Nachwort zum Freitod von Heide N.

Erneuter Suizidfall wegen fehlender Umweltklinik und fehlendem MCS-gerechtem Wohnraum

Heide N. hat unter großem Leiden fast ein Jahr in der Umweltabteilung des Fachkrankenhauses Nordfriesland gelebt. Sie litt unter einer schweren MCS. Sie hatte ihren Besitz und ihre Unterkunft als Folge der durch Vergiftungen entstandenen MCS aufgeben müssen. Ihre Tochter zahlte für die Unterkunft in der Umweltklinik in Riddorf bei Bredstedt, ca. 70€ pro Tag, so Heide. Eigentlich hätte sie nur Kost aus biologischem Anbau bekommen müssen. Für einen nicht MCS-Patienten wäre die Unterkunft wohl gut gewesen, aber Heide vertrug es nirgends mehr.

Heide kam aus Österreich, ein Land, in dem MCS wie in Deutschland mit einen ICD-10 Code (T78.4) als körperlich bedingte Krankheit gelistet ist. Es gibt dort keine Umweltklinik, so wie es in den anderen europäischen Ländern ebenfalls keine geeignete Klinik für schwer an MCS Erkrankte gibt. Schließlich musste Heide auch aus der Umweltabteilung weichen, da dort aus Kostengründen verkleinert wurde, so dass für hypersensible MCS-Kranke überhaupt kein Platz mehr verfügbar ist. Um die Klinik aufrecht zu erhalten, wurden dort Spielsüchtige untergebracht. Die Umweltklinik konnte nie richtig verwirklicht werden, da es für Umweltkranke keine Unterstützung wie bei anderen Krankheiten gibt. Erschwerend gibt es auch kaum genügend qualifizierte Ärzte auf diesem Gebiet und die Krankenkassen können wegen kassenrechtlicher Bestimmungen nur selten die richtige Behandlung übernehmen. Heide bekam schwere Medikamente, die eigentlich bei MCS nicht helfen können. Sie wusste nicht mehr weiter, es gab für sie keinen Ausweg, obwohl sie selbst klinische Psychologin war, sie war einfach zu krank.

Schließlich bekam sie eine Wohnung neben dem Haus von Dr. Eberhard Schwarz, dem ehemaligen Leiter der Umweltklinik, ein Psychiater und Umweltmediziner. Er schaute ab und an nach ihr und sah nach dem Rechten. Aber Heide vertrug die Gegend nicht, es wird dort viel Gülle ausgebracht. Mitpatienten wollten ihr helfen, eine neue Wohnung zu finden. Eigentlich konnte man Heide unmöglich in ihrem Zustand alleine in ihrer Wohnung lassen. Da ihr Zustand immer unerträglicher wurde und sie keine geeignete Hilfe bekommen konnte, wählte sie den Freitod. Am 3. August 2010 war in einer kleinen Kirche in Bredstedt die Beerdigung von Heide N.

Es ist traurig, dass es immer wieder so kommen muss, da seit Jahren in unserem hochentwickelten Land unzumutbare Zustände für Umweltkranke herrschen. Nichts wird unternommen, obwohl öffentlich bekannt ist, dass schon mehreren MCS-Kranken nur noch der Suizid als Ausweg blieb. Umweltkranke und Umweltärzte sprachen immer wieder bei Behörden und Politikern vor, um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Nichts wurde unternommen, die Betroffenen werden zwangsläufig ausgegrenzt und haben nur geringe oder keine Lebensqualität mehr.

Ich habe Heide N. gekannt und bin selbst von schwerer MCS betroffen,

Eleonore Heilmann

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20 Kommentare zu “Nachwort zum Freitod von Heide N.”

  1. Tohwanga 5. August 2010 um 20:03

    Ich habe Heide 2007 in Bredstedt/Riddorf kennen- und lieben gelernt. Sie war, und ist für immer in meinem Herzen, eine wundervolle Frau gewesen. Hochintelligent, kultiviert, interessant, voller Leben und sprühendem Esprit … eine unglaublich liebenswerte Person.

    Als es noch ging, konnten wir brieflich und telefonisch Kontakt halten, dann als sie auch dieses nicht mehr tolerieren konnte, ging der Kontakt über Dritte und den Verein.

    Verzweifelt haben wir Wohnraum für sie gesucht. In Gedanken waren wir immer bei ihr.

    Ich hätte ihr so gerne Lebensraum gegeben, sie so gerne in den Arm genommen. Mein kleiner Wunsch war, dass Heide bei uns und mit uns wohnt, Freundin und Oma sein könnte.
    Doch es ging nicht, eine gemeinsame Schnittmenge unserer Provokanten gab es nicht. Die letzten Jahre hat Heide auf alles reagiert und konnte nur noch in Isolation leben.

    Ich wünsche mir, das Heide ihre letzte Ruhe „zu Hause“ bekommt, nicht in K. sondern in Österreich, wo sie einst mal glückliche Jahre verbrachte.

    Liebe Heide, jetzt mußt du nicht mehr leiden, die Schmerzen und die Verzweiflung ertragen. Schwebe empor Engel, ich werde dich nie vergessen. Jetzt bist du frei.

  2. Gerhard Becker 5. August 2010 um 22:18

    Wir sind tief erschüttert von Heides Tod.

    Das tatenlose Zusehen deutscher Behörden, ihre Ignoranz und Gefühlslosigkeit, ist ein Skandal für einen angeblichen Rechtsstaat. Soziale Kälte ist bei uns der Normalzustand.

    Diese ganzen Todesfälle sollten dokumentiert in einem Schwarzbuch einmal der Regierung zugeschickt werden.

    Manu und Gerhard

  3. Mirijam 6. August 2010 um 00:18

    Ich bin traurig über den Tod von Heide, obwohl ich sie nie persönlich kannte.

    Danke, dass CSN über solche Fälle berichtet, damit diese Menschen nicht umsonst gestorben sind. Ihr Tod ist ein erschreckendes Beispiel für die tiefe Ungerechtigkeit, die chemikalien-geschädigten Mitbürgern widerfährt.

    Ich hoffe sehr, dass es bald mehr Gerechtigkeit und Hilfe für uns Umweltkranke gibt, denn wir werden immer mehr. Man weiß nie, wer der nächste ist.

  4. Franzi 6. August 2010 um 05:05

    Wieder schied eine MCS-Patientin aus einem Leben, das sie nicht mehr aufrecht erhalten konnte. Mein Beileid gilt den Angehörigen.

    Und die Schuld der Verantwortlichen wächst unaufhörlich weiter. Jeder Freitod eines bzw. einer MCS-Kranken, dessen / deren Qualen unermesslich geworden sind, ist ein gehöriger Tritt in die Magengrube eines Gesundheitssystems, welches diese Bezeichnung in diesem Land definitiv längst eingebüßt hat, eines Systems, das knallhart Leben zerstört, was ihm nicht gehört. Gewissenlos bis zum Geht-nicht-mehr…

  5. Schlumpf 6. August 2010 um 07:52

    Wir sollten bei Untätigkeit der Behörden eine Art Vollmacht/Testament entwickeln die bei einem Anwalt/Notar hinterlegt wird und in der rechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen als letzter Wille durchgesetzt werden soll. Eine Kopie dieser Vollmacht sollte man zu Lebzeiten den Verantwortlichen zusenden.

  6. Maria 6. August 2010 um 09:17

    Auch ich bin sehr betroffen über dem Tod von Heide N. Wieder sah eine Mitbetroffene keinen anderen Ausweg, als diesen. Das ist sehr traurig, auch die Tatsache, dass man in unserem ansonsten so weit entwickelten Land weiterhin keinen Anlass sieht, Umweltkranken Hilfe zu bieten und ein menschenwürdiges Dasein zu ermöglichen. MCS Kranke und ihre Belange werden weiterhin einfach ignoriert. Doch die Zahl von MCS Kranken ist zunehmend, somit wachsen auch die Probleme, die sich vom Wegsehen allerdings nicht in Luft auflösen.

    Meine aufrichtige Anteilnahme und mein Mitgefühl gilt allen Hinterbliebenen von Heide,

    Maria

  7. Seelchen 6. August 2010 um 11:28

    Eine tiefe Traurigkeit erfüllt mein Herz, als ich es eben las. Aber auch immer noch Tatendrang, doch endlich ein paar Notunterkünfte bereit zu stellen, wo die armen Schwerkranken dann ohne zusätzliche Provokanten leben können.
    Ich gebe nicht auf, auch wenn sich nichts dergleichen tut.
    Jeder von uns hier im Forum kann in diese Lebenssituation kommen und dann….
    Diese Suizide müssen an die Öffentlichkeit..aus allen Zeitungen und Zeitschriften mit Bildern den Menschen und Regierungen ins Gesicht fallen.
    Viel Kraft für alle Freunde und Angehörige von Heide. Sie alle sind nicht umsonst gestorben.

  8. Galaxie 6. August 2010 um 18:53

    es ist einfach schrecklich und es muß noch mehr an die Öffentlichkeit. – Vielleicht auch über YouTube und woanders, denn viel Unterstützung bekommen wir ja von der Presse und Medien, was das betrifft ja nicht. Über die Gesamtsituation muß berichtet werden.

    Ich habe seit Jahren so eine Art Testament, wie Schlumpf erwähnt hat. – Nur liegt es, wenn es darauf ankommt auch an der Staatsanwaltschaft-.

    LG
    und Trauer
    Galaxie

  9. Marina 7. August 2010 um 10:41

    Es tut mir sehr leid. Jeder Suizid wegen MCS ist einer zu viel und zeigt uns immer wieder, wie viel Leid zu viele von uns nicht mehr stemmen können. Es zeigt sich dadurch auch, wie kaputt unsere Umwelt und wie unfähig unsere Behörden sind. Wir verlangen doch echt nicht zu viel, und das was wir verlangen käme zum größten Teil auch noch der Gesundheit unserer gesamten Bevölkerung zu Gute. Ein Duftstoffverbot in Deutschland zum Beispiel würde uns diesbezüglich einen riesen Schritt in die richtige Richtung bringen.

    Der Familie von Heide und den hilfsbereiten Freunden gilt mein aufrichtiges Beileid.

    Marina

  10. Clarissa 7. August 2010 um 20:55

    Der Worte sind genug gesprochen und geschrieben, ich habe damit angefangen, die Opfer sichtbar zu machen.
    http://www.mcs-infogate.de/memory/zum-gedenken
    Bitte gebt den Link weiter an alle die ihr kennt. Diese Seite muss bekannt werden!
    Heide dein „Frei“-Tot soll nicht umsonst gewesen sein, im Gegenteil es hat mich bewogen diese Seite in’s Leben zu rufen.
    LG
    Clarissa

  11. Luna 8. August 2010 um 18:23

    Den Augen fern,
    dem Herzen nah.

    Ich denke an Dich Heide,
    Du warst ein toller Mensch.

    Luna

  12. Christiane 9. August 2010 um 08:46

    Heide hat ihr Leben beendet, weil sie keinen Ausweg mehr kannte. Ich glaube, daß ich eine bin die Heide zuletzt noch lebend gesehen hat, da ich im Juni mit ihr in der Klinik in Riddorf war. Wir kannten uns Jahre und standen auch telefonisch in Verbindung. Ihr ging es ja nach dem Aufenthalt in England so schlecht. Immer wieder riet ich ihr zu Prof. Rea in die USA zu gehen, aber die Worte kamen bei ihr nicht an. Finanziell hätte sie sich das leisten können, denn in England mußte sie auch 40.000.00 Euro zahlen.
    Bin selbst sehr betroffen von MCS und bin etwas sauer, wenn man einfach aufgibt und den leichten Weg nimmt. Wie viele müssen jeden Tag bis zur Erschöpfung kämpfen – so auch ich. Nur die Starken können etwas verändern – nicht die, die aufgeben!

  13. Energiefox 9. August 2010 um 10:18

    Ich habe kein MCS, aber was Leid ist habe ich beim langen Sterben meiner Mutter an Alzheimer erfahren .
    Ich singe im Kirchenchor und habe trotzdem Zweifel am Glauben. Nur ein wünsche ich, dass es stimmt „Selig…..“ denn ich meine solche Leute wie Frau Heide N. die so viel Leid ertragen mussten, haben es verdient.

    “ Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden“

    http://tinyurl.com/2whdfoj

    Mir fehlen nämlich die Worte und Musik so jedenfalls mein Erfahrung kann ein wenig Trost spenden.

    Ändern (kämpfen) müssen wir Lebenden das Leute mit MCS ein würdiges Leben führen können, bzw das bessere Prävention stattfindet.

    Gruß Fox

  14. Claudia 9. August 2010 um 13:22

    Ich kannte Heide nicht, aber ich kann sie verstehen, dass sie es nicht mehr ertragen konnte. War ich doch selbst sehr sehr oft fast soweit vor Verzweiflung ohne jegliche Lebensqualität. Aber „irgendwie“ habe ich gekämpft und es geht mir Schritt für Schritt besser. Jeder hat seinen EIGENEN Weg.
    In Gedanken bei Heide und allen, denen es nicht gut geht,
    Claudia

  15. Kira 10. August 2010 um 07:37

    Auch ich kannte Heide nicht persönlich, aber wie verzweifelt musste Heide gewesen sein!
    Wieder ein wertvoller Mensch der alleingelassen, nicht mehr die Kraft zum Kämpfen hatte!!!

    Den Angehörigen und Freunden mein aufrichtiges Beileid.

  16. inge 17. August 2010 um 19:37

    ich lernte heide im august 2008 in riddorf kennen. auch ich leide schon lange (bekannt seit 1993) an mcs. ich denke jeden tag daran, mein leben zu beenden. jeder tag ist ein kampf. ich bin immer total erschöpft,lebe sehr isoliert. ich weiß nicht, wie lange dieser zustand noch anhalten wird. dass sich heide das leben genommen hat, war ein schock für mich. ich habe sie als lebensbejahende sehr starke persönlichkeit in erinnerung. es tut mir sehr,sehr leid.es ist so traurig, dass es keinen ausweg gab. ich hoffe ja immer noch.

  17. Angelika 8. September 2010 um 16:23

    Ich war im April 2010 Pat. in der Umweltabt. Riddorf, die ja zu dieser Zeit nur noch ein Auslaufmodell war fast ohne Personal und Therapien. Wie soll einem da geholfen werden? 14 Tage Aufenthalt ist ca. das Maximum an Behandlung. Dort lernte auch ich Heide kennen, die öfters zu Besuch kam und ein lieber total verzweifelter Mensch war. Ich bin erschüttert über ihren Tod und hoffe, daß sie jetzt keine Schmerzen mehr leiden muß. Manchmal denke ich, es wäre besser eine andere Krankheit zu haben, denn MCS nimmt keiner ernst.

  18. Tohwanga 24. Juli 2011 um 12:45

    Ich zünde heute eine Kerze für Heide an.

    Liebe Heide, heute ist dein erster Todestag. Du bist unvergessen und für immer in unserem Herzen.

  19. Sileah 28. Dezember 2012 um 11:15

    Auch ich habe Heide gekannt.
    Im Sommer 2008 war ich in der Umweltklink- das waren die letzten Wochen, der reinen Umweltstation.

    Heide lebte schon einige Zeit in der Klinik. Sie war lebendig, eloquent und sehr symphatisch.

    Wir sahen uns abends oft zusammen die Olypiade an, sie ging mit uns spazieren.

    Sie suchte mit viel Elan nach einem geeigneten Haus. Als sie ein großes Haus ansah, hätte sie mir ein Zimmer vermietet. Doch auch dieses Haus war nicht verträglich.
    Ich rief sie nach meinem Aufenthalt noch einige Male an. Jedes Mal ging es ihr schlechter, da sie mit den neuen Patienten, gesundheitlich nicht zurecht kam. Sie konnte nicht mehr richtig lüften, der viele Rauch, die Düfte setzten ihr schwer zu. Innerhalb weniger Wochen war ihr Zustand viel schlechter.

    2010 besuchte ich sie, doch sie war nicht in der Lage, Besuch zu empfangen. Später sah ich sie noch in der Klinik. Sie wurde abgeholt. Sie weinte, als sie mich sah. „Jetzt halt ich’s hier auch nicht mehr aus. Ich kann nicht mehr.“

    Ich war entsetzt und traurig. Ich hätte sie fast nicht mehr erkannt.
    Später las ich dann ihren „Nachruf“ im Internet.

    RIP, liebe Heide.

  20. KAte 8. Mai 2018 um 17:40

    Liebe Heide, ich habe dich nie vergessen, ich war 2003 in der Umweltklinik Bredtstedt, und habe durch die Wand Deine Schmerzensschreie gehört und den Notarzt, der mit seinem Team ratlos neben deinem Bett stand und nicht helfen konnte… Leider konnten wir nicht in Verbindung bleiben, da telefonieren nicht mehr ging bei Dir. Verlassen von Familie und Freunden in fremder Heimat, ist ein Überleben mit dieser Krankheit m. E. nicht möglich, auch in cleaner Umgebung nicht….du bist immer in meinem Herzen, auch noch nach so vielen Jahren !!!

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