeintlich leere Bauschaumdosen beinhalten immer noch umwelt- und gesundheitsschädliche Reststoffe, weshalb diese nicht im Hausmüll oder der Wertstoffsammlung, sondern getrennt als Sonderabfall entsorgt werden müssen. Nach der Verpackungsverordnung sind Baumärkte verpflichtet durch deutlich erkennbare und lesbare Schrifttafeln auf die Rückgabemöglichkeiten gebrauchter Bauschaumdosen hinzuweisen. Für eine sachgerechte Verbraucherinformation ist die Anbringung von Hinweisschildern an allen Verkaufsstellen notwendig. Neben den Baumärkten, die gar nicht informieren, bietet jedoch ein Drittel der Baumärkte nur an einer von mehreren Verkaufsstellen Informationen zur Entsorgung von Bauschaumdosen an. „Eine derart partielle Verbraucherinformation ist völlig unzureichend und entspricht nicht dem gesetzlich geforderten Anspruch konsequenter Verbraucherinformationen über die Rückgabe von Bauschaumdosen“ kritisiert Jürgen Resch.

Als positives Ergebnis der Testbesuche bewertet die DUH die erhöhte Bereitschaft der Baumärkte, auf Nachfrage leere PUR-Schaumdosen zurückzunehmen. Allerdings stellen immer noch die wenigsten Baumärkte ihren Kunden hierfür Sammeltonnen zur Verfügung. Zwanzig Prozent der besuchten Baumärkte verweigerten die Rücknahme von leeren Bauschaumdosen oder verlangten einen Beleg, dass die Dosen im jeweiligen Baumarkt gekauft wurden.

Seit Dezember 2010 dürfen schadstoffhaltige Montageschäume nur noch durch sachkundige Mitarbeiter ausgehändigt werden. Das persönliche Aushändigen von Bauschaumdosen bietet zusätzliche Möglichkeiten, auf deren umweltgerechte Entsorgung hinzuweisen. Doch in weniger als der Hälfte aller Testbesuche wurden den DUH-Mitarbeitern bei der Dosenübergabe Hinweise zur entsprechenden Entsorgung mitgeteilt. „Das Potential, beim persönlichen Kontakt mit den Kunden Informationen zur umweltfreundlichen Entsorgung von Bauschaumdosen mitzuteilen, wird vom Handel bislang nicht ausreichend genutzt“, bedauert Maria Elander, DUH-Bereichsleiterin Kreislaufwirtschaft. „Durch Anweisung aller Baumarktmitarbeiter zur aktiven Kundeninformation bei der Dosenübergabe, kann mit geringem Aufwand ein erheblicher Beitrag zum Umweltschutz und zur Ressourceneffizienz geleistet werden“.

Die DUH fordert den Handel auf, bestehende Umweltgesetze konsequent und in geeigneter Weise einzuhalten und kündigt weitere Testbesuche an. Sollte sich die Situation nicht kurzfristig ändern wird die DUH zudem verstärkt Gesetzesverstöße als Verbraucherschutzverband abmahnen und die entsprechenden Betriebe im Internet veröffentlichen. Durch die geplante Veröffentlichung und namentliche Nennung von Baumärkten, die gegen gesetzliche Informationspflichten verstoßen, können sich Verbraucher selbst ein Urteil darüber bilden, welches Baumarktunternehmen Umweltschutz wirklich ernst nimmt.

Autor:

Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH), Gesetzesverstöße und mangelhafte Beratung in Baumärkten zur Entsorgung von Bauschaumdosen, Berlin, ots, 21.07.2011

Weitere interessante Artikel:

Genfood als Marketingstrategie für Pestizide

Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel ist eine lebenswichtige Notwendigkeit

Auf dem Boden der Tatsachen: Fragen und Antworten mit CFS-Anwalt George Kimbrell (audio podcast)

Jessica Knoblauch von Earthjustice unterhält sich mit George Kimbrell vom Center for Food Safety [CFS/Initiative für Lebensmittelsicherheit]. Kimbrell wirkt zurzeit als ergänzend hinzugezogener Anwalt in den von Earthjustice angestrengten Prozessen zu gentechnisch veränderten Zuckerrüben und Luzernen [Alfalfa] mit. 2006 klagte das CFS gegen die Zulassung von genmanipulierten Luzernen durch das amerikanische Agrarministerium (USDA), ein Verfahren, das schließlich beim US Supreme Court ankam und zu einem [Anbau-] Verbot der genmanipulierten Feldfrucht führte.

Transkript des Interviews:

Jessica Knoblauch: Das Center for Food Safety arbeitet als Organisation daran, die Gesundheit der Menschen und die Umwelt zu schützen, indem es gegen schädliche Lebensmittelherstellungsmethoden vorgeht. Was genau macht gentechnisch veränderte Lebensmittel so gefährlich?

George Kimbrell: Sie gehören zum industriellen Paradigma, zu den Systemen industrieller Lebensmittel. Gerade jetzt gibt es in unserem Land ein Erwachen für Nachhaltigkeit und Landwirtschaft und die Menschen erkennen die Vorzüge, welche Bio, lokal und von Menschen produziert bieten. Gentechnisch entwickelte Lebensmittel stehen für eine fabrikmäßig betriebene Landwirtschaft, was genau das Gegenteil dieser Philosophie ist. Außerdem denke ich, dass die Menschen den Zusammenhang zwischen unserem Nahrungsmittelsystem und der Umwelt verstehen und auch, wie das, was wir essen, mit der Art, wie wir auf diesen Planeten leben, zusammenhängt und welche Folgen das hat.

Um Ihre Frage noch genauer zu beantworten denke ich, muss die Antwort doppelt ausfallen. Zuerst unter gesundheitspolitischen Aspekten. Dies ist eine neue Technologie und es wird mit unserer Gesundheit ein anhaltendes Experiment unternommen, leider. Im Grunde genommen sind weitaus mehr Fragen offen als dass wir wüssten, welche Folgen gentechnisch veränderte Lebensmittel möglicherweise für die menschliche Gesundheit haben. Man nimmt die Gene von Arten, die sich in der Natur nie kreuzen könnten und kreuzt sie mit sehr entfernten Arten. So nimmt man z.B. das Gen von einer Flunder und baut es mit Hilfe einer Gen-Kanone in eine Tomate ein, um sie gegen Kälte widerstandsfähiger zu machen. Ein Flunder und eine Tomate kommen in der natürlichen Welt niemals zueinander. Das ist etwas völlig anderes als konventionelle Zucht, wenn man zwei Getreidesorten mit der Absicht kreuzt, verschiedene Eigenschaften des Getreides zu verbessern. Das ist der erste fundamentale Unterschied.

Gerade aus diesen Gründen ist dies eine Art permanentes Experiment mit der Bevölkerung. Und auch, weil wir leider keine Deklarationspflicht haben. Von möglichen toxischen Gefahren oder Gesundheitsgefährdungen, die sich daraus ergeben könnten, bekommen wir nichts mit. Zwei Drittel der Welt kennzeichnet gentechnisch veränderte Lebensmittel. Was dies angeht, sind wir ein echter Sonderfall und wir lassen unserer Bevölkerung nicht die Wahl, die Herkunft [ihrer Nahrung] auszuwählen. Außer Sie kaufen aus biologischem Landbau; das ist die einzige Möglichkeit sicher zu sein, da im biologischen Landbau genetisch veränderte Lebensmittel nicht zulässig sind.

Ich bin Anwalt, deshalb liegen wissenschaftliche und gesundheitliche Fragen gewissermaßen außerhalb meines Fachgebietes, doch ich weiß, dass es neuartige Probleme mit Allergien gibt. Dies gehört zu den am häufigsten aufgeworfenen Fragen. Oder anderes gesagt, wenn Sie beispielsweise auf Fisch allergisch reagieren und ich verkaufe Tomaten und Sie wissen nicht, dass die Tomate von mir ein gentechnisches Produkt ist, können Sie durch deren Verzehr eine sehr schwere allergische Reaktion erleiden, weil sich darin eine transgene Substanz von einer Art befindet, auf die Sie allergisch reagieren, ohne dass Sie dies nachvollziehen können. Das ist nur ein Beispiel.

Aber ich denke, das wichtigste, was Ihre Leser und die Öffentlichkeit wissen sollten ist, dass wir keine unabhängige Prüfung dieser Lebensmittel durch unsere Behörden haben. Monsanto und die anderen Unternehmen, die sie herstellen, sind zu sogenannten freiwilligen Rücksprachen mit der amerikanischen Lebens- und Arzneimittelbehörde [FDA] angehalten. Hinter verschlossenen Türen unterrichten sie die FDA über die Untersuchungen, welche sie zu den Lebensmitteln durchgeführt haben. Und mehr nicht. Die FDA erlaubt sie entweder ohne weiter Fragen zu stellen oder sie tut es nicht, dabei hat sie noch nie eines auf dem Markt nicht erlaubt. Und das ist alles. Die Untersuchungen werden nicht veröffentlicht. Es handelt sich um vertrauliches Geschäftswissen. Die FDA macht keine eigenen Untersuchungen, es gibt keine unabhängigen Untersuchungen oder irgendetwas dieser Art. So liegen sie in den Verkaufsregalen und wir essen sie. Das ist das, was zur menschlichen Gesundheit zu sagen ist.

Wie Sie vermutlich wissen, geht es dem Center for Food Safety in seinen Gerichtsverfahren überwiegend um die Folgen, welche dieses industrielle System auf die Umwelt hat. In diesen Verfahren geht es darum, warum der Anbau dieser Feldfrüchte die Umwelt schädigt, um die sich auch die Menschen Sorgen machen. Die Menschen möchten etwas essen, das die Umwelt nicht schädigt, dass nachhaltig hergestellt wird. Das wichtigste, was sie wissen müssen ist, dass es sich bei dieser Technologie um ein One-Trick-Pony handelt [ein Pony, das nur eine Nummer kann]. Diese Ackerpflanzen dienen dazu, den Verkauf von Pestiziden anzukurbeln. Darum sind die Unternehmen die sie entwickeln, die nebenbei bemerkt Chemiekonzerne sind, die Pestizide herstellen, Monsanto, Syngenta, Bayer, DuPont und Dow Chemical, dieselben. Darum können diese Unternehmen von ihren Hauptprodukten mehr verkaufen, mehr Pestizide. Eines können sie wirklich sehr gut, die Pflanzen gegen Pestizide widerstandsfähig machen. Sie helfen uns nicht, die Welt zu ernähren, es gibt keine, welche die Erträge erhöhen oder uns helfen, die Hungernden zu ernähren. Sie helfen uns nicht, etwas gegen den Klimawandel zu tun, keine von ihnen sind gegen Dürren resistent oder tolerant und sie helfen uns nicht, etwas für die Umwelt zu tun. Sie erhöhen lediglich den Verbrauch von Pestiziden. Das ist ihr einziger Zweck.

Jessica: Es gibt sehr viele falsche Vorstellungen, welche die Leute von gentechnisch veränderten Lebensmitteln haben. Sie erwähnten etliche davon, dürre-resistent, nährwerthaltiger. Kommt dies einfach nur davon, weil die Unternehmen sie so vermarkten? Sind diese falschen Vorstellungen so entstanden?

George: Um es zu wiederholen, die gängigen Mythen sind jene, über die wir gesprochen haben. Der erste ist, dass es sich um dasselbe wie konventionelle Züchtung handelt. Dem ist nicht so. Es ist etwas grundlegend anderes. Ein Flunder und eine Tomate kommen in der Natur nicht zusammen. Das zweite Missverständnis ist, dass ausgerechnet diese Feldfrüchte für den Konsumenten, für die Öffentlichkeit, für die öffentliche Gesundheit oder für die Landwirte Vorteile bieten. Diese gibt es nicht. Es ist im Grunde genommen eine misslungene Technologie. Monsanto und die anderen, welche sie bewerben, haben diese Pflanzen patentiert und sie dienen größtenteils nur einem Zweck.

Warum gibt es überall diese falschen Vorstellungen über nicht eingehaltene Versprechungen? Eine gute Frage! Ich denke, die allumfassende Antwort ist Geld. Es geht hier um sehr mächtige Unternehmensgebilde, die hunderte Millionen Dollar ausgeben, um unsere Regierung mit Lobbyarbeit zu beeinflussen – und wahrscheinlich noch mehr für Werbung. Wenn Sie NPR [National Public Radio] hören, hören Sie irgendwann „Präsentiert für Sie von Monsanto“. Sie sind mit ihrer Reklame allgegenwärtig. Da wartet noch viel Arbeit auf uns. Es gibt eben sehr viel solche Werbung. Ich denke, ein Teil von dem was wir tun und was wir viele Jahre getan haben, besteht darin zu versuchen, das was die Leute darüber wissen zu korrigieren und zu erklären, dass sich die Wirklichkeit von dem Marktgeschrei sehr unterscheidet. Was diese Ackerpflanzen angeht, gibt es zwischen dem Hype und der Wirklichkeit einen sehr großen Unterschied.

Jessica: Im Jahre 2006 klagte Ihr Center gegen die Zulassung von genetisch modifizierter Alfalfa durch die USDA [U.S. Department of Agriculture]. Es gibt sehr viele Gentechnik-Lebensmittel auf dem Markt, warum entschied sich das Center, diesen Fall aufzugreifen?

George: Das ist eine gute Frage. Alfalfa war in vielerlei Hinsicht ein Wechsel zu einer anderen Art von Feldfrüchten, als jene die bisher gentechnisch verändert wurden. Dies stellte eine bedeutende neue Bedrohung für die Umwelt und das Nahrungssystem dar, insofern als dass bisher im Prinzip nur vier Feldfrüchte genetisch modifiziert wurden, Mais, Soja, Raps und Baumwolle.

Alfalfa ist ein anderer Fall. Zu aller erst handelt es sich um eine mehrjährige Feldfrucht, die im Gegensatz zu einer einjährigen Pflanze drei bis acht Jahre wächst. Sie kann in der Natur aus eigener Kraft überleben, wild oder ausgewildert. Deshalb ist sie im Westen Amerikas überall präsent. Wenn Sie da, wo ich wohne, im pazifischen Nordwesten, irgendwo unterwegs sind, wächst da wo sie herum fahren Alfalfa im Straßengraben, auf brachliegenden Feldern, am Straßenrand, bei den Telefonmasten. Es ist außerdem eine von Bienen bestäubte Pflanze. Nun gibt es wilde und gehaltene Bienen und von denen gibt es viele Arten und sie können umher fliegen und Pollen verschiedener Herkunft über große Entfernungen vermischen. Bei Honigbienen können das zehn Kilometer sein, zum Beispiel. Und Honigbienen lesen keine Schilder. Sie vermischen die Pollen der Felder. So besteht nicht nur für die Felder der Landwirte die Gefahr, dass Transgene wandern und es zur Kontamination kommt, es können auch wilde Bestände in der Natur kontaminiert werden, wo Alfalfa Dank der Bestäubung durch Bienen wächst. Das ist eines der Probleme, welches es nur bei Alfalfa gab, im Gegensatz zu den gewöhnlichen Feldfrüchten, die vom Wind bestäubt werden. Die Gefahr der Kontamination war agrartechnisch gesagt eine andere. Ein anderes Problem besteht darin, dass Alfalfa eine Hauptkomponente der Milchwirtschaft ist. Für viele unserer tierhaltenden Betriebe ist es das Hauptfuttermittel, jedoch insbesondere für die Milchviehhaltung, Milch- und Käseproduktion und für die ökologische Landwirtschaft. Dort hat man ein wirkliches Problem, wenn man kontaminierte Alfalfa hat. Dies stellt für die ökologische Milchwirtschaft und für die Milchwirtschaft die gentechnikfrei bleiben möchte eine wirkliche Gefahr dar, weil ihre Hauptfutterquelle mit hoher Wahrscheinlichkeit kontaminiert sein könnte, selbst wenn sie Gentechnik ablehnen. Dann werden ihre Futtermittel, die sie über den Futterhandel beziehen, natürlich diese gentechnisch erzeugte Variante enthalten.

Jessica: Eine andere meiner Meinung nach interessante Geschichte über Alfalfa ist, dass der größte Teil von Alfalfa ohne jegliche Pestizide bestens wächst. Nun wird eine Gen-Alfalfa produziert, die hohe Dosen von Monsantos Roundup Ready Pestizid aushält. Stimmt das?

George: Wie wir wissen, ist es die am viert häufigsten angebaute Feldfrucht des Landes. Es gibt etwa 80 Millionen Quadratkilometer davon. Alfalfa wird in jedem Staat unseres Landes angebaut. Und es ist gemeinhin eine pestizidfreie Frucht. Nur etwa 10 bis 15 Prozent der gesamten Alfalfa, konventionelle und ökologische zusammengerechnet, werden mit Pestiziden angebaut. Die meisten Landwirte nutzen anbautechnische Methoden. Sie vermengen Alfalfa mit Hafer oder irgendetwas anderem, um das Unkraut klein zu halten, anstatt Pestizide zu sprühen. Und deshalb würden die Zulassung und der mögliche Ersatz dieser Methoden durch ein Pestizid förderndes Anbausystem für viele unterschiedliche Ökosysteme eine dramatisch zunehmende Erhöhung der Umweltbelastung durch Pestizide bedeuten. Also anders als andere Feldfrüchte, Soja, Mais und Baumwolle, die im Allgemeinen mehr Pestizide benötigen, braucht dies Alfalfa nicht. Darum ist ihr Ersatz durch ein Pestizid gestütztes Anbausystem nach unserer Ansicht eine große Gefahr für die Umwelt.

Jessica: Deshalb hat es der Alfalfa-Fall 2010 bis zum US Supreme Court geschafft, was im Falle gentechnisch modifizierte Lebensmittel eine Premiere war. Was ist bei der Entscheidung des Gerichts herausgekommen?

George: Der Prozess wurde 2006 eröffnet und Anfang 2007 gewannen wir vor dem Landgericht. Den Landwirtschaftsministerium wurde vom Gericht auferlegt, eine Umweltfolgenabschätzung [EIS/environmental impact statement] vorzubereiten, um die möglichen Umwelt- und sozialökonomischen Folgen von Roundup Ready Alfalfa auf Landwirte und Umwelt abzuwägen, dazu gehörte vieles von dem, über das wir gerade sprachen: Kontamination genauso wie Zunahme des Pestizideinsatzes. Die USDA begann dieses Dokument zu erstellen. Bemerkenswerterweise – während den 15 Jahren, in denen verschiedene Arten dieser genetisch modifizierten Pflanzen zugelassen wurden, hat die USDA niemals zuvor irgendeine Umweltfolgen- abschätzung für irgendeine davon angestellt. So war diese im Alfalfa-Prozess die erste, die sie jemals machten. Und danach wurde sie dazu verdonnert, eine für den Zuckerrüben-Prozess anzufertigen. Leider war das nur die zweite, die sie machten.

Und dann kam im Prozess die Frage auf, was wir in der Zwischenzeit machen sollen, solange die Behörde sich zurück zieht und ihre Hausaufgaben erledigt? Wir argumentierten, dass man den Anbau dieses Zeugs stoppen sollte, dass es nicht erlaubt sein sollte weiterzumachen, bis die Behörde der Anordnung des Gerichts gefolgt ist und diese gründliche Studie durchgeführt hat. Und folglich sollten sie eine neue Entscheidung fällen. Monsanto und die Behörde argumentierten, dass es ihnen erlaubt sein sollte, den Verkauf und Anbau der Pflanze fortzusetzten, auch während die Behörde die Prüfung durchführt. Nach unserer Auffassung spannt man damit den Karren vor das Pferd. Das Landgericht stimmte uns zu und verbot den Anbau und bewahrte den Status Quo. Platt gesagt heißt dies, während die Behörde ihre Untersuchung durchführt, kann nichts weiter geschehen. Diese Entscheidung wurde beim 9. Gerichtsbezirk angefochten und zweimal bestätigt. Und dann ging sie im Jahre 2008/2009 an den Supreme Court.

Der Supreme Court fällte eine interessante Entscheidung, in deren Folge der Anbau von Roundup Ready Alfalfa weiterhin verboten war. Ich denke, die meisten Medien, die darüber berichteten, haben die Geschichte falsch verstanden, nach der es hieß, das Gericht habe das Verbot von Roundup Ready Alfalfa aufgehoben. Der Supreme Court tat nichts dergleichen. Was der Supreme Court sagte war folgendes: das Landgericht hat zwei Abhilfen bereit gestellt, die beide unabhängig voneinander den Anbau dieser Frucht stoppen. Eine nennt sich einstweilige Verfügung, die andere heißt Aufhebung. Der Supreme Court sagte, beide werden nicht zugleich benötigt. Beide zugleich sind ein Übermaß. Einmal genügt. Deshalb hob es einmal auf. Nachdem der Supreme Court seine Entscheidung bekannt gegeben hatte, konnte niemand Roundup Ready Alfalfa anpflanzen, genauso wie es niemand anpflanzen konnte, bevor sie ihre Entscheidung bekannt gaben. So war das ein Sieg für uns, der nur nicht so hieß. Verfahrenstechnisch haben sie etwas aufgehoben, aber das Ergebnis war, dass die Umwelt weiterhin vor Roundup Ready Alfalfa sicher war und dass unsere Landwirte davor sicher blieben. Deshalb waren wir mit dieser Entscheidung und mit diesem Ergebnis sehr zufrieden.

Jessica: Nun, ist es jetzt nicht doch möglich, genetisch modifizierte Alfalfa anzubauen?

George: Jene Entscheidung war im Juni 2010. Bis Ende Herbst war es noch verboten. Was dann geschah war, dass im Dezember 2010 die USDA ihre Studie fertig hatte, zu der sie vom Gericht verpflichtet worden war. Und sie urteilten erneut und unglücklicherweise entschieden sie so, dass nach dem neuen Urteil Roundup Ready Alfalfa wieder angebaut werden darf, selbst nach dem EIS [Umweltfolgenabschätzung s.o.], in welchem alle Umweltbeeinträchtigungen, die wir gerade bezüglich Pestiziden und Kontamination von ökologischem und konventionellem Landbau diskutiert haben, offengelegt wurden. So wurde diese Entscheidung im Januar dieses Jahres getroffen. Also ist es seit Januar 2011 wieder zulässig, Roundup Ready Alfalfa anzubauen. Auf Grund dessen haben wir mit Earthjustice eine neue Klage gegen diese neue Zulassung eingereicht, was wir im März diese Jahres taten.

Jessica: So hat die USDA grundsätzlich zugestimmt, dass es durch Alfalfa Umweltschäden geben wird, hat dann aber trotzdem erlaubt, dass sie angepflanzt werden kann? Hat man dem Anbau irgendwelche Einschränkungen auferlegt?

George: Leider nicht. In ihrer Analyse erwogen sie drei Alternativen. Eine bestand darin, es zu verbieten, den kommerziellen Anbau und Verkauf nicht zu erlauben. Die zweite bestand darin, den Anbau und Verkauf ohne jegliche Einschränkungen zu erlauben. Die dritte war, den kommerziellen Anbau und Verkauf zu erlauben, jedoch mit erheblichen Einschränkungen in Gestalt von Isolations-Abständen zu ökologischen und konventionellen Ackerpflanzen und geographischen Zonen, so dass es Teile verschiedener Staaten gegeben hätte, die frei von Gentechnik gewesen wären, wo man grundsätzlich nichts anbauen darf. Das waren die drei Alternativen und man wählte die zweite ohne jegliche Restriktionen. Wir waren natürlich sehr enttäuscht und wir glauben, dass die Entscheidung aus mehreren Gründen rechtswidrig ist und eine Reihe von Gesetzen verletzt. Es war eine vollständige Kapitulation gegenüber dem Druck der biotechnischen Industrie und dem Druck, den sie auf die USDA ausgeübt haben, diese Entscheidung über die Feiertage [am Jahresende] zu treffen.

Jessica: Im Sinne von lobbyistischen Bemühungen?

George: Massive Summen für die Lobbyarbeit. Land of Lakes, der Eigentümer von Forage Genetics, ein Lizenznehmer für Roundup Ready Alfalfa, hat für Lobbying tonnenweise Geld ausgegeben, Millionen und Millionen von Dollar. Nach unserer Ansicht fanden reichlich politische Aktivitäten statt und der Druck hielt an und das Urteil war ein politisches, das sich weder auf Wissenschaft noch auf Recht stützt.

Jessica: Ich sah, dass einige Gruppen die Bemühungen des Centers im Alfalfa-Prozess unterstützt haben, von der Arkansas Rice Growers Association Vereinigung der Reisbauern in Arkansas] bis zur [Humane Society of the United States [große US-Tierschutzorganisation]. Was ist es, dass in diesen Prozess so viele unterschiedliche Interessen zusammen bringt?

George: Der Supreme Court hat dieses Gerichtsverfahren ins Rampenlicht gerückt und es war der erste Fall dieser Art, der den Supreme Court erreicht hat und insofern wurde ihm als hochgradig umweltbezogener Prozess vor dem Supreme Court große öffentliche Aufmerksamkeit zuteil. Ich denke, es stand ziemlich viel auf dem Spiel, wie es in solchen Fällen immer ist, deshalb wurden die Leute und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam. Aber ich denke auch, dass die Menschen die Zusammenhänge zwischen ihrem Lebensmittelsystem und der Umwelt immer mehr erkennen, und wie sich die Art wie sie einkaufen und wie sie leben auf die Umwelt auswirkt und dass die Landwirtschaft von dem, was wir als Natur ansehen, kein getrennter Bereich ist. Dass das alles eher ein ganzheitliches, zusammenhängendes System ist und dass die Art, wie alles besteht, eine ökologische ist. Ich denke, das ist eine wichtige Erkenntnis. Ich denke, in früheren Generationen hatten wir die Auffassung, dass die Landwirtschaft das eine und die Natur, wo wir mit unserer Familie wandern gehen, das andere ist – zwei verschiedene Sachen. Und in der Tat sind diese Dinge weitgehend Teil desselben Ortes und Planeten. Und das geht nun so weit, dass dieser kleine Gentechnik-Prozess ein Mikrokosmos des Paradigmenwechsels ist. Die Menschen bekommen dieses Bewusstsein, besonders was Pestizide angeht. Die Leute verstehen Pestizide. Wenn man den Leuten also erzählt, diese Feldfrüchte fördern Pestizide, verstehen die Leute das und werden sich dessen mehr und mehr bewusst. Das haben wir die letzten Jahre sehr häufig beobachtet, bei allen Verfahren, die wir angestrengt haben.

Die Reisbauern waren eine eigene Geschichte. Sie wurden selbst kontaminiert. Was den Reisbauern widerfuhr war das im Jahre 2006… Wir verkaufen sehr viel Reis nach Japan. Und in Japan werden natürlich wie fast überall auf der Welt gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet und verboten, wenn sie [nicht gekennzeichnet] über einen gewissen Grad hinaus kontaminiert sind. [GMOs brauchen auch in Japan eine Zulassung.] Nun wurden Reisbauern im Südwesten unwissentlich durch eine Sorte kontaminiert, die an der Louisiana State University in einem Freilandversuch getestet wurde und Japan machte die Grenze für sie zu, schloss ihre Märkte und kappte ihre Geschäftsbeziehungen für zwei Jahre. So verloren während dieser Zeit hunderte und tausende kleiner Familienhöfe die im Süden Reis anbauen ihre Betriebe, ihren Lebensunterhalt und ihr Geschäft. Darum hatten sie natürlich etwas zu sagen, als wir unseren Prozess wegen der Kontamination durch Alfalfa führten. Sie hatten das schon einmal erlebt und sie wollten nicht, dass mit den Leuten dasselbe passiert, die Bio-Alfalfa anbauen oder die Alfalfa exportieren – denn wir exportieren eine Menge Alfalfa nach Übersee und auch in Märkte, die eine Gentechnik-Kontamination nicht tolerieren, Japan inbegriffen.

Jessica: Vor ein paar Monaten habe ich gelesen, dass zur Zeit Landwirte die Biotechnik-Unternehmen wegen dieser gentechnischen Kontamination verklagen, weil sie die Preise ihrer Produkte beeinflusst, wenn sie durch gentechnische Bestandteile verunreinigt sind, egal ob andere Länder ihre Produkte akzeptieren oder nicht. So sieht es also danach aus, als ob etwas in Bewegung käme.

George: Ja, das war eine sehr wichtige Klage, die Anfang dieses Jahres [2011] von der [Public Patent Association]5 eingereicht wurde, eine gemeinnützige Organisation die wegen Patenten von öffentlichem Interesse Prozesse führt. [Anmerkung der Redaktion: Die Gruppe heißt Public Patent Foundation] Einige unserer Mitglieder und Unterstützer sind in diesem Verfahren Kläger. Verfahrenstechnisch sind wir das nicht [sic!]. Wir sind keine Patentanwälte; wir sind Verwaltungs- und Umweltrechtler. Doch es handelt sich um ein wichtiges Verfahren und ich denke, es ist ein berechtigtes Verfahren, weil es dabei um alles oder nichts geht, da Monsanto diese Feldfrüchte patentiert und es zu Kontaminationen kommt und die Natur Wege findet. Ob durch Bienen oder Wind, es kommt zur Vermischung von Pollen und plötzlich ist deren patentierte Pflanze im Feld irgendeines Landwirtes, der das nicht drin haben will.

Nach dem Patentrecht kann der Landwirt, der unwissentlich und unfreiwillig kontaminiert wurde, von Monsanto wegen Patentverletzung belangt werden, da er ihre patentierte Sorte anbaut und ihnen nicht die vertraglich festgelegte Lizenzgebühr für die Samen gezahlt hat. Was diese patentierten Pflanzen anstellen gehört zum Wechsel zu einem industriellen Paradigma, anders als bei einem nachhaltigeren Lebensmittelsystem-Paradigma – es findet eine Privatisierung eines 10.000 Jahre alten Rechtes statt. Seit 10.000 Jahren haben Bauern ihr Saatgut [durch Einbehalt eines Teils der Ernte] selbst erzeugt. Meine Frau und ich ziehen grüne Bohnen und Kopfsalat oder was es auch immer ist und wir sorgen dafür, dass wir für das nächste Jahr Saatgut haben und wir sähen dies erneut aus. Nun, mit diesen Patentierten Pflanzen kann man das nicht tun. Monsanto wird sie verklagen. Sie müssen jedes Jahr zurück kommen und die jährliche Gebühr bezahlen um von denen neues Saatgut zu erhalten. Nun, genau darum geht es in der Klage, es geht darum, diese Praxis zu stoppen und das Recht der Bauern zu bewahren, ihr eigenes Saatgut zu sichern und nicht von Monsanto wegen Patentverletzung belangt werden zu können.

Jessica: Unter den Konsumenten wächst die Aufmerksamkeit gegenüber genetisch modifizierten Lebensmitteln und wie diese die Umwelt und uns selber beeinflussen. Was können die Menschen in Anbetracht dessen tun, dass die USA ihre Firmen nicht verpflichtet, gentechnische Lebensmittel zu kennzeichnen, um sich diesen möglichst wenig auszusetzen?

George: Das eine, das wir schon unmittelbar erwähnt haben ist, Sie können Produkte aus ökologischem Anbau kaufen oder ihren Landwirt auf dem Markt oder in der Kooperative kennen lernen. Bauen Sie zur Herkunft ihre Nahrung eine persönliche Beziehung auf. Legen Sie sich einen Garten zu. Das ist das Beste, was Sie bezüglich der Herkunft ihrer Nahrung tun können. Das ist eine Möglichkeit, sich wirklich sicher zu sein. Doch was den Einkauf im Laden angeht, bedeutet Bio kein GMO [genetically modified organism]. Nach den nationalen Regelungen für ökologische Standards muss es GMO-frei sind. Also ist das etwas, worauf Sie sich verlassen können.

Aber etwas allgemeiner denke ich, jeder dem an diesem Thema etwas liegt, sollte unbedingt das öffentliche Bewusstsein fördern und auf seine Politiker Druck ausüben, damit wir eine Kennzeichnungspflicht bekommen. Das gehört auch zu dem, wofür sich das Center for Food Safety eingesetzt hat, seit Anfang an ist es eines unserer Ziele, dass die Öffentlichkeit dieses fundamentale Recht hat zu entscheiden, womit man sich selbst und seine Familie ernährt. Und wir sollten eine Kennzeichnung haben und dass wir sie nicht haben, ist ein Fehler. Diese Entscheidung ist wieder eine politische. Es ist eine, welche die Obama-Regierung ändern könnte, wenn der politische Wille da wäre und wenn die Leute laut genug wären. Und wie ich sagte, werden diese Lebensmittel fast überall auf der Welt gekennzeichnet. Und aus diesen Gründen sollten sich die Menschen einmischen, aktiv werden, denn die Kennzeichnung gentechnisch veränderter Lebensmittel ist eine lebenswichtige Notwendigkeit.

Autor und Copyright: Earthjustice 2011

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, Juli 2011

Wir danken Earthjustice, das Transkript eines Podcasts übersetzen zu dürfen. Der Originaltext kann hier nachgelesen und auch angehört werden.

Earthjustice wurde 1971 vom Sierra Club als eigenständige Organisation gegründet und hieß anfänglich Sierra Club Legal Defense Fund. 1997 wurde der Name geändert, um zum Ausdruck zu bringen, dass dieses ‚Anwaltsbüro für Umweltbelange‘ auch andere Organisationen zur Verfügung steht. Es hat sich z.B. für die Rechte der Bewohner von Mossville eingesetzt und arbeitet dort mit MEAN (Mossville Environmental Action Now) zusammen.

Der Sierra Club ist die größte Umweltorganisation der USA und seit 1892 aktiv. Sie wurde von John Muir (1838-1914) gegründet, der als amerikanische Ikone für Naturverbundenheit und Umweltbewahrung gilt.

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Jungem Mann mit MCS wurde Rente gewährt

Volle Rentenleistungen aus der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung (BUZ) und der gesetzlichen Rentenversicherung bei MCS?

RA Dr. jur. Burkhard Tamm, Fachanwalt für MedizinrechtRegelmäßig ist es für an MCS erkrankte Patienten schwierig, gegenüber der Deutschen Rentenversicherung Bund erfolgreich Ansprüche auf Rentenleistungen wegen voller Erwerbsminderung durchzusetzen. Dasselbe gilt für Rentenleistungen aus einer privaten Berufsunfähig- keitsversicherung. Oft ist es erforderlich, zur Durchsetzung dieser Ansprüche den Rechtsweg zu beschreiten und dauert es Jahre, bis die Rente endlich fließt, eine von vielen Betroffenen gemachte leidvolle Erfahrung.

RA Dr. Burkhard Tamm: Ich möchte deshalb heute über einen Fall berichten, in dem es mir vor kurzem gelungen ist, Rentenansprüche meines an MCS erkrankten, noch sehr jungen Mandanten sowohl gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund als auch gegen die private Berufsunfähig- keitsversicherung mit Erfolg durchzusetzen, ohne dass es dafür eines Widerspruchs oder gar einer Klage bedurft hätte.

Alles begann damit, dass mein Mandant auf Veranlassung seiner Krankenkasse bei der Deutschen Rentenversicherung Bund einen Antrag auf Rehabilitationsleistungen gestellt hatte. Aufgrund der Besonderheiten der bei ihm vorliegenden Erkrankung MCS war mein Mandant dabei von vornherein der Ansicht, dass eine Rehabilitation wenig sinnvoll, weil letztlich nicht möglich sei, weil es in ganz Deutschland keine auf MCS spezialisierte Klinik gebe.

Auch der von der Deutschen Rentenversicherung beauftragte Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass im Falle meines Mandanten eine stationäre medizinische Rehabilitationsmaßnahme weder sinnvoll noch Erfolg versprechend sei, woraufhin die Deutsche Rentenversicherung den Reha-Antrag meines Mandanten ablehnte. Von diesem wurde das Gutachten zunächst recht negativ aufgenommen, letztlich jedoch nicht wegen des Ergebnisses, das letztlich zur Ablehnung einer Reha-Maßnahme führte, sondern aufgrund des Ablaufs der Begutachtung und einiger inhaltlicher Feststellungen.

Ich teilte meinem Mandanten dann mit, dass meine Einschätzung in Bezug auf das Gutachten eine andere sei, denn zum einen hatte der Gutachter festgestellt, dass bei meinem Mandanten zweifellos ein Krankheitsbild vorlag, das erheblichen Krankheitswert hatte, auch wenn „keinerlei objektivierbarer Krankheitsbefund vorliege“ (!). Zudem stellte der Gutachter fest, dass bei meinem Mandanten nur noch ein Leistungsvermögen von unter 3 Stunden täglich auf dem gesamten Arbeitsmarkt vorliegt und es äußerst fraglich ist, ob noch jemals eine Besserung eintreten könne, wenngleich mein Mandant erst 28 Jahre alt ist.

Diese Feststellungen des Gutachters nahm ich zum Anlass, meinem Mandanten dringend anzuraten, einen Rentenantrag zu stellen und Leistungen wegen voller Erwerbsminderung zu beantragen. Gestützt auf das im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung erstellte Gutachten gelang es mir in der Folge dann, innerhalb von nur rund vier Monaten die Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erreichen.

Mein Mandant hatte mich jedoch von Anfang an nicht nur im Zusammenhang mit seinem Reha-Antrag beauftragt, sondern gleichzeitig auch damit, seinen Rentenantrag gegenüber seiner privaten Berufsunfähigkeitsversicherung vorab zu prüfen und vorzubereiten und erst dann bei der Versicherung einzureichen wenn er aus meiner Sicht ausreichend gut vorbereitet ist. Da sich mein Mandant bereits zu diesem frühen Zeitpunkt – d.h. vor Antragstellung – an mich gewandt hatte, war es mir möglich, seinen Antrag sorgfältig vorzubereiten und insbesondere das im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung erstellte Gutachten, dessen Fertigstellung ich zunächst abgewartet hatte, zur Stützung seiner Ansprüche bei der Versicherung mit einzureichen.

Auf diese Weise gelang es mir auch gegenüber der privaten Berufsunfähig- keitsversicherung meines Mandanten, erfolgreich und rückwirkend ab Januar 2009 Rentenleistungen durchzusetzen. Auch hier lag zwischen der Einreichung des vollständigen Antrags (26.01.2011) und dem Anerkenntnis des Bestehens eines Anspruchs durch die Versicherung (1.6.2011) nur ein sehr kurzer Zeitraum.

Fazit:

  1. Die Darstellung sollte zunächst zeigen, dass es durchaus auch Fälle gibt, in denen Rentenansprüche wegen MCS ohne ein langwieriges Widerspruchsverfahren oder gar eine Klage durchgesetzt werden können, wenngleich solche Fälle sicherlich selten sind.
  2. Liegt ein ablehnender Bescheid der Rentenversicherung vor, dann sollte ein auf den Bereich der Erwerbsminderungsrenten spezialisierter Rechtsanwalt aufgesucht werden, der nach Gewährung von Akteneinsicht überprüft, ob es Ansatzpunkte für die Durchsetzung von Ansprüchen gibt und ggf. welche. Der von mir geschilderte Fall soll zeigen, dass ein im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung erstelltes Sachverständigengutachten und der darauf beruhende ablehnende Bescheid nicht unbedingt so negativ zu bewerten sein müssen, wie dies dem Mandanten zunächst scheint.
  3. Vor allem dann, wenn es um die Durchsetzung von Ansprüchen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung geht, ist es ratsam, bereits möglichst frühzeitig den Rat eines auf diesen Bereich spezialisierten Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen, damit dieser den auf die Gewährung von Rentenleistungen gerichteten Antrag sorgfältig vorbereiten und erst dann bei der Versicherung einreichen kann.

Autor und Ansprechpartner:

RA Dr. jur. Burkhard Tamm, Fachanwalt für Medizinrecht, Würzburg, 01.07.2011

Kontakt:

RA Dr. jur. Burkhard Tamm

Weitere Schwerpunkte: VersicherungsR – LebensmittelR

Dr. Tamm & Degelmann, Fachanwälte in Bürogemeinschaft.

Augustinerstr. 6, 97070 Würzburg, Tel. 0931 – 32 98 72 90

Internet: www.tamm-law.de und E-Mail: drtamm @ tamm-law.de

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Verflucht, ich akzeptiere nicht, dass mein Leben gelaufen ist!

Lasst mich doch leben!

Patrick ist 19, auf dem Kleiderschrank liegt seine American Football-Ausrüstung, in der Ecke seines Zimmers steht seine E-Gitarre und auf dem Regal liegen die genialen Texte, die er schrieb. Seine Songs haben Aussage, keine abgewandelten, banalen Coverversionen von irgendwelchen abgedroschenen Songs, die irgendwann in den Charts oben waren. Nix da, Patricks Musik geht zur Sache und lässt unmissverständlich durchblicken, dass der Songschreiber kein Weichei ist, sondern selbstbewusst und dass er etwas auf dem Kasten hat. Als Patrick die Songs und die Musik dazu niederschrieb, ging er aufs Gymnasium, was kein Problem darstellte, weil ihm die Lehrinhalte eher zufielen. Ein Klacks und schließlich gibt es auch noch ein Leben neben der Schule. Seine Kumpels waren genauso drauf. Das Leben ist da, um gelebt zu werden! War da um gelebt zu werden, denn die American Football-Ausrüstung, die Gitarre, die angefangenen CD-Aufnahmen und die Songbücher im Regal sind unübersehbar angestaubt.

Das war mal

Wenn Patrick in seinem Zimmer auf dem Bett liegt, kommt es ihm vor, als sei es vor Jahrzehnten gewesen, als er das letzte Mal mit den Kumpels aus seiner Band auf der Bühne stand. Manchmal hat er noch diese Flashes, er sieht die Gesichter der Mädels vor der Bühne, glühend, ehrfürchtig hochschauend und von ihrer verdammt guten Musik ergriffen. Wenn diese Flashes kommen, dreht Patrick sich um, er will sich nicht mehr an das, was war, an das Leben erinnern, ohne augenblicklich wieder so leben zu können. Am liebsten würde Patrick dann schreien, richtig laut schreien, damit alle es hören können:

„Mein Körper und meine Schmerzen halten mich gefangen, lassen nicht zu, das ich so leben kann wie die anderen. Ein kaputter Körper macht mich zum Krüppel. Er zwingt mich, immer wieder Dinge nicht zu tun, die ich gerne tun möchte. Aber ich will leben.“

Ursachen und Auswirkungen

Patrick ist durch Chemikalien erkrankt und sein Körper hat eine extreme Form von Chemikalien-Sensitivität (MCS) entwickelt. Manche Chemikalien sind dazu imstande, den Körper zu sensibilisieren. In der Medizin ist dies von einigen Chemikalien gut bekannt, Formaldehyd, Isocyanate und auch einige Pestizide sind dazu in der Lage. Was bei Patrick alles eine Rolle spielte, dass er jetzt so da hängt, weiß man nicht, aber man kann es erahnen. Sein Vater war Chemiker und hatte 30 Jahre mit Chemikalien Kontakt, die in der Lage sind, Gene zu schädigen. Was bei jahrelanger Arbeit aufsummiert und welchen Effekt die zahllosen, oft nicht gerade harmlosen Chemiecocktails hatten, denen Patricks Vater ausgesetzt war, das vermag niemand präzise zu definieren. Fakt ist, dass der Vater von Patrick wegen toxisch bedingter Gesundheitsschäden nicht mehr arbeiten kann und schwer krank ist. Dann ist da das Haus, in dem sie leben. Siebenmal hatten sie Hochwasser. Der Schimmel an den Wänden wurde großflächig mit Chlor abgewaschen. Eine hochgiftige Chemikalie. Von den Holzschutzmitteln im Haus ganz abgesehen, auch sie hatten mit Gewissheit Part am Zustand, in dem Patrick sich jetzt befindet.

Andere haben wenigstens gelebt

Das Durchschnittsalter bei Menschen, die chemikaliensensibel sind, liegt bei 35-45 Jahren gemäß Studien. Es gibt auch Erkrankte, die wesentlich älter sind und welche, die noch Kleinkind sind, aber die Mehrzahl der Erkrankten hatte ein Leben vor MCS. Bei Patrick ist es anders:

„Entschuldigt, ich will keinem weh tun, aber die anderen MCS-Kranken durften ihr Leben vorher leben (Jugend, Schule, Ausbildung, Reisen, Freunde, Partnerschaft etc.) und erleben, aber mir ist alles von Anfang an verwehrt. Die schönste Zeit des Lebens, meine Jugend ist mir nicht vergönnt, im Gegenteil, ich gehe durch die Hölle, aber das interessiert niemanden, weil man mir nicht glaubt.

Ciao Buddy

Nachdem Patrick völlig zusammenbrach, war das Mitgefühl der Kumpels und Mitschüler erst groß. Sie kamen ihn auch besuchen und versorgten ihn mit Infos aus der Schule. Das gab ihm die Möglichkeit, seine Schule eine Zeitlang weiterzumachen. Als das nicht mehr ging, versuchte er es über die Fernschule per Internet. War, denn auch das ist vorbei. Es kommt keiner mehr, es ruft auch keiner mehr an. Wenn Patrick ganz kurz keine dieser unerträglichen Schmerzen hat, dann realisiert er, dass er für die anderen, bis auf zwei, so eingestaubt ist wie seine Gitarre ist. Auch für seine damalige Freundin, mit der er ein Leben aufbauen wollte. Sie lebt ihr Leben ohne ihn, mit wem auch immer. Dieses Realisieren schmerzt auf einer anderen Ebene als die unerträglichen körperlichen Schmerzen und Patrick ist wütend deswegen:

„Ich lasse nicht zu, es kann und darf nicht sein, dass ich da draußen vergessen werde, nicht existiere. Es darf nicht sein, das mein Kampf umsonst ist.“

„All das, was ich erreicht habe, lasse ich mir nicht zerstören.“

„Ich habe mich damit abgefunden, dass ich wohl immer allein bleiben und leben werde. Für diese Art Erkrankung zeigt niemand Verständnis, im Gegenteil, man wird umgehend ausgegrenzt. Wie bitteschön soll ich da jemanden kennenlernen, die es wirklich ernst meint? Welches Mädchen, welche junge Frau ist bereit solch ein Opfer zu bringen und wie soll ich sie finden, wenn ich ein Leben in der Isolation leben muss? Vergiss es. Dies gilt auch für andere Freundschaften.“

„Obwohl ich immer wieder bei verschiedenen Personen, die mir früher hinsichtlich Freundschaft was bedeutet haben, nachhakte. Bis auf zwei Freunde ist keiner mehr übrig – ich habe immer alles gegeben und nun… einfach fallengelassen, da man ja nicht mithalten kann und all das andere denen zu nervig und zu kompliziert erscheint.“

Wenigstens mal raus gehen

Bei allem Unglück verloren Patrick und seine Eltern auch noch ihre treueste Weggefährtin. Patricks Mutter hat einen neuen Hund angeschafft, damit ihr Sohn etwas Leben im Haus hat und Trost durch das liebe Tier findet. Die Entscheidung war gut, denn der Hund liebt Patrick sehr und er ihn:

„So gerne würde ich mal für ein paar Stunden einfach nur in die Natur, mit unserem Hund zum Training oder einfach nur mit ihm richtig spielen, noch nicht einmal das ist mir vergönnt.“

Oder einfach in die Saiten hauen und den Frust raus lassen

Wenn Patrick früher einmal Frust hatte, dann war das nicht zu überhören. Er griff seine Gitarre und ließ bildlich gesehen die Fetzen fliegen und sang, dass die Wände bebten. Das kam nicht oft vor, aber wenn, dann wusste jeder im Haus nach zwei Minuten Bescheid. Musik ist eben Leben und sich ausdrücken, raus lassen was auf der Seele drückt. Aber selbst dass, den Frust, die Wut und die Enttäuschung raus lassen, ist für Patrick nicht möglich:

„Gitarre spielen und Singen bedeutet mir so viel, aber auch das lässt mein verfluchter Körper nicht zu. Die Muskelschwäche und Schmerzen bremsen mich immer wieder aus. Vom Sport ganz zu schweigen – Mein Traum vom American Football ist vorbei.“

MCS bedeutet im schwersten Stadium ein „Leben“ in völlige Isolation

Patrick gehört zu den MCS Kranken, denen ein Leben außerhalb der eigenen vier Wände nicht möglich ist. Nicht zu verwechseln, dass diese Menschen nicht unter anderen sein wollen, im Gegenteil der Wunsch und Drang mit anderen etwas zu unternehmen besteht jeden Tag rund um die Uhr. Es ist kein psychisches Problem oder Menschenscheu, der Körper geht auf die Barrikaden, wenn er Chemikalien ausgesetzt ist und das ist man, wenn man seine vier Wände verlässt, zwangsläufig. Autoabgase, Heizungsabgase, parfümierte Mitmenschen, Häuser, aus denen der Weichspülermief wabert. Alles Chemiecocktails, die einem schwer chemikaliensensiblen Menschen kaum eine Chance lassen, sich länger darin zu bewegen.

Extreme Schmerzen, Krampfanfälle, Atembeschwerden, Kollaps, Bewusstlosigkeit, dass kann ein kurzer Kontakt mit der Außenwelt zur Folge haben. Gleiches gilt für Besuch. Kommt jemand zu Besuch, kann die Freude darüber bei jemandem, der so schwer wie Patrick betroffen ist, schnell in ein Desaster münden. Das Deo nicht weggelassen oder Rückstände aus der chemischen Reinigung in der Jacke, Weichspüler, der nicht raus zu waschen war und Dinge die der Besuch selbst nicht wahrnahm. Völliger Schwachsinn? Mitnichten, wer sich die Mühe macht und die Inhaltsstoffe solcher „Alltagsprodukte“ anschaut, ist im Stande, den Umkehrschluss zu ziehen und erkennt, dass die Reaktionen eine nachvollziehbare Konsequenz darstellen bei einem Menschen, dessen Körper hypersensibilisiert ist. Aber wer macht sich diese Mühe? Nicht einmal die meisten Ärzte. Teils aus Unkenntnis, weil sie nie etwas von der Erkrankung gehört haben, teils aus Ignoranz und schlichtem Zeitmangel. Und wenn Ärzte sich nicht schlaumachen und die Krankheit aus Bequemlichkeit als Marotte deklarieren, wie sollen ganz normale Mitmenschen sie dann verstehen?

Patricks Meinung über MCS:

„MCS ist die schlimmste Krankheit, die es gibt, manchmal wünsche ich mir, ich wäre querschnittsgelähmt. Ich weiß das klingt hart, aber da wäre ich nicht so isoliert, alleingelassen, unglaubwürdig und hätte keine Schmerzen. Ich könnte trotz diesem Handikap fast überall hin, reisen, Konzerte besuchen, Freunde treffen, meine Ausbildung evtl. machen und, und, und.“

Die ganze Familie ruiniert

Patricks Eltern sind bereit, alles für ihren Sohn zu tun, damit er sein Leben zurückbekommt. Aber MCS ist zu komplex, dass man die Krankheit mit Schulmedizin und ein paar Naturheilmitteln, etc. bekämpfen kann. Es muss als Erstes ein cleanes Wohnumfeld her. Patrick, als auch sein Vater, bräuchten Wohnraum, der so weitgehend wie möglich chemie- und schimmelfrei ist. Aber wie realisiert man das? Das Haus, in dem sie ihre Wohnung haben, gehört den Großeltern, wegen der Erkrankung von Patricks Vater ist finanziell kein Sprung mehr zu machen.

Hilfe durch Behörden? Nein

Eigentlich wäre Patrick ein Fall für die Behörden, um Hilfe zu erhalten. Aber weil er keinen Schulabschluss hat, gibt es auch keine finanzielle Unterstützung, keine Grundsicherung; das ist für den jungen Mann entwürdigend. Seine Mutter sagt:

„Wir kriegen von nirgendwoher Hilfe, ganz im Gegenteil. Wir werden schikaniert von den Behörden und man stellt Forderungen an Patrick, die er nicht erfüllen kann. Jeder, der bis drei zählen kann, muss das einsehen. Aber niemand macht sich die Mühe, das Elend anzuschauen, stattdessen bekommt man Beschlüsse, die jeglicher Menschlichkeit entbehren. Ja, und quasi existiert Patrick nur auf dem Ausweis. Die Krankheit meiner beiden Männer hat uns ruiniert und die, die es wissen und ändern könnten, schauen einfach zu!“

„Viele fragen mich, wie kann das gehen, diese totale Isolation seit über 2 Jahren. Sie sagen zu mir: „da würde ich verrückt,…. also ich würde durchdrehen,…das stelle ich mir schlimm vor, und, und…“ Sie fragen auch: „Woher nimmt Patrick, woher nehmt ihr die Kraft?“

Die Antwort von Patricks Mutter: „Man kann so leben, Ihr seht es ja an Patrick und an uns. Irgendwie sind wir wohl Kämpfernaturen und was wollen wir tun außer tapfer und mutig zu sein und einen starken Willen zum überleben hochzuhalten? Der Kampf um die Gerechtigkeit macht einen zusätzlich stark.“ Das ist, was Patricks Mutter nach außen sagt, aber in ihrem Inneren denkt sie oft, wie lange spielt der Körper, sprich, der Herzmuskel da noch mit? Jeden Tag steht sie rund um die Uhr ihren „Mann“. Jeder Tag ist eigentlich ein Überlebenskampf. Für Patrick, als auch für seinen Vater.

Wunsch: Eine menschliche Entscheidung

Das, was Patrick und seine Eltern seit März 2009 zuteilwurde, ist erschütternd. Seine Eltern hatten mit ihm zusammen einen Antrag zur Feststellung seines Behinderungsgrades gestellt. Jetzt soll ein Gerichtsbeschluss dazu führen, dass der 19 -jährige Mann, der den ganzen Tag unter unerträglichen Schmerzen und Reaktionen leidet, in ein chemikaliengeschwängertes Krankenhaus soll. Man sei dort auf Notfälle eingerichtet.

  • Was, wenn er dort, wie vom Medizinischen her zu erwarten, völlig kollabiert? Wer trägt dann dafür die Verantwortung?
  • Wer zahlt den Aufenthalt in einer Umweltklinik im Ausland, weil es in Deutschland keine gibt?
  • Kann man ihn mit Reanimierung und dem normalen Notfallprocedere wieder auf die Beine stellen?
  • Was, wenn nicht?

In Deutschland gibt es bekanntermaßen keine einzige Klinik, die Umweltbedingungen vorweisen kann, die einem schwer Chemikaliensensiblen auch nur annähernd entgegenkämen.

Bisher statt Hilfe nur Kosten verursacht

Der Verwaltungsaufwand, der bislang betrieben wurde, um Patrick, einem 19-Jahrigen mit ungebrochenem Lebenswillen, jegliche Hilfe zu verweigern, hat jetzt schon Unsummen gekostet. Rechtmäßig besteht die Möglichkeit Schwerkranke, die das Haus nicht verlassen können, in den eigenen vier Wänden zu begutachten. Für Patrick wäre es ein Akt von Menschlichkeit, dies zuzulassen. Damit wäre das untragbare Risiko für den jungen Mann, der nichts weiter möchte als dass seine Behinderung festgestellt wird, genommen. Seine Behinderung und seine Erkrankung ist feststellbar und nirgendwo besser als in seinem eigenen Zuhause, wo jeder sich mit eigenen Augen überzeugen kann, was die Krankheit vom Erkrankten und seiner Familie abfordert.

Autoren: Silvia K. Müller und Kira, CSN – Chemical Sensitivity Network, 9. Juli 2011

Anm.: Patricks Unterlagen liegen CSN vollständig vor.

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Wissenschaftlerin über die Gefahren durch gefährlichen Schimmelpilz in Geschirrspülern

Viele Geschirrspülmaschinen beherbergen einen gefährlichen Pilz

Ein gefährlicher Pilz leistet uns ausgerechnet in jenen Haushaltsgeräten Gesellschaft, die dazu da sind, Geschirr zu reinigen und von Keimen zu befreien. Das schlimmste ist, dieser zählebige Pilz ist nahezu unzerstörbar. Die Mikrobiologin Nina Cimerman gibt dem Gastgeber Bruce Gellerman über den schwarzen Pilzbefall Auskunft, welcher die Gummierungen der meisten Geschirrspüler weltweit befallen hat.

Transkript eines Radio-Features:

GELLERMAN: Geschirrspüler sind dazu, da unser Geschirr zu säubern, aber es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass von dem, den wir besitzen, eine Gefahr für unsere Gesundheit ausgeht. Nach einer neuen Untersuchung waren die meisten Geschirrspüler aus 101 Ländern mit einem schwarzen Pilz oder anderen Fungien infiziert, die Menschen krank machen können. Nicht nur das, wie die Mikrobiologin Prof. Nina Cimerman von der Universität in Ljubljana berichtet, sind diese Mikroorganismen nahezu unzerstörbar.

CIMERMAN: Das fing alles mit meinem Geschirrspüler zu Hause an. Als ich einmal hinein sah, entdeckte ich darin etwas ziemlich schwarzes und schleimiges und beschloss, eine Probe davon zu nehmen, da ich mich für diese speziellen Mikroorganismen besonders interessiere. Ich untersuche sie normalerweise in hochsalinaren Umgebungen und in Gletschern der Arktis und das, was ich in meinem Geschirrspüler sah, kam mir bekannt vor. Darum entnahm ich eine Probe und nahm sie mit ins Labor, und dann untersuchten wir sie und stellten fest, dass wir diesen wirklich pathogenen schwarzen Pilz vor uns haben, bzw. dass ich den in meinem Geschirrspüler habe.

GELLERMAN: Fungien dieser Art kommen in Gletschern vor?

CIMERMAN: Ja, in Gletschern und wie ich bereits sagte, in der Arktis und in hypersalinen Umgebungen. Sie alle leben unter extremen Bedingungen. Ich sollte sagen, unter all den extremen Bedingungen ist der Geschirrspüler die aller extremste. Und als wir unsere Geschirrspüler-Studie durchführten, fanden wir heraus, dass es sich in Geschirrspülern überwiegend um den gefährlichsten Genotyp handelt, nämlich um Genotyp A.

GELLERMAN: Dieser Pilz – was kann der bei uns anrichten?

CIMERMAN: Nun, das hängt davon ab, wie er in unseren Körper gelangt. Wenn er z.B. über eine Schnittwunde herein kommt, also wenn Sie sich an einem kaputten Glas schneiden, das Sie aus dem Geschirrspüler heraus nehmen – würde er auf diese Art in Ihre Nervenbahn gelangen und sich über das Nervensystem verteilen, um schließlich im Hirn anzukommen, wo er Hirntumore verursacht. Der andere Weg in den Körper zu gelangen geht über die Nahrungsaufnahme, das ist möglich, weil er am gespülten Geschirr und Besteck haftet – die Magensäure kann ihm nichts anhaben. Der dritte Weg, in den Körper zu kommen, ist die Atemluft. So kann er in die Lunge gelangen. Das ist für Leute, die Mukoviszidose haben, besonders problematisch. Wir wissen, dass zwei von drei slowenischen Geschirrspülern, die wir mit Hilfe unserer studentischen Bevölkerung untersucht haben, infiziert sind. Was Geschirrspüler weltweit angeht, – wir haben Proben aus allen Kontinenten – ist es mehr als die Hälfte.

GELLERMAN: So besteht also aufgrund Ihrer Untersuchungen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, daß mein Geschirrspüler tödlich ist – er versucht mich umzubringen.

CIMERMAN: (Lacht) Nun ja, ich neige dazu, dies zu bejahen, ja. Wenn Sie sehr gesund sind, haben sie sehr gute Aussichten, dass nichts passieren wird. Wenn Sie jedoch zu einer entsprechenden Gruppe gehören, z.B. ältere Menschen, Menschen mit geschwächtem Immunsystem, oder Säuglinge, oder kleine Kinder, die kein sehr leistungsfähiges Immunsystem haben, ja dann sind sie besonders gefährdet.

GELLERMAN: Wie kommen diese Pilze nun aber in meinen Geschirrspüler?

CIMERMAN: Wie dem auch sei, wir haben mit diesen Studien in der Tat heraus gefunden, dass sie über die Wasserleitung in den Geschirrspüler kommen. Und mit jedem Spülvorgang führen wir etwa 70 Liter Wasser zu. So ist dies ein guter Anreicherungsprozess. So kommen sie da hin, haben die richtige Temperatur, welche die Konkurrenz abtötet, haben die richtige Nahrung, und natürlich kommen sie sehr zahlreich, da es hier um 70 Liter Wasser geht.

GELLERMAN: Wenn diese Pilze also derart zäh sind und unter solchen extremen Bedingungen leben können, wie kann ich sie los werden?

CIMERMAN: Nun, das ist eine gute Frage und ich wünschte, ich wüsste, wie ich sie beantworten soll. Und nun wäre es natürlich sehr gut, irgend eine Stellungnahme von den Herstellern dieser Geräte zu haben – bisher hat mich niemand kontaktiert – ich meine jemand, der versuchen könnte, das Problem zu lösen. Ich vermute, eine Möglichkeit sie loszuwerden, – falls wir sie wirklich loswerden können – bestünde darin, wenn es z.B. Geschirrspüler mit einer regelmäßigen Prozedur gäbe, in welcher der Geschirrspüler gründlich aufgeheizt wird. Nämlich sehr heiß – sagen wir 100 Grad.

GELLERMAN: Sie meinen 100 Grad Celsius!

CIMERMAN: Ja. Und es müsste auch möglich sein, die Dichtungen abzumachen oder zu ersetzen, denn die schwarzen Gummidichtungen sind gute Nahrung für sie – sie mögen sie wirklich.

GELLERMAN: Sie fressen die Gummidichtungen in meinem Geschirrspüler.

CIMERMAN: Ja, und sie verstecken sich in den Gummidichtungen, sie nutzen sie als Schutz, sie machen solche kleinen Löcher und bevölkern diese Gummidichtungen – und so können sie sich auch dem Hitzeschock entziehen, dem wir sie ausgesetzt haben.

GELLERMAN: Wie wäre es z.B. mit Bleichmittel? [MMS?] Das soll alles abtöten, nicht?

CIMERMAN: Nun, wir haben leider keine Bleichmittel direkt auf diese Pilze oder die Gummidichtungen angewendet. Sie wissen doch, Bleichmittel und Nahrung – das ist keine so gute Kombination.

GELLERMAN: Sagen Sie, benutzen Sie ihren Geschirrspüler immer noch?

CIMERMAN: Nun ja, gewissermaßen… die letzte Zeit mache ich das öfter von Hand, zugegebenermaßen. Aber manchmal, wenn ich keine Lust habe, benutze ich ihn. Und bis jetzt haben wir überlebt.

GELLERMAN: Aus Ljubljana in Slowenien sprach Professor Nina Cimerman mit uns, nochmals herzlichen Dank.

CIMERMAN: Ich danke Ihnen!

Ein Feature von Living on Earth, Sendetermin war die 24. Woche im Juni 2011

© Copyright World Media Foundation

CSN dankt Living on Earth für die Genehmigung dieses Feature übersetzen zu dürfen.

Übersetzung: BrunO für CSN – Chemical Sensitivity Network, 27.06.2011

Das Feature nachhören

Pressemeldung zur Studie von EurekAlert!

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Umweltkrankheiten sind kein unerklärbares Mysterium

Krankheitsfaktor Schadstoffe in Innenräumen findet mehr Beachtung

Das Bewusstsein zur Erfassung der Wichtigkeit von unbelasteter Nahrung, schadstofffreien Produkten im Alltag und gesunder Wohnumgebung und unbelasteter Umwelt wächst weltweit. Besonders bemerkenswert sind Bestrebungen, die in jüngster Zeit in Norwegen zu beobachten sind. In diesem skandinavischen Land bemüht man sich, insbesondere Kinder besser vor Schadstoffen und Allergenen zu schützen. Einer der aktivsten Wegbereiter ist Kjell Aas, ein Professor im Ruhestand, der den norwegischen Allergie- und Asthma Verband mit seinem profunden Wissen unterstützt. Der Wissenschaftler ist bestrebt, Unwissenheit über Umwelt- und schadstoffbedingte Krankheiten aus dem Weg zu räumen. Auf allgemein verständliche Weise klärt er Behörden und die Bevölkerung auf.

Umweltkrankheiten sind kein Mysterium, sondern wissenschaftlich erklärbar

Für viele Mitmenschen ist es immer noch schwierig zu verstehen, dass verschmutzte Luft auch gesundheitliche Beschwerden und Symptome außerhalb der Atemwege verursachen kann. Die Forschung hat uns zwar bis heute nur bruchstückhafte Erklärungen geliefert, aber es gibt einige völlig nachvollziehbare Erklärungsmodelle und solide wissenschaftliche Erkenntnisse, denen Kjell Aas zu Allgemeinwissen verhelfen möchte.

Der Wissenschaftler Kjell Aas erläutert: „Die medizinische Wissenschaft hat es noch nicht geschafft, alle biochemischen Mechanismen hinter einer Krankheit zu erforschen. Das gilt ebenfalls für die sogenannten Umweltkrankheiten, z. B. Hyperaktivität, Migräne, Multiple Chemikalien Sensitivität (MCS). Was aber auf keinem Fall bedeutet, dass diese Umweltkrankheiten etwas Geheimnisvolles oder Unerklärbares sind oder gar, dass sie psychisch bedingt sind. Das kann durch eine oder mehrere biochemische Reaktionen erklärt werden. Sowohl die körperlichen als auch geistigen Funktionen und Tätigkeiten werden durch mehr oder weniger komplexe chemische Prozesse geregelt, deren Reaktionen abhängig von der Dosis und individuellen Toleranzschwellen sind.

Individuelle Biochemie gibt den Takt vor

Vom wissenschaftlichen Aspekt her, sagt Kjell Aas, müsse man verinnerlichen, dass unsere interne Biochemie sich auf die reibungslose Funktion einer Vielzahl von Zellen mit spezifischen betreibenden Rezeptoren und Signalanlagen, Tausenden von Enzymen und Co-Enzymen stützt. In diesen biochemischen Prozessen können hemmende und stimulierende Mechanismen und integrierte „Verstärker-Systeme“ zu erheblicher Wirkungsverstärkung führen.

Kjell Aas erklärt es für medizinische Laien so: „Jeder Mensch ist individuell und jeder von uns besitzt seine eigene individuelle Biochemie. Ein paar Milligramm Kokain können die Persönlichkeit und das emotionales Leben ändern“, sagt der Wissenschaftler und führt fort: „oder man denke an Alkohol, er kann die gleiche Wirkung haben, aber wie jeder weiß, ist die Toleranzschwelle bei jedem individuell verschieden.“

Die Luft, die wir tagtäglich atmen

Der Wissenschaftler erinnert in seinen veranschaulichenden Ausführungen daran, dass Erwachsene 12 bis 15 kg Luft pro Tag verbrauchen und dass die Luft, die wir einatmen, gasförmige Chemikalien in mehr oder weniger hoher Konzentration enthält. Einige dieser Gase verbinden sich mit anderen, wodurch sie schädlicher werden. Dazu gehören Ozon und weitere Gase, die zu Oxidationsprozessen führen.

Darüber hinaus enthält die Luft, die wir tagtäglich ohne Unterlass einatmen, Partikel. Wir atmen jede Stunde des Tages Millionen von Feinstoffpartikeln ein. Dazu gehören chemische Substanzen, die mit dem Feinstaub in der Lage sind, unsere Atemwege so leicht wie Gase zu passieren und vollständig in Blut, Lymphe und Gewebeflüssigkeit überzugehen, gibt der Wissenschaftler zu bedenken.

Kinder sind keine kleinen Erwachsenen

Besonderes Augenmerk möchte Kjell Aas auf Kinder richten und die derzeitigen Gegebenheiten für sie verbessern. Er begründet dies damit, dass Kinder ganz wenig vertragen und schnell krank werden können von Chemikalien. „Wir haben in unserem Körper verschiedene Zellen, erläutert der Wissenschaftler, „ welche alle auf chemischen Stoffen basieren, deshalb muss die Chemie stimmen, damit die Zellen richtig funktionieren und der Körper nicht krank wird.“

Der Norweger vertieft seine Erklärung und sagt: „Wenn ein unerwünschter chemischer Stoff eingeatmet wird, kommt das chemische Gleichgewicht und damit die Zellen durcheinander und wir werden krank. Die Zellen werden von diesen unerwünschten Chemikalien blockiert und können wichtige Botenstoffe nicht aussenden, die für unsere Gesundheit aber wichtig sind“.

Wer genauer über diese Aussagen von Kjell Aas nachzudenken beginnt, dem wird bewusst, dass wir als Konsequenz Kinder, deren Körper sich noch in Aufbau und Entwicklung befindet, besonders schützen müssen. Genau dieses Verständnis ist es, dass Kjell Aas in uns allen wecken möchte und dass wir alle beginnen entsprechend zu handeln. Der Norweger fordert daher abschließend, dass wir uns nachfolgenden wichtigen Aspekt wirklich verinnerlichen sollten:

„Die Luft in Räumen, die für Kinder akzeptabel ist, ist es auch für Erwachsene, aber eine Raumluft die für Erwachsene akzeptabel ist, kann Kinder schon krank machen.“

Autoren:

  • Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 1. Juli, 2011
  • Alena Jula, Just Nature, Norwegen

Literatur: Kjell Aas, Inneklima, Norwegen, Frühjahr 2011

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