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In Gedenken an Brigitte S.

Dieser Blog erscheint mit Absicht am Tag und zur Stunde der Trauerfeier. Er soll uns daran erinnern, dass das Leiden von Brigitte S. und ihr Tod nicht umsonst sein dürfen.

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Es beginnt

Brigitte arbeitete seit ihrer Lehre als Zahntechnikerin. Dabei hatte sie Kontakt mit einer Reihe von Stäuben, Metallen, Desinfektionsmitteln, Kunststoffen, Klebern, Lösungsmitteln u.v.m. Sie hatte keine Ahnung von den Gefahren ihres Berufs, wusste nichts über die Auswirkungen auf ihren Körper. Sie beobachtete psychische Veränderungen an ihren Arbeitskollegen, viele waren cholerisch. Aber sie erkannte den Zusammenhang zwischen der Arbeitsumgebung, der Arbeitsbelastung und dem Verhalten ihrer Kollegen nicht als krankheitsauslösend. „Beruflicher Stress“ war die gängige Erklärung.

Bis Ende 2003 zwang Brigitte sich zum Durchhalten im Job, dann zeigte ihr Körper sehr deutlich seine Grenzen: Gewichtsabnahme, Schmerzen am ganzen Körper, Tinnitus, Übelkeit, Schlaf- und Sehstörungen, Müdigkeit, Gedächtnisabfall und Desorientierung. Die Symptome traten nicht alle gleichzeitig auf. Immer mal eines, dann ein anderes. Ihr Körper veränderte sich, das spürte sie ganz deutlich.

Wie jeder Kranke ging Brigitte von Arzt zu Arzt: Hausarzt, Augenarzt, HNO, Internist… Sie bekam Einzeldiagnosen auf die Symptome und Medikamente. Nur wirksame Hilfe bekam sie nicht. Sprüche hörte sie häufiger: „So viele Allergien wie Sie kann kein einzelner Mensch haben.“ Kein Arzt durchschaute die Zusammenhänge, untersuchte mögliche Ursachen, nichts. Interdisziplinäre Konsultationen – was ist das denn?

Die Psychiatrisierung

Anfang 2004 begann das, was MCS-Kranke nur zu gut kennen: Erst eine ambulante psycho-therapeutische Behandlung, dann ein mehrmonatiger Klinikaufenthalt.

Für Brigitte muss die Zeit in der Klinik schwer gewesen sein. Stationäre Aufnahme bedeutete für sie: Keine Außenkontakte zum Ehemann oder Verwandten, nur am Wochenende Besuch, Medikamentengabe bar jeder Verträglichkeitsprüfung, Umnebelung, Ruhigstellung,…Wer aufmuckte, oder sich beschwerte, wer seiner Verzweiflung über die sich nicht ändernde Krankheitssymptome zum Ausdruck brachte, wer den Druck nicht aushielt, der wurde auffällig und machte sich unbeliebt. Die Medikamentengabe führte zu einer Sedierung, die Umnebelung nahm zu, Bauchkrämpfe traten auf, und einen klaren Gedanken fassen konnte sie nur selten.

Der Klinikaufenthalt hat schlussendlich an den zahlreichen körperlichen Symptomen nichts geändert. Brigitte wurde mit der gleichen Diagnose entlassen, mit der sie ihren Aufenthalt begann. Behandlungsvorschlag für die Zeit danach: „…vor allem Antidepressivabehandlung unbedingt sinnvoll, aktuell keine Rehaindikation, derzeit auch noch keine erhebliche Minderung der Erwerbstätigkeit.“

Auf sie wirkten kurze Zeit später die Worte eines Gutachtens wie Hohn. Zitat:

„… Sie erlebte die Klinikzeit wie einen Neubeginn des Lebens, wo sie wünschen und wollen darf, statt nur zu funktionieren und zu gehorchen. Ihre körperlichen Schmerzen begannen, sich in seelische Schmerzen zu verwandeln….“

Kann das wahr sein? Schmerzen bleiben Schmerzen, egal welche Ursache sie haben! Brigitte wurde aus medizinischer Sicht auf Zeit als arbeitsunfähig eingestuft. Andererseits schloss man eine Erwerbsminderung aus. Verstehe das, wer will.

Die wahre Diagnose: MCS

Im September 2004 besuchte Brigitte einen Qi Gong-Kurs. Voller Hoffnung hatte sie daran teilnehmen wollen, um etwas Ablenkung von ihren Sorgen und Schmerzen zu bekommen, um ihrem Körper etwas Gutes zu tun. Doch schon die Autofahrt dorthin, obwohl nicht sehr lang, machte ihr Schwierigkeiten. Im Laufe der Übungen traten vermehrt Schmerzen auf.

Durch eine andere Kursteilnehmerin mit MCS erfuhr Brigitte zum ersten Mal, dass ihre Krankheitssymptome auch ganz andere Ursachen haben könnten. Im Oktober 2004 besuchte sie zusammen mit ihrem Ehemann zum ersten Mal Dr. Binz in Trier. Im Februar 2005 lagen die kompletten Untersuchungsergebnisse vor:

„Schwere Neuropathie, schwere Myopathie, Ataxie, Hörminderung, Überempfindlichkeit gegenüber lauten Tönen, schwere Störung der Leistungen in der Psychometrie, schwere und vielfältige chemische Überempfindlichkeit, schwere Störung der Glukose-Utilisation im PET nach insgesamt 35 Jahren Arbeit als Zahntechnikerin.“ Mit anderen Worten: Brigittes Gehirn war auch noch schwer geschädigt. Und es war eine Erklärung für viele Beeinträchtigungen der Sinnesorgane.

Was dann?

Jetzt hatte Brigitte zwar eine exakte Diagnose, wusste, dass sie nie mehr arbeitsfähig sein würde und einen Rentenantrag stellen sollte – mehr aber nicht. Der Begriff „Expositionsvermeidung“ sagte ihr nicht viel. Noch schlimmer – sie bezog es auf die alte Arbeitsumgebung. Arbeiten konnte sie nicht mehr – also war alles gut. Auf die Idee, dass noch etwas anderes damit gemeint sein könnte, kam sie nicht. Die „Überprüfung der Lebensbereiche nach möglichen weiteren Auslösern“ ging in anderen, für sie wichtigeren Aktivitäten unter. Es gab und gibt keine Schulung, die Menschen mit dieser Diagnose auf ihre neuen Lebensumstände vorbereitet. Keine Stelle erklärte die Zusammenhänge, die notwendigen Veränderungen in der Lebensführung, und all das Notwendige zur Verbesserung der eigenen Situation.

Das Pragmatische – der Rentenantrag – wurde gestellt und führte zu neuen, seelischen Belastungen. Weil die Diagnose von Dr. Binz so nicht anerkannt wurde, musste Brigitte zur Begutachtung zum Medizinischen Dienst. Wie sie dort behandelt wurde, welche zum Teil dreisten und überflüssigen Fragen gestellt wurden, brachte sie fast zur Verzweiflung. Die Krönung: Ihrem Rentenantrag wurde Monate später nur aufgrund des Entlassungsberichtes aus der stationären psychotherapeutischen Behandlung stattgegeben. Mit der Diagnose MCS allein wäre der Antrag nicht bewilligt worden. Aber zu welchem Preis: Brigitte erlebte, dass sie als MCS-Kranke stigmatisiert und einmal mehr psychiatrisiert wurde.

Sie fühlte sich allein gelassen, ohne Unterstützung und Hilfe. Ein Neurologe vor Ort, den Sie wegen der langen Fahrt zu Dr. Binz als Alternative kontaktierten, zog alle Diagnosen in Zweifel und verdammte diese als Scharlatanerie. Als Höhepunkt bekam sie ein Rezept über Psychopharmaka in die Hand gedrückt.

Neue Umgebung

Zu diesem Zeitpunkt begannen sie und ihr Mann die Suche nach einem neuen Zuhause. Nach sechs Monaten Suche fanden sie eine aus ihrer Sicht geeignete Mietwohnung. Die mit der Wohnungssuche verbundenen Belastungen wie Besichtigungen, altes Haus ausmisten, Kartons packen, Kartons in die neue Wohnung fahren, neue Wohnung einrichten, altes Haus herrichten und verkaufen, all das für Nicht-Kranke Übliche, waren für Brigitte zu viel. Regenerationskuren folgten, aber nachhaltige Linderung brachten sie nicht.

Ein behandelnder Arzt stellte zu den vorhandenen Symptomen eine „Potenzierung der psychischen und toxischen Schäden“ fest. Dazu kamen diverse Nahrungsmittelunverträglichkeiten, weitere Minderung des Hörvermögens und der Durchhaltefähigkeit, Medikamentenunverträglichkeiten u.w.m.

Verschlimmerung

Brigittes Zustand in der neuen Wohnung verschlechterte sich kontinuierlich. Sie verstand nicht warum. Die neu eingerichteten Räume sahen gut aus: Parkett- und Linoleum-Böden, Flur, Küche und Bad gefliest. Vinyltapeten frisch gestrichen. Sie putzte die Wohnung, hielt alles in Ordnung. Sogar für einen Computerkurs fand Sie Zeit. Sie fing an, sich bei CSN und auf anderen Webseiten über MCS zu informieren, aber ihre geringe mentale Aufnahmefähigkeit verhinderte, dass sie verstand, was sie las. Sie konnte die Zusammenhänge nicht dauerhaft erkennen, manches wurde schlichtweg vergessen.

Nebenher unterstützten Brigitte und ihr Mann Bewohnerinnen des gegenüberliegenden Seniorenheimes. Sie lasen ihnen vor, unterhielten sich mit ihnen, gingen zusammen spazieren. Sie versuchten ein ihren Vorstellungen entsprechendes Leben zu führen, soweit Brigittes Krankheit es eben zuließ.

So merkte sie lange Zeit nicht, dass verschiedene Ausdünstungen zur Vernebelung des Geistes beitrugen. Sie ahnte nicht, dass die Weichspülerdüfte aus der gemeinsamen Waschküche ihr zusetzten. Sie wusste zwar, dass es Elektrosensibilität gibt. Sie sah die Sendemasten für Mobilfunk, maß ihnen aber zunächst keine Bedeutung bei. Später einmal wird Brigitte schreiben: „Ich habe die Krankheit lange nicht verstanden und jetzt im Schnelltempo erleben müssen, was es heißt.“

Der Zusammenbruch

Der örtliche Wasserversorger musste im Jahr 2008 seine Talsperre sanieren. Die Stadt, in der sie wohnte, stellte die Versorgung auf Grundwasserbrunnen um. Keime im Wasser führten dazu, dass das Trinkwasser gechlort abgegeben werden musste. Brigitte nutzte dieses Wasser täglich: Waschen, duschen, kochen, trinken.

Zudem war Brigitte mitten in die Einflugschneise des Köln-Bonner Flughafens gezogen. Tag und Nacht flogen die Flugzeuge über ihr Haus. Da der Flughafen über ein radargesteuertes automatisches Landesystem (ILS) verfügt, kam zum Funkverkehr und übermäßigem Lärm eine ständige Radarbelastung hinzu.

Im Herbst 2008 besuchten Brigitte und ihr Mann ein Konzert in Siegburg. Der Saal war voll, Besucherinnen trugen Parfüm, die Männer umwaberte Deogeruch. Das Konzert war großartig, mit einer Bühnenshow, die als Höhepunkt ein Lichtgewitter, Nebelschwaden und ein Minifeuerwerk vorsah. Mitten in diesem Höhepunkt musste Brigitte schlagartig den Saal verlassen. Sie konnte den Gestank, den Rauch, einfach alles nicht mehr auszuhalten!

In den nächsten Tagen und Wochen fühlte sich Brigitte einfach nur schlecht. Die Schlafstörungen nahmen zu, das Brennen im Körper, ihr Körpergewicht reduzierte sich. Alles tat weh. Ohnehin schon lärmempfindlich sorgte der Fluglärm für eine Kakophonie in Brigittes Ohren.

Nur ganz langsam konnte sie sich mit Hilfe ihrer Freundin, die ebenfalls MCS hatte, mit Abwehrmaßnahmen beschäftigen: Gegen die Weichspüler-Düfte wurde ein Untertürschutz angebracht. Das DECT-Telefon wurde zunächst gegen ein Eco-DECT-Telefon ausgetauscht, dann nochmals gegen ein ISDN-Tastentelefon. WLAN wurde komplett abgeschaltet und der Internetzugang per Kabel hergestellt; Energiesparbirnen gegen normale Glühlampen ausgewechselt. Doch Brigittes Zustand stabilisierte sich nicht. Sie spürte die Batterie in einer Armbanduhr. Außenkontakte wurden eingestellt. Nur die Freundin durfte sie noch besuchen, weil sie „nach nichts roch“.

Ihr Ehemann sah die Veränderungen, aber er verstand sie nicht. Im nagelneuen Auto konnte er Brigitte nicht mehr zu einem der wenigen, verständigen (!) Umweltärzten fahren, die es in Deutschland gibt und die vielleicht noch hätten helfen können.

Mitte 2009 wog Brigitte nur noch 46 Kilogramm. Die Symptome hatten Sie fest im Griff. Sie konnte sich nicht allein waschen, kam nicht in die Badewanne hinein, geschweige denn hinaus. Dazu die ständigen Schmerzen, die Hoffnungslosigkeit, jemals aus dieser Wohnung herauszukommen. Kein Fenster durfte mehr geöffnet werden, wenn Brigitte im Raum war, die Haustür nur ganz kurz für ein schnelles Raus/Rein. Jedes kleinste Geruchsmolekül wurde von Brigitte wahrgenommen, jedes elektrische Gerät. Die Atemschutzmaske war ihr ständiger Begleiter.

Silvia Müller telefoniert mit ihr, schickte Sauerstoff und Keramikmaske. Dazu weitere Ratschläge. CSN half! Kein Arzt, keine Krankenkasse, kein Nachbar, kein Angehöriger und schon gar keine andere Stelle.

Ganze Tage hat sie ihr Schlafzimmer nicht verlassen. Die Hypersensibilisierung nahm zu. Zwei neue Schränke rochen zu stark. Also raus mit den Schränken, Nachbarn aus dem Ort konnten sie gebrauchen.

Brigittes stellte ihre Nahrung um und zog einen Baubiologen hinzu: Er fand heraus, dass im Mietshaus ein DECT-Telefon 1000-fach (!!!) über dem Normwert strahlte. Die Wohnung lag im Mittelpunkt der Radarstrahlen. Die Fußböden aus Linoleum gasten ebenso aus wie die Vinyltapeten und der Kleber des Parketts. Die Katastrophe war perfekt. Wohin mit der total geschwächten Brigitte?

Erste Verlegung

Der Baubiologe empfahl ein Seminarhaus mit Netzfreischaltung in Hessen. Sofort wurde Kontakt aufgenommen, ein Doppelzimmer reserviert, sich nach der Netzfreischaltung erkundigt. Die Wartezeit bis ein Zimmer frei war, dauerte zu lange. Per Telefon setzte sie verzweifelt ihren Hilferuf ab: „Ich halte es hier nicht mehr aus! Holt mich dringend ab! Mit jedem Flugzeug zittert mein Körper und es hört nicht auf.“ Brigitte war schreiend vor Schmerzen zusammengebrochen. Was tun? Kurzfristig wurde sie zu ihrer Freundin gebracht, wo sie nur eine Nacht verbrachte. Die Wohnung war auch nicht perfekt, aber in Bezug auf den Elektrosmog besser und sie lag nicht mehr in der Einflugschneise. Laut war es immer noch.

Am 23. Mai startete die Verlegung nach Hessen. Alles sah nett aus. Das Haus von außen schön, das Zimmer innen einfach, sauber, für Nichtkranke keine übermäßigen Gerüche. Doch welch ein Schock! Es wurde gebaut. Ein Teil der Baustelle lag direkt unter dem Zimmer und das wurde bei der Reservierung nicht erwähnt. Für Brigitte war es zu laut, der Schulweg und die Waldschule in unmittelbarer Nähe, der Bauer mähte und fuhr mit dem Trecker dauernd hin und her. Brigitte kam nicht mehr aus dem Zimmer, der total geschwächte Körper ließ nur wenige Schritte zu. Das Essen war auch nicht richtig, die Angestellten rochen nach Parfüm,…Wiederholte sich die Katastrophe?

Zweite Verlegung

Mit einem Wort – Ja! Zwei Tage brauchte es, um für Brigitte einen neuen Aufenthaltsort zu finden. Es gibt in Thüringen einen Platz, an dem sich Elektrosensible aufhalten können. Kein Strom auf dem Zimmer, nicht auf der Etage, nur in den Servicebereichen des Hauses. Damit auch: Kein Radio, kein Fernsehen. Noch wichtiger: Kein Radar und in unmittelbarer Nähe keine Landwirtschaft. Mobilfunkverbot im Haus, keine großen Straßen, kein Fluglärm, ein Naturschutzgebiet.

27. Juni 2009: Zum Glück liegt der neue Ort nur eine knappe Autostunde entfernt. Wieder hoffte Brigitte, dass diesmal alles klappen würde. Aber tief drinnen hatte sie Zweifel, die sie ihrer Freundin im letzten Telefonat schilderte. Sie lebte mit einem immer schwächer werdenden Körper und der ständigen Zunahme der Empfindsamkeit.

Die letzten Tage

Jetzt war ihr Ehemann noch mehr gefordert. Kochen, einkaufen, sie nach draußen begleiten. Drei Wochen lang versuchte er alles für sie zu tun. Auf dem Zimmer lagen am ersten Tag kleine Seifenstückchen. Voller Verzweiflung forderte Brigitte, dass diese entfernt werden.

Dennoch hatte sie stundenlange Zitteranfälle, Sprach- und Schlafstörungen. Sie wurde gereizter und aggressiver. Brigitte war nicht mehr Herrin ihrer selbst. Vor allem nachts traten schreckliche Halluzinationen auf. Mehrfach konnte ihr Mann verhindern, dass sie sich aus dem Fenster stürzte.

Alle Mühen waren vergebens. Die Hypersensibilität schlug erbarmungslos zu.

Brigittes letzte Worte waren:

„Liebe Freundin!

Ich erleide Höllenqualen, ich bin verzweifelt, habe unendliche Schmerzen. Mein Körper richtet sich gegen sich selbst. Meine eigenen Berührungen lösen Schmerzen aus. […] jedes Geräusch bedeutet Schmerzen. Selbst wenn ich esse, habe ich Schmerzen.

Ich habe Heimweh wie verrückt, aber ich habe kein Zuhause mehr, ich weiß nicht einmal wohin. Ohne Maske kann ich nicht raus. In den Wald kann ich nicht, soweit kann ich nicht gehen.

[…] Ich kann mit niemanden sprechen, tut auch schon weh und alle haben irgendeinen Duft an sich.

Nachts läuft die Hölle auf Hochtouren. Panik! Dann stehe ich im Fensterrahmen und will springen. Ich kann nichts dagegen tun, es läuft automatisch ab. Zittern ohne Ende und Schmerzen. Schreien ins Kissen, weil ich es nicht mehr aushalten kann. […]“

Brigitte schied am 21. Juli 2009 gegen 11:00 Uhr aus dem Leben.

Autoren: Bea und Michael Muth für CSN – Chemical Sensitivity Network, 30. Juli 2009

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin: MCS – Multiple Chemical Sensitivity im Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“

Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat einen alphabethischen und einen systematischen Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ herausgegeben. Erstellt wurde der Thesaurus in langjähriger Zusammenarbeit von Dokumentaren, Bibliothekaren und Wissenschaftlern der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.

Die Erkrankung MCS – Multiple Chemical Sensitivity (ICD-10 T78.4) ist im Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ Alphabetischer Teil, Stand Mai 2009, folgendermaßen aufgeführt:

MCS Multiple=Multiple Chemical Sensitivity (B02.19.00)

Im systematischen Teil findet man MCS – Multiple Chemical Sensitivity in der Rubrik B02:

„Arbeitsbedingte Erkrankung und Berufskrankheit/ Krankheit“,

eingegliedert im Bereich:

  • * B02.19 Sonstige Erkrankung
  • * B02.19.00 Multiple Chemical Sensitivity

Das Chronic-Fatigue-Syndrom (CFS) ist analog eingegliedert.

MCS ist nicht als psychisch bedingte Krankheit eingeordnet

Um ggf. auftretende Zweifel auszuräumen, ist hervorzuheben, dass MCS – Multiple Chemical Sensitivity nicht dem Kapitel B02.15: Psychische Erkrankung, Depression, Neurose, Posttraumatische Belastungsstörung oder psycho-somatische Erkrankung zugeordnet ist.

Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“

Der Thesaurus bietet einen schnellen Überblick zu dem umfassenden Themenkomplex „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“. Er enthält ca. 3500 Hauptschlagwörter und ist die Zusammenführung der Schlagwörter aus den beiden bisherigen Thesauri „Arbeitsschutz“ und „Arbeitsmedizin“. Der Thesaurus basiert auf der praktischen Arbeit der Gruppe Bibliothek, Dokumentation bei der inhaltlichen Erschließung und Recherche von Fachliteratur. Er ist ein Hilfsmittel für die Dokumentation.

Gedacht ist der Thesaurus für alle, die Literatur zur Thematik „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ suchen. Er soll unterstützend zur Vorbereitung von Rechercheanfragen in der Datenbank LITDOK genutzt werden und kann für die Suche in anderen fachlich ähnlichen Datenbanken hilfreich sein.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 18. Juli 2009

Literatur:

Thesaurus „Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit“ Alphabetischer Teil, Systemischer Teil, Dortmund/Berlin/Dresden 2009

MCS-Patienten durch Gutachter in Erwerbsminderungsrentenverfahren systematisch ausgebootet

Gutachter in der Medizin oft abhängig

EU-Rentenantragsteller werden im Zuge ihrer laufenden Verfahren zu einem Gutachter geschickt, auf Grund dessen ärztlicher Beurteilung anschließend durch die Rentenversicherer entschieden wird, ob der Patient als erwerbsunfähig oder arbeitsfähig einzustufen ist.

Viele Gutachter tätigen fast ausschließlich Gutachten für Versicherungen und Rentenversicherungsträger, gelangen sozusagen in ein Abhängigkeitsverhältnis ihrer Auftraggeber. Dadurch, dass sie förmlich bei den Rententrägern und Versicherungen, Berufsgenossenschaften „angestellt“ sind, resultiert, dass die erforderliche und zu erwartende Objektivität, völlig auf der Strecke bleibt, wie MCS-Kranke immer wieder am eigenen Leib erfahren müssen. Zu dieser Erkenntnis kommen nicht nur die leidgeprüften schwerkranken Patienten, deren Anträge unter Missachtung der tatsächlichen Schwere ihres Gesundheitszustandes massenhafte Rentenablehnung finden – in Zeiten leerer Sozialkassen ist die Tendenz steigend – sondern es gelangen immer öfter Wortmeldungen von Ärzten in die Öffentlichkeit, die diese gravierenden Missstände im System bestätigen.

Der Bayrische Rundfunk strahlte gestern Abend in seiner Sendung Geld & Leben den Fernsehbeitrag von Jan Zimmermann „Krank und trotzdem abgelehnt. Keine Rente für Erwerbsunfähige“ aus.

Der im Film vorgestellte Hubert Kritzenberger arbeitete früher langjährig als Schreiner. Die Arbeit war mehr für ihn als nur ein Job. Doch von heute auf morgen wurde Hubert Kitzenberger schwer krank – Diagnose MCS / Multiple Chemical Sensitivity, eine schwerwiegende Umweltkrankheit. Sein Gesundheitszustand ermöglicht kein Arbeiten mehr, seine Gesundheitsbeschwerden wie Orientierungslosigkeit, Erschöpfung, starke Schmerzen, heftigste Reaktionen auf Lösungsmittel usw., hindern ihn daran einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Sein Antrag auf Erwerbsunfähigkeit wurde von den Gutachtern abgelehnt, diese erklärten ihn für arbeitsfähig, obwohl Hubert Kritzenberger bereits seit vielen Jahren arbeitsunfähig ist und Gegengutachten zu ganz anderen Ergebnissen gelangen.

Dr. Müller aus dem Allgäu, selbst Gutachter und Vorsitzender des Bundesverbandes Umweltmedizin, führt an, dass die beauftragten Gutachter in Renten- und BG-Verfahren nicht neutral sind:

„Die Gutachter sind nicht neutral. Sie sind daran interessiert, eine Meinung zu vertreten, die den Auftraggebern, in den meisten Fällen die Rentenversicherung oder Berufsgenossenschaft, gefällig ist. Nur dann werden sie die eigene wirtschaftliche Existenz sichern können und weitere Gutachten erhalten.“

„Die Mehrzahl der Gutachten wird von solchen Gutachtern erbracht, die nichts weiter tun, als Gutachten zu erstellen. Dadurch fehlt diesen Ärzten der praktische Umgang mit diesen Personen, sie haben auch nicht die Nähe zum wissenschaftlichen Fortgang. Die Aktualität fehlt und auch der Bezug zum Patienten.“

Somit werden MCS-Patienten und andere Umweltkranke zum Opfer wirtschaftlicher Interessen. Man nimmt ihnen die Existenz und raubt ihnen die Möglichkeit, als Umweltkranke wenigstens ein einigermaßen würdevolles und finanziell etwas abgesichertes Leben zu führen. Nicht einmal dringend erforderliche Medikamente und biologisch erzeugte Nahrungsmittel können sich auf Grund Hartz IV leisten. Stattdessen treibt man diese früher im Arbeitsleben voll integrierte Patientengruppe in den finanziellen und sozialen Ruin.

Autor: Maria, CSN – Chemical Sensitivity Network, 14. Juli, 2009

Weitere interessante Artikel zum Thema:

Ärzteinformation zu MCS, CFS, FMS, EMS und TE zum Weitergeben

Der ICD-10 ist für Ärzte rechtlich verbindlich

MCS – Multiple Chemical Sensitivity, wie auch TE – Toxische Enzephalopathie und CFS – Chronic Fatique Syndrome, sind seit Ende der 80er Jahre wissenschaftlich anerkannt, und zwar als schwere organische Erkrankungen. Dies lässt sich zweifelsfrei durch die Internationalen Diagnoseklassifikationen der WHO (ICD-10) beweisen. Für Ärzte sind die damit verbundenen Diagnosecodes verbindlich. Für die Juristen auch, denn sie stellen den „anerkannten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis“ dar und sind damit verbindlich für jeden Gutachter. Gutachter, die sich nicht daran halten, können somit nicht nur wissenschaftlich, sondern auch juristisch erfolgreich attackiert werden.

Weil dem so ist und das – in Deutschland – keiner weiß, hat der „Workshop Anerkennungsverfahren“ das Informationsblatt „Ärzteinformation“ für die Betroffenen ausgearbeitet, um etwas an die Hand zu geben, dass keiner bestreiten kann.

Dr. Tino Merz, Sachverständiger in Umweltfragen, 29. Juni 2009

Download des Infoblattes >>> Ärzteinformation

Anm: Die Ärzteinformation kann bei CSN – Chemical Sensitivity Network gegen einen mit 1.45€ frankierten, mit Adresse versehenen Din A5 Rückumschlag angefordert werden. Es werden jeweils 5 Ärzteinformationen pro Person auf speziellem festem Papier gedruckt kostenlos bereitgehalten.

Schwimmen kann für die Atemwege zum Reizfaktor werden

Schwimmen im Hallenbad kann gesundheitsschädlich sein

Regelmäßige körperliche Betätigung ist dafür bekannt, die Gesundheit effektiv und nachhaltig zu fördern. Unter den zahlreichen Aktivitäten, die angeboten werden, wird Schwimmen von einem Großteil der Bevölkerung bevorzugt. Vor allem Kinder sind kaum aus dem Schwimmbecken zu bekommen. Obwohl Schwimmen eigentlich für die gesamte Gesundheit nützlich ist, so zeigen medizinische Studien und Auswertungen in jüngster Zeit, dass diese körperliche Betätigung manchmal auch nachteilige Auswirkungen auf die Gesundheit und insbesondere auf das Atmungssystem hat. Gesundheitsbeschwerden werden ganz besonders durch Schwimmen in Hallenbädern ausgelöst.

Reizfaktor Chemikalien im Schwimmbad

Grund für Reizungen der Atemwege können, laut Wissenschaftler von der Universität Quebec, Chemikalien sein, die sich durch Wechselwirkungen von Chlor und mit organischem Material bilden und sich irritativ auf die Atemwege auswirken. Diese Problematik kann insbesondere bei Kindern, Bademeistern und Leistungsschwimmern Symptome der unteren Atemwege zur Folge haben. Das Auftreten von Allergien, Rhinitis, Asthma und hyperreaktivem Atmungssystem ist demzufolge bei Eliteschwimmern auffallend häufiger anzutreffen als bei der normalen Durchschnittsbevölkerung. Der Zusammenhang könnte sowohl aus Schädigung des Epithels der Atemwege resultieren als auch verstärkter nasaler und pulmonaler Durchlässigkeit, die durch den Kontakt mit Abbauprodukten des Chlors in Hallenbädern verursacht sind. Vor allem dann, wenn Entzündungen der Atemwege und Renovierungsarbeiten im Schwimmbad aufeinander treffen.

Behandlung erst ansatzweise vorhanden

Wissenschaftler aus Quebec halten weitere Studien für notwendig, um die Mechanismen für das Entstehen und die Verschlechterung von Atemwegsbeschwerden bei Freizeit- und Leistungsschwimmern besser zu verstehen. Sie gaben ihrem Wunsch nach weiterer Forschung Nachdruck, indem sie darauf hinwiesen, dass sich daraus optimierte Behandlungen entwickeln ließe und bei Betroffenen möglicherweise das Entstehen von Asthma verhindert werden kann.

Naturbad, See oder Meer statt Hallenbad

Um die Gesundheit zu stärken, muss man trotzdem nicht aufs Schwimmen verzichten. Die Nutzung von Naturbädern, Baden in Seen und im Meer ist eine Alternative, die keine Risiken durch Chlorabbauprodukte und andere Schwimmbadchemikalien birgt und sicherlich noch mehr Spaß macht.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 7. Juni 2009

Literatur:

Bougault V, Turmel J, Levesque B, Boulet LP, The respiratory health of swimmers, Centre de Recherche de l’Institut Universitaire de Cardiologie et de Pneumologie de Québec, Québec, Canada, Sports Med. 2009;39(4):295-312.

Neuer CSN Blog online – Environmental Medicine Matters

Environmental Medicine Matters

Umweltmedizin ist zukünftig eine der wichtigsten medizinischen Fachrichtungen, denn sie schließt eine Lücke dort, wo die Medizin mit herkömmlichem Verständnis nicht weiterkommt. Die Einflüsse auf den Menschen vor allem durch Chemikalien in der Luft, die wir atmen, dem Wasser, das wir trinken, der Nahrung, die wir essen, und in den Produkten, mit denen wir uns im Alltag umgeben, wachsen stetig. Der Anstieg von Krankheiten, die durch Chemikalien ausgelöst werden, nimmt weltweit dramatische Formen an. Im Gegenzug beginnen eine steig wachsende Zahl von Wissenschaftlern sich der Erforschung dieser Krankheiten, ihrer Ursachen und Zusammenhänge zu widmen.

Mit dem CSN Blog Environmental Medicine Matters möchten wir über Studien, Fakten, neueste Diagnosemethoden und Wissenswertes, das sonst noch mit dem Themengebiet Umweltmedizin in Zusammenhang steht informieren. Der Blog richtet sich in erster Linie an Fachleser, insbesondere Ärzte. Environmental Medicine Matters ist in englischer Sprache abgefasst, um CSN die Möglichkeit zu geben, auf internationaler Ebene besser agieren zu können.

Wir wünschen allen Interessierten spannende Lektüre,

Silvia K. Müller

CSN – Chemical Sensitivity Network

Krank ohne Grund? Schadstoffe als Krankheitsauslöser

Ständig krank

Ständig krank – aber eine Ursache ist nicht zu finden. Diesem Problem stehen täglich viele Millionen Menschen gegenüber. Kopfschmerz, Schwindel, Übelkeit, Migräne, Zittern, Herzrasen, chronische Schmerzen, Müdigkeit, Erschöpfung, Schlafstörungen, Krämpfe, grippeähnliche Symptome und Dauererkältung….. Die Liste unspezifischer Beschwerden ist lang. Auch psychische Beschwerden wie Depressionen oder Ängste können dazukommen. Die Liste möglicher Ursachen ist mindestens genauso lang wie die Liste unspezifischer Beschwerden. Deshalb ist eine gründliche ärztliche Untersuchung bei chronischen Beschwerden natürlich unverzichtbar.

Was unternehmen, wenn sich keine Ursachen finden lassen?

Es macht es Sinn, einen Blick ins Wohn- und Arbeitsumfeld sowie auf die Ernährung zu werfen. In vielen, wenn auch nicht allen Fällen lassen sich die Beschwerden auf unverträgliche Stoffe zurückführen. Allergien und Unverträglichkeiten bleiben oft jahrelang unentdeckt. Alltagschemikalien, geringe Konzentrationen von Schadstoffen lösen bei manchen Menschen schon direkt Beschwerden aus. Gut, wenn Sie diese Auslöser früh finden und meiden, dann ersparen Sie sich viele unnötige Leidenstage. Lesen Sie also weiter!

Die Reaktion auf Alltagschemikalien bezeichnet man als Chemikalien Sensitivität (MCS, englisch Multiple Chemical Sensitivity). Im Extremfall reagieren die Patienten auf geringste Dosen chemischer Stoffe wie z.B. das Parfüm eines Mitmenschen mit schwersten Symptomen bis hin zur Bewusstlosigkeit oder mit einer grippeähnlichen Symptomatik, die tagelang ins Bett zwingt. Allerdings zeigen sich die Reaktionen meist nicht so drastisch. Typisch ist eher, dass die Patienten Jahre oder Jahrzehnte stumm vor sich hin leiden, mit Kopfschmerz, Schwindel, neurologischen Beschwerden, Dauererkältung und so weiter.

Auslöser sind überall, also Augen auf

Forscher aus den USA gehen davon aus, dass 15-30% der Bevölkerung leicht von Chemikaliensensitivität betroffen sind. Meist bemerkt der Betroffene selbst den Zusammenhang von Chemikalien und Beschwerden nicht, denn die Auslöser sind überall vorhanden: Lösemittel aus Bodenklebern, Duftstoffe in nahezu allen Kosmetika und Putzmitteln… Die Liste ist endlos. Ständige leichte Beschwerden sind die Folge, dazu kommt in vielen Fällen, dass man bestimmte Dinge nicht riechen kann. Denken Sie nach: ein bestimmtes Parfüm, Dieselabgase…

Stecken Sie nun bloß nicht den Kopf in den Sand und sagen „Ich kann doch nichts dagegen tun“. Sie können nämlich auch im Rahmen ihres normalen Alltags sehr viel tun, gerade wenn Sie nur leicht betroffen sind. Es geht darum, die Störenfriede im Alltag zu minimieren. Das lohnt sich! Denn wenn Sie jetzt häufig unter leichten bis mittelschweren Kopfschmerzen leiden, die zum Beispiel durch Duftstoffe ausgelöst werden, sind Sie potenziell gefährdeter, eine ausgeprägte MCS-Erkrankung zu entwickeln.

Ignorieren führt zu schlechter Prognose

Schwer MCS-Erkrankte können in vielen Fällen kaum mehr das Haus verlassen, sind auf eine schadstofffreie Wohnung, teuerste Luftreiniger und Wasserfilter angewiesen und entwickeln oft zusätzlich Lebensmittelunverträglichkeiten. MCS kann also von einer minimalen Einschränkung zur Schwerstbehinderung werden. 13,7% der Chemikaliensensiblen, mit denen hier die 30% gemeint sind, werden aufgrund der Erkrankung arbeitslos. Armut und soziale Isolation kommen dann noch zur Krankheit hinzu. Treffen kann es wirklich jeden, es gibt keinen, dessen Risiko null wäre.

Vorbeugen ist besser

Doch Sie können vorbeugen, indem Sie den Kontakt mit Chemikalien minimieren. Viele Kontakte mit Alltagschemikalien sind unnötig. Außerdem reagieren viele Betroffene erst mal nur auf bestimmte Chemikalien. Sie können keinen Gummi riechen? Dann versuchen Sie, dieser einen Sache aus dem Weg zu gehen. Allem kann man leider nicht aus dem Weg gehen. Doch welche Produkte Sie für Körperpflege und Haushalt nutzen, bestimmen Sie. Wer duftstofffreie Produkte für Allergiker benutzt, erfährt vielleicht eine deutliche Verbesserung der Beschwerden. Es gibt Körperpflege- und Waschmittel duftstofffrei, im Bioladen auch chemie- und duftfreie Putzmittel. Achtung, ätherische Öle können genauso unverträglich sein wie künstliche Duftstoffe, wenn man darauf reagiert.

Immer der Nase nach

Achten Sie beim Einkauf auf Qualität. Oft lohnt es sich, nicht dem Preisschild Motto „Nur teuer ist besser“, sondern der Nase nach zu gehen. Strömt ein neues T-Shirt einen penetranten Geruch aus, wurde wahrscheinlich etwas eingesetzt, das weder für die, die es produziert haben, noch für Sie, die es tragen wollen, gesund ist. Achten Sie einfach etwas darauf, egal ob bei Kleidung, Bett oder Bodenbelag. Wer Gebrauchtwagen kauft, kann davon ausgehen, dass deutlich weniger Schadstoffe im Innenraum sind als beim Neuwagen, denn nach einigen Jahren haben sich viele der Chemikalien bereits verflüchtigt, das Auto hat „ausgemüffelt“.

Abhilfe oder Ausgleich?

Viel Kontakt mit Chemikalien findet im Beruf statt. Denken Sie mal an Drucker oder Maler (Farben mit Lösemitteln), aber auch an die Angestellten in einem Großraumbüro, wo sich die Ausdünstungen von fünfzig Computern, des Teppichbodens und der Parfüms der Personen hinter den Bildschirmen auf engstem Raum stauen – schlechte Luft vorprogrammiert. Was tun? Sind Sie nur leicht sensibel, so sagen Sie sich, Sie bleiben da 8 Stunden, und in ihrem Umfeld zu Hause achten Sie dafür besonders auf eine schadstoffarme Umgebung. Damit vermeiden Sie zusätzliche Risikofaktoren für Ihre Gesundheit. Gehen Sie möglichst viel an die frische Luft, und trinken Sie viel Wasser. Ob Sie an einem Arbeitsplatz gar nicht bleiben können und daher nach etwas anderem suchen, können nur Sie entscheiden.

Nahrungsmittel unter die Lupe nehmen

Neben den eingeatmeten Chemikalien essen wir auch viele Chemikalien. Pestizidbelastung ist an der Tagesordnung. Versuchen Sie, möglichst viel auf Bio zu setzten. Doch neben dem Problem mit giftigen Pflanzenschutzmitteln, Aromen und Konservierungsstoffen, denen man am Besten aus dem Weg geht, in dem man Selbstmachen dem „Dosenfutter“ vorzieht, gibt es oft noch konkrete Lebensmittelunverträglichkeiten. Sie leiden seit Jahren unter chronischen Beschwerden ohne spezielle Ursache? Suchen Sie danach, ob es vielleicht ein bestimmtes Lebensmittel ist. Versuchen Sie, auf die Aromen und die mit E-Nummern deklarierten Stoffe möglichst viel zu verzichten, und testen Sie aus, wie Sie sich ohne bestimmte Nahrungsmittel fühlen. Allergietest können beim Arzt gemacht werden. Aber – es gibt nicht nur Allergien. Unverträglichkeiten deckt ein Test nicht auf. Besonders potenter Auslöser unspezifischer Symptome sind Milchprodukte, die nach Schätzungen von Experten 20% der Bevölkerung im Stoffwechsel nicht richtig verarbeiten können (Laktose-Intoleranz, Laktose ist der Milchzucker, ein Stoff in Milchprodukten).

Vorbeugen lohnt

Sie können also viel tun, um Chemikaliensensitivität vorzubeugen, beziehungsweise mit einer leichteren Form zu leben, ohne schwer krank zu werden. Das lohnt sich, denn bisher gibt es keine Heilung für MCS, nur das Vermeiden der unverträglichen Substanzen. Die Ursachen für MCS sind nicht eindeutig bekannt, auch wenn es viele Theorieansätze gibt und gerade in den USA und in Kanada intensiv geforscht wird. Sie wollen Zahlen und Fakten sehen? Kanada hat einmal die wirtschaftlichen Folgen von MCS innerhalb des Landes zusammengezählt:

Chemikalien-Sensitivität kostet pro Jahr ca. 10 Milliarden Dollar an Produktivitätsverlust, 1 Milliarde Dollar an Steuerverlust und 1 Milliarde Dollar an vermeidbaren Kosten im Gesundheitssystem.

Environmental Illness Society of Canada, Socio-Economic Study of MCS, 2001

Mithelfen Krankheit und Leiden zu vermeiden

Denken Sie daran, wie viel Krankheit und Leid hinter diesen trockenen Zahlen steckt. Allerdings könne auch Sie dazu beitragen, Chemikaliensensiblen das Leben zu erleichtern. Das Einfachste ist es, nicht als „Duftbombe“ durch die Welt zu gehen und damit Chemikaliensensiblen und Duftstoffallergikern das Leben schwer zu machen, während Sie damit der Umwelt und sich selbst schaden.

Viele Informationen zu MCS, zu den Auslösern, den Folgen und der Diagnostik finden Sie im CSN-Flyer, der kompakt auf zwei Seiten alle wichtigen Informationen zu MCS zusammenfasst. Einfach klicken – der Flyer wird als PDF aufgerufen:

MCS Infoflyer

Wenn Sie helfen möchten, schicken Sie den Link zu diesem Blog auch Anderen, von denen Sie wissen, dass sie ständig unter Symptomen leiden, gegen die der Arzt nichts tun kann, oder geben Sie einfach den Flyer weiter.

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Autor: Amalie, CSN – Chemical Sensitivity Network, 20. Mai 2009

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Forschung für Biomarker toxisch bedingter Gesundheitsschäden kurz vor dem Durchbruch

flugzeug-wolken

In den letzen Jahren wurde häufiger darüber berichtet, dass Piloten und Flugpersonal gesundheitlich durch toxische Kabinenluft in den Flugzeugen krank wurden. Jetzt ist ein amerikanischer Wissenschaftler kurz davor, mittels Blutmarker den Nachweis erbringen zu können, dass die neurologische Schädigung des Flugpersonals auf die neurotoxischen Organophosphatdämpfe aus dem Maschinenöl zurückzuführen ist. Der letztendliche Durchbruch wird für Anfang 2010 erwartet. Weitere Wissenschaftler stehen ebenfalls vor dem finalen Nachweis. Letztendlich wird es nach deren Dafürhalten möglich sein, sogar die Zeitspanne und das Datum einer Exposition abzuschätzen.

Chemikalien-Sensitivität durch Organophosphate

Professor Clement Furlong, University of Washington Abteilung Genetik und Medizin, forscht bereits seit Jahren über die individuelle Sensitivität gegenüber Organophosphaten. Das als Flammschutzmittel eingesetzte Organophosphat TCP wird u. a. dem Maschinenöl von Flugzeugen beigefügt und dampft in das Kabineninnere aus, wenn Motoren und Instrumente durch den Betrieb warm werden. Je nach Sensitivität erleiden Flugpersonal und Passagiere hierdurch neurologische Schäden.

Wissenschaftlicher Nachweis in Sicht

Einer der herkömmlichen Wege, um den Nachweis einer Exposition zu erbringen, ist es, die Metaboliten im Urin messen. Bei Organophosphaten wird dies durch das Vorhandensein von Diethyl- oder Dimethyl Phosphat nachgewiesen. Diese Analytik liefert jedoch keine Information über das spezifische Pestizid, dem eine Person ausgesetzt war. In der Praxis sehr erschwerend ist auch die Tatsache, dass Metaboliten generell nur wenige Tage nach der Exposition nachweisbar sind. Seit ein paar Jahren sind Wissenschaftler jedoch dabei, einen retrospektiven Nachweis zu erbringen.

Polhuijs et al berichtete hierzu 1997 über eine Möglichkeit, die er und seine Kollegen gefunden hatten, um im Nachhinein bestimmte Zielproteine selbst noch Monate nach der Exposition im Plasma entdecken zu können. Peeples et al identifizierten Albumin und die ES1 Carboxylesterase als Hauptziel für Organophosphate bei Mäusen. Bei Menschen ist die Carboxylesterase jedoch kein nützlicher Biomarker, weil sie im menschlichen Blut fehlt. Es gibt laut Furlong jedoch andere Esterasen, die bei neuerer Forschung darlegten, dass sie als Marker geeignet sind. Das Plasmaprotein Albumin, das durch eine Substanz bei Exposition verändert wird, erscheint für Professor Furlong und einige andere Wissenschaftler hingegen noch passender und sensitiver. Es könnte sogar möglich sein, durch Analyse modifizierter Plasmaproteine die Zeitspanne und das Datum der Exposition abzuschätzen.

Auch das polymorphe Protein PON1 ist wichtig bei der Modulierung einer Exposition gegenüber Organophosphaten, wie Forschungsergebnisse bereits belegten, denn es liefert Erkenntnisse über eine differenzierte Sensitivität gegenüber TCP.

Piloten und Flugpersonal hoffen

In der vergangenen Woche fand ein Meeting der Global Cabin Air Quality Executive (GCAQE) statt, einer Organisation, die sich für bessere Luftqualität in Flugzeugen einsetzt. Die Veranstaltungsleitung hatte von Furlongs Forschung und dem kurz bevorstehenden Durchbruch für einen Biomarker gehört. Der Vorstand von GCAQE schlussfolgerte, dass die Flugtransportindustrie radikale Veränderungen wird einbringen müsse, um mit den Fällen von Gesundheitsschäden, die durch kontaminierte Luft in den Flugzeugkabinen eingetreten sind, klarzukommen.

Die Biomarker, die Professor Furlong im Blut von Flugzeugcrews und bei Passagieren studiert, werden letztendlich den wissenschaftlichen Zusammenhang erbringen, dass die neurologischen Gesundheitsschäden dieser Menschen nach einem Flug von der mit Chemikalien kontaminierten Kabinenluft herrühren.

Raffinesse wird nicht ewig vor Regress schützen

Bisher hat die Flugindustrie nicht bestritten, dass Organophoshate neurologische Schädigungen auslösen können, allerdings war es dem Industriezweig bisher erfolgreich gelungen abzustreiten, dass die jeweiligen Symptome, über die Passagiere und Flugpersonal klagten, durch die Kabinenluft eingetreten sind. Um dem ein Ende zu bereiten, hatte das norwegische Institut für Gesundheit Flugzeugcrews mit mobilen Prüfgeräten ausgerüstet. Diese Prüfgeräte können von Flugpersonal zur Beweisführung für eine Zeitspanne von 30 Minuten aktiviert wenn, wenn sie eine Kontaminierung bemerken.

Wissenschafter erfassen Zusammenhänge

Die Biomarker, die Professor Furlong erforscht und die noch mit einer weiteren Studie bestätigt werden müssen, werden auch für MCS Kranke von Relevanz sein, sofern sie durch Organophosphate erkrankten. Weitere Wissenschaftler beschäftigen sich mit der Thematik. Unter anderem Professor Mohamed Abou-Donia von der renommierten Duke University. Er forscht seit vielen Jahren über das Golfkriegs-Syndrom. Abou-Donia erläuterte gegenüber Flightglobal, dass Flugpersonal immer wieder mit MS – Multipler Sklerose fehldiagonstiziert würde, weil die Symptomatik sich ähnelt.

Professor Malcolm Hooper von der Sunderland University in England legte aktuell gegenüber Flightglobal dar, dass MCS – Multiple Chemical Sensitivity das menschliche Nervensystem beeinträchtige, was vom Golfkriegs-Syndrom her sehr gut bekannt sei. MCS sei jedoch noch weitaus komplexer, als die Summe der Auswirkungen einzelner Chemikalien.

Prof. Robert Haley, Leiter des Bereiches Epidemiologie an der UT Southwestern Dallas, veröffentlichte in der Märzausgabe des medizinischen Fachjournals „Psychiatry Research“ eine Forschungsarbeit, bei der Tests vorgestellt wurden, die Areale im Gehirn dokumentieren, die Verletzungen aufzeigen, die durch Pestizide verursacht wurden. Die kürzlich veröffentlichten aktuellen Resultate des Golfkriegs-Syndrom Forschers waren positiv.

Durchbruch in greifbarer Nähe

Lange wird der wissenschaftliche Durchbruch hinsichtlich relevanter Biomarker nicht mehr auf sich warten lassen. Forschung verschiedener Wissenschaftler steht kurz vor dem wissenschaftlichen Durchbruch und wird die Beweisführung liefern, auf die Erkrankte schon lange warten. Die Australische Behörde für zivile Flugsicherung rechnet für Anfang 2010 damit, dass ein Expertengremium die endgültigen wissenschaftlichen Zusammenhänge liefert.

Autor: Silvia K. Müller, CSN – Chemical Sensitivity Network, 2. Mai 2009

Literatur:

  1. David Learmount, US researcher nears cabin contamination blood marker breakthrough, Flight International, 01.05. 2009
  2. Furlong, CE, Cole, TB, Richter, RJ, Yee, NK, Costa, LG, MacCoss, MJ, BIOMARKERS FOR EXPOSURE AND OF SENSITIVITY TO ORGANOPHOSPHORUS(OP)COMPOUNDS,Proceedings of the Contaminated Air Protection Conference : Proceedings of a Conference, held at Imperial College,London, 20-21 April 2005, Winder, C., editor, University of New South Wales, Sydney, 2005.
  3. Degenhardt, C.E.A.M., Pleijsier, K., van der Schans. M.J., Landenberg, J.P., Preston, K.E., Solano, M.I., Maggio, V.L., Barr, J.R. Improvements of the fluoride reactivation method for the verification of nerve agent exposure. Journal of Analytical Toxicology 2004, 28: 364-371.
  4. Polhuijs, M., Landenberg, J.P, Benschop, H.P. New method for retrospective detection of exposure to organophosphorus anticholinesterases: application to alleged sarin victims of Japanese terrorists. Toxicology and Applied Pharmacology 1997, 146: 156-161.
  5. Peeples, E.S., Schopfer, L.M., Duysen, E.G., Spaulding, R., Voelker, T., Thompson,C.M., Lockridge, O. Albumin, a new biomarker of organophosphorus toxicant exposure, identified by mass spectrometry. Toxicological Sciences 2005, 83: 303-312.
  6. Abou-Donia, M.B. Organophosphorus ester-induced chronic neurotoxicity. Archives of Environmental Health 2003, 58: 484-497.
  7. Robert Haley, Gulf War veterans display abnormal brain response to specific chemicals, Press Release UT Southwestern, March 20, 2009
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