Verändert ein dänisches MCS –Wissenscenter die internationalen Erkenntnisse über Chemikalien-Sensitivität?
In Dänemark wurde im Januar 2006 auf Initiative des Umweltministeriums ein MCS-Wissenscenter gegründet. Das Center sollte dazu dienen, MCS und Sensitivitäten auf Duftstoffe näher zu erforschen und den Betroffenen Behandlungsangebote zu offerieren. Die anfängliche Hoffnung, dass durch dieses vom Ministerium finanzierte Center konstruktive Erkenntnisse in die medizinische Wissenschaft und zum Wohle der MCS-Erkrankten einfließen, wurde durch deren neuere Veröffentlichungen zerschlagen.
In mehreren Artikeln wird darüber und über die sich daraus ergebenden Konsequenzen für MCS-Erkrankte im CSN Blog berichtet werden. Dass auch Umweltmediziner und Organisationen in anderen Ländern umfassend informiert werden über die Vorgänge in Gentofte, ist von erheblicher Wichtigkeit, denn das dänische Wissenscenter-Team strebt offensichtlich an, die internationale Wissen-schaft zu MCS beeinflussen zu wollen.
Der erste Artikel der Serie „Dänisches MCS-Wissenscenter im internationalen Blickfeld “ wurde von einer Krankenschwester geschrieben, die selbst an MCS erkrankt ist:
Welche Interessen verfolgen einzelne Wissenschaftlergruppen bei der Erforschung von MCS?
Bodil Nielsen – Im April 2010 hat eine unabhängige Gruppe von italienischen Wissenschaftlern (De Luca et al.) ihre Forschungsresultate veröffentlicht ”Biological definition of multiple chemical sensitivity from redox state and cytokine profiling and not from polymorphisms of xenobiotic-metabolizing enzymes”. (1) Die Ergebnisse der Studie haben u.a. gezeigt, dass bei MCS-Betroffenen die Aktivität der erythrozytären Katalase und GST niedriger waren, während Gpx höher war, als normalerweise. Sowohl reduziertes als auch oxidiertes Glutathion war niedriger, während Stickoxid (NO)/Peroxynitrit (ONOO-) in der MCS-Gruppe erhöht waren. Das Fettsäureprofil der MCS-Patienten war gegen den gesättigten Teil verschoben, und das IFN-Gamma, IL-8, IL-10, MCP-1, PDGFbb und VEGF waren erhöht.
Dänisches MCS Wissenscenter stellt Arbeit von Kollegen in Frage
Im Juli 2010 vermeldete das Wissenscenter für Duft- und Chemikalienüber-empfindlichkeit in Dänemark (das nach der Auffassung vieler dänischer MCS-Betroffenen mittlerweile eine sehr tendenziöse Forschung betreibt, mit Hauptgewichtung auf den psychischen Bereich) auf seiner Webseite: (2)
”Da es sich vorläufig um eine einzelne Studie handelt (De Luca et al.), ist es notwendig, die Resultate durch neue Studien zu überprüfen, bevor eine Schlussfolgerung hinsichtlich der Bedeutung der immunologischen Faktoren bei Duft- und Chemikalienüberempfindlichkeit gezogen werden kann“ …
„Deshalb plant das Wissenscenter zu untersuchen, ob bei Duft- und Chemikalienüberempfindlichen erhöhte Zytokinwerte nachgewiesen werden können – UNABHÄNGIG VON KONTAKTALLERGIEN“.
Selektive Kontrolle?
Die Resultate der Italiener haben jedoch nicht nur eine Erhöhung des Botenstoffs Interferon-(IFN)-Gamma gezeigt, sondern auch dass mehrere metabolische Parameter auf beschleunigte Lipidoxidation hinweisen, wie auch vermehrte Stickoxid-Produktion und eine Reduzierung des Glutathion in Kombination mit erhöhten inflammatorischen Zytokinen, was bei einer biologischen Definition und der Diagnose von MCS berücksichtigt werden muss.
Kontaktallergie eine Ausschlussdiagnose bei MCS?
Der ehemalige Leiter des dänischen MCS- Wissenscenters, nun Seniorforscher Jesper Elberling, weiß als früher angestellter Arzt bei der dermatologischen Abteilung des Gentofte Hospitals, dass der Botenstoff Interferon-(IFN)-Gamma eine Rolle bei der Entwicklung von Kontaktallergien spielt, ein Zytokin-Botenstoff, den die Italiener in ihrer Forschung bei den MCS-Patienten gefunden haben. Dem Wissenscenter ist aus seiner eigenen Fragenbogen-Studie zudem bekannt, dass viele MCS-Betroffene u.a. auch unter Kontaktallergien leiden. Aus diesem Umstand stellen sich einige Fragen:
- Wählt das Wissenscenter somit, bewusst und gezielt, ausschließlich DIESEN kleinen Teil des Forschungsresultats der Italiener um nachzuprüfen; obwohl – wie man selber mitteilt – alle Forschungsergebnisse überprüft werden müssen, bevor eine Schlussfolgerung hinsichtlich deren Gültigkeit gezogen werden kann?
- Bezweckt diese angedachte Forschungsstudie, diejenigen MCS-Betroffenen auszusortieren, die gleichzeitig eine Kontaktallergie haben, um zu sehen, ob dies das Resultat ändert?
- Ist das Wissenscenter imstande zu beweisen, dass dieses EINE Resultat dem De Luca et al. Forschungsresultat zugeschrieben werden kann, demzufolge ein großer Teil der MCS-Betroffenen, die an der Studie der Italiener teilnahmen, auch unter Kontaktallergien gelitten haben müssen, und dass dieses Forschungsresultat deshalb eventuell tatsächlich nur diesem Umstand zugeschrieben werden kann?
Soll das Studienergebnis aus Italien diskreditiert werden?
Denn nur dann könnte das Wissenscenter dadurch das vorliegende Forschungsresultat in Misskredit bringen, was leicht dazu führen kann, das vollständige Forschungsresultat der Italiener in ein schlechtes Licht zu stellen.
Wenn schon Kontrolle, warum dann nicht umfassende Kontrolle?
Es stellt sich auch die Frage, warum das Wissenscenter sich nicht dazu entschlossen hat, auch die anderen Forschungsresultate der italienischen Wissenschaftler nachzuprüfen, die ja auch überprüft werden müssen, bevor das Wissenscenter sie für valid halten kann.
Nach Martin Palls Theorie (dem fatalen NO/ONOO Zyklus) heißt es, dass u.a. bei MCS-Betroffenen eine erhöhte Stickoxid -Produktion stattfindet, was ja auch die Forscher aus Italien nachgewiesen haben. Rechnet das dänische Wissenscenter also vielleicht damit, dieses Forschungsresultat nicht zu widerlegen oder in Misskredit bringen zu können?
Die italienischen Wissenschaftler haben nämlich nachgewiesen, dass in Übereinstimmung mit Martin Palls These vom unheilvollen biochemischen NO/ONOO Zyklus drei Faktoren im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe erniedrigt/abweichend sind, im Vergleich zur gesunden Kontrollgruppe, aber dies wünscht man im einzigen MCS-Wissenscenter der Welt merkwürdigerweise nicht nachweisen zu müssen.
Da die italienischen Mediziner – soweit ich erkennen kann – in ihren Überlegungen keine Kontaktallergie mit einbezogen hatten, aber die meisten biochemischen Stoffe im Körper natürlich mit vielen Faktoren/Krankheiten in funktioneller Verbindung stehen, weshalb dieser Versuch, gerade diesen einen Faktor (den Botenstoff Interferon-(IFN)-Gamma) mit etwas zu vergleichen, das sich – wie man weiß – auch auf Kontaktallergien auswirkt, drängt sich einem fast unweigerlich eine weitere Frage auf:
Ob diese Vorgehensweise dahingehend zu deuten ist, dass das dänische Wissenscenter bezwecken will, einen Unsicherheitsfaktor im Forschungsresultat der Italiener konstruieren zu wollen, um die ganze Studie der italienischen Wissenschaftler – mit diesen für die MCS-Betroffenen so wichtigen Resultaten – in ein schlechtes Licht zu bringen?
Wir hoffen jedenfalls, dass weitere, unabhängige Wissenschaftler damit anfangen werden, die Richtigkeit all der anderen Resultate zu überprüfen, und nicht ebenfalls hingehen und nur ein einzelnes Resultat auswählen, in der Hoffnung, die Validität widerlegen zu können.
Autor: Bodil Nielsen aus Dänemark, Krankenschwester, MCS- und EHS-Betroffene
Übersetzung: Dorte Pugliese, Silvia K. Müller, CSN.
- Chiara De Lucaa, Maria G. Scordob, Eleonora Cesareoa, Saveria Pastorea, Serena Mariania, Gianluca Maiania, Andrea Stancatoa, Beatrice Loretic, Giuseppe Valacchid, e, Carla Lubranoc, Desanka Raskovicf, Luigia De Padovac, Giuseppe Genovesic and Liudmila G. Korkinaa, Biological definition of multiple chemical sensitivity from redox state and cytokine profiling and not from polymorphisms of xenobiotic-metabolizing enzymes, doi:10.1016/j.taap. 2010.04.017, Toxicol Appl Pharmacol. 2010 Apr 27
- MCS-Wissenscenter, Italiensk studie sætter fokus på signalstoffer, 18.07,2010
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