81-jährige stellt eigene Webseite zum Thema GIFTE AM ARBEITSPLATZ ins Internet

Hilfe und Informationen für Berufskranke

Mit 81 Jahren haben sich die meisten Menschen zurückgezogen und genießen ihr Alter, oder sie fristen ihren Lebensabend in einem Altersheim. Nicht so Inge Kroth. Die 81-jährige stellte kürzlich eine Webseite für Menschen ins Netz, die durch Gifte am Arbeitsplatz krank wurden. Das Thema besitzt höchste Brisanz, denn in der Regel wird es totgeschwiegen. Nachfolgend berichtet die aktive Seniorin über ihre Beweggründe eine Aktivistin zu werden und was sie auf die Beine gestellt hat.

Wieso stellt eine 81-jährige noch eine eigene Webseite ins Internet?

Inge KrothDie Antwort ist: Weil ich etwas zu sagen habe und das Unrecht nicht hinnehmen will, das tausenden von Menschen jährlich angetan wird. Meine Webseite heißt: www.gifte-am-arbeitsplatz.de

Gifte am Arbeitsplatz sind im Chemiestaat Deutschland allgegenwärtig, unzählige Menschen erkranken jedes Jahr bei der Arbeit durch die toxisch wirkenden Chemikalien, denen sie ausgesetzt sind. Industrie und Arbeitgeber sind nicht an „sauberen“ Arbeitsplätzen interessiert, denn das würde den Profit schmälern. Profit aber ist oberstes Gebot. Lieber nimmt man in Kauf, dass Menschen erkranken.

Berufskranke haben in Deutschland schlechte Karten

Nur ein verschwindend kleiner Teil wird durch die jeweils zuständige Berufsgenossenschaft anerkannt. Der weitaus größere Teil, etwa 95% der Erkrankten, wird diffamiert und als Simulant, Rentenjäger oder psychisch Kranker abgestempelt. Es sind geschätzte hunderttausend Erkrankte jedes Jahr, die zuerst am Arbeitsplatz krank gemacht werden und die dann jahrelang durch die Mühlen von Berufsgenossenschaft und deren Gutachtern gedreht werden, und die man schließlich abschmettert.

Recht haben und Recht bekommen, ist ein großer Unterschied

Auch die Sozialgerichte sind nicht daran interessiert, Berufskranke anzuerkennen: Die Industrie müsste die krankmachenden Chemikalien vom Markt nehmen und hätte große Einbußen. Deshalb droht die Industrie mit Verlust von Arbeitsplätzen oder dem Ausweichen in Billiglohnländer. Das wiederum würde die Steuereinnahmen des Staates erheblich mindern; die Anerkennung von Berufskranken ist also hochpolitisch und wird mit allen Mitteln verhindert. Der beruflich Erkrankte weiß dies in aller Regel nicht und kämpft um seine Anerkennung.

Knapp überlebt

Diesen langjährigen Kampf mussten auch mein Mann Theo und ich auf uns nehmen. Wir eröffneten 1963 in Koblenz eine Chemische Reinigung, die“ Ingeborg Reinigung“. Zu Beginn waren wir völlig gesund und voller Elan und Arbeitsfreude. Als wir 1989 unsere Reinigung an unseren Nachfolger verkauften, hatten wir beide eine Schwerbehinderung von 100%. Nur dem Können eines privaten Arztes, Dr. Kuntzmüller in Stromberg, haben wir es zu verdanken, dass wir überlebten. Einige Kollegen, die gleichzeitig mit uns eine Reinigung eröffnet hatten, haben nicht einmal das Rentenalter erlebt.

Die Wissenschaft lieferte den Beweis

Ende 1989, ein halbes Jahr nach unserer Berufsaufgabe, stellte man durch wissenschaftliche Untersuchungen folgendes fest: Das Lösungsmittel Perchlorethylen (das von uns verwendete Reinigungsmittel) dringt durch Wände und Decken, sogar durch Beton, und vergiftet in angrenzenden Wohnungen und Läden fetthaltige Lebensmittel. Per Gesetz wurde verfügt, dass 1990 alle Reinigungsmaschinen in Deutschland durch neue und verbesserte Maschinen ersetzt werden mussten. Tausende von Reinigungen schlossen damals, weil sie die gesetzlichen Bestimmungen nicht erfüllen konnten.

Schweigen? NEIN!

Wenn aber Lebensmittel vergiftet werden, nachdem (!) das Lösungsmittel Perchlorethylen durch Wände und Decken gedrungen ist, wievielmehr muss es die Menschen geschädigt haben, die unmittelbar an den ausgasenden Maschinen gearbeitet haben? Ich habe auf meiner ersten Webseite (2005) www.inge-kroth.gmxhome.de am Beispiel meines Mannes und mir aufgezeigt, wie die Berufsgenossenschaft und die Sozialgerichte mit uns umgegangen sind. Mein Mann wurde schließlich von der BG als berufskrank anerkannt. Ich selbst habe im selben Raum wie mein Mann gearbeitet, und obwohl ich dieselben Erkrankungen wie mein Mann entwickelt habe, verlor ich 2009 mein drittes Verfahren.

Webseite zum Thema GIFTE AM ARBEITSPLATZ

Mittlerweile wurde die neue und sehr erweiterte Webseite ins Internet gestellt,

www.gifte-am-arbeitsplatz.de

in der ich in verständlicher Form die menschenverachtenden Methoden schildere, mit denen in der Regel die Berufsgenossenschaften, ihre willfährigen Gutachter und Sozialrichter die berechtigten Ansprüche der am Arbeitsplatz erkrankten Menschen abweisen.

Verstummten Kranken eine Stimme geben

Ich will nicht stumm das Unrecht dulden, das unzähligen Menschen jedes Jahr auf neue angetan wird. Tausende jährlich, die ihre Gesundheit im Chemiestaat Deutschland an schlechten Arbeitsplätzen durch Gifte verlieren und dann allein gelassen werden. Ich will diesen Menschen eine Stimme geben! Und der Erfolg gibt mir recht: Ein Zählwerk zeigt, dass die neue Webseite in der ersten Woche bereits mehr als zweitausendmal aufgesucht wurde.

Widerstand ist eine ethisch, moralische Verpflichtung

Ich fühle mich trotz meines Alters verpflichtet, die fiesen Methoden der Berufsgenossenschaft, ihrer Gutachter und der Sozialgerichte öffentlich zu machen; ich will jedem Einzelnen zeigen, dass man auch unzähligen anderen Geschädigten so übel mitspielt. Mein Motto ist: Wenn Unrecht zu Recht wird, ist Widerstand Pflicht

Autor: Inge Kroth, Betreiberin der Webseite Gifte am Arbeitsplatz, 1. August 2010

Antext: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

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12 Kommentare zu “81-jährige stellt eigene Webseite zum Thema GIFTE AM ARBEITSPLATZ ins Internet”

  1. Gerhard Becker 2. August 2010 um 11:36

    Unsere Hochachtung vor Frau Inge Kroth!

    Es wäre zu wünschen, dass der deutsche Rechtsstaat aktiv belegt, dass der Schutz der Gesundheit seiner Bevölkerung und die Anerkennung von gesundheitlichen Schäden am Arbeitsplatz oder durch die Umwelt ein gleichrangiger rechtlicher Bestandteil dieses Rechtssystem ist. Dieser Beweis ist leider immer noch nicht erbracht worden. So stellt sich bedauerlicherweise die Frage, was man unter Recht versteht und wessen Recht man meint bzw. wer von diesem Recht ausgenommen wird.
    Die Menschen sind ja nicht blöd…

    Gruß Manu und Gerhard

  2. Mirijam 2. August 2010 um 11:43

    Sehr geehrte Frau Kroth,

    eine fabelhafte Idee, die man nur loben kann. Menschen wie Sie machen aus ihrem Leben etwas Sinnvolles und Ehrbares, indem Sie zum Wohl ihrer Mitmenschen tätig werden.

    Das brisante Thema über Umweltgifte, insbesondere am Arbeitsplatz, bedarf in hohem Maße der kritischen Betrachtung. Es ist unverantwortlich und ein Verstoß gegen den Moralkodex, Arbeitnehmern, die gute Leistungen erbringen sollen, krankmachende Arbeitsplätze zuzumuten. Und dadurch der Solidargemeinschaft irreparable Schäden zuzufügen.

    Deshalb danke ich Ihnen ganz herzlich für Ihr Engagement und wünsche viel Erfolg!

    Herzliche Grüße
    Mirijam

  3. Maria 2. August 2010 um 15:49

    Sehr geehrte Frau Kroth,

    vielen Dank für Ihr außergewöhnliches Engagement und Ihre informative Webseite. Damit leisten Sie einen wichtigen Beitrag in puncto Aufklärung und Prävention. Das Web dient zunehmend als Informationsquelle – somit lassen sich unbequeme Wahrheiten immer schlechter vertuschen und insgesamt wird der Druck in der Öffentlichkeit erhöht, dem weiten Missstand mangelndem Arbeitsschutzes und vielfältigen Schadstoffquellen in Alltagsprodukten, dringend notwendige Abhilfe zu schaffen. Dem Arbeitsschutz sollte auf politischer Ebene und seitens der verantwortlichen Behörden oberste Priorität eingeräumt werden, anstatt Industrieinteressen den Vorrang einzuräumen.

    Mit Ihrer Webseite machen Sie anderen Menschen sicherlich Mut, für ihre berechtigten Rechte zu kämpfen.

    Herzliche Grüsse und besten Dank für Ihre wertvolle Arbeit!

  4. Holger 2. August 2010 um 16:47

    Erfreulicherweise werden die Stimmen von Betroffenen immer lauter und der Kampf um ihre Rechte schreitet unaufhaltsam voran. Am Arbeitsplatz zu erkranken ist nach wie vor ein weit verbreitetes Risiko, nachfolgende Anerkennung der Misere dann fast ausnahmslos Fehlanzeige. Umso wichtiger sind Internetseiten wie die hier Vorgestellte. Dass sich Berufsgenossenschaften aus der eigenen Verantwortung stehlen, ist die logische Konsequenz daraus, dass sie ausnahmslos von Beiträgen der Arbeitgeber finanziert werden.

    Mal ehrlich, wer sägt sich schon den eigenen Ast ab?

    Daran liegt die Wurzel dieser untragbaren Zustände. BG´s müssen unabhängig sein, alles andere führt zu nichts, außer dazu, dass Arbeitgeber immer fein raus sind aus allem und die Arbeitnehmer weiterhin die Opferrolle zugespielt wird, mit nicht hinnehmbaren Folgen für Leib und Leben.

  5. Raze 2. August 2010 um 17:26

    Spitzen Internetauftritt von Frau Kroth, meine Hochachtung für solch einen Kampfgeist in diesem Alter. Es ist prima zu erfahren, dass man als älterer Mensch noch lange nicht zum alten Eisen gehört und Sinnvolles bewirken kann.

    Super gemacht Frau Kroth und vielen Dank,
    Raze

  6. Inge Kroth 2. August 2010 um 21:25

    Danke für die positiven Rückmeldungen! Es bestärkt mich weiterzumachen, denn es gibt noch vieles zu sagen. Mein Mann und ich waren als Unternehmer Mitglied bei der BG und zahlten für uns und die Angestellten Beiträge. Als wir merkten, wie belastend die Lösungsmittel auf uns einwirkten und uns krank machten, stellten wir im Laden, indem die Reinigungsmaschine stand, nur noch Halbtagskräfte ein. Das waren doch junge Frauen, die gesunde Kinder bekommen sollten, so konnten sie nach wenigen Stunden an die frische Luft und wieder entgiften. Keine von unseren Angestellten wurde berufskrank! Später hat uns ein Gutachter gefragt, wieso mein Mann und ich krank geworden sein wollen, es wäre ja keiner unserer Angestellten krank! Tolle Argumentation, oder? Überhaupt waren wir nur BG-Mitglied solange wir nicht berufskrank gemeldet waren, danach behandelte man uns nur noch als Gegner, dessen Ansprüche man mit allen Tricks und Fälschungen ablehnte.

  7. Juliane 3. August 2010 um 10:00

    Liebe Frau Kroth,

    ganz prima, dass Sie so engagiert an die Öffentlichkeit gehen.

    Ja, man denkt immer, man sei gut abgesichert und Alles, was so in Umlauf ist an chemischen Substanzen, sei unbedenklich.

    Erst wenn der Schaden eingetreten ist, merkt man, was Sache ist.

    Und wieviel Menschen wissen gar nicht um die tatsächlichen Ursachen ihrer Krankheitssymptome. Unbekannt die Zahl jener Menschen, die durch Schadstoffe am Arbeitsplatz, in Schule oder Hochschule oder der eigenen Wohnung krank wurden und die wegen Fehldiagnosen und/oder Fehlbehandlung psychiatrisiert wurden.

    Deshalb ist es wichtig immer wieder an die Öffentlichkeit heranzutreten.

    Nur Aufklärung hilft.

    Liebe Frau Kroth, machen Sie weiter. Es ist der richtige Weg.

    Herzliche Grüße und Alles Gute für Sie

    Juliane

  8. Clarissa 3. August 2010 um 10:49

    Hallo Frau Kroth, Respekt für diese tolle Seite.
    Ich habe gerade noch einen Artikel entdeckt der Sie interessieren könnte. http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/11860797/62249/Jura-Professor-Martin-Schwab-fahndet-nach-haarstraeubenden-Richterspruechen.html
    MfG
    Clarissa

  9. Clarissa 3. August 2010 um 12:06

    Sorry, hatte noch diesen http://www.watchthecourt.org/ Link vergessen.

  10. Eike 6. August 2010 um 14:42

    Auch meine Gratulation zu dieser sehr informativen, hilfreichen Website.
    Ich finde es toll, dass Sie, Frau Kroth, so engagiert sind und die Wahrheiten in die Öffentlichkeit bringen.

  11. Urs Beeler 8. August 2010 um 22:25

    Liebe Frau Kroth!

    Vielen Dank für Ihr positives Engagement! Super! Weiter so!

    Mit solidarischen Grüssen aus der Schweiz
    Urs Beeler

  12. Inge Kroth 28. August 2010 um 22:22

    Hallo, ich freue mich außerordentlich über die positiven Kommentare von Euch!!! Noch mehr würde ich mich freuen, wenn der eine oder andere auf meiner Website etwas in das Gästebuch schreiben würde!!! Bisher traute sich offensichtlich niemand, es würde meine Website sehr aufwerten!
    Herzliche Grüße
    Inge Kroth

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