Hexenjagd auf Komplementär- und Umweltmedizin oder reiner Lobbyismus?

Die Komplementärmedizin hat in Deutschland ähnlich wie die Umweltmedizin einen schweren Stand. Verstaubte, verknöcherte Strukturen und Industrielobbyismus stemmen sich vehement gegen alles, was nicht ins Konzept passt. Arg wird es, wenn die Presse das Spiel mitspielt, statt kritisch zu recherchieren, warum man in Deutschland so gut wie gar keine Toleranz für eine neue Medizin hat, die auch Ursachenforschung betreibt. Im Spiegel, der Süddeutschen und aktuell in Die Zeit, wurde dem Leser suggeriert, dass er sich regelrecht in Abgründe begibt, wenn er sich auf Alternativmedizin einlässt.

Lobbyjournalismus

Warum solche Artikel lanciert werden, die Komplementär- und Umweltmedizin ad absurdum führen wollen, lässt sich leicht durchschauen, man braucht bloß einen Blick auf die Anzeigen zu werfen, mit denen die Blätter gefüllt sind und finanziert werden. Wer sich dann noch die Mühe macht, die Aufsichtsratspositionen und Gremien der Experten zu sichten, die herangezogen wurden, um den Artikeln dem Nimbus zu verleihen, hier spräche die Wissenschaft, wird nicht mehr länger verwundert über den Tenor der Artikel sein.

Alternativmedizin unerwünscht

Im September nahm Die ZEIT die Komplementärmedizin ins Fadenkreuz und forderte den Rückzug in den Muff der alten Zeiten, als Medizin noch „richtige Medizin“ war. Können wir uns einen Rückzug in die „richtige alte Medizin“ erlauben? Ein klares Nein, in Anbetracht der Zunahme chronischer und neurodegenerativer Erkrankungen, deren Ursache in unserer mit Chemikalien überfluteten Umwelt zu suchen ist.

Lobby-Drehtüren abschaffen, frischen Wind einlassen

Die deutschen medizinischen Fakultäten täten wahrlich besser daran, in Bezug auf Umwelt und Alternativmedizin ihre Fenster und Türen sperrangelweit zu öffnen und frischen Wind durch die Gänge wehen zu lassen, um auf internationalem Parkett nicht gänzlich den Anschluss zu verlieren – an eine moderne Medizin, die anderorts beachtliche Erfolge aufzuweisen hat und sich auf das Patientenwohl fokussiert. Unserem Gesundheitssystem und der Gesundheit unserer Allgemeinbevölkerung wäre mit einer Öffnung besser gedient, als mit dem Installieren von Lobby-Drehtüren an deutschen Universitäten, die Industrie und deren Gewinnmaximierung dienen, ohne Rücksicht auf Gesundheit und Umwelt.

Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Zum Artikel “Wehe! Wehe!” von Harro Albrecht (Die Zeit, Nr. 37, 09.09.2010) schrieb die Karl und Veronica Carstens-Stiftung eine Stellungnahme:

Aber! Aber!

In den deutschen Leitmedien scheint es geradezu als schick zu gelten, Homöopathie, Akupunktur oder Ayurveda zu verteufeln. Während vom Nachrichtenmagazin DER SPIEGEL die Homöopathie im Sommer noch als „Hokuspokus“ und „mystischer Käse“ abgetan wurde, bezeichnet die Wochenzeitung Die ZEIT die Komplementär- medizin nun als „magisch-mystische Lehre“, „Zauberkunst“ oder „Paramedizin“. Angesichts der Tatsache, dass die „mystische Lehre“ jetzt obendrein Einzug an deutschen Universitäten hält, kann ZEIT-Autor Harro Albrecht nur mahnen: „Wehe! Wehe!“ Wie gut waren doch die alten Zeiten, in denen noch „richtige Medizin“ gelehrt wurde, „richtige deutsche Mediziner“ ein Vorbild in der Welt waren, das Qualitätssiegel „Med. in Germany“ noch höchste Anerkennung genoss. Frei nach dem Motto „der Aberglaube frisst die moderne Medizin“, sollen die alternativen Heilmethoden schnell wieder vom Campus verschwinden.

Missstände an deutschen medizinischen Fakultäten

In einer Hinsicht muss man dem Autor Recht geben: Die Missstände an den deutschen medizinischen Fakultäten sind in der Tat beklagenswert. Bei allem Klagen über schlechte Ausbildung, “Deprofessionalisierung“ und „Entakademisierung“, über „wenig ergiebige“ Dissertationen fragt man sich allerdings: Was hat das Ganze mit Naturheilkunde & Co zu tun? Warum müssen ausgerechnet die komplementären Verfahren als Prügelknabe herhalten?

Forschung zur Komplementärmedizin weltweit

Wer befürchtet, international den Anschluss zu verlieren, sollte über den nationalen Tellerrand hinausschauen. Er wird feststellen: Ohne universitäre Programme zur Komplementärmedizin ist die Gefahr, ins wissenschaftliche Abseits zu geraten, ungleich größer. Die deutsche Medizin muss sich anstrengen, möchte sie im internationalen Vergleich mithalten.

In den USA ist die Forschung zur Komplementärmedizin (Complementary and Alternative Medicine = CAM) von staatlicher Seite seit Jahren fest etabliert. An 82 von insgesamt 125 medizinischen Hochschulen ist CAM als Pflichtteil des Lehrplans festgesetzt. Außerdem wurde das National Center of Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) als Abteilung des NIH (National Institute of Health) eingerichtet. Mittlerweile werden hier jährlich mehr als 120 Millionen Dollar in Forschungsförder- programme investiert – Tendenz steigend! Die Gründe sind unter anderem: In den USA stehen Nebenwirkungen von konventionellen Behandlungen auf Platz 11 aller Todesursachen. Die „Amerikanische Behörde für Technikbewertung“ stellte fest, dass maximal 20 Prozent der Produkte der Pharmaindustrie in ihrer Wirkung wissenschaftlich abgesichert sind. Abgesehen davon wurde 1992 klar, dass die Bevölkerung mehr Geld für komplementärmedizinische Behandlungen ausgibt als für konventionelle.

Dass auf europäischer Ebene Bewegung in die Sache kommt, zeigt die Integration der Komplementärmedizin ins 7. EU-Forschungsprogramm.

Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat in einer Resolution den Stellenwert der Komplementärmedizin und der traditionellen Medizinsysteme hervorgehoben. Es ist ein Armutszeugnis für den Wissenschaftsstandort Deutschland, dass z.B. Homöopathie-Studien heutzutage aus dem Iran, Indien oder Brasilien kommen und die Phytotherapieforschung nahezu komplett in amerikanischer Hand ist – teilweise mit sensationellen und zukunftsweisenden Resultaten.

Wissenschaft im Dienste der Bevölkerung

Dass die Komplementärmedizin Einzug an deutschen Universitäten hält, hat weniger etwas mit „gutem Sponsoring“ zu tun, sondern zeugt vielmehr von gesundem Pragmatismus. Der Autor schreibt selbst: Je nach Umfrage haben bis zu zwei Drittel aller erwachsenen Bundesbürger schon einmal alternative Heilmethoden in Anspruch genommen.

Wo die Schulmedizin an ihre Grenzen stößt, beschreitet die Komplementärmedizin Therapiewege, die offensichtlich Erfolg versprechend sind. Gerade weil die moderne Medizin chronisch kranken Patienten keine kurativen Therapiemöglichkeiten anbieten kann, suchen diese nach Möglichkeiten, ihre Lebensqualität zu steigern.

Es ist im unmittelbaren Interesse der Patienten und einer Verbesserung der Versorgung, mehr Klarheit über komplexe Therapieverfahren – wie zum Beispiel der Homöopathie oder der Traditionellen Chinesischen Medizin – zu erlangen. Wenn Wissenschaft zum Selbstzweck wird und sich nicht mehr um die Probleme der Patienten kümmert – dann sind die Universitäten auf dem besten Weg, sich selbst abzuschaffen.

Wissenschaft im Dienste der Ärzteschaft

Eine aktuelle Umfrage belegt, dass 40 Prozent der Entscheidungsträger an den medizinischen Fakultäten eine positive Einstellung gegenüber komplementären Methoden haben. Die wachsende Zahl von Ärzten mit den Zusatzbezeichnungen Akupunktur, Homöopathie und Naturheilverfahren zeigt das zunehmende Interesse der Ärzteschaft und verdeutlicht die Notwendigkeit der Lehre an den Universitäten.

Die Komplementärmedizin ist längst auf allen Ebenen angekommen: Die Landesärztekammern verleihen die Zusatzbezeichnung erst nach zertifizierter Weiter- bildung, für die eine Facharztbezeichnung Voraussetzung ist.

Die Bundeärztekammer leistet sich eine Einrichtung namens „Dialogforum Pluralismus in der Medizin“ – ins Leben gerufen vom Präsidenten der Bundesärzte- kammer persönlich. Ja, sogar die gesetzlichen Krankenkassen erstatten für spezielle Verfahren die Kosten ganz oder teilweise.

Es ist an der Zeit, den ärztlichen Nachwuchs in Deutschland zu professionalisieren. Die Relevanz ist offensichtlich.

Bestandteil der universitären Ausbildung sollte es daher sein, die Studierenden so neutral wie möglich über komplementäre Therapieverfahren zu informieren. Nur so können die angehenden Ärzte ihre Patienten später auch zu diesen Fragen fundiert beraten.

Die Karl und Veronica Carstens-Stiftung hat es sich daher zur Aufgabe gemacht, schon im Studium Grundlagenwissen zur Komplementärmedizin zu vermitteln.

Dabei ist das Nachwuchsförderprogramm der Stiftung in der Universitätsmedizin ohne Beispiel: Studenten werden durch Arbeitskreise, Kongresse, Promotions- seminare und Stipendien betreut – das Niveau der Forschungsarbeiten ist herausragend. Das ist eine angemessene und konstruktive Antwort auf die vom Autor bemängelten Zustände an den Universitäten.

Problem Drittmittel-Finanzierung?

In ihrem gerade erschienen Buch „Gesunder Zweifel“ über den Aufstieg und Fall des ehemaligen IQWIG-Chefs Peter Sawicki, schreibt die Journalistin Ursel Sieber: „Heute hängen Professuren am Tropf der Industrie.“

Falls die Fremdfinanzierung an den medizinischen Hochschulen ein Problem darstellen sollte, dann sicher nicht auf Seiten der Komplementärmedizin: Von derzeit insgesamt 2.839 Medizin-Professuren haben lediglich 8 (!) die Komplementärmedizin zum Inhalt – alle 8 sind Stiftungsprofessuren, denn eine staatliche Förderung findet in Deutschland bis heute nicht statt.

CARSTENS-STIFTUNG, Stellungnahme der Karl und Veronica Carstens-Stiftung zum Artikel “Wehe! Wehe!” von Harro Albrecht (Die Zeit, Nr. 37, 09.09.2010), www.carstens-stiftung.de

Chemikalien-Sensitivität – MCS ist eine Krankheit, für die keiner aufkommt

Chemikalien-Sensitivität (MCS ICD-T78.4) kann jeden treffen, von heute auf morgen. Erkrankte, die auf winzige Spuren von Alltags- chemikalien reagieren, müssen gezwungen- ermaßen vieles umstellen.

Schon morgens früh im Bad fängt es an, eine normale Zahnpasta enthält eine ganze Reihe von Chemikalien, die bei Menschen, deren Körper durch Chemikalien hypersensibilisiert ist, Symptome auslösen. Unter der Dusche geht’s weiter, das gewohnte Duschgel ist in der Regel vollgepackt mit Chemie und das Wasser, das herunter prasselt, ist meist mit Chlor versetzt. Um sich beschwerdefrei an den Frühstückstisch setzen zu können, müsste eine Person mit MCS die gesamten Körper- pflegemittel in chemie- und duftfreie Produkte austauschen und einen Duschfilter install- ieren, der die Chemikalien aus dem Wasser holt. Man könnte den ganzen Tagesablauf durchgehen und stellt fest: Die Krankheit MCS ist teuer.

Mehrkosten muss der an MCS Erkrankte selbst aufbringen und die Liste ist beachtlich:

  • Biologische Nahrung
  • Unbelastetes Wasser in Glasflaschen
  • Schadstofffreie Reinigungs- und Pflegemittel
  • Nahrungsergänzungsmittel zum Stabilisieren und Abfangen von Symptomen
  • Luftfilter, Wasserfilter, Duschfilter
  • Atemschutzmasken
  • Ein ökologisches Schlafzimmer
  • Schadstofffreier, MCS-gerechter Wohnraum
  • Arztrechnungen, da umweltmedizinische Diagnostik und Therapie meist nicht von den Krankenkassen übernommen wird

Wissenschaftliche Studien brachten zutage, dass MCS Erkrankte, die über einen längeren Zeitraum krank sind, in der Regel ihren Arbeitsplatz aufgeben müssen. Der Kostenberg wird, wenn man krank und arbeitslos ist, schnell erdrückend. Von Minirenten und Hartz IV ist kein MCS-Kranker in der Lage, seinem Gesundheits- zustand gemäß zu leben. Was passiert dann?

Thommy’s MCS Blogfrage der Woche:

  • Habt Ihr Mehrkosten seid Ihr MCS habt?
  • Wie viel müsst Ihr im Schnitt monatlich krankheitsbedingt mehr aufwenden als zuvor?
  • Könnt Ihr die Mehrkosten selbst aufbringen? Oder muss Eure Familie, Freunde, ect. helfen?
  • Habt Ihr Unterstützung und finanzielle Hilfe durch Behörden oder Versicherungen erhalten?
  • Musstet Ihr einen Prozess führen, damit man Euch unterstützt? Z.B. Mehrkosten für Bio-Nahrung, Vitamine oder Hilfsmittel.
  • Hat man Euch über den Rechtsweg Hilfe und Unterstützung zugestanden?

Unterstützungsaufruf: Das Leben einer jungen Frau erneut durch Versprühen toxischer Chemikalien bedroht

Stadt uneinsichtig – Jetzt wird giftiges Herbizid ausgebracht

Mitte 2010 baten die Eltern einer jungen spanischen Frau, Elvira Roda, die unter schwerster Chemikalien-Sensitivität (MCS) leidet, um Hilfe. In der Straße, in der Elvira in einem eigens aufwendig für sie hergericht- eten schadstofffreien Haus wohnt, wurden Pestizide ausgebracht. Die schwerkranke Frau kollabierte und war durch die Nervengifte, die man versprühte, in Lebensgefahr. Tagelang musste sie draußen in schlimmstem gesund- heitlichen Zustand in einem Liegestuhl am Meer verbringen. Die Eltern versuchten das Ausbringen der Pestizide, neurotoxische Organophosphate, durch Gespräche mit den Verantwortlichen der Stadt zu stoppen – vergebens. Eine Petition für Elvira, die auf vielen Blogs von MCS-Organisationen weltweit veröffentlicht wurde und die Menschen aus verschiedenen Ländern unterzeichneten, erhielt Gehör und man hörte schließlich auf, Pestizide vor dem Haus der jungen Frau zu versprühen.

Näheres im CSN Blog: Hilferuf – Junge Frau in Lebensgefahr

Elviras Eltern brauchen Unterstützung

Gestern Nacht meldeten sich die Eltern von Elvira mit einer erneuten Bitte um Hilfe, denn die Stadt Alboraya hat jetzt damit angefangen, ein Herbizid zu versprühen. Elviras Leben ist in Gefahr.

Im Namen Elviras:

Vielen Dank an alle, die Elvira Roda unterstützt haben und die Petition an den Stadtrat von Alboraya (Region Valencia/Spanien) unterzeichneten und forderten, keine Chemikalien zu verwenden, die für Menschen und/oder Umwelt schädlich sind und stattdessen andere, gesündere Alternativen zu finden.

Lassen Sie uns bemerken, dass wir selbst alles Mögliche versucht haben, es zu verhindern, aber der Alboraya-Stadtrat hat leider heute, am 5. Oktober, eine neue Sprühaktion unter Verwendung von Roundup Plus (Glyphosat), und anderen umweltschädlichen Chemikalien begonnen.

Wir haben verlangt, umweltverträglichere, natürliche Alternativen zu verwenden, und auch, dass der Alboraya-Stadtrat die Bevölkerung im betroffenen Bereich vorab informiert, aber beides war erfolglos. Wir regen deshalb notwendigerweise und in Anbetracht der Gesundheit aller an, die Sammlung von Unterschriften für die Petition bitte fortzusetzen.

Wir benötigen Sie.

Mit diesen Bemühungen werden wir sicher Erfolg haben.

Danke!

Weitere Informationen über Elvira können auf folgender Webseite eingesehen werden: Hilfe für Elvira Roda

Zum Unterzeichnen der Petition >>> Petition für Elvira Roda (Feld zum Unterzeichnen ganz unten)

Vielen Dank für Ihre Unterstützung!


Unterstützungsaufruf auf Englisch im EMM Blog:

The life of a young woman is threatened again by the spraying of toxic chemicals

MCS-Erkrankte – die Leprakranken unserer Tage

In vergangenen Zeiten wurden Leprakranke aus der Gesellschaft verstoßen

Heute sind es Umwelterkrankte mit MCS, die man verstößt

Viele, die an schwerer MCS leiden, machen die Erfahrung, dass ehemalige Kollegen, Freunde, Bekannte und Familienmitglieder allmählich aus ihren Leben verschwinden. Diese Kontaktpersonen glauben, dass der Mensch mit MCS für den Umgang zu anstrengend geworden ist. In unserer modernen und geschäftigen Welt sind viele nicht mehr in der Lage, die dafür erforderliche Mühe auf sich zu nehmen, häufig sind ihnen sogar die Kompromisse, um mit einem MCS-Kranken Kontakt aufzunehmen zu viel. Es hat in der Gesellschaft keine besondere Bedeutung mehr, jene mit solchen schweren Behinderungen, wie sie MCS-Kranke haben, zu akzeptieren und ihnen zu helfen.

An einer derart sozial behindernden Erkrankung wie MCS zu erkranken, erfordert enorme Willenskraft, wenn man als integere, psychisch gesunde Person überleben will. Jene, die an MCS erkrankt sind, leben ein Leben, das aufgrund dieser Erkrankung durch große Verluste gekennzeichnet ist. Verlust von Gesundheit, Arbeitsfähigkeit, Identität, Wohlstand, Unterkunft, Freiheit, soziale Kontakte, Freunde, Familienmitglieder und in einigen Fällen sogar der Verlust des Lebenspartners. All dies gehört zu den schlimmen Erfahrungen, die man als MCS-Kranker macht.

Wenn jemand an einer anderen schwerer Erkrankung leidet, wie z.B. Krebs, Herzerkrankungen, steht eine große Armee an Gesundheitsberufen bereit, um dem in seiner Gesundheit Beeinträchtigten medizinisch zu helfen und ihn zu unterstützen. Menschen mit solchen herkömmlichen Diagnosen finden Sympathie, Verständnis und professionelle Behandlung. Wenn jemand psychische Probleme bekommen hat, weil er an so einer schweren Erkrankung leidet, wird widerspruchslos verstanden und akzeptiert, dass ein Mensch, bei dem eine derart ernsthafte Erkrankung diagnostiziert wurde, deshalb auch sekundär psychisch erkranken kann.

MCS – Eine Erkrankung mit geringen Ansehen

Wenn man jedoch MCS bekommt, sieht alles etwas anders aus. Man entdeckt schnell, daß dies eine der schlimmsten Krankheiten ist, die man haben kann. Am besten ist es, man trifft auf Mediziner, die unvoreingenommen sind, aber von dieser Erkrankung keine Ahnung haben. Am schlimmsten ist es, wenn Kranke an misstrauische, voreingenommene und wertende Ärzte geraten, die unser eins mangels wissenschaftlicher Kenntnis als geisteskrank ansehen. In Dänemark gibt es – ähnlich wie in vielen Ländern – kein einziges Krankenhaus, das MCS-Kranke aufnimmt, untersucht und medizinische Behandlung zukommen lässt. Es gibt keine Ärzte, die von MCS etwas verstehen. Die einzigen aus den Gesundheitsberufen, die sich in Dänemark für MCS interessieren, sind eine Gruppe von Psychiatern, die beschlossen haben, dass MCS eine funktionelle Störung ist. Deshalb stellen sie schnell eine psychiatrische Diagnose, welche die Kranken für den Rest ihres Lebens nicht mehr los werden.

Wenn MCS-Kranke aufgrund der persönlichen Folgen von MCS – eine Erkrankung, die buchstäblich das eigene Leben zerstört – psychische Probleme bekommen, gibt es für keine der resultierenden psychischen Schädigungen ein vergleichbares Verständ- nis, wie bei anderen schweren Erkrankungen. Als MCS-Erkrankter darf man es sich offenbar nicht erlauben, infolge dieser schweren Erkrankung psychische Probleme zu bekommen.

Wenn jemand als schwer MCS-Erkrankter Anzeichen von Depression oder anderem seelischem Ungleichgewicht an den Tag legt, wird man als geisteskrank diffamiert. Auf diese Weise braucht sich die Gesellschaft nicht mit Chemikalien und Pestiziden auseinander zu setzen, welche MCS-Kranke sehr krank machen.

Früher wurden Leprakranke auf die andere Seite der Stadtmauer verbannt. Heute folgen MCS-Kranke mehr oder weniger freiwillig ihren Fußspuren, da Menschen mit MCS die chemischen Expositionen, die in modernen Gesellschaften üblich sind, nicht aushalten können.

  • Wie lange muss dieser Wahnsinn noch weitergehen?
  • Wie lange kann die Gesellschaft weiterhin die Existenz der schwer an MCS Erkrankten ignorieren und das Problem nicht wahrnehmen, indem man behauptet, es habe nichts mit dem erhöhten Verbrauch von Chemikalien und Pestiziden zu tun und wäre nur etwas, das sich im Kopf der Umwelterkrankten abspielt?
  • Wieviel Prozent der Bevölkerung müssen erst an MCS erkranken, bevor die Gesellschaft das Problem mit den Chemikalien ernst nimmt und Maßnahmen veranlasst?

Autor: Bodil Nielsen, Dänemark, 3. Oktober 2010

Photo: Bodil Nielsen

Übersetzung: BrunO für CSN

Dänischer Originalartikel: MCS-ramte: Nutidens spedalske

Englische Übersetzung: MCS Sufferers – The Lepers of Today

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“

Die beliebtesten Blogs im September 2010

Das Thema brennt zunehmend unter den Nägeln: Laminat ist sehr beliebt, obwohl sich immer häufiger Menschen beklagen, dass der Bodenbelag sie krank macht. Auch in diesen Monat ist der Artikel über Laminat, den Maria im August 2009 schrieb, wieder in den Blog Top 10 und zwar auf Platz Eins.

Auf Platz Zwei landete ebenfalls ein Klassiker unter den CSN Artikeln: Natürliche Hilfe bei Gallenbeschwerden.

Platz Drei erreichte ein Blog, der an MCS-Kranke die Frage richtete, wie man seine Wäsche duftfrei bekommt. Es trafen sehr hilfreiche Antworten von MCS-Experten ein.

Zum Lesen der CSN Top 10 Artikel, einfach anklicken:

  1. Laminat belastet Umwelt und Gesundheit
  2. Wenn die Galle überläuft, natürliche Hilfe bei Gallensteinen, Gallenkolik & Co
  3. Experten geben Antwort: Die besten Tipps für duftfreie Wäsche
  4. Wissenschaftlich begleitetes Wohnprojekt ist im Entstehen
  5. Die Hinweise werden immer eindeutiger, dass BP toxische Dispergiermittel versprüht
  6. Das Öl ist überall
  7. Epigenetik und Umweltkrankheiten, die Rolle der Chemikalien
  8. Domina bietet außergewöhnliche Dienste an
  9. MCS – Akupressur zur Symptomlinderung Teil 1
  10. Allergie durch Auswirkungen von Ozon: Ozon erhöht sie Allergenbelastung

Jugend deckt auf: Pestizidcocktail im Schulbuffet!

Start des ersten unabhängigen Schüler-Begehrens für BIO – Ministerin muss umweltfreundliche und gesunde Lebensmittel durchsetzen!

Wien – Die GLOBAL 2000-Jugendorganisation hat stichprobenartig österreichische Schulbuffets getestet. Das Ergebnis: Umweltfreundlich produzierte Bioprodukte sind Mangelware! Biologische Lebensmittel sind garantiert frei von chemisch-synthetischen Pestiziden. „Wir haben auf den konventionell produzierten Jausenäpfeln einen Pestizidcocktail mit bis zu acht verschiedenen Pestiziden gefunden. Es ist ein Skandal, dass für die Kinder und Jugendlichen nicht das Beste und Gesündeste angeboten wird. Das wollen wir ändern“, so Sven Hergovich, Koordinator der GLOBAL 2000-Jugendgruppe. Die GLOBAL 2000-Jugend organisiert daher das erste österreichische SchülerInnen-Begehren für BIO und Umweltschutz. „Es liegt in der Verantwortung der Unterrichtsministerin Claudia Schmied: was an Schulbuffets in Österreich verkauft wird, das kann sie im so genannten Müsli-Erlass regeln. Wir fordern, dass Bio für Schulbuffets zum Standard wird“, so Hergovich weiter.

Die GLOBAL 2000-Jugendgruppe hat zahlreiche Schulbuffets in Österreich inspiziert und von drei Buffets Äpfel erworben. Diese wurden in einem akkreditierten Labor auf Pestizidrückstände analysiert. In den Schuläpfeln wurden bis zu acht verschiedene Pestizide pro Apfel nachgewiesen. Einer der Wirkstoffe ist für Äpfel nicht zugelassen. Die UmweltschützeInnen haben der Agentur für Ernährungssicherheit (AGES) deshalb diese Ergebnisse übermittelt und sie aufgefordert tätig zu werden.

„Der Cocktail an Chemikalien, dem Jugendliche ausgesetzt sind, ist bedenklich. Nicht genug, dass einige der nachgewiesenen Wirkstoffe mit Entwicklungsstörungen und Verhaltensauffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen in Verbindung gebracht werden – es ist nach wie vor nicht ausreichend erforscht, wie diese Chemikalien in Kombination besonders auf den jungen, sich in Entwicklung befindlichen Körper auswirken können. Eine beachtliche Gefährdung der Gesundheit kann nicht ausgeschlossen werden“, kommentiert Daniela Hoffmann, Pestizidexpertin der Umweltschutzorganisation GLOBAL 2000.

Schülerinnen und Schüler können – zusätzlich zum neuen Wahlrecht ab 16 Jahren – aktiv an der Politik teilnehmen und die zuständigen Politiker zum Handel bringen. Die GLOBAL 2000-Jugend wird deshalb die Unterschriften der SchülerInnen an den Petitionsausschuss weiterleiten. „Unsere Petition für Bio-Buffets in Schulen muss ab 500 Unterschriften im Nationalrat behandelt werden. Ich erwarte mir, dass auch unsere Nationalratsabgeordneten nur das Beste für unsere Umwelt und für die Schülerinnen und Schüler wollen und unsere Forderung unterstützen“, so Hergovich.

Literatur: GLOBAL 2000-Jugend deckt auf: Pestizidcocktail im Schulbuffet!, Wien, 9. September 2010

GLOBAL 2000-Jugend Petition: Forderung – Biobuffet an allen Schulen

ACTION – MITMACHEN – Unterstützen: Solidaritätserklärung mit den österreichischen Schülern

Weitere Artikel zum Thema Schule:

Ohne Maske

Die spanische Bloggerin Eva Caballé wurde erneut gebeten, für die Kunst- und Kulturzeitung Deliro einen Artikel zu schreiben. „Die sieben Todsünden“ sind das Thema der aktuellen Ausgabe.

Evas Leben wird durch ihre Chemikalien-Sensitivität (MCS) 24 Stunden am Tag bestimmt. Die Krankheit hat Eva trotz größter Restriktionen nicht gebrochen, im Gegenteil, sie hat es ihr ermöglicht, hinter die Hochglanzfassade unserer modernen Welt zu schauen:

Eva Caballé: Ohne Maske


Und in dieser zerfallenden Welt ist es das Schlimmste, was es gibt, kein Rückgrat und keine Persönlichkeit zu haben. Es ist eine Welt voller Menschen, die sich beschweren und die graue und leere Existenzen leben. Personen, die nicht den Mut haben, Widerstand zu leisten, ihre eigenen Gedanken zu haben und die von der Masse aufgesogen werden. Es ist schwer in dieser Herde zu leben, wenn man nicht so sind wie sie, wenn du weißt, was du denkst, wenn du keine Angst hast zu sagen, was Du denkst und wenn du dich nicht darum schers, ob andere dich akzeptieren. Dann passt du nicht ins Schema, du bist anders, du bist radikal.

Aber eine kranke Person kann nicht so sein. Du hast dich gut zu benehmen, musst es zulassen, dich selbst einer Gehirnwäsche zu unterziehen, eine Maske tragend, einem ausgetretenen Weg ohne nachzudenken folgend. Wenn du Multiple Chemical Sensitivity hast, eine Krankheit, die nicht anerkannt ist, dann kämpfst du um dein Überleben. Aber mach dabei nicht zu viel Lärm und folge einfach den anderen. Denk nicht dabei, unternimm nichts. Du bist krank. Verhalte dich so. Du hast gehorsam zu sein und um Erlaubnis fragen, damit Du nicht aus der Herde geworfen wirst, einer Herde, für die andere sich selbst töten, um ein Teil davon zu sein.

Und in dieser Ignoranz, die uns umgibt, sind die sieben Hauptsünden aktueller denn je, in diesen Zeiten, in der es so scheint, als gäbe es eine Theorie für so ziemlich alles. In Zeiten des zerfallenden Wohlfahrtsstaats.

Mit betäubten Sinnen wird SEX zu einer weiteren Frustration in einem leeren Leben, durch das Sie oder Er sich Tag für Tag schleppen, ohne dabei aufzuhören zu denken.

Es ist das Leben einer Frustration, die zu einem nicht zu befriedigenden HUNGER steigert. Essen, bis du platzt. Diese Angst, die einen hemmt zu reagieren und einen unter einem Berg von Menschenfutter zerquetscht. Die pervertierte Lust in einer übersättigten Gesellschaft.

Eine Leere, die uns überkommt und ein wachsender Hass, der sich in Wut verwandelt und sich gegen alles, was uns nicht passt, richtet, unter kindischen und lächerlichen Ausreden. INTOLERANZ wird zu Gewalt gegen diejenigen, die nicht so wie wir sind, vielleicht weil diejenigen, die denken, uns erschrecken.

Ohne sich unseres Lebens bewusst zu sein, vergehen die Tage, während wir auf unsere Taschen schauen um zu sehen, ob wir besser sind als andere. Wir KONKURIEREN in einem dummen Rennen, um unserem Erfolg zu zeigen. Wir täuschen vor, dass wir glücklich sind. Im Inneren, da sind wir leer.

Das Leben ist eine Klammer aus Angst und oberflächlicher Behaglichkeit, darauf wartend, dass die Dinge sich ändern, OHNE SICH ANZUSTRENGEN, aufgesaugt von einem System, das nicht möchte, dass wir denken.

Wir sind durch Faulheit gehemmt. Wir hassen die, von denen wir denken, dass sie besser sind als wir. Sie erinnern uns daran, dass wir uns nicht anstrengen wollen. Wir verschwenden unsere Leben damit, uns zu wünschen, dass sie stolpern, während wir ihre Erfolge KRITISIEREN und ohne es zu wissen, wollen wir, dass sie so mittelmäßig wie wir sind.

Eine billige künstliche Schönheit aus Plastik vergiftet uns, eine, die sich uns besser fühlen lässt für einen Moment, in dem wir denken, wir sind besser als andere. Eine giftige Schönheit, für die es uns nicht interessiert, welchen Preis wir dafür zahlen, in einer Welt, in der wahre Gesundheit nicht geschätzt wird. Enormer falscher STOLZ, diese durch Arroganz verursachte Ignoranz. Wer will schon gesund sein, wenn man sogar dann als schön erscheinen kann, selbst wenn man dumm ist? Wer will denn schon nicht besser erscheinen als andere?

Wagt es jemand, ohne Maske zu leben?

Autor: Eva Caballé für Deliro, No Fun Blog, September 2010

Übersetzung: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network

Bildmaterial: Aida/ Delirio

Englische Übersetzung: Without a Mask

Weitere Artikel von Eva Caballé, die in der Kunst- und Kulturzeitung Deliro erschienen:

Ein MCS-Patient berichtet: Mit einem Herzinfarkt ins Krankenhaus

MCS – Ein Fremdwort für die meisten Ärzte und Kliniken?

Was ich mir nie hatte vorstellen können, wurde am 17.9.2010 zur bitteren Erfahrung…

Gegen 18.00 Uhr bekam ich plötzlich und ohne Vorankündigung heftige Schmerzen in der Brust, kalte Schweißausbrüche, mir wurde schwindelig, meine Arme waren schwer wie Blei, taten unheimlich weh. Ich bekam Luftnot und Panik…

Da bei mir der PC lief, gab ich das Stichwort “Symptome bei Herzinfarkt” ein, sah auf dem Bildschirm das, was ich gerade verspürte.

Völlig verwirrt rief ich 110 an, hatte die Polizei am Apparat, schilderte meine Probleme und die Tatsache, dass ich völlig allein im Haus war. Der Polizist fragte mich, ob ich in der Lage sei 112 anzurufen – war ich!

Eine Männerstimme fragte meine Beschwerden ab, es wurde mir mit ruhiger Stimme erklärt, dass schon während dieses Telefongesprächs der Notarzt und Rettungswagen unterwegs sei.

Der Notarzt trifft ein

Ich lag auf meinem Sofa, sprach vor Schmerzen mit mir selbst, dann hörte ich die Sirene, wenig später standen Männer vor meiner Tür. Ich schaffte es noch selbst die Haustür zu öffnen, dann war ich diesen Herren ausgeliefert, aber auch etwas erleichtert.

Es wurde sofort ein EKG gemacht, der Notarzt sagte mir, ich hätte einen Herzinfarkt, er würde mich ins Krankenhaus bringen.

Oh nein, dachte ich, ins Krankenhaus…

Ich erzählte dem Notarzt kurz von meiner Chemikalienunverträglichkeit. Dieser schaute mich an, meinte, da müsse ich jetzt durch…

Per Rettungswagen ins Krankenhaus

Im Rettungswagen wurde ein erneutes EKG geschrieben, der aufnehmenden Klinik per Fax übermittelt.

Mit Blaulicht ging es zur Klinik, ich wurde in Empfang genommen, alles ging sehr schnell, ich sah nur die Decken der Flure…

Ein Kardiologe stellte sich mir vor, ein netter Mann, er beruhigte mich, er scherzte sogar etwas mit mir, stellte fest, dass wir gleich alt waren.

Auf dem Op-Tisch

Wohin ich genau gebracht wurde weiß ich nicht, ich befand mich ziemlich bald auf einem OP-Tisch, wurde für den notwendigen Eingriff vorbereitet.

Ich fühlte mich völlig ausgeliefert, hatte keinen eigenen Willen mehr…

Nach örtlicher Betäubung wurde durch die Leiste mittels Herzkatheder ein sogen. Stent gelegt. Laienhaft gesagt wurde eine Leitung des Herzens geweitet und – wie ich es mir vorstelle – eine Art Hülse eingesetzt. Der Kardiologe arbeitete sehr konzentriert, zeigte mir auf einem Bildschirm seine Arbeit. Als er fertig war, sagte er mir, er hätte mein Herz repariert.

Intensivastation

Bis 18.9. in den Abendstunden lag ich verkabelt mit einem weiteren Patienten in einem Zimmer auf der Intensivstation, dann wurde ich auf eine Überwachungsstation, angeschlossen an einem Monitor, verlegt. Wiederholt wurde ein EKG geschrieben, Blutdruck gemessen – ich unterlag der totalen Überwachung.

Es war wohl eher Zufall, dass ich allein im Zimmer war, aufstehen durfte ich nicht!

Auf Station nahm man Rücksicht auf MCS

Am 20.9. entschieden die Ärzte, mich auf eine “normale” Station zu verlegen.

Bis dahin ging es mir relativ gut, ich erzählte pausenlos von meiner Chemikalienunverträglichkeit. Zunächst ziemlich ungläubig wurde dann aber doch so gut es ging Rücksicht auf mich genommen. Das Fenster blieb geöffnet, die Reinigungskraft sollte mein Zimmer nicht wischen, an der Tür hing ein Hinweisschild, fremde Personen sollten sich vor Betreten im Stationszimmer melden.

Das Personal war einparfümiert, keine Frage – doch irgendwie hatte ich das Gefühl, ernst genommen zu werden. Unangenehm war dieser ständige Geruch nach diesem typischen Desinfektionsmittel der Hände. Klinikeigene Mittel, die in der Waschecke standen, wurden entfernt. Zu meiner Überraschung rochen Bettwäsche und Handtücher nicht nach parfümiertem Waschmittel.

Zum Waschen benutzte ich zunächst klares Wasser, bekam neutral riechende Einmalwaschtücher. Später benutzte ich meine eigenen Sachen, die mir meine Ehefrau ins Krankenhaus brachte. Ich wurde nur mit dem, was ich am Körper trug, ins Krankenhaus eingeliefert, hatte keine Zeit irgendetwas mitzunehmen.

Verlegung in einen Container

In den Abendstunden des 20.9.2010 erfolgte die Verlegung. Meine neue Station befand sich aufgrund von Erweiterungsbauten des Krankenhauses in Containern.

Eine fürchterliche Luft schlug mir entgegen, ich wurde in ein sehr enges 3-Bett-Zimmer geschoben. Das war kein Krankenzimmer, das war ein Aufbewahrungsort für Menschen, die sich nicht wehren konnten.

Zwischenzeitlich war meine Ehefrau eingetroffen, auch sie bemerkte diese grauenhafte Luft. Mein Kopf zog sich zusammen, ein Kratzen im Hals stellte sich ein, ich bekam Panik – hier sollte ich bleiben?

Ich sprach die Stationsschwester an, verwies auf meine Akte, in der sich MCS-Informationen befanden. Ich bekam einen einfachen Mundschutz, meine MCS-Maske lag sinnigerweise zu Hause. Mit diesem Mundschutz lag ich im Bett, meine Ehefrau hatte zu diesem Zeitpunkt die Klinik bereits verlassen.

210/120 psychisch?

Routinemäßig wurde mein Blutdruck überprüft – die Mitarbeiterin war erschrocken, lag dieser doch bei 210/120. Ein gerade anwesender Arzt wurde gerufen.

Dieser hörte sich meine Probleme und meine Hinweise auf MCS zwar an, meinte aber, das sei wohl psychischer Natur, wollte mir ein Medikament verabreichen, mich nicht von der Station nehmen.

Trotz oder gerade wegen meines angeschlagenen Zustands platzte mir der Kragen.

Ich warf ihm ärztliches Fehlverhalten vor, fragte ihn, ob er als derzeit anwesender Arzt die Verantwortung für einen Blutdruck von 210/120 nach einem Herzinfarkt übernehmen könne. Ich verweigerte ein Medikament, verlangte von ihm nichts weiter als frische Luft. Ich drohte damit, das Krankenhaus sofort zu verlassen.

Bevor dieser Arzt sich dann doch zu einem Telefon begab, meinte er, ich könne jederzeit gehen, das Krankenhaus sei schließlich kein Gefängnis. Nach seinem Telefonat kam er zu mir zurück, erklärte mir kurz und knapp, ich würde sofort zurückverlegt werden. Als ich noch etwas sagen wollte, würgte er mich mit den Worten, er hätte jetzt keine Zeit mehr, müsse in die ZNA (Zentrale Notaufnahme), dort hätte er noch weitere Patienten, ab.

Bessere Luft verbessert Blutdruck auf 150/80

Kurze Zeit später wurde ich auf die Station, von der ich kam, zurückverlegt, wurde in eine Ecke eines großen Patientenzimmers vors Fenster geschoben. Zu diesem Zeitpunkt lag mein Blutdruck bei 190/100 – ca, gegen 04:00 Uhr morgens bei 150/80.

Die folgenden Zeit ließ man mich in Ruhe – wurde EKG gemacht setzte ich meine Maske auf. Dem Oberarzt der Station berichtete ich während seiner Visite sehr genau von diesem Vorfall. Einen MCS-Patienten hatte er vorher noch nicht, jetzt sei seiner Meinung nach ja wieder alles in Ordnung…

Meine Werte waren gut, eine Röntgenuntersuchung der Lunge, eine Ultraschalluntersuchung des Herzens fiel nicht negativ aus, am 22.9.2010 konnte ich das Krankenhaus verlassen.

Entlassung und REHA

Im Krankenhausbericht steht von diesem Vorfall nichts!

Meinem Hausarzt aber berichtete ich sehr genau, was am 20.9. dort vorfiel – er meinte lediglich, die hätten mir das Leben gerettet.

Der Sozialdienst des Krankenhauses, der ebenso keine Ahnung von MCS hatte beantragte bei meiner Krankenkasse eine REHA.

Meine Krankenkasse schlug eine Klinik an der Ostsee vor, ich bekam die Telefonnummer der dortigen Chefärztin. In einem Telefongespräch erklärte mir die Chefärztin, ihre Klinik sei für die REHA eines MCS-Betroffenen völlig ungeeignet!

Die Mitarbeiterin meiner Krankenkasse meinte, sie könne mir keine Alternative zu dieser Klinik bieten.

Was sie mir verschwieg:

Gemäß § 9 SGB IX und § 33 SGB I haben Versicherte bei der Durchführung einer stationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme ein Wunsch- und Wahlrecht.

Ich habe also nicht nur einen Anspruch auf eine REHA, ich darf mir die Klinik selbst aussuchen.

Im Internet fand ich, dass Krankenkasse diesen Wunsch gern entweder ablehnen oder aber eine Zuzahlung fordern:

“Ein Rehabilitationsträger (z.B. der Gesetzlichen Krankenversicherung) ist auch nicht berechtigt, Ihren Wunsch nur unter der Bedingung nachzukommen, dass Sie eventuell entstehende Mehrkosten als Differenz zum Pflegesatz einer vom Rehabilitationsträger bevorzugten Einrichtung selber zahlen. Eine solche Zuzahlungspflicht sieht das Gesetz nicht vor! Es gilt das Sachleistungsprinzip, d.h. Sie haben gegenüber dem Kostenträger einen gesetzlichen Anspruch auf die Rehabilitationsleistung und nicht nur auf Kostenerstattung. Üben Sie also Ihr Wunschrecht aktiv aus!”

Gibt es eine MCS-gerechte REHA Klinik?

  • Ich habe also ein Wahlrecht – welche Klinik aber kann ich wählen?
  • Welche Klinik führt eine REHA nach Herzinfarkt bei gleichzeitiger MCS durch?
  • Wo ist diese Klinik, die auf die Bedürfnisse derer die an MCS erkrankt sind, Rücksicht nimmt?

Ich fürchte, ich werde keine REHA durchführen können.

Autor: Manfred Flor für CSN – Chemical Sensitivity Network, Hamburg 26.09.2010

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Glosse: Elektroschock, die Therapie der Wahl bei MCS

Den CSN-Blog erreichte neulich eine Email vom dänischen Forschungszentrum für Chemikaliensensitivität. Eine für die Öffentlichkeitsarbeit zuständige Journalistin schrieb im Auftrag der Forschungsleiterin. Infolge dessen las sich die ganze Mail wie eine Hochglanz-Werbebroschüre für das Forschungszentrum. Man glaubte, etwas richtig stellen zum müssen, da in der Öffentlichkeit durch Beiträge im Canary Report und bei CSN über die Arbeit dieser Einrichtung an der Kopenhagener Universitätsklinik Gentofte ein falschen Eindruck entstanden wäre. Zugleich wünsche man aber keine Veröffentlichung dieser Richtigstellung. Das Forschungszentrum verfüge nicht über die Ressourcen, sich mit langen Debatten im Internet abzugeben und wolle diese auch nicht, deshalb sei eine Veröffentlichung der besagten Email unerwünscht.

Bitte sehr, wir rücken nichts zurecht und bleiben bei unserer Auffassung, dass ECT, Electroconvulsive Therapy (Anwendung von Elektroschocks) für MCS und darüber hinaus für jegliche Erkrankung ziemlich daneben ist. So können wir nun natürlich auch nicht weitergeben, welchen Stellenwert dieser Therapieansatz in der Arbeit des Forschungszentrums hat. Der Makel, dieses unappetitliche Thema überhaupt angefasst zu haben, bliebt somit an dieser Einrichtung für immer hängen.

ECT ist grobe vorsätzliche Körperverletzung und wird auch irgendwann als solche verboten werden. Daran wird weltweit gearbeitet. ECT ist nichts anderes als elektrische Lobotomie und wurde in den Anfangszeiten von den Anwendern selbst nicht viel anders gesehen. Siehe P.R. Breggin, „Electroshock: scientific, ethical, and political issues“ im International Journal of Risk & Safety in Medicine 11 (1998), S. 20: „6. The brain-disabling principle“ und „Disturbing News for Patients and Shock Doctors Alike„.

Die Schlussfolgerung, welche das Forschungszentrum aus der Anwendung von ECT für MCS zieht, ist kaum klüger, wie jene Diagnose eines Forschers in einem brutalen Witz: „Ein Wissenschaftler schneidet einem Frosch ein Bein ab und befiehlt ihm zu springen: „Los Froschilein, springe!“ Das arme Tier tut es. Selbst mit zwei fehlenden Beinen tut es sein bestes und springt. Als der Frosch ganz ohne Beine nicht mehr springen kann, stellt der Forscher bei dem Frosch Taubheit fest.“

Nicht viel logischer ist es, von ECT für irgendeine Erkrankung eine positive Wirkung abzuleiten. Man schädigt das Hirn der Betroffen und diese können dann nicht mehr über ihr Leid klagen oder „spinnen“. Auf diese Weise wird MCS plötzlich zumindest teilweise, aber leider nur vorübergehend, „reversibel“. Was für ein Wunder! Wozu also aufwendige Vermeidungsstrategie, Atemschutz, gesunde Ernährung und all dieser Quatsch, wenn es auch so geht. Ab und zu ein paar Stromschläge und die Kranken parieren. Wie wäre es, stattdessen einen Stock zu nehmen? Es wird immer noch sehr angestrengt daran geforscht, wie die therapeutische Wirkung von ECT genau funktioniert. Ein Stock funktioniert viel zuverlässiger und wenn man nur auf den nackten Hintern schlägt, lassen sich Hirnschädigungen weitgehend ausschließen.

Man bot in der Mail an, auf persönlicher Ebene gerne weitere Fragen zu beantworten. Darauf verzichten wir!

Autor: BrunO für CSN

Englische Version im EMM Blog:

Gloss: Electric Shock, the Treatment of Choice for MCS

Fortsetzungsserie: „Dänisches MCS-Forschungscenter im internationalen Blickfeld“

Helmholtz: Asthma und Allergien beruhen vermutlich auf unterschiedlichen Entstehungsmechanismen

Unter Beteiligung von Wissenschaftlern der LMU und des Helmholtz Zentrums München hat ein internationales Forscherteam in einer Metastudie sechs Genorte auf unterschiedlichen Chromosomen identifiziert, die zur Entwicklung von Asthma bronchiale beitragen können. Die Studie zeigt, dass – anders als bislang vermutet – nur ein geringer Zusammenhang zwischen Asthma und Genvarianten besteht, die zu einer erhöhten Konzentration von Immunglobulin E (IgE) führen. Dies legt die Vermutung nahe, dass Asthma bronchiale und Allergien auf unterschiedlichen Mechanismen beruhen. (New England Journal of Medicine online, 23.09.2010)

In der vorliegenden Studie haben Wissenschaftler des Helmholtz Zentrums München sowie der LMU München in Zusammenarbeit mit Kollegen aus zahlreichen Ländern den Zusammenhang von Asthma und genetischen Anlagen untersucht. In diese Metastudie sind auch Daten des deutschen Studienzentrums Erfurt des Europäischen Surveys zu Atemwegserkrankungen bei Erwachsenen (ECRHS), des Helmholtz Zentrums Münchens sowie der Asthma-Studien an Kindern der LMU und weiterer Forschungsinstitute eingeflossen. Insgesamt wurden die genetischen Anlagen auf verschiedenen Chromosomen von über 26.000 Menschen untersucht. „Wir haben sechs Risikofaktoren für Asthma bronchiale gefunden“, sagt Dr. Joachim Heinrich vom Helmholtz Zentrum München. Diese Risikofaktoren sind Genvarianten, auch SNPs bzw. „Single Nucleotide Polymorphisms“ genannt.

Auffällig war der geringe Zusammenhang zwischen Asthma und Genvarianten nachweisen, die zu einer erhöhten Konzentration von Immunglobulin E (IgE) im Blut führen. Diese Daten weisen darauf hin, dass dem Asthma bronchiale und der allergischen Sensibilisierung unterschiedliche Mechanismen zugrunde liegen. „Diese Studie konnte aber auch zeigen, dass nur etwa 38 Prozent des bei Kindern auftretenden Asthmas mit diesen genetischen Varianten erklärt werden kann, was die zusätzliche Bedeutung der Umweltfaktoren indirekt hervorhebt“, sagt Prof. Dr. med. Erika von Mutius vom Dr. von Haunerschen Kinderspital der LMU München.

Weltweit leiden bis zu 100 Millionen Menschen an Asthma bronchiale, das durch genetische und umweltbedingte Faktoren verursacht wird. In den letzten beiden Dekaden ist die Zahl der Asthma-Patienten stark angestiegen: In manchen Regionen sind bis zu 35 Prozent der Bevölkerung betroffen, während nur etwa fünf bis zehn Prozent der Deutschen an Asthma erkrankt sind.

Lungenkrankheiten und damit auch Asthma sowie ihre genetischen und umweltbedingten Auslöser gehören zu den Forschungsschwerpunkten des Helmholtz Zentrums München. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das EU-Projekt GABRIEL, dessen Co-Koordinatorin die LMU-Forscherin Professor Erika von Mutius ist: Ziel der internationalen Zusammenarbeit ist die Identifizierung und Charakterisierung von genetischen und umweltbedingten Faktoren, die zur Entstehung eines Asthma bronchiale beitragen.

Literatur:

  • Helmholtz, Asthma und Allergien beruhen vermutlich auf unterschiedlichen Entstehungsmechanismen, München, 23.09.2010
  • Miriam F. Moffatt et.al, A GABRIEL consortium Large-Scale Genome-Wide Association Study of Asthma, New England Journal of Medicine online, September 23, 2010

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