„… und so fordern wir im Interesse der deutschen und europäischen Volkswirtschaft unsere lieben Bürgerinnen und Bürger auf, auch künftig nur an solchen Kranheiten zu erkranken, die unserer Volkswirtschaft durch die Erhöhung des Bruttosozialproduktes dienlich sind. Krankheiten oder Erkrankungen etwa, die einen hohen Verbrauch an pharmazeutischen Produkten, an medizinisch technischen Hilfsmittel, an orthopädischen Material, einschließlich von Prothesen und von Hygieneartikel nach sich ziehen, solche Krankheiten sind uns willkommen, vor allem wenn sie kurz vor und nach Erreichen des Rentenalters eintreten.
„Krankheiten“ aber, die in erster Linie auf einem Konsumverzicht im Allgemeinen und auf den Verzicht von auf Erdöl oder Kohle basierenden Produkten, auf den Verzicht von konventionell hergestellten Lebensmitteln und deren industriellen Veredlung, auf den Verzicht von schulmedizinischen Behandlungsmethoden und von pharmazeutischen Produkten im Besonderen hinauslaufen, sowie auf einer dauerhaften „Schongang-Lebensweise“ beruhen, solche „Krankheiten“ sind für die Volkswirtschaft natürlich schädlich und müssen daher weiter ignoriert werden. Im Gesundheitswesen soll das weiterhin durch die bewährte Methode der Psychiatrisierung und Bagatellisierung geschehen, die Behörden wenden das Ignorieren und Einfordern von schulmedizinischen erstellten Gutachten an (die dabei ihrerseits natürlich die eben genannten Prinzipien im Gesundheitswesen anwenden) und die einfache Bevölkerung muss sich aus patriotischen Gründen motiviert fühlen, weiterhin solche „Krankheiten“ als Macken und dergleichen anzusehen. Diese „Kranken“ nerven ohnehin nur ihre eigene Familienangehörigen und die anderen Menschen. Es ist nicht hinnehmbar, dass ein etwaiges Umsichgreifen von solchen – nach meiner Einschätzung – psychischen Beschwerden, die westliche, freiheitliche, auf ständiges Wachstum und Konsum ausgerichtete Lebensweise gefährdet.“
Der/die Bundeskanzler/in wird gefragt, ob sie eine parlamentarische Zwischenfrage erlaube. Er/sie bejaht.
„Sehr geehrte/r Frau/Herr Bundeskanzler/rin, das Bienensterben und Sterben anderer, Blüten bestäubender Insekten, in Amerika und Europa haben verheerende Ausmaße angenommen. Weltweit sind Amphibien durch aggressive Pilze vom Aussterben bedroht. Kann es nicht sein, dass diese Insekten und Amphibien ebenfalls an Umweltkrankheiten leiden, wie die von ihnen angesprochene zweite Personen-gruppe?“
„Herr Abgeordneter! Ich habe keine zweite Patientengruppe angesprochen, sondern einen Unterschied gemacht, zwischen echten und vermeintlichen Krankheiten. Meinen sie im ernst,
Bienen und Amphibien können an vermeintlichen Krankheiten erkranken?“ (Sowohl Gelächter als auch Buhrufe im Plenarsaal)
Zwischenruf: “ Aber sie sind doch krank!“
Empörte Reaktion der/des Kanzlerin/Kanzlers: „Das verbiete ich mir. Ich bin nicht krank!“
„Die Bienen und Frösche!“ (Korrigierender Zwischenruf)
„Meine Damen und Herren, wir kommen vom Thema ab.“
Der/die Kanzler/in wird erneut gefragt, ob sie eine weitere Zwischenfrage gestattet, was er/sie – allerdings etwas gereizt – bejahte.
„Sehr geehrte Frau/Herr Bundeskanzler/in, als deutscher, europäischer Bürger, der abendländischen Kultur verpflichtet, möchte an den Aussagen des Buches der Bücher erinnern, wo es im Buch
Jesaja sinngemäß heißt, dass jeder sein eigenes Haus bauen und bewohnen, jeder unter seinem eigenen Weinstock sitzen würde usw.. Gäbe es insgesamt nicht bedeutend weniger Krankheiten –
vor allem umweltbedingte – wenn wir nach solchen Prinzipien leben würden, anstatt – wie es seit hunderten Jahren der Fall ist – dass man entweder vorwiegend für andere arbeitet oder überhaupt nicht, weil…“
„Genug“, unterbricht die/der Kanzler/in den Fragesteller sichtlich erregt. „Was soll dieses Steinzeit oder Aussteiger Gefasel?“
„Das ist kein Gefasel. Für die einen ist es eine biblische Hoffnung und für andere wenigstens eine ökologische Alternative.“
„Ach so. Dann können wir also die Hochhäuser, Banken, Industrieanlagen, die Großstädte plattmachen und die Autobahnen abschaffen? Auf was soll denn das bitte schön hinauslaufen?“
„Die Bienen könnten sich erholen!“ (Zwischenruf)
„Ach hören sie mir mit den Bienen auf!“
„… und die Menschen wären gesund!“ (Zwischenruf)
„Ach hören sie mir mit den Menschen auf!“
Die/der Bundeskanzler/in wacht schweißgebadet auf.
„Du Schatz, ich hatte einen furchtbaren Albtraum! Ich wollte vor dem Bundestag das mit den echten und vermeintlichen Krankheiten endlich klären und ehe ich mich versah, bin ich bei den Bienen und Umweltfragen gelandet. Sag mal, gibt es das Bienensterben wirklich?“
„Aber Schatz – dein Traum hinkt den Ereignissen hinterher. Die Bienen sind doch schon so gut wie ausgestorben!“
„Was?! Das ist ja furchtbar. Dann stimmt das also wirklich?“
„Aber warum denn? Es werden doch schon längst robuste Roboterbienen eingesetzt, unterstützt durch chemische Befruchtungsverstärker.“
„Chemische Befruchtungsverstärker? Chemische?“
“ Na und? Hast du plötzlich was gegen die Chemie? Die Grenzwerte die ein Mensch im Verlaufe seines Lebens von diesen Stoffen abkriegen darf, liegen immerhin bei…“
„Ist ja gut, aber ist das denn gesund?“
„Was heißt gesund? Eine Minderheit von 20 bis 30 Prozent reagiert etwas, hat Atemnot, Herzrasen, Blutdruckanstieg, Verdauungsstörungen, Gedächtnisausfällle, Gliederschmerzen, Bewusstseinsstörungen, Depressionen …“
„Ist ja gut, verstehe schon. Das sind ja doch wieder nur solche angeblich umwelt-bedingten Störungen. Dann sind diese Verstärker ja in Ordnung.“
Die/der Bundeskanzler/in beißt genussvoll in das Frühstücksbrötchen und verzieht angewidert das Gesicht:
„Was ist das denn für ein Zeug auf dem Brötchen?“
„Schmeckt dir das denn nicht? Das ist echter Roboterbienenhonig. Die Grenzwerte liegen bei …
„Hör auf!“
„Verstehe – dein Albtraum. Wie wäre es denn Schatz, wenn wir uns wirklich einen Traum erfüllen?
Wir bauen uns ein Haus, pflanzen einen Weinstock und in einigen Jahren können wir gemütlich unter einem Weinstock sitzen…“
„Neeeeiiiinnn!!! Merkst du denn nicht, dass ist eine Ökofalle. Ein ZURÜCK-IN-DIE-STEINZEITFALLE.
Eine fundamentalistisch -christliche Falle ? “
„Bitte was Schatz? Ist schon gut, dein Albtraum…“
„Lass meinen Albtraum in Ruhe, vor allem aber tue nicht so, als wäre es keiner, als wären diese Visionen die Lösung.“
„Aber du wolltest doch die Umweltkrankheiten verschwinden lassen!“
„Ja doch, aber nicht so.“
„Schatz, du weißt aber schon, dass die Frösche auch…“
„Scheiß auf die Frösche. Dann werden gefälligst Roboterfrösche gebaut…“
Der/die Partner/in drückt blitzschnell auf die Austaste des/der Roboter-Kanzler/in.
Diesmal war sie/er zu weit gegangen. Er /sie muss neu programmiert werden, sonst durchschaut das Volk den Betrug. Es darf nicht erkennen, dass es ferngesteuert, durch künstliche Intelligenz regiert wird. Es muss von der Sache her genauso hart und unnachgiebig reagiert, aber emotional angenehmer verpackt werden, sonst werden die Umweltgeschädigten und unangepassten Ökofreaks zu stark…
Ende.
Autor: Gerhard Becker, CSN – Chemical Sensitivity Network, 5. Juni 2010 – TAG DER UMWELT.
Weitere CSN-Artikel zum Thema Umwelt, Umweltpolitik: